L 6 RA 43/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 An 542/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RA 43/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die zum 1. September 1996 ausgesprochene Aufhebung eines Bescheides über die Bewilligung von Invalidenrente für Behinderte.

Der im Januar 1976 geborene Kläger leidet an einer Osteogenesis imperfecta und ist wegen dieser Erkrankung mit einem Grad der Behinderung von 100 Prozent als Schwerbehinderter anerkannt. Nach Teilnahme an einer Maßnahme zur Arbeitserprobung und Erwerb des Realschulabschlusses absolvierte er vom 1. September 1994 bis zum 20. Mai 1998 mit Erfolg eine Ausbildung zum Kommunikationselektroniker. Diese Ausbildung wurde als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation gemäß § 56 des Ausbildungsförderungsgesetzes (AFG) vom Träger der Arbeitslosenversicherung finanziert, der dem Kläger ergänzend hierzu - nach zwischenzeitlicher Aufhebung einer früheren Bewilligung - mit seinem Bescheid vom 15. März 1996 rückwirkend ab Beginn der Maßnahme ein Ausbildungsgeld in Höhe von über 400,- DM monatlich bewilligte.

Auf seinen im Februar 1994 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit ihrem Bescheid vom 5. Oktober 1994 für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. August 1994 sowie mit ihrem Bescheid vom 3. Februar 1995 für die Zeit ab 1. September 1994 eine Invalidenrente für Behinderte gemäß Art. 2 § 10 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz - RÜG -). Dem Bescheid vom 3. Februar 1995 fügte sie ein Merkblatt bei, mit dem sie über die Mitteilungspflichten bei Rentenansprüchen nach Art. 2 RÜG informierte. In diesem Merkblatt wies sie u.a. darauf hin, dass die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit für Zeiten nach Beginn der in Art. 2 § 10 RÜG geregelten Behinderteninvalidenrente rentenunschädlich sei, wenn die in den Ausführungen zu den Invalidenrenten nach Art. 2 § 7 RÜG genannten Hinzuverdienstgrenzen eingehalten würden. In den Hinweisen zu den Invalidenrenten nach Art. 2 § 7 RÜG teilte sie u.a. mit, dass ein Hinzuverdienst bis zum sog. Lohndrittel zulässig sei.

Nachdem der Kläger die Beklagte telefonisch und schriftlich über die Bewilligung von Ausbildungsgeld durch den Träger der Arbeitslosenversicherung informiert und ihr des Weiteren auch dessen Bescheid vom 15. März 1996 zur Kenntnis übersandt hatte, hob die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid vom 3. Februar 1995 mit ihrem Bescheid vom 25. Juli 1996 für die Zeit ab 1. September 1996 auf. Zur Begründung führte sie aus, der Anspruch auf Invalidenrente für Behinderte sei entfallen, weil der Kläger an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation teilnehme und hierbei ein Einkommen erziele, das den monatlichen Grenzwert von 400,- DM überschreite.

Gegen diesen - im August 1996 zugegangenen - Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend: Der Aufhebungsbescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihn nicht angehört habe. Zudem sei die Begründung des Bescheides nicht nachvollziehbar. Wie sich aus dem dem Bewilligungsbescheid vom 3. Februar 1995 beigefügten Merkblatt sowie der vom Verband der Rentenversicherungsträger herausgegebenen Informationsbroschüre Nr. 5 (Ausgabe 1996/97) ergebe, dürfe eine einmal bewilligte Invalidenrente für Behinderte nämlich nur aufgehoben werden, wenn ein über der in Art. 2 § 7 RÜG geregelten Hinzuverdienstgrenze (dem sog. Lohndrittel) liegendes Einkommen erzielt werde. Dass das ihm vom Träger der Arbeitslosenversicherung gewährte Ausbildungsgeld dieses Lohndrittel überschreite, habe die Beklagte nicht dargelegt. Dies sei auch sonst nicht ersichtlich, zumal ihn die Beklagte im Jahre 1995 telefonisch dahingehend unterrichtet habe, dass die Höhe des Ausbildungsgeldes rentenunschädlich sei.

