L 8 AL 4640/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3310/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4640/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2010 wird zurückgewiesen.

2. Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 800,- EUR auferlegt.

3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld zu Recht für die Zeiten vom 28.09.2003 bis 15.07.2004 und vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 aufgehoben und die Erstattung des Arbeitslosengeldes zurückgefordert hat.

Der 1943 geborene Kläger meldete sich am 14.08.2003 beim Arbeitsamt Ob. arbeitslos. Mit Bescheid vom 08.09.2003 bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld (Alg) ab 14.08.2003.

Mit Schreiben vom 20.12.2005 teilte das Hauptzollamt K. der Arbeitsagentur Of. mit, gegen den Kläger werde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil der Arbeitsagentur Of. geführt. Der Kläger beziehe seit dem 14.08.2003 laufend Alg, habe aber als Fahrer Fahrten für Speditionen durchgeführt. Der Kläger sei zunächst vom 28.09.2003 bis zum 15.07.2004 als Lkw-Fahrer für die C. GbR tätig gewesen und habe für diesen Tätigkeitszeitraum 29.534,68 EUR überwiesen bekommen; außerdem habe er 1.500 EUR in bar erhalten. Für den Tätigkeitszeitraum 30.03.2005 bis 20.05.2005 habe er 800 EUR in bar und 450 EUR überwiesen bekommen. Gegen den Beschuldigten werde außerdem ermittelt, weil der Verdacht bestehe, dass er bei der C. GbR nicht als Gesellschafter, sondern als Arbeitnehmer tätig gewesen sei (Verdacht der Scheinselbständigkeit).

Mit Schreiben vom 06.02.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er nach ihren Erkenntnissen Alg vom 28.09.2003 bis 22.07.2007 in Höhe von 9.291,44 EUR und vom 01.02.2005 bis 22.05.2005 in Höhe von 3.338,72 EUR zu Unrecht erhalten habe. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts K. habe er in den genannten Zeiträumen eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Der zeitliche Umfang habe mindestens 15 Stunden wöchentlich betragen. Demgemäß sei er nicht mehr arbeitslos gewesen und habe auch keinen Anspruch auf Alg gehabt.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.03.2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 28.09.2003 bis 22.07.2004 sowie vom 01.02.2005 bis 22.05.2005 auf und machte Erstattung geltend. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei verpflichtet gewesen, der Beklagten alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Der Kläger habe in den genannten Zeiträumen eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Der zeitliche Umfang habe mindestens 15 Stunden wöchentlich betragen; somit sei der Kläger nicht mehr arbeitslos gewesen und habe auch keinen Anspruch auf Alg mehr gehabt.

Mit Änderungsbescheid vom 07.07.2006 wurde die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung auf die Zeiträume beschränkt, in denen dem Kläger zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können, dass er nicht arbeitslos gewesen sei. Die Bewilligung von Alg wurde lediglich für die Zeiten vom 28.09.2003 bis 15.07.2004 und vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 aufgehoben und für diese Zeiträume wurde Erstattung von Alg in Höhe von 9.941,71 EUR sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (3.637,95 EUR) verlangt (Gesamtforderung: 13.579,66 EUR).

Die Widersprüche des Klägers gegen den Bescheid vom 14.03.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2006 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, zu Recht sei die Bewilligung von Alg für die Zeiträume vom 28.09.2003 bis 15.07.2004 und vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 aufgehoben worden, da der Kläger in diesen Zeiträumen nicht arbeitslos gewesen sei. Dies ergebe sich aus den Ermittlungen des Hauptzollamtes K. Danach lägen Einsatzpläne für die jeweiligen Zeiträume vor, aus denen sich ergebe, dass der Kläger in mehr als kurzzeitigem Umfang als Fahrer tätig gewesen sei. Auch die Spesenabrechnungen würden diese Feststellung bestärken. Für die Zeit vom 01.02.2005 bis 22.05.2005 liege eine Kopie der Gewerbean- und -abmeldung vor. Bei der ursprünglichen Entscheidung sei davon ausgegangen worden, dass bereits das Betreiben eines Gewerbes die Arbeitslosigkeit ausschließe. Diese Auffassung werde nunmehr aufgeben. Der Erstattungszeitraum sei daher auf die Zeit begrenzt worden, in dem nachgewiesen sei, dass der Kläger in mehr als kurzzeitigem Umfang tätig und somit nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Auch für diese Zeit lägen Spesenabrechnungen vor.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 erhob der Kläger am 25.07.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 7 AL 3640/06) und machte geltend, seines Erachtens sei ein Angeklagter solange unschuldig, bis seine Schuld bewiesen sei. Das Strafverfahren gegen ihn sei noch nicht abgeschlossen, weshalb er beantrage, die Zahlungsaufforderungen der Beklagten solange einzustellen, bis ein Strafurteil ergangen sei.

