L 7 R 6054/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 175/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 6054/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1954 geborene geschiedene Klägerin verfügt über keinen Berufsabschluss; eine Ausbildung auf einer Hotelfachschule gab sie ihrem Vorbringen zufolge wegen ihrer Eheschließung im Jahr 1972 auf. Aus dieser Ehe gingen vier lebend geborene Söhne hervor (geb. April 1977, Januar 1980, November 1985 und Dezember 1993); ein Kind starb bei der Geburt, der zweitälteste Sohn verunglückte als Fünfzehnjähriger bei einem Verkehrsunfall tödlich, der älteste Sohn ist seelisch behindert. Soweit aus den Akten ersichtlich, leben alle drei Söhne noch im Haushalt der Klägerin. Zwischen Mai 1973 bis März 1977 arbeitete die Klägerin mit Unterbrechungen u.a. als Wagenpflegerin; erneut eine Pflichtversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung - zeitweise auch aus geringfügiger Beschäftigung - bestand (unterbrochen von Januar bis Dezember 2001) in den Zeiten vom 1. April 1999 bis 31. Dezember 2006 während einer Tätigkeit als Raumpflegerin. Ferner lag bei der Klägerin wegen der Pflege ihrer Mutter vom 4. März 2004 bis 3. Februar 2007 ebenfalls Versicherungspflicht vor. Seit 1. August 2006 bezieht die Klägerin - ebenso wie ihre Söhne - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Am 6. Juli 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten den hier streitgegenständlichen Rentenantrag, den sie mit einem Glaukom, grauem Star, nervlichen Problemen, Asthma sowie einer Verkrümmung der Wirbelsäule begründete. Die Beklagte holte bei Augenarzt Dr. Bü. den Bericht vom 18. August 2007 ein und veranlasste ferner eine Begutachtung durch den Orthopäden Dr. W., Chefarzt der Kurpark-Klinik Bad Sch ... Dieser Rentengutachter diagnostizierte eine chronisch rezidivierende Lumbalgie bei Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit sekundärer Dysbalance und initialer Osteochondrose L 5/S 1, eine kombinierte Cervicocephalgie und beidseitige Cervicobrachialgie bei Verdacht auf segmentale Instabilität C 5/C 6, eine Fehlhaltung der Brustwirbelsäule mit sekundärer muskulärer Dysbalance, einen Morbus Scheuermann der Brustwirbelsäule, eine reaktive Blockierung des rechten Kreuz-Darmbeingelenkes, eine Heberden-Arthrose beiderseits, sowie eine Fußfehlstatik beiderseits; er gelangte zum Ergebnis, dass die Klägerin körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne einseitige Körperhaltung sowie ohne Überkopfarbeiten in Tagesschicht noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne (Gutachten vom 27. September 2007). Durch Bescheid vom 26. Oktober 2007 lehnte die Beklagte darauf den Rentenantrag ab. Mit Schreiben vom 29. November 2007 (Eingang bei der Beklagten am 30. November 2007) bat die Klägerin zur Prüfung, ob gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt werde, um Übersendung des vorgenannten Gutachtens; dem kam die Beklagte nach. Auf deren diverse Anfragen (Schreiben vom 4. Februar, 25. Mai und 1. Juli 2008) erklärte die Klägerin schließlich mit einem am 3. Juli 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 30. Juni 2008 ausdrücklich, dass sie gegen den vorbezeichneten Bescheid Widerspruch einlege. Hierzu reichte die Klägerin noch den Befundbericht des Internisten und Lungenfacharztes