L 18 U 448/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 358/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 448/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 338/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Anwendung des Bamberger Merkblattes bei einer festgestellten BK nach der Nr. 5101 der Analge zur Berufskrankheitenverordnung - BKV (Erhöhung des MdE-Grades wegen der verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.10.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer anerkannten Berufskrankheit.

Der 1936 geborene Kläger war seit 1962 als Elektroingenieur versichert. Mit Anzeige seines Hautarztes wurde der Beklagten am 08.12.1992 der Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) angezeigt (erste Symptome angegeben ab 1970). Am 31.12.1993 gab der Kläger seine Tätigkeit endgültig auf (wegen Rückenbeschwerden).

Bei dem Kläger wurde - nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. B. (Uni-Hautklinik B-Stadt) vom 19.08.1993 (danach Minderung der Erwerbsfähigkeit -MdE- 10 vH) mit Bescheid der Beklagten vom 21.02.1995 (Widerspruchsbescheid vom 07.03.1995) eine Hautkrankheit als BK nach der Anlage Nr. 5101 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt. Als Folgen der BK wurden anerkannt:
"Zustand nach hyperkeratotisch-rhagadiformem Handekzem bei Sensibilisierung gegen
N-Isopropyl-N -phenyl-p-phenyldiamin (PPD Mix)". Eine MdE rentenberechtigenden Ausmaßes wurde nicht festgestellt.

Im daraufhin vom Kläger betriebenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg
(S 11 U 168/96) wurden Gutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Hautarztes Dr. M. und nach § 109 SGG des Hautarztes Dr. R. eingeholt. Beide Gutachter bestätigten die Feststellungen von Prof. Dr. B. und schätzten die MdE mit 15 bzw. 10 vH ein. Das SG wies daraufhin die Klage ab. Im Berufungsverfahren L 17 U 137/98 schlossen die Beteiligten nach Einholung eines hautärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. R. (danach MdE maximal 10 vH) am 17.08.2000 einen Vergleich im Hinblick auf möglicherweise später eingetretene, mittelbare Folgen aufgrund des Cortison-Gebrauchs.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 19.03.2001 (Widerspruchsbescheid vom 09.10.2001) fest, dass die anerkannte BK mit einer MdE von 10 vH zu bewerten sei, da der Kläger an einer Psoriasis vulgaris leide und bereits 1966, also schon vor dem Auftreten der berufsbedingten Hautkrankheit, Cortisonbehandlungen durchgeführt worden seien, die mit der BK in keinem Zusammenhang stünden.

Am 30.10.2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben (S 11 U 358/01).

Das SG hat nach § 106 SGG ein Gutachten des Hautarztes Dr. S. vom 20.05.2007 eingeholt, der zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die beim Kläger vorliegenden Cortisonfolgen nicht berufsbedingt seien, da er wegen der Hauterkrankung lediglich Steroide in Salbenform an den Händen verwendet habe. Dabei habe er von 1968 bis 1976 Betnesolsalbe und von 1977 bis 2007 punktuell Hydrocortisonacetatsalbe verwendet; hierbei handele es sich um ein mildes Steroid. Eine dadurch ausgelöste Verursachung der angegebenen Beschwerden (Iritis, Osteoporose, Diabetes, Angiomyolipom der Niere usw.) sei nicht wahrscheinlich. Seit 1995 seien nach der Berufsaufgabe Cortisontabletten wegen Lungenbeschwerden eingenommen worden. Empfohlen werde die Aufnahme auch der Sensibilisierung gegen p-Amino-azobenzol. Am 31.12.1993 habe ein weitgehend ausgeheilter Hautzustand vorgelegen. Nach dem Bamberger Merkblatt ergebe sich eine MdE von 15 vH. Die Auswirkungen der zwei Allergene seien mit mittelgradig einzustufen.

Mit Urteil vom 10.10.2007 (zugestellt 16.11.2007) hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die bereits als BK anerkannte Hauterkrankung mit einer Rente zu entschädigen.

