Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 5 KR 67/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 87/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Aufhebung einer sog. einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG begründet weder eine formelle noch eine materielle Beschwer für den Rechtsschutzsuchenden.
2. Ein Beigeladener kann nur dann wirksam verurteilt werden, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG vorliegen und er tatsächlich zu den dort genannten anderen Leistungsverpflichteten gehört.
3. Rehabilitationsträger i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IX sind nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Schleswig-Holstein ausschließlich die Kreise und kreisfreien Städte. Nehmen kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter die den Kreisen obliegenden Aufgaben aufgrund einer Heranziehung wahr, begründet dies keinen Wechsel in der Trägerschaft der Sozialhilfe. Eine solche Gemeinde kann daher kein Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB IX sein, der notwendig beizuladen wäre.
2. Ein Beigeladener kann nur dann wirksam verurteilt werden, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG vorliegen und er tatsächlich zu den dort genannten anderen Leistungsverpflichteten gehört.
3. Rehabilitationsträger i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IX sind nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Schleswig-Holstein ausschließlich die Kreise und kreisfreien Städte. Nehmen kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter die den Kreisen obliegenden Aufgaben aufgrund einer Heranziehung wahr, begründet dies keinen Wechsel in der Trägerschaft der Sozialhilfe. Eine solche Gemeinde kann daher kein Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB IX sein, der notwendig beizuladen wäre.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 11. März 2010 wird als unzulässig verworfen. &8195;
Gründe:
I.
In dem Klageverfahren S 5 KR 67/09 begehrt die Klägerin von der Beklagten die Kostenübernahme für zwei Harmony Sprach-prozessoren.
Die Klägerin wurde von der Beklagten Anfang 2006 beidseitig mit Auria Sprachprozessoren versorgt. Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage eines Anpassberichts und eines Kostenvoranschlages des C. I. Ca. S.-K. die Ausstattung mit zwei Harmony Sprachprozessoren. Diesen Antrag leitete die Beklagte zunächst an die Gemeindeverwaltung Ammersbek, Abteilung Soziales/Integration, weiter und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2008 mit, dass sie ihre Leistungspflicht durch die Versorgung mit einem CL-Sprachprozessor im Februar 2006 erfüllt habe. Von einer schriftlichen Ablehnung des Antrages werde jedoch abgesehen, da für die beantragte Umversorgung die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers gegeben sei, an den der Antrag innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) weitergeleitet worden sei. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, trat die Beklagte selbst in eine Sachprüfung ein und ermittelte bei dem C. I. Ca S.-K. die gemessenen Vergleichsergebnisse für den Auria Sprachprozessor und den Harmony Sprachprozessor. Hierzu holte sie das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenbug (Dr. Sa.) vom 12. September 2008 ein und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. September 2008 mit, dass der MDK die Nachversorgung nicht habe befürworten können. Zugleich stellte sich die Beklagte weiterhin auf den Standpunkt, dass der Leistungsantrag aufgrund der Weiterleitung an die Gemeindeverwaltung Ammersbek nunmehr alleinzuständig von diesem Rehabilitationsträger zu prüfen sei. Die Forderung der Klägerin, einen rechtsmittelfähi-gen Bescheid zu erteilen, wertete die Beklagte als Widerspruch gegen die Weiterleitung des Leistungsantrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2009 wies die Beklagte dennoch den Wider¬spruch der Klägerin, den sie – die Beklagte – nunmehr dahingehend auslegte, dass sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für zwei Harmony Sprachprozessoren gewendet habe, als in der Sache unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 17. