L 8 KR 335/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 149/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 335/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 124/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine abhängige Beschäftigung in einer Einzelfirma eines nahen Familienangehörigen liegt auch dann vor, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles der als Arbeitnehmer geführte (leitende) Angestellte oder Fremdgeschäftsführer auf Grund seiner Stellung in der Familie faktisch vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke des Unternehmens hat und wie ein Alleininhaber „frei Schalten und Walten kann“.

Maßgeblich ist allein die Rechtsmacht des Firmeninhabers. Im Konfliktfall, z.B. wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann von den vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder Gebrauch gemacht werden, so etwa auch von einem Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann für eine abhängige Beschäftigung ausschlaggebend sein zu lassen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden ist.
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. September 2009 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Betrieb ihres Ehemannes, dem Beigeladenen zu 2., in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 30. November 2008 abhängig beschäftigt war und damit der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Die 1972 geborene Klägerin hat den Beruf der Schneiderin und Näherin erlernt. Der Versicherungsverlauf der Beigeladenen zu 1. und Berufungsklägerin weist für sie ab 20.07.1989 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere ab 1. April 1999 aus. Seit 1. Dezember 2008 ist die Klägerin auf Minijob-Basis im Betrieb ihres Ehemannes tätig. Sie wird bei der Beklagten seit 1. Januar 2001 als krankenversichertes Pflichtmitglied geführt.

Der Ehemann der Klägerin betreibt in D-Stadt einen Kundendienst für Hausgeräte des Herstellers XY ... Bis zum 31.12.2000 hatte er dieses Handelsgeschäft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Herrn D. D. geführt. Letzterer war auf Grund notariellen Vertrages vom 13. August 2001 aus dieser Gesellschaft ausgeschieden. Der Ehemann der Klägerin führte sodann entsprechend dem Notarsvertrag das Handelsgeschäft als Einzelhandelskaufmann unter der Firma D. & A. e.K., Inhaber B. A., fort. Die Klägerin war im streitgegenständlichne Zeitraum in dieser Firma tätig, wobei sie für das Ladengeschäft und die Buchführung zuständig war, während ihr Ehemann den Reparaturbetrieb führte. Die Klägerin erhielt für ihre Tätigkeit ein monatliches Entgelt, das regelmäßig auf ein privates Konto überwiesen wurde, für das Lohnsteuer entrichtet wurde und das als Betriebsausgabe gebucht wurde. Das Steuerberaterbüro erstellte die für die Klägerin bestimmten monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen mit Angaben zu Urlaubs- und Krankheitstagen. Die Firmenbuchhaltung und die Steuererklärungen wurden gleichfalls von dieser Steuerberaterkanzlei erstellt. Die Eheleute sind gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Einkommensteuerbescheide für 2001 und die Folgejahre weisen für den Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb und für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. Ein schriftlicher Anstellungs- oder Arbeitsvertrag existiert nicht.

Am 27. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten festzustellen, dass sie seit 1. März 1996 nicht der Sozialversicherungspflicht im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Firma ihres Ehemannes unterliege. In dem Feststellungsbogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung teilten die Klägerin und ihr Ehemann mit, die Klägerin sei für den kaufmännischen Bereich sowie für die Einstellung und Einarbeitung von Personal zuständig. Sie übe ihre Tätigkeit im Betrieb sowie im Home Office aus. Das durchschnittliche wöchentliche Arbeitsvolumen richte sich nach dem Bedarf. Auch die Arbeitszeit sei nicht fest, sondern erfolge nach ihrem Belieben. Ohne ihre Mitarbeit hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Sie könne ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Sie wirke aufgrund besonderer Fachkenntnisse bei der Weiterführung des Betriebs mit. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Regelungen zu Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit seien nicht getroffen worden. Ihr Gehalt entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn, weil dieser aus familienhafter Rücksichtnahme den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens angepasst sei und daher zurzeit weit unter dem Ortsüblichen liege. Sie erhalte unregelmäßig Weihnachtsgeld. Das Gehalt werde zeitweise verspätet ausgezahlt. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Girokonto überwiesen. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und es werde als Betriebsausgabe verbucht. Der Ehemann der Klägerin teilte noch mit, die Klägerin trage die gleiche Verantwortung wie er. Seit dem 1. März 1996 bestehe eine mündliche Handlungsvollmacht, welche in der Praxis definitiv ausgeübt werde. Alle Entscheidungen würden in enger Zusammenarbeit getroffen. Die Klägerin führte weiter an, sie habe hin und wieder auf ihr Gehalt für eine bestimmte Zeit verzichtet. Je nach wirtschaftlicher Lage habe sie darauf verzichtet, das Gehalt zum Anfang des jeweiligen Monats zu erhalten. Damit sei der Firma ihres Mannes indirekt ein Darlehen zur Verfügung gestellt worden.

