L 7 SO 4359/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 4897/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4359/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 26. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und statthaft (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Antragsteller hat die zunächst nur auf elektronischem Wege eingereichte Beschwerde am 15. Oktober 2011 erneut per Fax innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist erhoben und damit dem Schriftformerfordernis (§ 173 Satz 1 SGG) Genüge getan, sodass keine Bedenken gegen die Formwirksamkeit der Beschwerde mehr bestehen.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die beiden Voraussetzungen stellen ein bewegliches System dar: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 - (beide m. w. N.)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - (juris)). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen.

Für den vom Antragsteller gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG fehlt es - entgegen der Auffassung des SG - nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller begehrt Hilfe zum Lebensunterhalt aufgrund der im bisherigen (Verwaltungs-)Verfahren gemachten Angaben und erhobenen Feststellungen. Die Frage, ob ihm eine Verletzung der Mitwirkungspflichten vorzuwerfen ist, ist selbst bei Bejahung dieser Frage kein Umstand, der sich auf das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auswirkt, sondern eine Frage, die die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 2. August 2011 betrifft. Wollte man dem Antragsteller bereits auf der Zulässigkeitsebene die Geltendmachung des begehrten Anspruchs verweigern, würde dies das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) in sachwidriger Weise einschränken. Denn der Antragsteller müsste - trotz gegenteiliger Auffassung hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs - zunächst weitere Mitwirkungshandlungen erbringen, die er aus seiner Sicht offenbar nicht für erforderlich hält, ehe er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen könnte.

Der Antrag ist beim SG auch formwirksam erhoben worden. Der Antragsteller hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG nur per E-Mail mit angehängter PDF-Datei eingereicht. Nach § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG können dem Gericht elektronische Dokumente übermittelt werden, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist. Es gibt in Baden-Württemberg insoweit nur eine sehr eingeschränkte Zulassung in Bezug auf einzelne Verfahrensgegenstände vor verschiedenen Zivilgerichten (vgl. Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2006 - GBl. 2006, 393 -). Daher können keine verfahrenserheblichen Schriftsätze beim SG (oder Landessozialgericht (LSG)) durch E-Mail eingereicht werden. Dies gilt sowohl für die Beschwerde als auch für den erstinstanzlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Auch der erstinstanzliche Eilantrag ist in elektronischer Form nur unter den Voraussetzungen von § 65a SGG möglich (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 8b). Vorliegend ist gleichwohl dem Schriftformerfordernis der Antragsschrift Genüge getan, denn das SG hat die ihm per E-Mail nebst anliegender PDF-Datei zugegangene Antragsschrift ausgedruckt und mit einem Aktenzeichen versehen. Nimmt das Gericht den elektronisch übermittelten Schriftsatz entgegen, muss es ihn auch mit kopierter Unterschrift als genügend betrachten. Die nur in Kopie wiedergegebene Unterschrift ist dann unschädlich (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. Januar 2011 - L 5 AS 433/10 B; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 -(beide juris)). Der Ausdruck verkörpert den Antrag in einem Schriftstück und schließt mit der Unterschrift des Antragstellers ab. Ähnlich wie im Falle einer Übermittlung eines Schriftsatzes per Computerfax ist auch hier die nur in Kopie wiedergegebene Unterschrift unschädlich. Das SG war zwar nicht verpflichtet, die E-Mail und die anhängende PDF-Datei zu öffnen und auszudrucken. Der Antragsteller konnte sich darauf nicht verlassen. Nimmt das Gericht allerdings den elektronisch übermittelten Schriftsatz entgegen, muss es ihn auch mit kopierter Unterschrift als genügend betrachten. Zumindest hätte ein sofortiger Hinweis des Gerichts auf die Nichteinhaltung der Formvorschriften erfolgen müssen. Sonst ergäbe sich eine unzumutbare, nicht mehr durch Sachgründe zu rechtfertigende Einschränkung des Rechtsschutzes (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007 - 1 BvR 110/07 - (juris, zum Computerfax)).

Gemessen an den oben dargestellten Kriterien fehlt es aber einem Anordnungsanspruch. Dieser scheitert zwar nicht schon daran, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. August 2011 die Leistungen gemäß § 66 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch versagt hat. Denn dieser Bescheid ist vom Antragsteller mit Widerspruch am 14. August 2011 angefochten und damit zwischen den Beteiligten nicht bindend worden (vgl. § 77 SGG). Zudem hat der Widerspruch aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Jedoch kann sich der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht davon überzeugen, dass der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne der §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) wäre. Es bestehen trotz der vom Antragsteller gemachten Angaben erhebliche Zweifel dahingehend, ob einen Leistungsanspruch ausschließendes Vermögen vorhanden ist. Diese Zweifel gehen zu Lasten des Antragstellers.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27 SGB XII Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) mit Ausnahme kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII), wobei dem Antragsteller, bei dem eine volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (noch) nicht feststeht, ein Freibetrag in Höhe von 1.600,00 EUR zusteht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch).