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Das Sozialge¬richt hat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 20. Januar 2010 die Gemeinde Am¬mersbek, Abteilung Soziales/Integration, gemäß § 75 des So-zialgerichtsge¬setzes (SGG) zum Verfahren beigeladen, weil die berechtigten Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung berührt würden. Nachdem der Landrat des Kreises Stormarn dem Sozialgericht mit Schreiben vom 23. Februar 2010 mitgeteilt hatte, dass nicht die Gemeinde Ammersbek, sondern der Kreis Stormarn als Sozialhilfeträger beizuladen sei, weil die Gemeinde Ammersbek gemäß der Heranziehungssatzung für den Kreis Stormarn lediglich Verwaltungsaufgaben erledige, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. März 2010 den Beschluss vom 20. Januar 2010 abgeändert, die Beiladung der Gemeinde Ammersbek aufgehoben und stattdessen den Kreis Stormarn zum Verfahren beigeladen. Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 17. März 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die am 19. April 2010 beim Sozialgericht Lübeck eingegangen ist. Die Klägerin führt aus, die Beschwerde richte sich allein gegen die Aufhebung der Beiladung der Gemeinde Ammersbek, nicht hingegen gegen die Beiladung des Kreises Stormarn. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, es sei unklar, ob die Beklagte den Verwaltungsvorgang gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX wirksam an die zunächst beigeladene Gemeinde Ammersbek abgegeben habe und somit auch eine Verurteilung der Gemeinde Ammersbek gemäß § 75 Abs. 5 SGG in Betracht komme.
II.
Die Beschwerde ist zwar statthaft und auch form- und fristgerecht beim Sozialgericht eingelegt worden, dennoch ist die Beschwerde nicht zulässig, weil die Klägerin durch den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 11. März 2010 nicht beschwert wird.
Jede Rechtsverfolgung setzt als allgemeine Prozessvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, auch wenn das im SGG und den anderen Verfahrensgesetzen nur vereinzelt zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. § 55 Abs. 1 SGG und zum Rechtsschutzbedürfnis BSGE 1, 246, 252; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 45; SozR 3-2600 § 118 Nr. 11 sowie Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. Vor § 51 Rdn. 16a m.w.N. zur Literatur). In den Rechtsmittelinstanzen ist das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel bei einer Beschwer des Rechtssuchenden durch die angefochtene Entscheidung gegeben. Mit dem Begriff der Beschwer wird das Rechtsschutzbedürfnis oder Rechtsschutzinteresse für die Rechtsmittelinstanz umschrieben (BGHZ 50, 261; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Vor § 143 Rdn. 5 m.w.N.).
Eine Beschwer kann grundsätzlich bereits in bloß formeller Hinsicht gegeben sein, weil die angefochtene Entscheidung etwas versagt, das zuvor beantragt worden ist (BSGE 9, 80, 82; 11, 26, 27; BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 – B 9/9a SB 2/07 R, veröffentlicht in juris.). Sie kann jedoch auch in bloß materieller Hinsicht gegeben sein, wenn der Betroffene einen Antrag nicht gestellt hat, seine materielle Rechtsstellung aber durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R, veröffentlicht in juris; Leitherer, a.a.O., Rdnr. 7 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Klägerin durch den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 11. März 2010 nicht beschwert, soweit durch diesen die Beiladung der Gemeinde Ammersbek zum Verfahren S 5 KR 67/09 aufgehoben worden ist. Allein hiergegen wendet sich die Klägerin aber nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen im Beschwerdeverfahren. Zwar hatte die Klägerin mit der Begrün¬dung, dass die Gemeinde Ammersbek wegen der Weiterleitung des Antrags auf Umversorgung nach § 14 Abs. 1 SGB IX als Leistungsver¬pflichtete für die Kostenübernahme in Betracht komme, und die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könne, zunächst mit der Klageschrift beantragt, die Gemeinde Ammersbek dem Rechtsstreit beizuladen. Auch handelte es sich hierbei um einen Antrag nach § 75 Abs. 2 SGG, der den Fall der notwendigen Beiladung umfasst. Diesem Antrag hatte das Sozialgericht jedoch bereits mit dem Beschluss vom 20. Januar 2010 nicht entsprochen. Das Sozialgericht hatte lediglich eine so genannte einfache Beiladung ausgesprochen, indem es sich auf die berechtigten Interessen der Gemeinde Ammersbek, die durch die Entscheidung berührt werden könnten, stützte. Hiergegen hat sich die Klägerin jedoch zu keinem Zeitpunkt gewandt und wendet sie sich auch jetzt nicht mit ihrer Beschwerde.