Mit Beschluss vom 29.08.2006 setzte das SG das Verfahren bis zur Erledigung des Ermittlungs-bzw. Strafverfahrens gegen den Kläger aus.

Das Amtsgericht Bühl verurteilte den Kläger mit Urteil vom 07.05.2008 wegen eines Vergehens der Beihilfe zum Betrug u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die dagegen eingelegte Berufung wurde zurückgenommen.

Anschließend wurde das Klageverfahren wieder angerufen (S 7 AL 3310/10).

Mit Gerichtsbescheid vom 10.09.2010 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Kammer folge hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Sachverhalts der Begründung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.07.2006, auf die sie daher Bezug nehme. Dass der Kläger in den hier in Rede stehenden Zeiten mindestens 15 Stunden pro Woche selbständig tätig bzw. beschäftigt gewesen sei, bestreite dieser letztlich auch nicht. So habe er in seinem Schreiben an die Beklagte vom 09.09.2008 u. a. ausführen lassen, er sei stets davon ausgegangen, mit seiner Selbständigkeit habe es seine Richtigkeit. Aufträge habe er unmittelbar von der Firma G. in L. sowie einer Firma R. erhalten. Im Übrigen sei er die ganze Woche über im Ausland mit dem Transport beschäftigt gewesen. Auf Grund dessen sei er in den hier in Rede stehenden Zeiten nicht mehr "arbeitslos" gewesen. Dementsprechend habe ihm in diesen Zeiträumen auch kein Alg mehr zugestanden. Dass er während seiner Selbständigkeit bzw. Beschäftigung solche Zahlungen erhalten habe, stelle der Kläger - ebenfalls im Schreiben an die Beklagten vom 09.09.2008 - im Übrigen gleichermaßen nicht in Abrede. Aus den Strafakten des Amtsgerichts Bühl ergebe sich im Übrigen, dass dies zutreffe. Daraus ergebe sich ferner, dass der Kläger zwischenzeitlich rechtskräftig u. a. wegen Betruges zu Lasten der Beklagten verurteilt worden sei und das Strafgericht in diesem Urteil festgestellt habe, dass er als Scheinselbständiger in der Zeit vom 28.09.2003 bis zum 15.07.2004 Fahrten durchgeführt und in diesem Zusammenhang Einnahmen von insgesamt 30.534,68 EUR erzielt habe. In gleicher Weise sei der Kläger danach in der Zeit vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 tätig gewesen und habe dabei Einnahmen von 1.250 EUR erzielt. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger zum einen in den Zeiten vom 28.09.2003 bis 15.07.2004 und vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 mehr als 15 Stunden selbständig tätig bzw. beschäftigt gewesen sei, weshalb er in diesen Zeiträumen somit nicht mehr arbeitslos gewesen sei, und zum anderen, dass der Kläger in diesen Zeiten auch Einnahmen erzielt habe, die einen Anspruch auf Alg entfallen ließen. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger seiner Verpflichtung, die Aufnahme dieser die Arbeitslosigkeit beendenden selbständigen Tätigkeit bzw. Beschäftigung der Beklagten mitzuteilen, nachgekommen sei oder nicht, sei im Merkblatt für Arbeitslose, welches der Kläger erhalten und dessen Kenntnisnahme er bestätigt habe, ausdrücklich dargelegt, dass mit der Aufnahme einer derartigen Tätigkeit bzw. Beschäftigung der Anspruch auf Gewährung von Alg entfalle. Hätte der Kläger dieses Merkblatt, wozu er verpflichtet gewesen sei, aufmerksam gelesen, hätte er dies erkennen können, abgesehen davon, dass jedem klar sein müsse, neben einer selbständigen Tätigkeit bzw. Beschäftigung in diesem Umfang und Einnahmen aus einer solchen Tätigkeit bzw. Beschäftigung in der Höhe, wie sie der Kläger in den fraglichen Zeiträumen erzielt habe, Alg nicht beziehen zu können. Somit lägen zumindest die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) i. V. m § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) vor, weshalb die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihren - dem Kläger Alg gewährenden - Bescheid vom 08.09.2003 - die Zeiten vom 28.09.2003 bis 15.07.2004 und 30.03.2005 bis 20.05.2005 betreffend - aufzuheben.