Mit Bescheid vom 2. November 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihre Tätigkeit im kaufmännischen Bereich seit dem 1. Januar 2001 im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Sie sei in den Betrieb ihres Ehemanns eingegliedert und übe die Tätigkeit dort tatsächlich aus. Ohne ihre Mitarbeit hätte eine fremde Kraft eingestellt werden müssen. Sie beziehe ein angemessenes Gehalt, von dem Lohnsteuer entrichtet und das als Betriebsausgabe verbucht werde. Eine ab und zu verspätete Gehaltszahlung könne nicht als Quasidarlehen angesehen werden. Angesichts ihrer Berufsausbildung zur Schneiderin könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei der Führung des Betriebes im XY.-Kundendienst aufgrund besonderer Fachkenntnisse mitwirke.

Dagegen erhob die Klägerin am 1. Dezember 2006 Widerspruch. Sie trug über ihren Prozessbevollmächtigten vor, eine Eingliederung ihrer Person in den Betrieb liege nicht vor. Sie bestimme insbesondere in eigener Zuständigkeit über Ort, Art, Zeit und Inhalt ihrer Tätigkeit. Es liege eine organisatorische Arbeitsteilung der Ehegatten im gleichberechtigten Miteinander vor. Ihr Gehalt sei nicht angemessen, sondern viel zu niedrig, gemessen an Inhalt und Umfang der Tätigkeit. Der sonst übliche Interessensgegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber existiere vorliegend nicht. Sie habe neben dem als regelmäßig zu bezeichnenden Gehaltsverzicht auch immer wieder privates Geld für die Firma verwendet, was einer privaten Einlage gleichkomme, da keine Verzinsung und keine Rückzahlungsmodalitäten vereinbart worden seien. So seien am 9. August 2004 10.000 EUR, am 10. August 2004 erneut 10.000 EUR und am 3. August 2004 wiederum 5.000 EUR überwiesen worden. Ein unternehmerisches Risiko und eine gewisse unternehmerische Beteiligung seien mithin gegeben. Normale Arbeitskräfte würden kaum immer wieder mit ihrem Geld den Kontostand des Arbeitgebers ausgleichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. In der Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass die Einkünfte für ungelernte kaufmännische Angestellte mit 35 bis 37 Stunden pro Woche zwischen 1.326,00 und 1.942,00 EUR monatlich lägen. Das von ihr bezogene Arbeitsentgelt sei durchaus angemessen. Die Arbeitgeberin habe ihre Verpflichtungen, die maßgebliche Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, eingehalten. Ebenso seien die Meldungen abgegeben und die Beiträge zur Gesamtssozialversicherung regelmäßig abgeführt worden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Vorgehensweise seien über viele Jahre nicht geäußert worden. Die Klägerin trage kein Unternehmensrisiko. Sie erhalte ein angemessenes und monatlich gleich bleibendes Gehalt, unabhängig von der Geschäftslage des Unternehmens. Eine verzögerte Gehaltszahlung könne nicht als private Einlage bezeichnet werden. Verzögerungen bei Gehaltszahlungen kämen auch leider häufig in Beschäftigungsverhältnissen ohne familiären Hintergrund vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Juni 2007 Klage zum Sozialgericht Darmstadt. Auf Anforderung des Gerichts legte sie die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2006, die Dezember-Gehaltsabrechnungen für die Jahre 2001 bis 2007, Kopien von Kontoauszügen ihres privaten Kontos vor. Danach betrug die monatliche als Gehaltszahlung ausgewiesene Summe im Jahre 2001 3.000,00 DM, im Jahr 2002 1.600,00 EUR, in den Jahren 2003 und 2004 2.183,00 EUR, in den Jahren 2005 und 2006 1.383,00 EUR und im Jahr 2007 1.517,81 EUR. Das Sozialgericht hörte im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung die Klägerin sowie deren Ehemann persönlich.