Eine sogenannte einfache Beiladung der Gemeinde Ammersbek nach § 75 Abs. 1 SGG war von der Klägerin im Verfahren nicht beantragt worden. Die mit dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts erfolgte Aufhebung der einfachen Beiladung kann deshalb keine formelle Beschwer der Klägerin bedingen. Im Übrigen ist ein Antrag auf Beiladung auch lediglich eine Anregung ohne weitere Bedeutung (Leitherer, a.a.O., Rdnr. 15; Littmann-HK-SGG, § 75 Rdnr. 7).
Die Aufhebung der Beiladung hat auch keine materielle Beschwer der Klägerin zur Folge. Ihre materielle Rechtsstellung wird durch die Aufhebung der Beiladung nicht beeinträchtigt. Die so genannte einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG dient in erster Linie dem Interesse des Beigeladenen, dem die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Prozess gegeben werden soll, weil seine berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Zwar dient die Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG auch dem Interesse der Prozessökonomie, weil die Beiladung die Möglichkeit gibt, eine Entscheidung mit bindender Wirkung für den Beigeladenen zu treffen und eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen. Selbst unter Beachtung dieser Gesichtspunkte vermag der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts aber keine materielle Beschwer für die Klägerin zu entfalten. Denn insoweit ist hier maßgeblich darauf abzustellen, dass die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung im Wider¬spruchsbescheid vom 16. Januar 2009 trotz der zunächst erfolgten Abgabe des Leistungsantrages nach § 14 Abs. 1 SGB IX an die Gemeinde Ammersbek nicht auf ihre Unzuständigkeit als Leistungsträger gestützt hat, sondern im Laufe des bei ihr – der Beklagten – weiterhin anhängigen Verwaltungsverfahrens in eine materielle Sachprüfung eingetreten ist. Demzufolge hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin im Widerspruchsbescheid auch nicht mit der Begründung abgelehnt, dass sie – die Beklagte – unzuständiger Leistungsträger sei, sondern dass eine Kostenübernahme mangels Notwendigkeit der Umversorgung nicht erfolgen könne. Bei dieser Sachlage hätte es bereits einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG nicht bedurft, weil sie weder prozessökonomischen Gesichtspunkten Rechnung trägt, noch dazu dienen konnte, eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen. Die zunächst beigeladene Gemeinde Ammersbek hätte zum materiell-rechtlichen Sachverhalt, also der Notwendigkeit der Versorgung der Klägerin mit Harmony Sprachprozessoren, ohnehin nichts beitragen können.