Gegen den - dem Kläger am 14.09.2010 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.09.2010 Berufung eingelegt.

Zur Berufungsbegründung hat der Bevollmächtigte des Klägers ausgeführt, der Kläger habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass er selbständig tätig sei und Aufträge unmittelbar von der Firma G. in L. sowie einer Firma R. erhalten habe. Er habe auch nie anders vorgetragen, als dass er häufig die ganze Woche über im Ausland mit Transporten beschäftigt gewesen sei. Der Kläger selbst habe jedoch nie Zweifel gehabt, parallel zum Bezug von Geldern seitens des Arbeitsamtes eine selbständige Tätigkeit durchführen zu dürfen. Hintergrund für diese Auffassung sei der Umstand gewesen, dass dem Kläger im August 2003 von der seinerzeitigen Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt in Ob. , Frau K. , der Vertrag nach § 428 SGB III vorgelegt worden sei. Seinerzeit habe er eigentlich eine solche Vereinbarung nicht unterschreiben wollen, auf Nachfrage habe ihm die Sachbearbeiterin aber erklärt, dass er, so er denn diesen Vertrag unterschreiben würde, nicht offiziell als arbeitslos gelte und deshalb auch kein Alg erhalten werde. Er werde zwar Zahlungen erhalten, die jedoch nicht als Alg bezeichnet würden. Weiter sei ihm mitgeteilt worden, dass er sich auch nicht regelmäßig zu melden brauche und er sich durchaus 17 Wochen uneingeschränkt im Ausland aufhalten könne, ohne zurückzukehren. Der Kläger habe als Laie dies nur so verstehen können, dass er nunmehr noch Gelder seitens des Arbeitsamtes erhalten werde, dass für ihn aber gerade die Mitwirkungspflichten aus dem Merkblatt 1, auf welches sich das Sozialgericht bei seiner Entscheidung maßgeblich bezogen habe, nicht mehr gültig wäre. Es werde daher zur Aufklärung des Sachverhalts angeregt, in der nunmehr durchzuführenden mündlichen Verhandlung sowohl die seinerzeitige Sachbearbeiterin bei dem Arbeitsamt in Ob. , Frau L. , als auch die Lebensgefährtin des Klägers, Frau R. , die bei der o. a. Besprechung des Klägers mit Frau L. anwesend gewesen sei, zu laden und als Zeugen zu vernehmen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 7. Juli 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Beklagte hat zu dem neuen Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger am 14.08.2003 unterschriftlich erklärt habe, "Arbeitslosengeld" unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III beziehen zu wollen (Bl. 263 der Leistungsakte).

In der Nichtöffentlichen Sitzung vom 14.07.2011 hat der Berichterstatter den Kläger angehört und mit den Beteiligten das Sach- und Streitverhältnis erörtert. Der Kläger hat (erstmals) erklärt, die Unterschrift am Ende des Formulars zur Arbeitslosmeldung vom 14.08.2003 (Bl. 259 Rückseite der Beklagtenakten) sei nicht seine Unterschrift. Das Merkblatt Nr. 1 für Arbeitslose habe er nicht bekommen. Bei den Unterschriften Bl. 263 und 269 der Beklagtenakten hat der Kläger erklärt, dass dies seine Unterschriften seien.