Mit Urteil vom 4. September 2009 gab das Sozialgericht der Klage statt und tenorierte wie folgt: Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2007 wird aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 30. November 2008 in ihrer Tätigkeit für die Firma D. & A. e.K. nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Zur Begründung führte es aus: Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlägen in der Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), in der Rentenversicherung gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) der Versicherungs- und Beitragspflicht. Die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB Xl) wiederum versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) sei Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen für die Kammer kein Anlass bestehe, setze eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimme. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne seien die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliege, ergäbe sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt sei dabei zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lasse. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich sei (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R; HLSG, Urteil vom 20. September 2007, L 1 KR 355/04).

Nach diesen Grundsätzen sei auch bei nahen Angehörigen die Arbeitnehmerschaft zu prüfen, wobei in einem solchen Fall das Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung nicht nur von der selbständigen Tätigkeit als Mitunternehmer abzugrenzen sei, sondern auch von der bloßen familienhaften Mithilfe. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis unter Verwandten setze daher voraus, dass die Betreffenden ernsthaft ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis gewollt und dieses auch vereinbarungsgemäß durchgeführt hätten, wie dies zwischen Fremden üblich wäre. Neben der Eingliederung des beschäftigten Verwandten in den Betrieb und einem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsverhältnis des Arbeitgebers müsse der Familienangehörige ein Entgelt erhalten, das noch einen angemessenen Gegenwert für geleistete Arbeit darstelle, mithin über den freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgehe. Die Vergütung müsse mit einem Tariflohn wenigstens vergleichbar sein, also nicht wesentlich abweichen, regelmäßig bezahlt, als Betriebsausgabe verbucht werden und dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Weitere Abgrenzungskriterien seien, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit Beschreibung des Tätigkeitsbereiches, der regelmäßigen Arbeitszeit, der angemessenen Vergütung und einer Vereinbarung über die Zahlung der Vergütung geschlossen worden sei und ob der Familienangehörige eine fremde Arbeitskraft ersetze. Soweit sich die Tatsachengrundlage objektiv nicht aufklären lasse, trage derjenige den rechtlichen Nachteil, der sich auf sie beruft (HLSG, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend würden in ihrer Gesamtheit die Umstände überwiegen, die dafür sprechen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Firma ihres Ehegatten gestanden habe. Die Kammer sei insbesondere nach persönlicher Anhörung der Klägerin und ihres Ehegatten im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Eheleute gemeinsam den XY.-Kundendienst als Mitunternehmer führten. Sie beschäftigten in der Regel, abgesehen von gelegentlichen Aushilfen, keine weiteren Mitarbeiter. Die Aufgaben innerhalb des Betriebes seien verteilt. Während der Ehemann im Außendienst tätig sei und insbesondere Geräte repariere, sei die Klägerin insbesondere für das Ladengeschäft mit langen Öffnungszeiten und die Bürotätigkeit zuständig. Dort sei die Klägerin insbesondere für den Verkauf der Geräte, für Kundenkontakte aller Art sowie für den Verkauf und die Bestellung von Ersatzteilen zuständig. Weiter bereite sie die gesamte Buchhaltung für das beauftragte Steuerbüro vor. Insoweit nehme sie sich auch Arbeit mit nach Hause in ihr Home-Office, wo sie etwa weitere 10 Stunden pro Woche für die Firma tätig sei. Zwar werde ihr ein Gehalt überwiesen. Dabei handele es sich jedoch nicht um ein typisches Gehaltskonto eines Arbeitnehmers. Vielmehr würden auf diesem Konto das Gehalt der Klägerin sowie Rücklagen in Höhe von 600,00 EUR durch den Ehemann angesammelt, wovon Steuervorauszahlungen, Steuernachzahlungen für die Firma oder aber auch private Dinge wie Urlaubsreisen finanziert würden. Auch wenn die Eheleute sicherlich darin frei seien, wie sie ihre private Sphäre - auch finanziell - organisieren, sehe die Kammer es als gewichtiges lndiz an, dass von diesem Konto vielfach Zahlungen zu Gunsten der Firma erfolgten. Insbesondere gelange dieses Geld nicht in die allgemeine Haushaltsführung. Beachtlich sei vorliegend auch, dass sowohl der Ehemann Zugriff auf dieses Konto habe wie auch umgekehrt die Klägerin auf die privaten Konten bzw. die Geschäftskonten ihres Ehemanns.