Am 13.12.2007 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt mit dem Ziel der Gewährung einer Unfallrente nach einer MdE von mindestens 20 vH. Das Bamberger Merkblatt treffe seinen Fall und beurteile ihn mit einer MdE von 20 vH. Die Gutachter hätten nicht den Mut, das Merkblatt sachgerecht anzuwenden und blieben ängstlich unterhalb der Leistungsgrenze. Auch seien sämtliche Begutachtungen dadurch beeinflusst worden, dass laufend Cortison eingenommen worden sei. Lediglich im Rahmen des Gutachtens Dr. S. sei das Cortison als Regel-Medikation kurzzeitig vor der Begutachtung eingestellt worden. Auch seien keine ausreichenden Ermittlungen seitens der Beklagten hinsichtlich der Frage der Auswirkung von Allergisierung auf Gummiinhaltsstoffe erfolgt. Er zeige eine Sensibilisierung gegen einen Gummiinhaltsstoff. Zudem habe er seinen Arbeitsplatz unmittelbar neben einem Kopierer gehabt und sei deshalb laufend Kopierpulverfeinstaub ausgesetzt gewesen. Diese Stoffe seien nicht in die Testung mit einbezogen worden. Es bestehe eine Farbstoffallergie. Er bestehe auf der ergänzenden Anhörung des Gutachters Dr. S. und weise erneut darauf hin, dass bereits Frau Prof. Dr. B. das Gutachten nicht selbst erstellt habe.