Mit Beschluss vom 22.08.2011 hat der Senat den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Der Senat hat von Frau D. H. , geb. L. , die schriftliche Stellungnahme vom 06.09.2011 eingeholt. Darin hat Frau H. ausgeführt, an das am 14.08.2003 mit Herrn H. geführte Gespräch könne sie sich im Einzelnen nicht mehr erinnern. Nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakte stelle sich der Sachverhalt wie folgt dar: Die Arbeitslosmeldung sei am 14.08.2003 bei ihr erfolgt; § 428 sei besprochen worden. Herr H. habe sich entschieden, sofort die Regelung in Anspruch zu nehmen. Er habe sofort das Datum des Rentenbeginns mitgeteilt, habe vorher nicht mehr mit dem Rentenberater sprechen wollen. Er sei von ihr auf die Widerrufsfrist hingewiesen worden und auch darauf, dass Regelung Auswirkungen auf Rente haben könnte. Die Aussage von Herrn H. , dass er kein Arbeitslosengeld erhalte, könne keinesfalls zutreffend, da es keine andere Leistung in diesem Falle gebe; außerdem habe Herr H. einen entsprechenden Bewilligungsbescheid über Alg erhalten. Dass die Regelung des § 428 nicht ausreichend besprochen worden sei, könne sie nicht bestätigen. Laut Beratungsvermerk vom 14.08.2003 habe sie die Regelung mit Herrn H. besprochen. Daraufhin habe er die Erklärung gleich unterschrieben. Sie gehe davon aus, dass er dies bei offenen Frage sicherlich nicht getan hätte. Von ihrer Seite sei eher noch der Hinweis gekommen, sich nochmals vom Rentenberater beraten zu lassen. Nach der Regelung werde die Erklärung zuerst mit nach Hause genommen und später eingereicht. Da dies bei Herrn H. nicht der Fall gewesen sei, sei sie davon ausgegangen, dass er sich seiner Entscheidung sicher gewesen sei. Im Gespräch mit ihr am 14.08.2003 habe er eine Selbständigkeit nicht erwähnt. Eine solche - leistungsrechtlich relevante - Information wäre zweifelsfrei in den Beratungsvermerk mit aufgenommen worden. Auch im Antrag auf Arbeitslosengeld sei die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit von ihm verneint worden.

Der Senat hat in seiner Sitzung vom 14.10.2011 den Kläger angehört und K. R. sowie D. H. , geb. L. , als Zeugen vernommen; auf den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14.10.2011 wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Freiburg mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 10.09.2010 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 14.03.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2006 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung, die mit Bescheid vom 08.09.2003 erfolgt war, ist § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). § 48 Abs.1 SGB X lautet: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Nach Bewilligung von Arbeitslosengeld durch die Beklagte gemäß Bescheid vom 08.09.2003 ist eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, dass der Kläger ab 28.09.2003 bis 15.07.2004 und vom 30.03.2005 bis 20.05.2005 mehr als 15 Stunden pro Woche selbständig bzw. beschäftigt gewesen ist. Aufgrund dessen ist der Kläger in diesen Zeiträumen nicht mehr arbeitslos gewesen. Dies ist vom Kläger auch eingeräumt worden. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebener Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Liegen die in § 48 Abs.1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, § 330 Abs. 3 SGB III. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn der Kläger ist seiner Mitteilungspflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I) nicht nachgekommen. Dass er diese Tätigkeit hätte anzeigen müssen, hätte ihm bewusst sein müssen, da ihm allein schon aus dem Merkblatt Nr. 1 bekannt gewesen ist, dass eine mehr als 15-stündige Beschäftigung bzw. Tätigkeit pro Woche bedeutet, dass Arbeitslosigkeit entfällt und dass dieser wesentliche Umstand der Beklagten mitzuteilen ist. Der Kläger hat durch seine Unterschrift im Arbeitslosengeldantrag (Bl. 258 bis 259 Rückseite der Beklagtenakten) versichert, dass seine Angaben zutreffen, dass er Änderungen unverzüglich anzeigen werde und dass er das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hat. Im Merkblatt 1 für Arbeitslose wird darauf hingewiesen, dass man für den Bezug von Arbeitslosengeld arbeitslos sein muss und dass man verpflichtet ist, dem Arbeitsamt solche Änderungen mitzuteilen, die für die Beurteilung des Leistungsanspruches bedeutsam sein können. Im Antrag auf Arbeitslosmeldung ist zu den Angaben zur Arbeitslosigkeit (Fragen 2 a bis 2 e) vom Kläger angegeben worden, dass er nicht eine Beschäftigung ausübt, weder als Arbeitnehmer noch als Selbständiger oder mithelfender Angehöriger. Diese Angaben sind dem Kläger zuzurechnen, da er den Antrag auf Arbeitslosengeld unterschrieben hat.