Die Klägerin habe ihre Gehaltsabrechnungen der vergangenen Jahre vorgelegt. Aus diesen werde ersichtlich, dass ihr Lohn während der Jahre erheblich schwankte und nach dem glaubhaften Vorbringen der Klägerin und ihres Ehemanns im Rahmen der mündlichen Verhandlung jeweils davon abhängig gewesen sei, welchen Gewinn die Firma machte. Während das Gehalt bis zum Jahr 2004 auf 2.183,00 EUR anstieg, sei das Entgelt in den Jahren 2005 und 2006 auf 1.383,00 EUR abgesenkt worden und dann wieder im Jahre 2007 auf 1.517,81 EUR angestiegen. Derzeit beziehe die Klägerin einen Lohn auf Minijobbasis. Zu keinem Zeitpunkt innerhalb der letzten Jahre hätten sich jedoch ansonsten die Modalitäten der Arbeit, insbesondere die Arbeitszeit geändert.

Die 20.000,00 DM, die bei Übernahme des Unternehmens investiert wurden, hätten die die Klägerin und ihr Ehemann aus gemeinsamen Ersparnissen aufgebracht. Auch ansonsten habe die Klägerin für Investitionen der Firma gehaftet. So sei der Darlehensvertrag im Jahr 2006 für die Anschaffung eines Transportfahrzeuges für die Firma von beiden Eheleuten unterzeichnet worden.

Damit stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin ein erhebliches Unternehmerrisiko eingegangen sei. Sie sei hinsichtlich der monatlichen Entlohnung nicht mit einem normalen Arbeitnehmer vergleichbar. Vielmehr sei ohne weiteres erkennbar, dass die Höhe der Entlohnung ausschließlich von der Rentabilität des Unternehmens abhinge.

Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Klägerin teilweise ihr Einkommen verspätet überwiesen bekommen habe. Im Zusammenhang mit den Gehaltsschwankungen zeige dies, dass die Klägerin in jeder Hinsicht von den Umsätzen des Unternehmens abhängig gewesen sei. Außerdem hätten die Klägerin und ihr Ehemann die Organisation der Firma unter sich aufgeteilt. Jeder von beiden sei für einen bestimmten Teilbereich des Unternehmens eigenverantwortlich tätig gewesen. Während der Ehemann den Reparaturbetrieb durchführte, sei die Klägerin für das Ladengeschäft und die Buchführung zuständig gewesen. Insoweit sei die Klägerin auch, was die Lage der Arbeitszeit und den Ort der Arbeitserbringung angehe, frei gewesen. Denn abgesehen von den Ladenöffnungszeiten, die natürlich auch von ihr zu beachten gewesen seien, habe sie die Tätigkeiten für die Buchführungsarbeiten so gelegt, wie es für sie sinnvoll gewesen wäre.

