L 1 R 194/08

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 R 278/06
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 194/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 30. September 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die Söhne der Klägerin streitig.

Die am 1949 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie beantragte am 29. Januar 2004 bei der Beklagten die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für ihren am 1969 geborenen Sohn A., ihren am 1971 geborenen Sohn T. und ihre am geborene Tochter S ... Zur Begründung führte sie aus, dass sich die Familie seit März 1969 in Deutschland befinde. Die Klägerin übersandte eine Abstammungsurkunde für ihre in Bad O geborene Tochter sowie einen Versicherungsverlauf ihres am 1944 geborenen türkischen Ehemannes, beginnend ab 1969. Geburtsurkunden ihrer Söhne fügte sie nicht anbei.

Auf weitere Nachfrage der Beklagten erklärte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 6. Juli 2004 und 6. September 2004, dass in Deutschland der Familienwohnsitz der Familie liege. Sie hätten durchgehend Kindergeld für die Kinder erhalten. In der Zeit 3. November 1971 bis 29. November 1975 habe sie sich dem EU-rechtlichen Freizügigkeitsgebot entsprechend in der Türkei aufgehalten.

Unter Zugrundelegung eines von der Klägerin vorgelegten Schreibens der Stadt R vom 29. Juli 2004, das einen Aufenthalt des älteren Sohnes A. in der Bundesrepublik erstmals ab 25. Juni 1979 und einen Aufenthalt des Sohnes T. vom 30. November 1975 bis 11. August 1976, vom 25. Juni 1979 bis 28. September 1979 und seit 1. Oktober 1981 fortlaufend auswies, erkannte die Beklagte eine Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit für die Tochter der Klägerin in vollem Umfang an. Für den am 3. November 1971 geborenen Sohn T. stellte sie die Zeiten vom 30. November 1975 bis 11. August 1976, 25. Juni 1979 bis 28. September 1979 und 3. Oktober 1981 bis 2. November 1981 als Berücksichtigungszeit fest. Die Anerkennung weiterer Zeiten für die beiden Söhne der Klägerin lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die Kinder sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hätten, sondern im Ausland erzogen worden (Bescheid vom 8.Oktober 2004) seien.

Mit ihrem dagegen am 13. Oktober 2004 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Ablehnung weiterer Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten rechtswidrig sei. Die Familie habe ihren Hauptwohnsitz in Deutschland gehabt und habe ihn dort immer noch. Eine Rückkehr in die Türkei habe nie vorgelegen. Im Übrigen folge aus höherrangigem Recht, dass für eine Ehefrau eines durchgehend in einem EU-Staat lebenden Bürgers alle Kinder- und Berücksichtigungszeiten anzuerkennen seien.

Im Rahmen weiterer Ermittlungen teilte die Stadt Bad O mit, dass die Klägerin und ihr Sohn T. am 7. Juni 1972 von H nach Bad O zugezogen und am 30. November 1975 nach R verzogen seien. Anfragen beim Einwohnermeldeamt der Stadt H blieben erfolglos. Die Stadt H teilte am 19. Dezember 2005 mit, dass sowohl die Klägerin als auch ihr Kind T. dort nicht zu ermitteln seien.

Mit Gegenstandsbescheid vom 6. Januar 2006 nahm die Beklagte den Bescheid vom 8. Oktober 2004 im Hinblick auf die für die Zeit vom 7. Juni 1972 bis 30. November 1972 (mit Schriftsatz vom 19. Januar 2006 korrigiert auf 29. November 1975) getroffenen Feststellungen nach § 45 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück und erkannte die Zeit vom 7. Juni 1972 bis 11. August 1976 für T. als Berücksichtigungszeit an. In der Anlage zum Bescheid fügte sie einen Versicherungsverlauf bei, der neben den bereits anerkannten Zeiten nunmehr auch die Zeit vom 7. Juni 1972 bis 29. November 1975 als Berücksichtigungszeit auswies.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass mit Ausnahme der im Abhilfebescheid anerkannten Zeit vom 7. Juni 1972 bis 29. November 1975 kein Anhalt dafür vorliege, dass die Klägerin zusammen mit einem der Kinder in Deutschland gelebt habe und dort die Erziehung vorgenommen worden wäre. Die Anerkennung von Zeiten für das Kind A. scheitere an dem dokumentierten Zuzug aus der Türkei am 25. Juni 1979. Für das Kind T. sei über die Meldebehörden ermittelt worden, dass in der Zeit vom 12. August 1976 bis 24. Juli 1979 und vom 29. Sep-tember 1979 bis 2. Oktober 1981 ein Türkeiaufenthalt vorgelegen habe. Die Erziehung eines Kindes in der Türkei könne in Deutschland nicht anerkannt werden, da eine Versicherungslastregelung entsprechend § 249 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) in dem ab 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Türkeiabkommen nicht enthalten sei.