Soweit der Kläger erstmals im Erörterungstermin vom 14.07.2011 behauptet hat, die Unterschrift am Ende des Formulars zur Arbeitslosmeldung vom 14.08.2003 (Bl. 259 Rückseite der Beklagtenakten) sei nicht seine Unterschrift, glaubt der Senat ihm dies nicht. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass dem Kläger schon im Anhörungsschreiben der Agentur für Arbeit Of. vom 6. Februar 2006 (Bl. 317 der Beklagtenakten) vorgehalten worden ist, dass er mit seiner Unterschrift im Leistungsantrag bestätigt habe, dass er das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hat. Wenn dieser Vorhalt nach Auffassung des Klägers unzutreffend gewesen sein sollte, hätte erwartet werden können, dass der Kläger dies umgehend auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 14.03.2006 geltend macht. Dies ist jedoch vom Kläger erst 5 Jahre nach dem erstmaligen Vorhalt geltend gemacht worden. Dass der Kläger die Echtheit seiner Unterschrift am Ende des Formulars zur Arbeitslosmeldung erstmals am 14.07.2011 bestritten hat, erklärt sich für den Senat vielmehr daraus, dass der Senat im PKH-Beschluss vom 28.03.2011 dem Umstand, dass der Kläger den Erhalt des Merkblattes durch seine Unterschrift bestätigt hat, wesentliche Bedeutung für die Verpflichtung des Klägers zur Mitteilung seiner selbständigen Tätigkeit beigemessen hat. Das Verhalten des Klägers, die Echtheit seiner Unterschrift vom 14.08.2003 erstmals nach Erhalt des PKH-Beschlusses vom 28.03.2011 zu leugnen, wertet der Senat als zweckgerichtet und nicht glaubwürdig. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger schon vor dem 14.08.2003 Alg bezogen hat, weshalb davon auszugehen ist, dass er auch schon vor dem 14.08.2003 bei Antragstellung von Alg Kenntnis von dem zum Antragsformular dazugehörigen Merkblatt hat nehmen können. Hinzu kommt für den Senat, dass er bei der Anhörung des Klägers verschiedene Gedächtnistrübungen bei ihm feststellen konnte. So hat der Kläger am 14.10.2011 die Frage, ob er im Jahr 2003 häufiger beim Arbeitsamt in Ob. gewesen sei, verneint. Die in den Beklagten-Akten dokumentierten Tatsachen weisen jedoch aus, dass der Kläger neben der Vorsprache am 14.08.2003 am 01.09.2003 erneut vorgesprochen und den Antrag auf Arbeitslosengeld abgegeben hat. Letzteres stimmt mit den Zeugenaussagen der früheren Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt Ob. D. H. überein, die ausgesagt hat, dass am 14.08.2003 dem Kläger der Antrag auf Arbeitslosengeld ausgehändigt worden sei und nach dem allgemeinen Ablauf dieser Antrag vom Kläger bei der Leistungsabteilung und nicht bei ihr abzugeben gewesen sei. Die mit grüner Tinte vorgenommenen Eintragungen weisen hinsichtlich der Unterschrift darauf hin, dass Ergänzungen vorzunehmen waren. Diese sind von dem Betreffenden Sachbearbeiter bzw. Sachbearbeiterin vom Arbeitsamt Ob. mit grüner Tinte eingetragen worden bzw. von Seiten des Klägers mit Kugelschreiber.

Nach alledem hat der Senat keinerlei Zweifel an der Echtheit der Unterschrift des Klägers im Arbeitslosengeldantrag (Bl. 259 Rückseite der Beklagtenakten) und sieht keinerlei Anhaltspunkte für die vom Kläger aufgestellte Behauptung, seine Unterschrift sei - von wem auch immer - gefälscht worden.

Somit musste dem Kläger allein schon aus dem Merkblatt Nr. 1 bekannt gewesen sein, dass eine mehr als 15-stündige Beschäftigung bzw. Tätigkeit pro Woche bedeutet, dass Arbeitslosigkeit entfällt und dieser wesentliche Umstand der Beklagten mitzuteilen ist.