Soweit die Beklagte vortrage, die Klägerin verfüge über keine branchenspezifischen Kenntnisse, folge die Kammer dem nur teilweise. Sicherlich habe die Klägerin eine fachfremde Ausbildung durchlaufen. Sie hätte aber die Gelegenheit gehabt, sich in ihre Aufgabengebiete über die Zeit einzuarbeiten. Denn als sie 1996 dort tätig wurde, hätte die Firma noch weitere Mitarbeiter beschäftigt, insbesondere bis etwa 1998 oder 1999 eine Bürokraft. Außerdem bereite die Klägerin die Buchhaltung lediglich vor, während die Abschlüsse durch ein Steuerbüro gefertigt würden. Auch in den Verkauf der Maschinen hätte sich die Klägerin über einen längeren Zeitraum einarbeiten können. Schließlich habe sie im Rahmen des Verfahrens Unterlagen vorgelegt, wonach sie sich bezüglich des Verkaufsprogramms fortgebildet habe.

Zwar weise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass bei der Klägerin Lohnsteuer abgeführt und das Gehalt als Betriebsausgabe verbucht worden sei. Außerdem sei zutreffend, dass jahrelang die Vorteile der Absicherung seitens der Klägerin genutzt hätten werden können. Insoweit stehe auch die Kammer grundsätzlich auf dem Standpunkt, dass bei der Beurteilung jahrelang "gelebter Beschäfigungsverhältnisse unter Angehörigen der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, staatlicher Förderungen oder steuerlicher Vorteile eine besondere Bedeutung bei der Gesamtabwägung mit der Folge zukomme, dass nur bei offensichtlich fehlerhafter Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status eine rückwirkende Feststellung erfolgen könne. Einen derartigen Fall sehe die Kammer jedoch vorliegend gegeben. Hierfür spreche etwa auch, dass zwischen den Eheleuten zu keinem Zeitpunkt ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Aufgrund des Vortrags der Klägerin und ihres Ehemanns im Rahmen der mündlichen Verhandlung stelle sich vorliegend die Fallkonstellation für die Kammer so dar, dass die Eheleute im Jahr 1996 gemeinsam die Entscheidung getroffen hätten, das Unternehmen, in dem der Ehegatte der Klägerin zuvor als Arbeiter beschäftigt gewesen sei, gemeinsam zu übernehmen und sie zusammen sowohl ihr erspartes Geld investierten als auch gemeinsam Verpflichtungen eingegangen seien. Auch die häusliche Situation der Klägerin und ihres Ehemanns sprächen für eine derartige Konstellation. Denn die gemeinsamen Kinder würden von der Schwiegermutter der Klägerin, die im gleichen Haus wohne, betreut.

Gegen das ihr am 29. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1. – die Deutsche Rentenversicherung Bund – mittels Telefaxschreiben, das mittlerweile im Original zur Akte gereicht worden ist (Bl. 180 Gerichtsakte) am 30. November 2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach dem Geschehensablauf im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin, nämlich deren Führung als Arbeitnehmerin mit Lohnsteuerabführung, monatlicher Gehaltsabrechnung, Verbuchung der Entgelte als Betriebsausgabe und nicht als Privatentnahmen, sei auf eine abhängige Beschäftigung zu schließen. Bei dieser Sachlage lasse sich auch nicht durch spätere Angaben der Beteiligten, es habe keine Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden Familienangehörigen bestanden, auf eine nicht abhängige Tätigkeit schließen.

Die Beigeladene zu 1. und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, eine rückwirkende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe der Gesetzgeber nicht ausgeschlossen. Das Abstellen auf die Entrichtung von Lohnsteuer aus dem von der Klägerin bezogenen Entgelt und dessen Verbuchung als Betriebsausgabe sei fehlerhaft. Im Steuerrecht würden andere Kriterien für die Bestimmung der Arbeitnehmerschaft als im Sozialrecht gelten. Die Klägerin habe auch zumindest durch ihren teilweisen Verzicht auf eine angemessene Vergütung unmittelbar ein unternehmerisches Risiko in Bezug auf die Firma getragen. Rechtlich könne von einer stillschweigend gegründeten Innengesellschaft ausgegangen werden, bei der der Klägerin eine Mitunternehmerschaft zuzubilligen sei.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von den Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. war das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. September 2009 aufzuheben.