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit ihrem Schreiben vom 19. August 1996 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und der Kläger seine Auffassung daraufhin bekräftigt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 1996 zurück. Zur Begründung gab sie an: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Invalidenrente für Behinderte. Denn das ihm vom Träger der Arbeitslosenversicherung ergänzend zu seiner Ausbildung rückwirkend ab 1. September 1994 bewilligte Ausbildungsgeld übersteige den in Art. 2 § 10 RÜG aufgeführten Grenzwert von 400,- DM monatlich. Auf die in Art. 2 § 7 RÜG geregelte Hinzuverdienstgrenze in Höhe des sog. Lohndrittels komme es für die Invalidenrente für Behinderte nicht an.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger an seinem bisherigen Standpunkt festgehalten. Ergänzend hat er vorgetragen, dass das von ihm erzielte Ausbildungsgeld jedenfalls noch um die Werbungskosten gemindert werden müsse, weil es sich quasi um Arbeitsentgelt handele.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. Januar 1998 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) beruhende Aufhebung der Rentenbewilligung zum 1. September 1996 sei rechtmäßig. Der Anspruch des Klägers auf Invalidenrente für Behinderte nach Art. 2 § 10 RÜG sei entfallen, weil der Kläger an einer berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation teilnehme und er hierbei ein Einkommen erziele, das die in Art. 2 § 10 RÜG am Ende genannte Einkommensgrenze von 400,- DM überschreite. Hierbei stehe außer Frage, dass das ihm vom Träger der Ar-beitslosenversicherung gewährte Ausbildungsgeld Einkommen im Sinne des Art. 2 § 10 RÜG darstelle, der den § 11 der Verordnung der DDR über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. November 1973 - 1. RentenVO - fortschreibe. Denn das Ausbildungsgeld trete als Erwerbsersatzeinkommen an die Stelle des Arbeitsentgelts, das unter Geltung des Rechts der DDR durch den beschäftigenden Betrieb zu erbringen gewesen wäre, und diene ebenfalls der Sicherstellung des Lebensunterhalts. Werbungskosten seien hiervon nicht abzusetzen, weil steuerpflichtige Einkünfte insoweit nicht vorlägen. Davon abgesehen, würden Aufwendungen, die (wie z.B. Fahrtkosten, Kosten für Lehrmittel sowie Lehrgangsgebühren) üblicherweise als Werbungskosten abzugsfähig seien, nach den Bestimmungen des AFG gerade zusätzlich zum Ausbildungsgeld gewährt. Auf das sog. Lohndrittel komme es entgegen der Auffassung des Klägers bei der Einkommensanrechnung nach Art. 2 § 10 RÜG nicht an. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die eindeutig eine feste Einkommensgrenze von 400,- DM vorschreibe. Zum anderen folge dies aber auch aus der Systematik von Art. 2 §§ 7 und 10 RÜG. Denn Art. 2 § 10 RÜG gelte für Behinderte, die eine Erwerbstätigkeit noch nicht hätten aufnehmen können und somit über ein für die Feststellung des Lohndrittels relevantes Einkommen nicht verfügten. Demgegenüber finde Art. 2 § 7 RÜG auf Personen Anwendung, deren Leistungsvermögen sich erst im Laufe ihres Erwerbslebens mindere, so dass für sie ein vergleichbares Einkommen feststellbar sei. Im Übrigen gelte auch für Art. 2 § 7 RÜG eine absolute Einkommensgrenze von 400,- DM, deren Nichtüberschreiten zu einer Rentenleistung führe. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus dem von der Beklagten übersandten Merkblatt, weil es Rechtswirkung nach außen nicht entfalten könne. Davon abgesehen, stelle dieses Merkblatt hinsichtlich der Invalidenrente für Behinderte auch nicht auf das Lohndrittel ab. Vertrauensschutzgesichtspunkte seien von der Beklagten bei der Aufhebung der Rentenbewilligung in ausreichendem Maße beachtet worden, weil sie die Aufhebung im Einklang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lediglich mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält die Ausführungen des Sozialgerichts für rechtsirrig und führt aus: Die in Art. 2 § 10 RÜG am Ende genannte Einkommensgrenze von 400,- DM sei nur für die Zeit der Anspruchsbegründung von Bedeutung. Erziele der Rentenempfänger erst nach Beginn der Rente Einkommen, sei dieses Einkommen allein an der aus dem Lohndrittel bestehenden Hinzuverdienstgrenze des Art. 2 § 7 RÜG zu messen. Dies ergebe sich daraus, dass Art. 2 § 10 RÜG dem alten § 11 der 1. RentenVO entsprechen solle. Da nach dieser Vorschrift die Invalidenrente für Behinderte “für die Dauer der Invalidität” zu gewähren gewesen sei und Invalidität nach Art. 2 § 7 Abs. 3 Nr. 1 RÜG nur vorliege, wenn das Einkommen das Lohndrittel nicht überschreite, müsse das Lohndrittel auch für die Rente nach Art. 2 § 10 RÜG maßgebliche Hinzuverdienstgrenze sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 1998 und den Bescheid vom 25. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die den Kläger betreffende Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis zutreffend.