Selbst der Umstand, dass eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG dazu führt, dass das Gericht eine Entscheidung mit bindender Wirkung auch für den Beigeladenen trifft, hätte bei der gegebenen Sach- und Rechtslage keinen Vorteil für die Klägerin zur Folge haben können, der ihr mit dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss wieder genommen worden wäre. Insbesondere hätte die Klägerin durch die Bindungswirkung keinen relevanten verfahrensrechtlichen Vorteil erlangen können. Eine wirksame Verurteilung der Gemeinde Ammersbek, die die Klägerin letztlich mit der Beiladung (hilfsweise) ermöglichen will, kommt nicht in Betracht. Dafür fehlt es bereits daran, dass diese kein in § 75 Abs. 5 SGG aufgeführter Sozialleistungsträger ist und die Verurteilung eines einfach Beigeladenen mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG verfahrensfehlerhaft wäre (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, § 75 Rz. 129). Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sind örtliche Träger der Sozialhilfe die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird. Das Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII vom 15. Dezember 2005 [GVOBl. 2005, 568]) sieht in § 1 Abs. 1 für Schleswig-Holstein keine hiervon abweichende Regelung vor. Nach dieser Vorschrift sind örtliche Träger der Sozialhilfe die Kreise und kreisfreien Städte. Sie führen die Sozialhilfe als Selbstverwaltungsangelegenheit durch. Zwar können die Kreise nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AG-SGB XII bestimmen, dass kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter die den Kreisen als örtlichen Trägern obliegenden Aufgaben durchführen und dabei im eigenen Namen entscheiden. Auch ist eine Heranziehung für die Durchführung von Aufgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§ 8 Nr. 4 SGB XII) zulässig, wenn die amtsfreien Gemeinden und Ämter zur Durchführung der Aufgabe in der Lage sind und der Heranziehung zustimmen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 AG-SGB XII). Weiterhin können die Kreise nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AG-SGB XII kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter beauftragen, dem örtlichen Träger obliegende Aufgaben durchzuführen und dabei im Namen des Kreises zu entscheiden. Hier hat der Kreis Stormarn auch von der Heranziehungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Heranziehung begründet aber keinen Wechsel in der Trägerschaft. Träger der Sozialhilfe bleibt im vorliegenden Fall der Kreis Stormarn. Die Durchführung der Aufgaben aufgrund einer Heranziehungsregelung geschieht nicht in Form der Delegation, sondern durch ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis besonderer Art (Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 99 Rdnr. 15 m.w.N.). Daraus folgt insbesondere, dass der Beauftragte – hier die Gemeinde Ammersbek – dem Auftraggeber – hier dem Kreis Stormarn - Mitteilungen zu machen, Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen hat, aber auch, dass ein Prüfrecht des Trägers der Sozialhilfe besteht und die Gemeinde Ammersbek an die Auffassung des Kreises Stormarn gebunden werden kann.
Demzufolge konnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auch nicht mit bindender Wirkung nach § 14 Abs. 1 SGB IX an die Gemeinde Ammersbek weiterleiten. Wenn die Gemeinde Ammersbek kein Träger der Sozialhilfe ist, kann sie auch kein Rehabilitationsträger im Sinne dieser Norm sein, an den ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe wirksam weitergeleitet werden kann.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass eine wirksame Verurteilung der Gemeinde Ammersbek zur Leistung der geltend gemachten Harmony Sprachprozessoren nicht möglich ist. Da die Aufhebung der einfachen Beiladung auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt eine Beschwer für die Klägerin beinhaltet, ist die Beschwerde somit als unzulässig zu verwerfen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
- - -
Gründe:
I.
In dem Klageverfahren S 5 KR 67/09 begehrt die Klägerin von der Beklagten die Kostenübernahme für zwei Harmony Sprach-prozessoren.