Die Berufung der Beigeladenen zu 1. ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ist sie durch das Feststellungsurteil des Sozialgerichts beschwert und damit befugt, dagegen das Rechtsmittel der Berufung einzulegen.

Die Berufung der Beigeladenen zu 1. ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt ist der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2007 rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend mit diesen angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass die Klägerin in der hier nur streitgegenständlichen Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. November 2008 mit ihrer Tätigkeit im Betrieb ihres Ehemannes der Sozialversicherungspflicht und damit der Beitragspflicht zur Kranken-, sozialen Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenförderung unterlag.

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beklagte ist hier die nach § 28 i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle, weil diese bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Krankenversicherung durchführte. Das daneben bestehende Recht, ein Anfrageverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV durchzuführen, für das die Beigeladene zu 1. bzw. ihr Rechtsvorgänger zuständig ist, lässt eine Zuständigkeit der hier zuerst angegangenen Beklagten gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV schon deshalb nicht entfallen, weil für die Abgrenzung das Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2009 – 12 KR 31/07 R).

Hinsichtlich der materiellrechtlichen Vorgaben gilt dabei Folgendes: Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bis 31.12.1997 und ab 1.1.1998 § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III ). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit 1.1.1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (eingefügt erst mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl. I 2000 S. 2) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3 2400 § 7 Nr. 20, vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine in Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 4; SozR 3-4100, § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Dabei ist die praktizierte Beziehung aber nur insoweit maßgeblich, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu: BSG, SozR 4-2400, § 7 Nr. 7).

Die Frage, ob zwischen Angehörigen eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt oder ggf. eine nichtversicherungspflichtige Mitarbeit auf familienrechtlicher Basis (familienhafte Mithilfe) erfolgt – beurteilt sich nach den gleichen Grundsätzen, wie sie allgemein für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebend sind. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen kann nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen angenommen werden, wenn der Angehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlich ausübt, der Angehörige dem Weisungsrecht des Arbeitgebers – wenn auch in abgeschwächter Form – unterliegt, der Angehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt wird, ein der Arbeitsleistung angemessenes (d. h. im Regelfall ein tarifliches oder ortsübliches) Arbeitsentgelt vereinbart ist und auch regelmäßig gezahlt wird, von dem Arbeitsentgelt regelmäßig Lohnsteuer entrichtet wird und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wird. Beim Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung eines Familienangehörigen ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgeltes lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2002 – B 11 AL 34/02 R). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht es grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist als zwischen nicht verwandten Personen und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSGE 34, 207, 210; BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 1; SozR 3-4100, § 168 Nr. 11). Dabei hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung (Urteile vom 28.09.1011 L 8 KR 300/10 und L 8 KR 79/10; Urteile vom 25.02.2010 L 8 KR 81/09 und L 8 KR 246/08) fest, dass entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin und derjenigen, welche in den von ihrem Prozessbevollmächtigten angeführten sozialgerichtlichen Entscheidungen (z. B. Urteil LSG Rheinland-Pfalz vom 23.09.2010 – L 5 KR 204/09; Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.05.2009 – L 1 KR 293/07 und vom 14.09.2010 – L 1 KR 222/10) vertreten wird, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht bereits dann verneint werden kann, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles der als Arbeitnehmer geführte (leitende) Angestellte oder Fremdgeschäftsführer faktisch vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke des Unternehmens hat und wie ein Alleininhaber "frei Schalten und Walten kann". Diese Sichtweise stellt vor allem auf die Praxis bei sog. Familiengesellschaften ab, bei denen der Geschäftsführer oder leitende Angestellte mit den Geschäftsinhabern familiär verbunden ist und aufgrund seiner Stellung in der Familie die Geschäfte der Firma nach eigenem Gutdünken führt und die Ordnung des Betriebes gestaltet. Dabei wird aber vernachlässigt, dass diese Gestaltungsmacht nur in "ruhigen Zeiten" Bestand hat. Latent weiter existiert jedoch die Rechtsmacht der Firmeninhaber oder Gesellschafter. Sie entfällt nicht dadurch, dass rechtliche Vereinbarungen in Anstellungs- und Geschäftsführerverträgen "in guten Zeiten" so behandelt werden, als würden sie "nur auf dem Papier stehen" und von ihnen faktisch kein Gebrauch gemacht wird. Im Konfliktfall, z.B. wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann von den vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder Gebrauch gemacht werden, so etwa auch von einem Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann als ein für abhängige Beschäftigung sprechendes Kriterium zu berücksichtigen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht wird (so zutreffend Segebrecht in: juris PK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7 Abs. 1 SGB IV Rz. 123 f. für Fremdgeschäftsführer einer GmbH). Ob bei dazu bestehender Rechtsmacht tatsächlich von ihr Gebrauch gemacht wurde und damit auf die Tätigkeit eines Geschäftsführers oder leitenden Angestellten tatsächlich Einfluss genommen wurde, ist auch deshalb unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung dann wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht der Rechtsmachtinhaber beanstandungsfrei ausgeübt wurde. Dies kann jedoch kein rechtlich entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.03.2010 L 16 (5) KR 190/08).