Der vom Kläger zu Recht nur mit der isolierten Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) angegriffene Bescheid vom 25. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 1996, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 3. Februar 1995 über die Bewilligung von Invalidenrente für Behinderte mit Wirkung ab 1. September 1996 aufgehoben hat, ist rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen gegen diesen Bescheid zunächst in formeller Hinsicht keine Bedenken. Die Beklagte hat die vor Erlass des Ausgangsbescheides rechtswidrigerweise unterlassene Anhörung im Laufe des Widerspruchsverfahrens mit ihrem Schreiben vom 15. März 1996 nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X mit heilender Wirkung nachgeholt. Darüber hinaus hat sie den Bescheid mit einer ausreichenden Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB X versehen. Denn sie hat dem Kläger mit dem Bescheid die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Ob diese Gründe zutreffen, ist für die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides ohne Bedeutung. Diese Frage hat Relevanz allein für seine materielle Rechtmäßigkeit, an der Zweifel indes ebenfalls nicht bestehen.

Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - im Wege einer gebundenen Entscheidung - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die auch dann anwendbar ist, wenn eine nachträgliche Entwicklung mit Rückwirkung dazu führt, dass sich die getroffene Regelung möglicherweise von Anfang an als rechtswidrig erweist, sind erfüllt. Denn es geht hier um die Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 1995, mit dem die Beklagte dem Kläger ab 1. September 1994 eine Invalidenrente für Behinderte nach Art. 2 § 10 RÜG auf Dauer bewilligt hatte. Bezogen auf diesen Bescheid ist eine wesentliche Änderung der Sachlage im vorliegenden Fall dadurch eingetreten, dass der Träger der Arbeitslosenversicherung dem Kläger - nach zwischenzeitlicher Aufhebung einer früheren Bewilligung - mit seinem Bescheid vom 15. März 1996 rückwirkend für die Zeit ab 1. September 1994 ein Ausbildungsgeld in Höhe von über 400,- DM monatlich bewilligt hatte. Durch diese Leistungsbewilligung ist der Anspruch des Klägers auf Invalidenrente für Behinderte rückwirkend ab 1. September 1994 entfallen.