Dr. Wä. vom 13. September 2008 nebst weiteren Arztbriefen ein. Die Beklagte, die zunächst von einem Überprüfungsantrag ausging, ließ die Klägerin sodann von dem Arzt für Innere Medizin - Lungen- und Bronchialheilkunde/Sozialmedizin Dr. R. begutachten; dieser hielt sie im Gutachten vom 15. Oktober 2008 - bei den Hauptdiagnosen einer verstärkten Brustwirbelsäulenkyphosierung, einer bronchialen Hyperreagibilität sowie einem latenten Asthma bronchiale (Nebendiagnosen: Glaukom, labiler Bluthochdruck, Anlagestörung und geringe degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule) - für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Arbeiten in häufiger Zwangshaltung mehr als sechs Stunden täglich leistungsfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2008 wies die Beklagte anschließend den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2007 zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 15. Januar 2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben; mit der Klageschrift hat sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung "beginnend ab 30.11.2007" beantragt. Das SG hat Dr. Bü., Dr. Wä. sowie den Orthopäden Dr. Gr. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Vom Hausarzt, dem Allgemeinmediziner Dr. W. Pi. ist außerdem die schriftliche Auskunft vom 23. April 2009 eingegangen; dort hat er sich bezüglich der erhobenen Befunde dem Gutachten des Dr. R. angeschlossen. Dr. Bü. (Schreiben vom 15. April 2009) ist diesem Gutachten auch hinsichtlich des Leistungsvermögens der Klägerin gefolgt. Ebenso hat Dr. Wä. die Klägerin im Schreiben vom 21. April 2009 für mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig gehalten; beim negativen Leistungsbild sei allerdings zu beachten, dass insbesondere Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, inhalative Belastungen sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck ungeeignet seien. Dr. Gr. hat das Leistungsvermögen der Klägerin im Schreiben vom 13. Juni 2009 für leichte bis mittelschwere Arbeiten gleichfalls mit mindestens sechs Stunden täglich beurteilt, wobei die Tätigkeiten nicht in ständigen Stehen oder Sitzen, sondern möglichst im Wechselrhythmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen erfolgen sollten. Mit Urteil vom 24. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das der Klägerin am 2. Dezember 2009 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 23. Dezember 2009 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat geltend gemacht, dass ihr von der Bundesagentur für Arbeit Ravensburg geraten worden sei, einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu stellen, weil sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei. Sie habe ihr ganzes Leben lang schwer und zuverlässig gearbeitet; sie habe bereits als Jugendliche wochenlang wegen einer Wirbelsäulenerkrankung im Gipsbett gelegen und leide seitdem an Schmerzen im Rücken. Wegen des Glaukoms, einer Erkrankung mit starken Seheinschränkungen und fortschreitender Erblindung, müsse alle zwei Stunden eine Augentropfengabe erfolgen. Wegen ihrer verschiedenen Krankheiten könne sie keine Arbeit mehr ausüben; sie schaffe kaum noch ihren Haushalt. Keiner der sie behandelnden Ärzte sei jedoch bereit, ein "verwendbares Gutachten" zu erstellen.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß):