Auch das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 27.01.2007 (B 12 KR 31/06 R) diese Position vertreten. Es führt wörtlich aus: "Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der beigeladenen GmbH erlaubt unter Zugrundelegung des "Anstellungsvertrages" vom 5. März 1992 eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Diese vertraglichen Regelungen sind für die Beurteilung hier maßgebend. Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Eine formlose Abbedingung der entsprechenden Abreden des schriftlichen Anstellungsvertrages durch schlüssiges Verhalten ist schon nach dem ausdrücklich bekundeten Willen der Vertragsparteien ausgeschlossen, da sich die vertraglichen Vereinbarungen erschöpfend aus diesem Vertrag und seinen etwaigen schriftlichen Anlagen ergeben, Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung unwirksam ist. Auf den Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen zu 3., der Vertrag sei "nicht gelebt worden", kann es schon deshalb nicht ankommen. Soweit sich die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf berufen hat, der Vertrag sei so allein aus steuer- bzw. haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossen worden, geht sie unzutreffend davon aus, es unterliege ihrer Disposition, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken. Umgekehrt gilt vielmehr, dass dann, wenn eine vertragliche Gestaltung durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgebend ist " (zitiert nach juris, Rz. 20).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich hier Folgendes: Die Klägerin und ihr Ehemann hatten im Rahmen des Antragsverfahrens vom Juni 2006 auf dem von ihnen ausgefüllten Festellungsbogen angegeben, die Klägerin erhalte ein Arbeitsentgelt, das auf deren privates Girokonto überwiesen werde. Weiter wurde ausgeführt, von der gezahlten Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und diese werde als Betriebsausgabe verbucht. Dass in dieser Weise auch faktisch verfahren wurde, ergibt sich ganz eindeutig aus den von der Klägerin auf Verlangen des Gerichts vorgelegten Gehaltsabrechnungen, welche von einem Steuerberaterbüro erstellt wurden. Weiter erweisen die dem Gericht nach Beiziehung der Einkommensteuerakte vorliegenden Einkommensteuerbescheide, dass in dem streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber der Steuerbehörde Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur in Bezug auf den Ehemann der Klägerin nicht aber auf sie selbst geltend gemacht wurden. In den gemeinsamen Veranlagungen der Eheleute sind für die Klägerin nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn) aufgeführt, was sich wiederum mit der belegten Abrechnung Lohnabrechnungspraxis deckt.

