L 5 AS 239/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 12 AS 1439/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 239/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Mietschulden zur Abwendung einer Räumungsklage nach den Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am ... 1957 geborene Antragsteller hatte vom Antragsgegner ab dem 6. Oktober 2009 Leistungen nach dem SGB II einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) erhalten. Dieser hatte die bewilligten Leistungen ab dem 1. August 2010 wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflichten vollständig entzogen. Der erkennende Senat hatte den Antragsgegner mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 (L 5 AS 374/10 B ER) verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 5. bis 31. Oktober 2010 vorläufig 611,28 EUR zu gewähren. Die nachfolgenden Anträge auf Zahlung von Leistungen nach dem SGB II sind bis heute von dem Antragsgegner unter Hinweis auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten versagt worden. Weitere Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sind bisher ohne Erfolg geblieben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des erkennenden Senats vom 25. März 2011 (L 5 AS 71/11 B ER) und 19. Juli 2011 (L 5 AS 145/11 B ER) verwiesen. Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Zeiträume ab November 2010 sind noch beim erkennenden Senat anhängig (L 5 AS 236/11 B ER und L 5 AS 348/11 B ER).

Der Antragsteller hatte ab dem 15. Oktober 2009 einen Mietvertrag über eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Miete i.H.v. zuletzt 326,84 EUR/Monat abgeschlossen. Die letzte Mietzahlung erfolgte für Juli 2010. Am 10. November 2010 wurde das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Die am 20. Dezember 2010 erhobene Räumungsklage wurde dem Antragsteller nach seinen Angaben am 17. Februar 2011 zugestellt. Dieser ist ein Zahlungsrückstand i.H.v. insgesamt 2.342,04 EUR zu entnehmen.

Der Antragsteller beantragte am 21. Februar 2011 bei der Landeshauptstadt Magdeburg die Übernahme seiner Mietschulden. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2011 ab, da die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht vorlägen. Dagegen stellte der Antragsteller am 23. März 2011 beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 16 SO 46/11 ER). Er begehrte, die Mietschulden nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) zu übernehmen, hilfsweise ein Darlehen zu bewilligen.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 13. April 2011 ab. Zwar sei ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Eine Mietschuldenübernahme nach dem SGB XII komme aber nicht in Betracht, da der Antragsteller nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II von einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sei. In Bezug auf einen Anspruch gemäß § 22 Abs. 5 SGB II habe "das Gericht ein - weiteres - einstweiliges Anordnungsverfahren in der für den Antragsteller zuständigen 12. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg angelegt".

Im Rahmen des dagegen gerichteten Beschwerdeverfahrens (L 8 SO 10/11 B ER) teilte der Prozessbevollmächtigte der Vermieterin mit Schreiben vom 27. Mai 2011 mit, ein Räumungsurteil sei noch nicht ergangen. Wegen des Ablaufs der Frist nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne die Räumung der Wohnung durch eine Begleichung der Mietschulden nicht mehr abgewendet werden. Der 8. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt wies die Beschwerde mit Beschluss vom 1. Juni 2011 zurück. Im Ergebnis zu Recht habe das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Weder gegenüber der Landeshauptstadt Magdeburg noch gegenüber einem gegebenenfalls beizuladenen Träger im Sinne des SGB II könne der Antragsteller eine Befriedigung der fälligen Ansprüche seiner Vermieterin verlangen. Ein Anspruch ergebe sich weder aus § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II noch aus § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Der Erfolg der Räumungsklage könne mit einer Befriedigung ihrer Ansprüche nicht mehr abgewendet werden. Die Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei spätestens am 17. April 2011 abgelaufen. Von Seiten der Vermieterin bestehe auch nicht die Bereitschaft, entsprechende Zahlungen nach Ablauf der Frist noch entgegen zu nehmen.