Wie die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend ausgeführt haben, haben Anspruch auf Invalidenrente für Behinderte nach Art. 2 § 10 RÜG nur solche Personen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und wegen Invalidität eine Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen konnten, wenn berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation ständig oder vorübergehend nicht möglich sind oder angebotene berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation genutzt werden und das dabei erzielte Einkommen 400,- DM nicht übersteigt. Zu diesen Personen gehört der Kläger mit Rücksicht auf das ihm vom Träger der Arbeitslosenversicherung rückwirkend zum 1. September 1994 bewilligte Ausbildungsgeld in Höhe von über 400,- DM monatlich nicht (mehr). Das Ausbildungsgeld ist “bei der Nutzung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation erzieltes Einkommen” im Sinne des Art. 2 § 10 RÜG. Denn es ist dem Kläger, der vom 1. September 1994 bis 20. Mai 1998 an einer vom Träger der Arbeitslosenversicherung finanzierten berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 56 AFG teilgenommen hat, nach § 56 Abs. 2 AFG i.V.m. den §§ 24 Abs. 3 und 27 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ergänzend zu den Maßnahmekosten gewährt worden. Es ist zur berufsfördernden Hauptleistung, d.h. zu der Berufsausbildungsmaßnahme als solcher, streng akzessorisch und ist dem Kläger - wie die Bezeichnung bereits erkennen lässt - in Form von Geld nach dem Monatsprinzip gezahlt worden, wobei eine eventuelle Nachzahlung an dem laufenden Charakter der Leistung nichts ändert.

Dass nach § 11 der 1. RentenVO, der durch Art. 2 § 10 RÜG aus Gründen des Vertrauensschutzes für vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 beginnende Renten fortgeschrieben worden ist, ein bei der Nutzung einer beruflichen Rehabilitationsmöglichkeit erzielter “Verdienst” anspruchsausschließend gewirkt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie das Sozialgericht in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, mussten nämlich unter Geltung des Rechts der DDR die Arbeitgeber den Lebensunterhalt des Behinderten sicherstellen, was heute bei einer nach dem AFG geförderten Rehabilitationsmaßnahme vom Träger der Arbeitslosenversicherung übernommen wird. Insoweit hat das Ausbildungsgeld den Charakter von Erwerbsersatzeinkommen und dient ebenfalls der Sicherung des Lebensunterhalts.

Wie das Sozialgericht weiter zutreffend dargelegt hat, sind Werbungskosten vom Ausbildungsgeld nicht abzusetzen, weil steuerpflichtige Einkünfte insoweit nicht vorliegen. Zudem sind - soweit erforderlich - die Aufwendungen, die typischerweise als Werbungskosten abzugsfähig sind, nach § 56 Abs. 2 AFG vom Träger der Arbeitslosenversicherung zusätzlich zum Ausbildungsgeld zu gewähren.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat auch die Hinzuverdienstgrenze des sog. Lohndrittels für das bei der Teilnahme an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme erzielte Einkommen im Sinne des Art. 2 § 10 RÜG keine Bedeutung. Wie sich aus dem Wortlaut und der Systematik dieser Vorschrift ergibt, ist diese Hinzuverdienstgrenze vielmehr allein für das weitere Anspruchsmerkmal “Invalidität” von Belang, das durch die in Art. 2 § 7 Abs. 3 und 4 RÜG geregelten Voraussetzungen näher ausgeformt wird. Ob dieses Anspruchsmerkmal durch die Gewährung des Ausbildungsgeldes ebenfalls rückwirkend entfallen ist, weil das bei der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme erzielte Einkommen zugleich als Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 und 4 RÜG anzusehen ist (so Verbandskommentar, 23. Ergänzungslieferung vom 1. April 1993, Art. 2 § 10 RÜG, RdNr. 7), bedarf im Fall des Klägers keiner Entscheidung. Denn dessen Anspruch auf Invalidenrente für Behinderte ist jedenfalls deshalb entfallen, weil das dem Kläger vom Träger der Arbeitslosenversicherung rückwirkend bewilligte Ausbildungsgeld die in Art. 2 § 10 RÜG am Ende genannte Einkommensgrenze von 400,- DM monatlich überschreitet.