Die Tätigkeit der Klägerin wurde somit eindeutig als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in der Firma des Ehemannes klassifiziert. Hieraus hat die Beklagte zutreffend abgeleitet, dass die – ohne schriftlichen Arbeitsvertrag – praktizierte Verfahrensweise typisch für ein Beschäftigungsverhältnis und damit für eine abhängige Beschäftigung sei. Dafür spricht auch, dass die vorgelegten Gehaltsabrechnungen keine Bestandteile enthalten, die auch nur ansatzweise auf eine Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Weiter wurde das gezahlte Entgelt als betriebsbedingter Aufwand im Rahmen der Firma des Ehemannes der Klägerin erfasst. Gerade die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten als Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherung beruhen auf dem gleichen Rechtsbegriff des "entgeltlichen" Beschäftigungsverhältnisses. Wesentlich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist deshalb die Art der Verbuchung und Versteuerung der Bezüge der Verwandten. Werden die Bezüge nicht als Privatentnahmen, sondern als Betriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so haben die Beteiligten damit für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses gestellt haben. Wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so wird regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.1993 – B 11 RAr 67/92 – USK 9335).

Ist nach den äußeren Erscheinungsformen von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so lässt sich dies auch nicht mehr durch Aussagen der Beteiligten über das angebliche Fehlen der Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden Angehörigen ausräumen. Weisungsgebundenheit kann bei Beschäftigungen von Verwandten naturgemäß in sehr abgeschwächter Form auftreten und ist wegen der Undurchsichtigkeit der familiären Beziehungen ohnehin kaum messbar.

Schließlich war und ist die Klägerin auch nicht am Unternehmensrisiko der Einzelfirma ihres Ehemannes beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. 05. 2008 – B 12 KR 13/07 R). Die Klägerin ist nicht rechtsförmlich am Unternehmen ihres Ehemannes beteiligt. Rechtlich hätte daher nur der Ehemann von etwaigen Gläubigern der Einzelhandelsfirma in Haftung genommen werden können. Auch reicht allein die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaft unter Eheleuten nicht aus, um eine nach außen hin durchweg als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dokumentierte Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderen Ehegatten als unternehmerische Tätigkeit einzustufen. Durch die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaft enthält der Darlehensgeber keine Befugnisse, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein Betriebsrisiko, denn die Tragung dieser Risiken findet ihre Rechtfertigung in den zugrundeliegenden ehelichen Beziehungen. Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens eines der Ehegatten. Zudem werden selbstschuldnerische Bürgschaften üblicherweise von Kreditinstituten bei der Kreditgewährung an verheiratete Schuldner verlangt.

Zusammenfassend überwiegen somit die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen bei Weitem. Auch der Senat ist, wie das Bayrische Landessozialgericht in seinen Urteilen vom 11.12.2008 (L 4 KR 97/08 und L 4 KR 55/07; zustimmend hierzu auch das Landessozialgericht Nordrheim-Westfalen in seinem Urteil vom 10.06.2010 – L 5 KR 174/09) der Auffassung, dass nur in extremen Fällen rückwirkend in ein jahrelang von den Beteiligten gewolltes und gelebtes Sozialversicherungsverhältnis eingegriffen werden und dieses rückabgewickelt werden kann. Solche Extremfälle wären gegeben im Falle der Praktizierung eines Sozialversicherungsverhältnisses trotz offensichtlicher schwerwiegender Fehler, Umgereimtheiten oder im Falle der Erschleichung eines Versicherungsschutzes. Danach müssen klare Beweise vorliegen, um ein Sozialversicherungsverhältnis bei der Beschäftigung unter Angehörigen rückabzuwickeln. Dies gilt vor allem dann, wenn die Beschäftigung von allen Beteiligten gebilligt und diese auch steuerlich und in sonstiger Weise als Arbeitsverhältnis behandelt wurde. Der Eintritt eines "Sinneswandels", weil nunmehr für in der Vergangenheit liegende Zeiten die familienhafte Mithilfe oder eine Mitunternehmerschaft mit der Folge der Beitragserstattung attraktiver zu sein scheint, vermag eine Rückabwicklung nicht zu rechtfertigen.

Es war daher zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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