Der Beklagte erwidert hierauf, das SG habe alle entscheidungsrelevanten Tatsachen berücksichtigt. Die Feststellungen im Gutachten des Dr. S. vom 20.05.2007 seien eindeutig. Sie würden auch auf dem Bamberger Merkblatt beruhen. Die Beurteilung des Sachverständigen entspreche im Hinblick auf die beim Kläger anzunehmenden Auswirkungen der berufsbedingten Allergie dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Insgesamt zeige sich während der Zeit von 1992 bis 1997 nach Aktenlage das Bild höchst sporadisch auftretender und jedenfalls therapeutisch gut und ohne Sekundärfolgen beherrschbarer Hautveränderungen im Bereich der Hände des Klägers. Mittelgradig ausgeprägte Hauterscheinungen im Sinne der Vorgaben des Bamberger Merkblattes seien auf dieser Grundlage nicht begründbar. Man könne kritisch diskutieren, ob als Folge der BK Hautveränderungen beim Kläger überhaupt verblieben seien. Nur solche Hautveränderungen könnten in die Bemessung der MdE einfließen. Ausweislich des Gutachtens Prof. Dr. B. vom 19.08.1993 sei der Kläger damals frei von Hautveränderungen gewesen, die auf ein allergisches Kontaktekzem hindeuten könnten. Nach dieser Begutachtung seien noch beauftragt worden Dr. med. M., Dr. med. R., Professor Dr. med. R. und Dr. S ... Neu sei, dass beim Kläger eine Farbstoffallergie vorliegen solle. Bisher seien alle Testergebnisse hinsichtlich Farbstoffen negativ gewesen.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 10.10.2007 sowie des Bescheids der Beklagten vom 19.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2001 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab dem 31.12.1993 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.10.2007 zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige (§§ 143, 144, 151 SGG) Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 19.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 1 SGG.
Da der Kläger seinen Beruf bereits zum Jahresende 1993 aufgegeben hat, der Versicherungsfall also vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) eingetreten ist, sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden (§ 214 Abs.3 SGB VII).
Nach § 551 Abs.1 RVO sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) bezeichnet hat und die Versicherte in Folge einer Tätigkeit erleiden, die den Versicherungsschutz nach §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO begründet. Die BK nach der BK-Nr.5101 erfasst schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Bemessung des Grades der MdE, also die auf Grund von § 581 Abs. 1 RVO durch Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine tatsächliche Feststellung, die vom Gericht gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung getroffen wird. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSGE SozR 3-2200 § 581 Nr.8 m.w.N.). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Hierbei sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (BSG SozR 2200 § 581 Nrn.23 und 27, SozR 3-2200 § 581 Nrn.5 und 8; BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 31/02 R). Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets eine Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG.
In der gesetzlichen Unfallversicherung haben sich im Laufe der Zeit bei einer Vielzahl von Unfallfolgen oder BKen für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet, die in Form von sog. Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst sind und als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall dienen. Die MdE bei Hauterkrankungen ist anhand der Empfehlungen im Bamberger Merkblatt, Begutachtungsempfehlungen für die BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV, zu bestimmen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, 11.3.5.7.2; vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.12.2007, L 3 U 358/05).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger durchgehend ab dem 01.01.1994 eine MdE von 15 vH vorlag.
Sämtliche gerichtlich gehörten Gutachter, insbesondere auch der nach § 109 SGG vom SG gehörte Dr. R., gehen von einer allenfalls leichten Hauterscheinung und geringgradigen, allenfalls mittelgradigen Allergieauswirkungen aus, woraus sich allenfalls eine MdE von 15 vH ergibt. Da sich die gutachterlichen Feststellungen, insbesondere zum Hautzustand des Klägers, von 1993 (Uniklinik B-Stadt) bis 2007 (Dr. S.) erstrecken, ergeben sich keinerlei Zweifel des Senats an der Richtigkeit dieser Feststellungen auch über einen langen Zeitraum hinweg. Sowohl Dr. R. 1997 als auch Prof. Dr. R. 1999 stellten hauterscheinungsfreie Hände fest. Dr. S. fand 2007 eine diskrete Schuppung an der rechten Handinnenfläche und beschreibt einen Zustand nach Handekzem. Die gutachterliche Einschätzung, dass nur ein leichtes Ausmaß der Hauterscheinungen vorliegt, ist damit nachvollziehbar und wird vom Senat geteilt. Eine Anhörung des vom SG gemäß § 106 SGG beauftragten ärztlichen Sachverständigen Dr. S. - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.08.2011 beantragt - war nicht erforderlich. Das Fragerecht der Beteiligten besteht nämlich nur hinsichtlich Gutachten, die in der gleichen Instanz erstattet wurden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 12g zu § 118). Der Kläger hat seinen