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2008 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Juli 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Klägerin sei auch unter Berücksichtigung des "Befundberichts" des Dr. St. weiterhin in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen und der Exposition von Nässe, Kälte und Zugluft vollschichtig auszuführen.

Der Senat hat den Orthopäden Dr. St. als sachverständigen Zeugen schriftlich angehört. Dieser hat im Schreiben vom 29. April 2010 über eine einmalige Vorstellung der Klägerin am 24. März 2010 berichtet; mit dem Gutachten des Dr. W. sowie dem Schreiben des Dr. Gr. vom 13. Juni 2009 bestehe Übereinstimmung hinsichtlich der Hyperkyphose und der Fehlhaltung der Brustwirbelsäule, wobei er bezüglich der Leistungsfähigkeit der Klägerin mangels Abklärung seinerseits keine Aussage machen könne.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Dabei stehen der Berufung Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 SGG Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2007 eingelegt; erst ihr Schreiben vom 30. Juni 2008, nicht dagegen bereits ihr Schreiben vom 29. November 2007 war als solcher zu verstehen. Die Beklagte hat sich indessen im Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2008 auf die Bindungswirkung des Bescheids vom 26. Oktober 2007 nicht berufen, sondern sachlich entschieden. Dies schließt es aus, die Verspätung des Widerspruchs im Gerichtsverfahren als beachtlich zu betrachten (ständige Rechtsprechung; vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 49, 85, 87 ff. = SozR 1500 § 84 Nr. 3; zuletzt BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 12/09 R - (juris; Rdnr. 17)). Die Klägerin hat indessen keinen Anspruch auf die von ihr allein begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung, die sie - wie ihr gesamtes, insoweit vom SG verkanntes, Vorbingen ergibt - bei Auslegung ihres Begehrens im Rahmen des § 123 SGG sinngemäß ab dem Monat der Antragstellung, mithin ab 1. Juli 2007, verlangt.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin sinngemäß erst ab Juli 2007 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Kontospiegels vom 6. Juli 2007 gegeben, wenn die volle Erwerbsminderung jedenfalls im Jahr 2007 eingetreten wäre. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil sie in der streitbefangenen Zeit nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI gewesen ist. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat die Klägerin zu Recht nicht begehrt; denn sie gehört als ungelernte Arbeitnehmerin zum Kreis der Versicherten, für die bei einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen grundsätzlich keine Verweisungstätigkeiten zu benennen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 S. 33) und die deshalb keinen Berufsschutz genießen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin berühren vorwiegend das orthopädische, das internistisch-pneumologische und das augenärztliche Gebiet. Orthopädischerseits leidet die Klägerin an Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit Blockierungen sowie chronisch wiederkehrenden Rückenschmerzen bei Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule, Kopfschmerzen sowie einem Schulter-Arm-Syndrom, an einer verstärkten Verkrümmung der Brustwirbelsäule mit Reizzuständen im Zwischenwirbelbereich nach abgelaufenem Morbus Scheuermann, an Funktionsbeeinträchtigungen des linken Schultergelenks, an einer beiderseitigen Handgelenksarthrose sowie an einer beiderseitigen Fußfehlstatik. Auf internistischem Gebiet findet sich eine bronchiale Hyperreagibilität, differentialdiagnostisch ein Asthma bronchiale, sowie ein labiler Bluthochdruck, auf augenärztlichem Gebiet ein chronisches Glaukom ohne Veränderungen der Sehnerven sowie ohne Ausfälle. Diese Feststellungen trifft der Senat aufgrund der - vom Senat urkundenbeweislich zu verwertenden - Ausführungen der Rentengutachter Dr. W. und Dr. R. sowie der Äußerungen der behandelnden Ärzte Dr. Gr., Dr. St., Dr. Wä., Dr. Bü. und Dr. W. Pi ... Eine wegen des Verdachts auf eine systemische Erkrankung veranlasste laborchemische Abklärung ergab nach den Darlegungen von Dr. St. (Schreiben vom 29. April 2010) keinen Hinweis auf eine rheumatische Erkrankung. Dr. St. hat zwar deutliche Grübeltendenzen mit leicht depressiver Ausprägung beschrieben; allerdings war der psychische Befund bei Dr. R. weitgehend unauffällig. Die Klägerin war örtlich, zeitlich, zur Person und zur Situation orientiert, zeigte keine inhaltlichen und formalen Denkstörungen, das Auffassungs- und Reaktionsvermögen war regelrecht, Eigenantrieb und Eigeninitiative nicht beeinträchtigt, Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration lagen nicht vor; auch die Spontanaffektivität war weitgehend regelrecht, allerdings gelegentlich ansatzweise etwas vorwurfsvoll und ungehalten bei Zeichen einer Kränkungsreaktion.

Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen schränken ihr Leistungsvermögen nicht in rentenberechtigendem Maße ein. Sämtliche sich zur Leistungsfähigkeit der Klägerin äußernden Ärzte, die Rentengutachter Dr. W. und Dr. R. sowie die behandelnden Ärzte Dr. Gr., Dr. Wä. und Dr. Bü., haben ihr Leistungsvermögen jedenfalls mit mindestens sechs Stunden täglich beurteilt. Auch den Darlegungen von Dr. W. Pi. sowie Dr. St. lässt sich nichts anderes entnehmen. Freilich hat der Hausarzt mit den von Dr. R. erhobenen Befunden übereingestimmt; Dr. St. hat sich zu einer Aussage bezüglich der Leistungsfähigkeit der Klägerin außerstande gesehen.

Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin jedenfalls körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen in Tagesschicht noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Zu vermeiden sind Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, einseitige Körperhaltungen, Arbeiten in häufigen Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Nässe- und Zugluftexposition sowie extreme Temperaturschwankungen, inhalative Belastungen sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck; Bildschirmarbeiten sind nach Darstellung des Dr. Bü. (Bericht vom 18. August 2007) nicht von vornherein ausgeschlossen, allerdings wegen der nicht zu vermeidenden Tropftherapie wesentlich erschwert. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) sowie eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10) hat keiner der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Ärzte beschrieben.

Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Eine - trotz mindestens sechsstündiger Leistungsfähigkeit - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende Ausnahme ist allerdings dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil die Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder ihre Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannte beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, Arbeiten ohne Zwangshaltungen sowie Überkopfarbeiten (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen (ungünstige Witterungseinflüsse, keine Arbeiten unter Zeitdruck); sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117). Körperlich leichte Arbeiten werden im Übrigen nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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