Soweit der Kläger am 14.08.2003 unterschriftlich erklärt hat, Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III beziehen zu wollen, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. In dieser Erklärung zur Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen (§ 428 SGB III) ist im Einzelnen dargelegt, was unter "erleichterten Voraussetzungen" zu verstehen ist und welche Verpflichtung der Arbeitslose im Gegenzug eingeht, wenn er von der Sonderregelung Gebrauch macht. Von einer Vergünstigung, wie sie sich der Kläger vorgestellt hat, nämlich Bezug von Alg neben einer Beschäftigung bzw. Tätigkeit von mehr als 15 Stunden pro Woche ohne Meldepflicht, ist in der vom Kläger unterschriebenen Erklärung vom 14.08.2003 nicht die Rede. Die Leistungen, die der Kläger erhalten hat, sind auch nicht anders als Arbeitslosengeld bezeichnet worden. Seine Vorstellung, er erhalte Monatszahlungen, die kein Arbeitslosengeld darstellen würden, entbehrt jeglicher Grundlage. In der "Erklärung zur Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen" (Bl. 263 der Beklagtenakten) ist ausdrücklich vom "Arbeitslosengeld" die Rede und der Kläger hat angekreuzt, dass er "Arbeitslosengeld" unter den erleichterten Voraussetzungen beziehen möchte. Die "erleichterten" Voraussetzungen, die sich der Kläger vorgestellt hat (Bezug von Alg wegen einer Beschäftigung bzw. Tätigkeit von mehr als 15 Stunden pro Woche ohne Meldepflicht) lassen sich aus der Erklärung zur Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen (§ 428 SGB III) nicht ableiten. Auch die Sachbearbeiterin Frau D. H. , geb. L. , hat den Kläger nicht etwa dahingehend beraten, dass er nach Unterzeichnung des Formulars zu § 428 SGB III unbegrenzt hinzuverdienen könne und dies dem Arbeitsamt nicht melden müsse. Dies hat der Kläger auch bei seiner Anhörung konkret bestätigt. Auch die Zeugin K. R. hat bei ihrer Vernehmung ausgesagt, dass über die Frage des Hinzuverdienstes am 14.08.2003 nicht gesprochen worden ist.

Dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit und die Einkünfte hieraus dem Arbeitsamt nicht mitgeteilt hat, beruht nach Überzeugung des Senats auf zumindest grober Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtsverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung des Vorliegens der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG-Urteil vom 24.04.1997 - 11 RaR 89/96 -). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser individuellen Gegebenheiten ist dem Kläger grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Der Kläger hat in dem Zeitraum vom 28.09.2003 bis Mitte Juli 2004 ca. 890 EUR Alg pro Monat erhalten und in den Zeitraum von Mitte November 2003 bis Anfang August 2004 durchschnittlich pro Monat ca. 3.390 EUR an Einkünften durch seine selbständige Tätigkeit erzielt. Dass einem Arbeitslosengeld nicht zustehen kann, wenn man gleichzeitig ein vielfaches an Einkünften gegenüber dem Alg hat, dürfte auf der Hand liegen und jedem einleuchten.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Der Senat hat dem Kläger gemäß § 192 Abs. 1 SGG Kosten in Höhe von 800 Euro wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).

Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden Württemberg, Urteile des Senats vom 26.11.2010 - L 8 U 3211/10 - , vom 20.11.2009 L 8 SB 1648/08 - und vom 28.11.2008 L 8 AL 1799/07 unveröffentlicht sowie vom 20.05.2011 - L 8 SB 2762/10 -).

Der Klägerin ist im Termin am 14.07.2011 vom Berichterstatter auf die Möglichkeit der Verhängung von Kosten nach § 192 SGG hingewiesen worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist unter Hinweis, dass der Senat das Ergebnis des Erörterungstermins (Beweiswürdigung und Anwendbarkeit von § 192 SGG) teilt, dem Kläger Gelegenheit gegeben worden, seine Auffassung zu revidieren und den Rechtsstreit zu beenden. Dies hat der Kläger jedoch nicht getan, sondern auch noch nach erfolgter Beweisaufnahme, die sein Vorbringen nicht gestützt hat, ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit erkennen lassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in seiner Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt ist, haben sich für den Senat nicht ergeben. Unter Ausübung des ihm nach § 192 SGG eingeräumten Ermessens hält der Senat den Betrag in Höhe von 800 Euro für notwendig. Bei der Höhe der Mutwillenskosten hat der Senat berücksichtigt, dass erhöhte Kosten angefallen sind durch die Einvernahme von 2 Zeugen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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