Mit ihrer hiergegen am 2. März 2006 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr Ehemann seit dem 14. März 1969 in der Bundesrepublik Deutschland als Fernfahrer berufstätig sei. Ihr sei es familienbedingt- ihre Tochter sei schwerbehindert- nur teilweise möglich gewesen, eigene Rentenversicherungsansprüche zu erwerben. Die etwaige partielle räumliche Trennung stehe der Erziehung nicht entgegen, denn diese müsse nicht notwendig im eigenen Haus erfolgen. Als Ehefrau eines in einem EU-Staat lebenden Versicherten dürfe sie im Übrigen hinsichtlich der Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nicht schlechter gestellt werden als andere EU-Bürger.

Die Klägerin hat beantragt,

wegen der für sie positiveren Auslegung des EG-Rechtes die Angelegenheit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. September 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte zutreffend lediglich die in den angefochtenen Bescheiden vermerkten Zeiten als Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeit anerkannt habe. Einen Anspruch auf eine weitergehende Feststellung von berücksichtigungsfähigen Zeiten habe die Klägerin nicht. Die Klägerin wende sich ausdrücklich gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006, sodass von einer Anfechtungsklage auszugehen sei. Dass jedoch eine Leistung durch Änderung der angefochtenen Bescheide eingeklagt werden solle, könne weder dem Klagantrag noch der Klagbegründung entnommen werden, sodass die Klägerin eine Leistungsklage nicht erhoben habe. Die Kammer habe dennoch die angefochtenen Bescheide überprüft, jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt oder von unrichtigen Tatsachen ausgegangen sei. Anhaltspunkte, die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, habe die Kammer nicht, weil die rechtliche Begründung der Klägerin nicht zu überzeugen vermöge. Insbesondere die behauptete Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht nachvollziehbar. Soweit und solange die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeit nicht vorlägen, habe die Beklagte zutreffend die Anerkennung derartiger Zeiträume abgelehnt. Diese Ablehnung sei nicht auf die Anwendung des Rechts zurückzuführen, sondern allein auf die fehlende Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen.

Gegen diesen ihr am 10. Oktober 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 27. Oktober 2008 beim Schleswig – Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen und weist erneut darauf hin, dass die Familie seit März 1969 in Deutschland lebe. Präjudizierend werde hierzu auf den Versicherungsverlauf ihres Ehemannes, auf den Kindergeldbezug für alle drei Kinder und auf Steuerbegünstigungen verwiesen, die ihnen in der Vergangenheit gewährt worden seien. Die Ablehnung weiterer Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten sowie die Nichtdokumentation der ausländischen Versicherungszeiten verstoße gegen höherrangiges EU-Recht, so insbesondere gegen die EG-VO Nr. /2004. Sie dürfe als in einem EU-Land lebende Mutter den Schutz des europäischen Rechts für sich in Anspruch nehmen. Daraus folge das Verbot jeglicher Diskriminierung und das Recht auf Freizügigkeit aller im EU-Raum lebenden Arbeitnehmer. Die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen ihres Türkeiaufenthaltes stelle für sie eine Diskriminierung und Benachteiligung dar, die unzulässig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 30. September 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Feb-ruar 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für die Söhne A. und T. in voller Höhe vorzumerken, hilfsweise festzustellen, dass unter Berücksichtigung ihrer drei Kinder sowie der deutschen und türkischen Beitragszeiten die Wartezeit für eine Regelaltersrente erfüllt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die diesen Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form– und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten oder weiteren Berücksichtigungszeiten für ihre Söhne. Für die hilfsweise beantragte Feststellungsklage, mit der die Klägerin die Feststellung der Wartezeiterfüllung für die Regelaltersrente begehrt, liegen schon die Prozessvoraussetzungen nicht vor.