Dass Art. 2 § 10 RÜG den alten § 11 der 1. RentenVO aus Vertrauensschutzgründen fortschreibt, ändert hieran nichts. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ist § 11 der 1. RentenVO nicht so zu verstehen, dass die auch dort separat aufgeführte Einkommensgrenze für ein bei der Teilnahme an einer beruflichen Rehabilitation erzieltes Einkommen nur für die Zeit der Anspruchsbegründung Bedeutung haben sollte. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der 1. Ren-tenVO ist die Invalidenrente für Behinderte zwar “für die Dauer der Invalidität” zu gewähren gewesen. Satz 1 der Vorschrift steht jedoch nicht für sich allein, sondern ist im Zusammenhang mit Satz 2 zu lesen, wonach die Rente im Falle der Teilnahme an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme nur gezahlt werden durfte, wenn der dabei erzielte Verdienst den monatlichen Mindestbruttolohn nicht überstieg. Dies lässt sich nicht anders verstehen, als dass auch ein erst nach Zuerkennung der Invalidenrente infolge der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme hinzutretender Verdienst, der den monatlichen Mindestlohn überstieg, zu einer Einstellung der Rentenzahlung führen musste.

Aus dem dem Rentenbewilligungsbescheid vom 3. Februar 1995 beigefügten Merkblatt sowie der vom Verband der Rentenversicherungsträger herausgegebenen Informationsbroschüre Nr. 5 (Ausgabe 1996/97) folgt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Ebenso wie eventuelle sonstige Informationsmaterialien haben beide Schriften lediglich unverbindlichen Charakter. Zudem unterscheidet jedenfalls das Merkblatt (die Informationsbroschüre enthält insoweit überhaupt keine Aussagen) zutreffend zwischen der in Art. 2 § 10 RÜG am Ende geregelten “besonderen Einkommensgrenze” und der Hinzuverdienstgrenze im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der Invalidität. Ob es im Übrigen richtig darüber belehrt, dass das bei der Teilnahme an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme erzielte Einkommen zugleich als an der Hinzuverdienstgrenze zu messendes Arbeitsentgelt anzusehen ist, hat für den Fall des Klägers keine entscheidungserhebliche Bedeutung.

Durch die rückwirkende Bewilligung des Ausbildungsgeldes ab 1. September 1994 ergab sich für die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Berechtigung, die Rentenbewilligung im Wege einer gebundenen Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Von dieser - dem Kläger in ausreichendem Maße Vertrauensschutz gewährenden - Berechtigung hat die Beklagte mit der Aufhebung der Rentenbewilligung für die Zeit ab 1. September 1996 fehlerfreien Gebrauch gemacht. Denn der Aufhebungsbescheid vom 25. Juli 1996 ist dem Kläger im August 1996 und damit vor Beginn des Monats zugegangen, an dessen Erstem der Wegfall wirksam geworden ist.

Dass die Beklagte mit ihrer Aufhebungsentscheidung die in § 48 Abs. 4 SGB X geregelten Fristen nicht beachtet haben könnte, macht der Kläger selbst nicht geltend. Dies ist auch nicht der Fall, zumal für die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die in § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X geregelte Frist von zehn Jahren Bedeutung hat. Diese Frist, die mit der wesentlichen Änderung der konkret maßgeblichen Verhältnisse in Lauf gesetzt wird, ist hier nicht verstrichen, weil die wesentliche Änderung der Verhältnisse erst am 1. September 1994 eingetreten ist.

Schließlich liegt ein Verstoß gegen Art. 2 § 44 Abs. 1 RÜG i.V.m. § 100 Abs. 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches nicht vor. Da nach diesen Bestimmungen die Rentenzahlung bei Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen mit dem Beginn des Kalendermonats endet, zu dessen Beginn der Wegfall (nach § 48 SGB X) wirksam ist, bestehen gegen die Festlegung des 1. September 1996 als Wegfallzeitpunkt keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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