Die Klägerin wurde von der Beklagten Anfang 2006 beidseitig mit Auria Sprachprozessoren versorgt. Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage eines Anpassberichts und eines Kostenvoranschlages des C. I. Ca. S.-K. die Ausstattung mit zwei Harmony Sprachprozessoren. Diesen Antrag leitete die Beklagte zunächst an die Gemeindeverwaltung Ammersbek, Abteilung Soziales/Integration, weiter und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2008 mit, dass sie ihre Leistungspflicht durch die Versorgung mit einem CL-Sprachprozessor im Februar 2006 erfüllt habe. Von einer schriftlichen Ablehnung des Antrages werde jedoch abgesehen, da für die beantragte Umversorgung die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers gegeben sei, an den der Antrag innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) weitergeleitet worden sei. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, trat die Beklagte selbst in eine Sachprüfung ein und ermittelte bei dem C. I. Ca S.-K. die gemessenen Vergleichsergebnisse für den Auria Sprachprozessor und den Harmony Sprachprozessor. Hierzu holte sie das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenbug (Dr. Sa.) vom 12. September 2008 ein und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. September 2008 mit, dass der MDK die Nachversorgung nicht habe befürworten können. Zugleich stellte sich die Beklagte weiterhin auf den Standpunkt, dass der Leistungsantrag aufgrund der Weiterleitung an die Gemeindeverwaltung Ammersbek nunmehr alleinzuständig von diesem Rehabilitationsträger zu prüfen sei. Die Forderung der Klägerin, einen rechtsmittelfähi-gen Bescheid zu erteilen, wertete die Beklagte als Widerspruch gegen die Weiterleitung des Leistungsantrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2009 wies die Beklagte dennoch den Wider¬spruch der Klägerin, den sie – die Beklagte – nunmehr dahingehend auslegte, dass sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für zwei Harmony Sprachprozessoren gewendet habe, als in der Sache unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 17. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Das Sozialge¬richt hat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 20. Januar 2010 die Gemeinde Am¬mersbek, Abteilung Soziales/Integration, gemäß § 75 des So-zialgerichtsge¬setzes (SGG) zum Verfahren beigeladen, weil die berechtigten Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung berührt würden. Nachdem der Landrat des Kreises Stormarn dem Sozialgericht mit Schreiben vom 23. Februar 2010 mitgeteilt hatte, dass nicht die Gemeinde Ammersbek, sondern der Kreis Stormarn als Sozialhilfeträger beizuladen sei, weil die Gemeinde Ammersbek gemäß der Heranziehungssatzung für den Kreis Stormarn lediglich Verwaltungsaufgaben erledige, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. März 2010 den Beschluss vom 20. Januar 2010 abgeändert, die Beiladung der Gemeinde Ammersbek aufgehoben und stattdessen den Kreis Stormarn zum Verfahren beigeladen. Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 17. März 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die am 19. April 2010 beim Sozialgericht Lübeck eingegangen ist. Die Klägerin führt aus, die Beschwerde richte sich allein gegen die Aufhebung der Beiladung der Gemeinde Ammersbek, nicht hingegen gegen die Beiladung des Kreises Stormarn. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, es sei unklar, ob die Beklagte den Verwaltungsvorgang gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX wirksam an die zunächst beigeladene Gemeinde Ammersbek abgegeben habe und somit auch eine Verurteilung der Gemeinde Ammersbek gemäß § 75 Abs. 5 SGG in Betracht komme.
II.
Die Beschwerde ist zwar statthaft und auch form- und fristgerecht beim Sozialgericht eingelegt worden, dennoch ist die Beschwerde nicht zulässig, weil die Klägerin durch den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 11. März 2010 nicht beschwert wird.
Jede Rechtsverfolgung setzt als allgemeine Prozessvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, auch wenn das im SGG und den anderen Verfahrensgesetzen nur vereinzelt zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. § 55 Abs. 1 SGG und zum Rechtsschutzbedürfnis BSGE 1, 246, 252; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 45; SozR 3-2600 § 118 Nr. 11 sowie Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. Vor § 51 Rdn. 16a m.w.N. zur Literatur). In den Rechtsmittelinstanzen ist das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel bei einer Beschwer des Rechtssuchenden durch die angefochtene Entscheidung gegeben. Mit dem Begriff der Beschwer wird das Rechtsschutzbedürfnis oder Rechtsschutzinteresse für die Rechtsmittelinstanz umschrieben (BGHZ 50, 261; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Vor § 143 Rdn. 5 m.w.N.).