Das in dem Rechtsstreit S 16 SO 46/11 ER abgetrennte Verfahren ist beim Sozialgericht Magdeburg am 13. April 2011 als neues Verfahren gegen den Antragsgegner unter dem Aktenzeichen S 12 AS 1439/11 ER eingetragen worden. Dieser hat eingewendet, er sei nicht passiv legitimiert. Laut der Kooperationsvereinbarung zwischen der Agentur für Arbeit Magdeburg und der Landeshauptstadt Magdeburg vom 22. November 2010 sei die Landeshauptstadt gemäß § 44b Abs. 4 SGB II zuständig für Leistungen nach den § 22 Abs. 5 bis 7 SGB II (u.a. Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder einer vergleichbaren Notlage).

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 27. Juni 2011 abgelehnt. Für die streitige Entscheidung sei der Antragsgegner zuständig. Interne Zuständigkeitsvereinbarungen änderten die gesetzliche Zuständigkeit nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht (Hinweis auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 16. September 2010, L 5 AS 288/10 B ER). Es bestehe jedoch kein Anordnungsanspruch, da die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht vorlägen. Der Antragssteller beziehe derzeit keine Leistungen für die KdU, denn diese seien ihm zu Recht versagt worden. Es sei nicht Sinn und Zweck des Darlehens, die Ablehnung der Leistungsbewilligung wegen fehlender Mitwirkung zu umgehen.

Gegen den ihm am 30. Juni 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30. Juni 2011 Beschwerde eingelegt. Er habe mehrfach die "Verletzung der Wahrheitspflicht mit § 38 DRiG" sowie die "Missachtung der Entscheidung des BVerfG mit der Bindungswirkung § 31 BVerfGG" gerügt. Ergänzend hat der Antragsteller am 10. September 2011 eine Erklärung der Vermieterin vom 5. Juli 2011 vorgelegt. Danach sei diese bei Bereitschaft des Antragsgegners zur Begleichung der Rückstände bereit, eine "Fortsetzung des Mietverhältnisses und zwar auch ohne Berücksichtigung der Schonfrist zu überprüfen."

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Juni 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig die Mietschulden zu übernehmen, hilfsweise ihm ein entsprechendes Darlehen zu bewilligen.

Der Antragsgegner hat keine Ausführungen gemacht.

Das Gericht hat die Gerichtsakte des Verfahrens L 8 SO 10/11 B ER beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstands in der Hauptsache würde hier 750,00 EUR übersteigen. Der Antragsteller begehrt die Übernahme von Mietschulden i.H.v. 2.342,04 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Schulden im Wege eines Zuschusses oder eines Darlehens abgelehnt.

Nach § 22 Abs. 8 SGB II i.d.F. ab dem 1. Januar 2011 können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

Der Senat kann hier offen lassen, ob der Antragsgegner für die begehrte Mietschuldenübernahme sachlich zuständig ist (so Beschluss des erkennenden Senats vom 16. September 2010, L 5 AS 288/10 B ER und L 5 AS 289/10 B, vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2010, L 2 AS 451/09; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. November 2010, L 7 AS 606/10 B ER, juris). Denn ein Leistungsanspruch ergäbe sich ihm gegenüber auch bei dessen Zuständigkeit nicht.

Hier ist ein Anspruch des Antragstellers gemäß § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II oder § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gegen die Landeshauptstadt Magdeburg mit Beschluss des 8. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. Juni 2011 unanfechtbar abgelehnt worden. Dagegen ist gemäß § 177 SGG kein Rechtsmittel möglich ist, sodass er in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 44). Eine Abänderung oder Aufhebung dieses Beschlusses durch den erkennenden Senat käme daher nicht in Betracht.

Der Senat hat auch davon abgesehen, gemäß § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG die Landeshauptstadt Magdeburg zum Verfahren beizuladen. Danach ist ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende beizuladen, wenn sich im Verfahren ergibt, dass dieser bei der Ablehnung des Anspruchs als leistungspflichtig in Betracht kommt. Diese Voraussetzung liegt aus den o.g. formellen Gründen wegen der Rechtskraft des Beschlusses des 8. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. Juni 2011 nicht vor.

Soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen, die Vermieterin sei nun im Falle einer Schuldentilgung zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit, einen Abänderungsantrag gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG analog stellen will, wäre hierfür das Hauptsachegericht, also das Sozialgericht Magdeburg, oder der 8. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt zuständig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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