Soweit die Klägerin mit der Berufung nicht nur die Aufhebung des Gerichtsbescheides und die Vorlage an den EuGH begehrt, sondern eine Entscheidung über die Anerkennung und Vormerkung von Kindererziehungszeiten und (weiteren) Berücksichtigungszeiten beantragt, kann offenbleiben, ob es sich hierbei um eine Klagänderung im Sinne der § 99 Abs. 1 und Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG oder nur um eine nach § 99 Abs. 3 SGG unbedenkliche Klagerweiterung handelt. Eine Änderung der Klage ist auf jeden Fall dann zulässig, wenn sie sachdienlich ist (§ 99 Abs. 1 2. Halbsatz). Dies ist anzunehmen, weil ein Antrag auf Vorlage des Verfahrens an den EuGH auch zugleich eine Entscheidung in der Sache impliziert. Mit einer Entscheidung des EuGH will die Klägerin gerade erreichen, dass die hier streitigen Zeiten als Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten anerkannt werden.

Die Klägerin hat nach § 149 Abs. 5 SGB VI keinen Anspruch auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten und weiteren Kinderberücksichtigungszeiten für die Söhne A. und T. Die Voraussetzungen der §§ 56, 57 und 249 SGB VI, die diese Zeiten regeln, liegen nicht vor. Die Vorschriften des am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen SGB VI sind anzuwenden, obwohl bereits vor diesem Zeitpunkt der hier zu beurteilende Sachverhalt bestanden hat (BSG, Urteil vom 25. Februar 1992 – 4 RA 34/91 – in SozR 3- 6180 Art. 13 Nr. 2). Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird einem Elternteil eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist und die Erziehung in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr beim Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Nach § 249 Abs. 1 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind 12 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten können über die von der Beklagten bereits festgestellte Anerkennung hinaus der Klägerin nicht zugeordnet werden, da die Erziehung ihrer Söhne nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der Türkei erfolgt ist (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI). Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Voraussetzungen in dem Sinne konkretisiert, dass der Versicherte das Kind in der Bundesrepublik erzogen und sich mit ihm während der Erziehung hier gewöhnlich aufgehalten haben muss. Erst bei Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt sich die weitere Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erziehenden und des Kindes während dieses Zeitraumes (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 4 RA 3/93). Die Klägerin hat während der und zur – Erziehung ihrer Söhne nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der Türkei gelebt. Infolgedessen hat die Klägerin ihre Söhne nicht in der Bundesrepublik Deutschland erzogen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob sie während dieser Zeit dennoch – ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, weil hier nach wie vor der Familienwohnsitz bestand.

Die Erziehung der Söhne in der Türkei steht einer Inlandserziehung auch nicht nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI gleich. Nach dieser Vorschrift steht eine im Ausland erfolgte Erziehung einer solchen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dann gleich, wenn die Mutter oder der Vater wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem (ausländischen) Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften haben. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die Verhältnisse des Versicherten eine hinreichend enge Beziehung zum deutschen Arbeitsmarkt – und Sozialleben gehabt haben ("Inlandsanknüpfung"). Wegen der bestandssichernden Bedeutung der Kindererziehung für das System der Altersvorsorge (Stichwort: Generationenvertrag) ist entscheidend für den Erwerb von Kindererziehungszeiten, dass die Erziehung grundsätzlich im Inland zu erfolgen hat und nur ausnahmsweise im Ausland erfolgen darf (BSG, Urteil vom 22. Feb¬ruar 1995, 4 RA 4/93 in SozR 3-2600 § 56 Nr. 8). In allen Fällen zu berücksichtigender Auslandserziehung muss also eine Anknüpfung an das Versicherungsleben im Inland vorhanden sein. Eine solche Inlandsanknüpfung besteht für die Klägerin nicht, weil sie während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt ihrer Söhne in der Türkei keine Pflichtbeitragszeiten für eine im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit hatte. Die Klägerin selbst war als Erziehende während des streitigen Zeitraums nie in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben integriert. Eine Anknüpfung über eine Auslandstätigkeit ihres Ehemannes mit Inlandsbezug ist nicht möglich, weil der Ehemann der Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum nicht im Ausland, sondern in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war.