dahingehend im Verfahren vor dem SG angekündigten Antrag in der dortigen mündlichen Verhandlung vom 10.10.2007 ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht aufrecht erhalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, Rdnr. 12e zu § 118), so dass das Antragsrecht verbraucht ist. Darüber hinaus hat Dr. S. die Einschätzung der MdE auf 15 vH in seinem Gutachten vom 20.05.2007 auch ausreichend und schlüssig im Sinne des Bamberger Merkblattes erläutert, so dass eine persönliche Anhörung des Gutachters hierzu nicht erforderlich war. Der Kläger hat insoweit nicht dargelegt hat, welche konkreten Fragen zu welchen - noch erläuterungsbedürftigen - Gesichtspunkten er noch an den Gutachter stellen wollte. Soweit der Kläger das Gutachten der Uniklinik B-Stadt vom 19.08.1993 wegen mangelnder Beteiligung der ernannten Gutachterin nicht für verwertbar hält, stellt der Senat fest, dass insoweit nur die erhobenen Befunde im Wege des Urkundsbeweises herangezogen werden, nicht aber die daraus gezogenen gutachterlichen Schlussfolgerungen.
Soweit der Kläger auf verschiedene Aufenthalte in der Hautklinik in D. (1995 und 1997) bzw. O. (ab 2000) verweist, sowie darauf, dass diese Aufenthalte durch eine Verschlechterung der Hautsituation an den Händen notwendig geworden seien, vermag dies zu keiner anderen Einschätzung der berufskrankheitsbedingten Hauterscheinungen des Klägers zu führen. Der Kläger hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 selbst eingeräumt, dass die Verschlechterung des Hautzustandes, die dann jeweils zu einem Klinikaufenthalt führte, jeweils nach Kontakt mit "elektrischen Kabeln, vernickelten Werkzeugen und Farbstoffen" bzw. "Berufsstoffen" eingetreten ist. Da die beim Kläger anerkannte BK nach der BK-Nr. 5101 den Unterlassungszwang hinsichtlich aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten, voraussetzt, können diese Hauterscheinungen, die auf einem wegen endgültiger Aufgabe der beruflichen Tätigkeit rein privaten Umgang des Klägers mit diesen Stoffen beruhen, nicht bei der Einschätzung anhand des Bamberger Merkblattes herangezogen werden.
Bei dem Kläger liegt auch allenfalls eine mittelgradige Auswirkung der Allergie vor. Dr. S. hat diese Mittelgradigkeit im Gegensatz zu den Vorgutachtern, die lediglich eine leichtgradige Auswirkung angenommen hatten, lediglich aufgrund der von ihm gefundenen Sensibilisierung gegen p-Aminoazubenzol angenommen, die im Anerkennungsbescheid und den nachfolgenden Gutachten nicht berücksichtigt wurden. Für eine schwerwiegende Auswirkung der Allergie, die nach dem Bamberger Merkblatt eine MdE von 20 vH begründen könnte, fehlen jegliche Anhaltspunkte, zumal auch keine weiteren Stoffe als Auslöser für die berufsbedingte Hauterkrankung des Klägers gefunden wurden. Insbesondere wurde eine Sensibilisierung des Klägers gegenüber Nickelsulfat und Kobaldchlorid nicht nachgewiesen, was die Testungen am 11.05.1993 bei Prof. Dr. B., 1997 bei Dr. R. und 1999 bei Prof. Dr. R. bestätigen. Ob der Kläger heute gegen diese Stoffe allergisch reagiert, so wie er dies vorgetragen hat, ist bei der Beurteilung des Grades der MdE unerheblich, da eine entsprechende Sensibilisierung jedenfalls nicht zur Aufgabe der Tätigkeiten im Jahre 1993 gezwungen hat.
Auch kommt eine Erhöhung des MdE-Grades um 5 vH aufgrund der Anmerkung b) zur Tabelle unter 5.3 des Bamberger Merkblattes wegen der verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten nicht in Betracht. Diese Anmerkung dient lediglich dazu, Zwischenschritte bei der MdE-Bewertung unter Berücksichtigung eines Abgleichs der verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten durch die Auswirkungen der Allergie(n) und das Ausmaß der Hauterscheinungen zwischen leicht- und mittelgradig bzw. mittel- und schwergradig zu ermöglichen. Beim Kläger sind jedoch die Hauterscheinungen von allen Gutachtern als leicht eingestuft worden, so dass der Anwendungsbereich der Anmerkung b) nicht eröffnet ist und daher eine Erhöhung des MdE-Grades nicht in Betracht kommt.
Soweit der Kläger eine Erhöhung des MdE-Grades deshalb für gerechtfertigt hält, weil er nicht mehr an seinem konkreten Arbeitsplatz als Approbationsingenieur habe arbeiten können, stellt er auf eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinn des § 581 Abs. 2 RVO (heute § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII, vgl. dazu BSGE 23, 253, 254; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, 3.6.6) ab, die bei ihm nicht vorliegt. Auf die Beeinträchtigung des Versicherten in seinem konkreten Beruf kommt es (zunächst) nicht an, sondern auf die Folgen der Einschränkung des Versicherten durch die Unfallfolgen für das gesamte Gebiet des Erwerbslebens (BSG vom 18.12.1974 SozR 2200, § 581 RVO Nr. 3; vom 23.06.1983 SozR 2200, § 581 Nr. 18). Eine höhere Bewertung der MdE im Rahmen von § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII setzt nämlich voraus, dass sich die Verletzung, die der Versicherte durch den Unfall erleidet, spezifisch auf seine Fähigkeit zum Erwerb auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens auswirkt. Eine solche Auswirkung der Berufskrankheit für den Kläger auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens ist jedoch hier nicht ersichtlich.

Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen ausnahmsweise jedoch dann vor, wenn die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde (ständige Rechtsprechung seit BSGE 23, 253, 255). Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf in Folge des Versicherungsfalles nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zur Erhöhung der MdE führen (BSGE 39, 31, 32). Die Vorschrift will nicht nur berufliches oder länger erprobtes Fachwissen berücksichtigen, sondern Fertigkeiten, die durch eine vorhandene Begabung oder durch besondere Fähigkeiten und meist jahrelanger Übung angeeignet worden sind (BSGE 38, 118, 120).
In den vom BSG bislang positiv entschiedenen Fällen des § 581 Abs. 2 RVO oder § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII wirkte sich die Unfallverletzung jeweils dahin aus, dass ein "Spezialberuf" (entschieden zu Berufsmusiker, Geiger, Kaffeeprüfer, Zirkusartistin), der zum Lebensberuf geworden war, nicht mehr ausgeübt werden konnte und angesichts des Lebensalters, der Art und der langjährigen Ausübung des Berufes eine berufliche Umstellung nicht mehr möglich war. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Das Auftreten erheblicher Schwierigkeiten durch eine berufliche Umstellung des Klägers ist nicht ersichtlich. Die vom BSG geforderte Voraussetzung eines Spezialberufes oder Lebensberufes im oben bezeichneten Sinne ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Damit ist eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt möglich.
Hinsichtlich des Tonerstaubs, den der Kläger im Übrigen für seine Atemwegserkrankung (mit-)verantwortlich macht, die nicht Gegenstand des Verfahrens ist, ist darauf hinzuweisen, dass eine Reaktion auf Tinte beim Kläger anlässlich der Testung durch Dr. S. am 10.04.2007 (Blatt 101 der Akte des SG) nicht erfolgte. Auswirkungen auf den Hautzustand des Klägers durch Tonerstaub sind ebenfalls nicht aktenkundig geworden. Eine Sensibilisierung des Klägers gegen p-Phenylendiamin ist in keinem gerichtlichen Gutachten festgestellt worden (vgl L 17 U 137/98, S. 105; S 11 U 168/96, S. 55 und 94; S 11 U 358/01 S. 96). Damit fehlen für den Zeitraum von 1997 bis 2007 dokumentierte Reaktionen des Klägers auf diesen Stoff. Gleiches gilt für den Stoff Nickeloxid. Diese gutachterlichen Feststellungen sind auch trotz der Einnahme von corticoid durch den Kläger verwertbar, worauf Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.04.2000 (im Verfahren L 17 U 137/08) verwiesen hat. Denn die eingenommenen Dosen hätten nicht ausgereicht, eine allergische Reaktion zu unterdrücken. Dies zeigt sich schon an der positiven Reaktion auf N-Isoprophyl-N-phenyl-p-phenyldiamin. Auch diese Einschätzung ist von den nachfolgenden Gutachtern bestätigt worden.
Zur Überzeugung des Senats steht schließlich auch fest, dass keine beim Kläger bestehende weitere Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als mittelbare Folge der BK eingetreten ist. Schon Prof. Dr. E. konnte keine Folgeerscheinungen einer Cortisontherapie erkennen (L 17 U 137/98). Dr. S. hat in seinem ausdrücklich auch zu dieser Frage erstellten Gutachten zu Recht darauf hingewiesen, dass die beim Kläger eventuell vorliegenden Cortisonfolgen nicht berufsbedingt sind, da er wegen der Hauterkrankung lediglich Steroide in Salbenform an den Händen verwendet hat, nämlich von 1968 bis 1976 Betnesolsalbe und von 1977 bis 2007 punktuell Hydrocortisonacetatsalbe, wobei es sich um ein mildes Steroid handelt. Eine dadurch ausgelöste Verursachung der angegebenen Beschwerden (Iritis, Osteoporose, Diabetes, Angiomyolipom der Niere usw.) ist nach den Ausführungen von Dr. S., denen sich der Senat anschließt, nicht wahrscheinlich. Die seit 1995 nach der Berufsaufgabe wegen Lungenbeschwerden eingenommenen Cortisontabletten können nicht auf die anerkannte BK zurückgeführt werden.

Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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