Eine Beschwer kann grundsätzlich bereits in bloß formeller Hinsicht gegeben sein, weil die angefochtene Entscheidung etwas versagt, das zuvor beantragt worden ist (BSGE 9, 80, 82; 11, 26, 27; BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 – B 9/9a SB 2/07 R, veröffentlicht in juris.). Sie kann jedoch auch in bloß materieller Hinsicht gegeben sein, wenn der Betroffene einen Antrag nicht gestellt hat, seine materielle Rechtsstellung aber durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R, veröffentlicht in juris; Leitherer, a.a.O., Rdnr. 7 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Klägerin durch den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 11. März 2010 nicht beschwert, soweit durch diesen die Beiladung der Gemeinde Ammersbek zum Verfahren S 5 KR 67/09 aufgehoben worden ist. Allein hiergegen wendet sich die Klägerin aber nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen im Beschwerdeverfahren. Zwar hatte die Klägerin mit der Begrün¬dung, dass die Gemeinde Ammersbek wegen der Weiterleitung des Antrags auf Umversorgung nach § 14 Abs. 1 SGB IX als Leistungsver¬pflichtete für die Kostenübernahme in Betracht komme, und die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könne, zunächst mit der Klageschrift beantragt, die Gemeinde Ammersbek dem Rechtsstreit beizuladen. Auch handelte es sich hierbei um einen Antrag nach § 75 Abs. 2 SGG, der den Fall der notwendigen Beiladung umfasst. Diesem Antrag hatte das Sozialgericht jedoch bereits mit dem Beschluss vom 20. Januar 2010 nicht entsprochen. Das Sozialgericht hatte lediglich eine so genannte einfache Beiladung ausgesprochen, indem es sich auf die berechtigten Interessen der Gemeinde Ammersbek, die durch die Entscheidung berührt werden könnten, stützte. Hiergegen hat sich die Klägerin jedoch zu keinem Zeitpunkt gewandt und wendet sie sich auch jetzt nicht mit ihrer Beschwerde.
Eine sogenannte einfache Beiladung der Gemeinde Ammersbek nach § 75 Abs. 1 SGG war von der Klägerin im Verfahren nicht beantragt worden. Die mit dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts erfolgte Aufhebung der einfachen Beiladung kann deshalb keine formelle Beschwer der Klägerin bedingen. Im Übrigen ist ein Antrag auf Beiladung auch lediglich eine Anregung ohne weitere Bedeutung (Leitherer, a.a.O., Rdnr. 15; Littmann-HK-SGG, § 75 Rdnr. 7).
Die Aufhebung der Beiladung hat auch keine materielle Beschwer der Klägerin zur Folge. Ihre materielle Rechtsstellung wird durch die Aufhebung der Beiladung nicht beeinträchtigt. Die so genannte einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG dient in erster Linie dem Interesse des Beigeladenen, dem die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Prozess gegeben werden soll, weil seine berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Zwar dient die Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG auch dem Interesse der Prozessökonomie, weil die Beiladung die Möglichkeit gibt, eine Entscheidung mit bindender Wirkung für den Beigeladenen zu treffen und eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen. Selbst unter Beachtung dieser Gesichtspunkte vermag der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts aber keine materielle Beschwer für die Klägerin zu entfalten. Denn insoweit ist hier maßgeblich darauf abzustellen, dass die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung im Wider¬spruchsbescheid vom 16. Januar 2009 trotz der zunächst erfolgten Abgabe des Leistungsantrages nach § 14 Abs. 1 SGB IX an die Gemeinde Ammersbek nicht auf ihre Unzuständigkeit als Leistungsträger gestützt hat, sondern im Laufe des bei ihr – der Beklagten – weiterhin anhängigen Verwaltungsverfahrens in eine materielle Sachprüfung eingetreten ist. Demzufolge hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin im Widerspruchsbescheid auch nicht mit der Begründung abgelehnt, dass sie – die Beklagte – unzuständiger Leistungsträger sei, sondern dass eine Kostenübernahme mangels Notwendigkeit der Umversorgung nicht erfolgen könne. Bei dieser Sachlage hätte es bereits einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG nicht bedurft, weil sie weder prozessökonomischen Gesichtspunkten Rechnung trägt, noch dazu dienen konnte, eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen. Die zunächst beigeladene Gemeinde Ammersbek hätte zum materiell-rechtlichen Sachverhalt, also der Notwendigkeit der Versorgung der Klägerin mit Harmony Sprachprozessoren, ohnehin nichts beitragen können.