Eine erweiternde Auslegung von § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI mit dem Ziel der Gleichstellung einer Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung in den Fällen, in denen der nicht erziehende Ehegatte in der Bundesrepublik Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, während der Erziehende und das Kind im Ausland leben, kommt nicht in Betracht. Das Bundessozialgericht hatte 1991 und 1994 in zwei Verfahren zu entscheiden, ob für die Erziehung im Ausland Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind (Urteil vom 28. August 1991, 13/5 RJ 16/90; Urteil vom 25. Januar 1994, 4 RA 3/93). Das BSG hat dies zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Das mit Urteil vom 28. August 1991 entschiedene Verfahren betraf eine Griechin, die sich etwa sieben Monate vor der Geburt ihres Kindes nach Griechenland begeben und dort ihr Kind in den ersten 20 Lebensmonaten erzogen hatte. Das BSG hat eine analoge Anwendung des § 1227a Abs. 5 RVO (entspricht § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) ausgeschlossen, da "hier nicht einmal ein ähnlicher Tatbestand vorliegt". Für Ehefrauen der Versicherten, die im Ausland tätig seien und aufgrund dieser Beschäftigung noch einen Bezug zur deutschen Sozialversicherung hätten, stelle die Anerkennung von Kindererziehungszeiten sicher, dass diesen Frauen rentenrechtlich kein Nachteil entstehe, wenn sie ihrem Ehemann ins Ausland folgten. Die Klägerin habe sich aber im Gegensatz hierzu nicht zu ihrem Ehemann begeben, sondern sich von ihm entfernt. Soweit Kindererziehungszeiten für Personen, die im Ausland eine nach deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigung ausübten, anerkannt werden könnten, diene dies der Einbeziehung der Versicherten, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kindererziehung im Ausland eine besonders enge Bindung zur deutschen Rentenversicherung hätten. Die Klägerin sei aber in Griechenland nicht berufstätig und auch nicht in der deutschen Sozialversicherung versichert.

Die spätere Entscheidung, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, die Klägerin ist hier nach Syrien zurückgekehrt, hat das BSG mit der fehlenden Integration in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben der Klägerin begründet. Die fehlende Integration der Klägerin werde nicht dadurch ersetzt, dass ihr Ehemann in dem maßgebenden Zeitraum aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland und seiner dort ausgeübten Erwerbstätigkeit in das deutsche Arbeits- und Erwerbsleben eingegliedert gewesen sei. Eine Gleichstellung eines Erziehungsortes im Ausland mit einem Inländischen könne nur dann erfolgen, wenn sich beide Ehegatten gemeinsam gewöhnlich im Ausland aufgehalten hätten und während dieser Zeit in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben eingegliedert gewesen wären. Eine planwidrige Regelungslücke hat das BSG nicht gesehen, weil die Klägerin nicht allein wegen der Erziehung an der Zahlung von Pflichtbeiträgen gehindert war, sondern in erster Linie wegen Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes in das Ausland keinen Bezug zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben mehr hatte.

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat das BSG in beiden Fällen nicht angenommen. Im Syrien-Fall hat das BSG dazu u.a. ausgeführt: "Wenn der Gesetzgeber den Nachteil in der Altersversorgung der Personen, die sich der Kindererziehung widmen, ausgleichen will und dabei für die Anrechnung der Kindererziehungszeiten den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland oder ausnahmsweise – bei der Auslandserziehung einen engen Bezug des Erziehenden zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben voraussetzt, so handelt es sich um evidentsachliche Differenzierungsmerkmale. Erziehende, die ihre Kinder im Ausland erziehen und sich mit ihnen dort gewöhnlich aufhalten, sind in aller Regel und typischer Weise nicht in der Lage, inländische Pflichtbeitragszeiten zurückzulegen".