Dass der Antragsteller hilfebedürftig wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Zweifel ergeben sich, weil der Antragsteller über (mindestens) neun Konten verfügt und dabei den jeweiligen Kontostand nur teilweise offengelegt hat. Einer Aufforderung des Senates vom 17. Oktober 2011 zur umgehenden Vorlage aktueller Kontoauszüge für alle Geldanlagen ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Konten:

• Postbank Stuttgart Girokonto Nr ... Kontostand am 21. Oktober 2011: 259,76 EUR Guthaben (vom Antragsteller während des Verfahrens dem Senat als Screenshot vorgelegt) • Postbank Stuttgart Tagesgeldkonto Nr ... Kontostand am 11. August 2011: 500,00 EUR Guthaben • Postbank Stuttgart Girokonto Nr ... Kontostand 30. Juni 2011: 39,60 EUR Guthaben • Postbank Stuttgart Sparbuch Nr ... Stand am 30. Juni 2011: 1.384,83 EUR Guthaben • Volksbank Dreiländereck Sparbuch Nr ... Stand am 1. Februar 2011: 271,55 EUR Guthaben • Barclaycard, Kreditkartenkonto Nr ... Dieses Konto ist gesperrt, weil es sich im Soll befand. • Netbank Girokonto Nr. Kontostand am 21. Oktober 2011: 80,29 EUR Guthaben (vom Antragsteller während des Verfahrens dem Senat als Screenshot vorgelegt) • Netbank Tagesgeldkonto Nr. Kontostand am 28. Juni 2011 177,83 EUR Guthaben, am 21. Oktober 2011: 0,00 Euro (vom Antragsteller während des Verfahrens dem Senat als Screenshot vorgelegt) • ING-Diba Girokonto Nr ... Kontostand am 30. Juni 2011 243,14 EUR im Soll.

Aktuelle Unterlagen, die insbesondere Auskunft über Kontobewegungen ergeben, fehlen vor allem für das Postbank Girokonto Nr ... Hier fällt auf, dass der Kontostand am 2. Mai 2011 noch 2,68 EUR im Soll war, während er ausweislich des vom Antragsteller mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 an den Senat übersandten Screenshots am 21. Oktober 2011 259,26 EUR betrug; ein Umstand, der sich mit der vom Antragsteller behaupteten Mittellosigkeit nicht verträgt. Ferner fehlen Unterlagen über das Netbank Tagesgeldkonto Nr. und das Netbank Girokonto Nr ... Hierzu hat der Antragsteller ebenfalls ein Screenshot übersandt, wonach der Stand am 21. Oktober 2011 sich auf 80,29 EUR belaufe. Nicht zutreffend ist ferner die Behauptung des Antragstellers, er verfüge nur über zwei Girokonten, nämlich das zuletzt genannte bei der Postbank und das Konto bei der Netbank. Tatsächlich existieren ein weiteres Postbankgirokonto mit der Nummer (vgl. Bl. 1213 der Verwaltungsakten) sowie das Konto bei der ING-Diba mit der Nummer. Dass es der Antragsteller mit der Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse nicht sonderlich genau nimmt, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass erstmals im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim SGB II-Leistungsträger mit Datum vom 11. August 2011 vom Antragsteller offenbart wurde, dass ein Postbanktagesgeldkonto mit der Nummer existiert mit einem Guthabenstand von immerhin 500,00 EUR (Bl. 1237 Rückseite der Verwaltungsakten). Dieses Konto war in früheren Anträgen nicht bekannt und auch nicht ermittelt worden. Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Antragsteller nur zögerlich, unvollständig und sukzessive Unterlagen vorlegt und Angaben macht.

Bei diesem Verhalten des Antragstellers ist nicht auszuschließen, dass er bewusst unvollständige Angaben macht, um vorhandenes Vermögen zu verheimlichen. Um seine für die Gewährung der begehrten Leistungen notwendige Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen, hätte der Antragsteller angesichts der dargelegten Widersprüche und Lücken für sämtliche Konten aktuelle Kontoauszüge bzw. Kontostände vorlegen bzw. mitteilen müssen. Dies hat er jedoch nicht getan. Die Behauptung, dass er über so wenig Geld verfüge, dass er seine Schulden nicht bezahlen könne und deswegen gegen ihn bereits im Wege der Zwangsvollstreckung vorgegangen werde, mag den Tatsachen entsprechen. Dies als zutreffend unterstellt, würde aber nicht ausschließen, dass noch anderweitige Vermögenswerte des Antragstellers vorhanden sind. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob die im Eigentum des Antragstellers stehenden Kraftfahrzeuge einen verwertbaren Vermögenswert darstellen oder nicht (vgl. hierzu den Bericht des Sozialen Dienstes des Antragsgegners vom 18. Juli 2011 (Bl. 961 ff. der Verwaltungsakten). Letztlich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers weder nachvollziehbar dargelegt noch gar (durch Kontoauszüge) belegt bzw. glaubhaft gemacht. Der Antragsteller begehrt staatliche Fürsorgeleistungen nach dem SGB XII, die ihm unter den Voraussetzungen der §§ 19 Abs.1 und 27 Abs. 1 SGB XII ohne Gegenleistung und nur aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden. Der Staat darf sich davor schützen, dass Sozialhilfeleistungen ebenso wie Grundsicherungsleistungen auch an Nichtbedürftige gewährt werden, die über verschwiegene oder nicht offengelegte Mittel verfügen. Diesem Schutzzweck steht in der Aufforderung, die Kontoauszüge für sämtliche Konten vorzulegen, ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 45/07 R -(juris)).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr.6).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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