Selbst der Umstand, dass eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG dazu führt, dass das Gericht eine Entscheidung mit bindender Wirkung auch für den Beigeladenen trifft, hätte bei der gegebenen Sach- und Rechtslage keinen Vorteil für die Klägerin zur Folge haben können, der ihr mit dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss wieder genommen worden wäre. Insbesondere hätte die Klägerin durch die Bindungswirkung keinen relevanten verfahrensrechtlichen Vorteil erlangen können. Eine wirksame Verurteilung der Gemeinde Ammersbek, die die Klägerin letztlich mit der Beiladung (hilfsweise) ermöglichen will, kommt nicht in Betracht. Dafür fehlt es bereits daran, dass diese kein in § 75 Abs. 5 SGG aufgeführter Sozialleistungsträger ist und die Verurteilung eines einfach Beigeladenen mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG verfahrensfehlerhaft wäre (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, § 75 Rz. 129). Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sind örtliche Träger der Sozialhilfe die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird. Das Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII vom 15. Dezember 2005 [GVOBl. 2005, 568]) sieht in § 1 Abs. 1 für Schleswig-Holstein keine hiervon abweichende Regelung vor. Nach dieser Vorschrift sind örtliche Träger der Sozialhilfe die Kreise und kreisfreien Städte. Sie führen die Sozialhilfe als Selbstverwaltungsangelegenheit durch. Zwar können die Kreise nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AG-SGB XII bestimmen, dass kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter die den Kreisen als örtlichen Trägern obliegenden Aufgaben durchführen und dabei im eigenen Namen entscheiden. Auch ist eine Heranziehung für die Durchführung von Aufgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§ 8 Nr. 4 SGB XII) zulässig, wenn die amtsfreien Gemeinden und Ämter zur Durchführung der Aufgabe in der Lage sind und der Heranziehung zustimmen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 AG-SGB XII). Weiterhin können die Kreise nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AG-SGB XII kreisangehörige amtsfreie Gemeinden und Ämter beauftragen, dem örtlichen Träger obliegende Aufgaben durchzuführen und dabei im Namen des Kreises zu entscheiden. Hier hat der Kreis Stormarn auch von der Heranziehungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Heranziehung begründet aber keinen Wechsel in der Trägerschaft. Träger der Sozialhilfe bleibt im vorliegenden Fall der Kreis Stormarn. Die Durchführung der Aufgaben aufgrund einer Heranziehungsregelung geschieht nicht in Form der Delegation, sondern durch ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis besonderer Art (Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 99 Rdnr. 15 m.w.N.). Daraus folgt insbesondere, dass der Beauftragte – hier die Gemeinde Ammersbek – dem Auftraggeber – hier dem Kreis Stormarn - Mitteilungen zu machen, Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen hat, aber auch, dass ein Prüfrecht des Trägers der Sozialhilfe besteht und die Gemeinde Ammersbek an die Auffassung des Kreises Stormarn gebunden werden kann.
Demzufolge konnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auch nicht mit bindender Wirkung nach § 14 Abs. 1 SGB IX an die Gemeinde Ammersbek weiterleiten. Wenn die Gemeinde Ammersbek kein Träger der Sozialhilfe ist, kann sie auch kein Rehabilitationsträger im Sinne dieser Norm sein, an den ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe wirksam weitergeleitet werden kann.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass eine wirksame Verurteilung der Gemeinde Ammersbek zur Leistung der geltend gemachten Harmony Sprachprozessoren nicht möglich ist. Da die Aufhebung der einfachen Beiladung auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt eine Beschwer für die Klägerin beinhaltet, ist die Beschwerde somit als unzulässig zu verwerfen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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