Soweit im Griechenland-Fall überdies eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 7 EWG-Vertrag geltend gemacht wurde, hat das BSG festgestellt, dass eine solche von der Klägerin unterstellte Diskriminierung nicht vorliegt; andernfalls würden ausländische Erziehende bei gleichem Sachverhalt allein wegen ihrer besonderen Bedürfnisse (Rückkehr in die Heimat zur Geburt und Erziehung) bessergestellt als deutsche Mütter, die sich zur Geburt und Erziehung in das Ausland begeben. Schwerwiegende Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung eine den Unterschieden angemessene unterschiedliche Behandlung beider Personengruppen erforderten, hat das BSG nicht feststellen können. Allein der Wunsch ausländischer Mütter, ihr Kind in der Heimat zur Welt zu bringen und es dort in den ersten Lebensjahren zu erziehen, ist, so das BSG zu Recht, kein solch schwerwiegender Grund.

Der von der Klägerin geforderten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof fehlt es vor diesem Hintergrund an einer ausreichenden Grundlage. Dies gilt auch, soweit die Klägerin über einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot hinaus Verstöße gegen die VO (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Okto-ber 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft und die VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit geltend macht. Weder diese VO noch die in VO (EWG) Nr. 1408/71 bestehenden Vorschriften, die durch die EG-VO 883/04 ersetzt, aktualisiert und vereinfacht worden sind, stehen der hier getroffenen Regelung entgegen. Denn durch die VO werden allein Staatsangehörige von EU-Mitgliedsstaaten begünstigt (vgl. Artikel 2 EG-VO 883/2004 persönlicher Geltungsbereich). Als Staatsangehöriger eines nicht EU-Landes kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen.

Zudem betrifft Art. 44 der VO zur Durchführung der VO (EG) Nr. 883/2004 nur solche Angehörige von Mitgliedsstaaten, die vor der Geburt des Kindes in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig waren und ihre Kinder zwar außerhalb der Bundesrepublik, jedoch in einem anderen Mitgliedsstaat erziehen. Die Klägerin hat ihre Söhne weder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU erzogen, noch war sie je in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, nach dem Recht des Beschäftigungsstaates, als Beschäftigte oder selbstständig Tätige versicherungspflichtig. Sie bezog auch keinerlei Sozialleistungen, deren Voraussetzung die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung wäre und die im Recht der Alterssicherung berücksichtigt würde, sodass auch hieraus kein enger Bezug zum Beschäftigungsstaat abgeleitet werden könnte (BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 4 RA 3/93 -, vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2008 – L 3 R 1363/05 -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. April 2008 L 16 R 898/07 -).

Schließlich existieren auch keine bilateralen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland einer– und der Türkei andererseits, die eine Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten möglich machen könnten. Eine Integration des Erziehenden in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben hält das BSG zwar auch bei Anwendung von Versicherungslastregelungen, die ausländische Zeiten der deutschen Versicherungslast zuordnen, für gegeben (BSG, Urteil vom 20. April 1993 – 5 RJ 36/92 – in SozR 3-5750 Art. 2 § 62 Nr. 9). Solche Versicherungslastregelungen bestehen aber mit der Türkei nicht.

Ob weitere in– und ausländische Versicherungszeiten anzuerkennen und vorzumerken sind, ist ebenso wie die mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung der Erfüllung der Wartezeit für die Regelaltersrente in einem gesonderten Verwaltungs– und Widerspruchsverfahren zu klären. Hierüber liegt zur Zeit kein Bescheid und kein Widerspruchsbescheid der Beklagten vor, der Gegenstand einer Überprüfung im Wege der Anfechtungs– oder gar Feststellungsklage sein könnte (vgl. §§ 55, 78, 84, 87, 90 SGG; zu den Voraussetzungen einer Feststellungsklage, insbesondere der vorherigen Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens siehe Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 55 Rn. 3 b). Insofern bedurfte es auch weder einer Beiladung weiterer in– oder ausländischer Sozialleistungsträger noch einer Beweiserhebung über weitere Versicherungszeiten. Gleiches gilt für eine Beiladung der Kindergeldkasse Stormarn oder des Finanzamtes Stormarn. Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten sind abschließend in §§ 56, 57 SGB VI geregelt und werden – wie oben dargelegt – von der Klägerin nicht erfüllt. Der Bezug von Kindergeld gehört nicht dazu.

Die Berufung ist danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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