Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 20 R 1434/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 212/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Staatskasse kann eine Klinik, in der eine Schlaflaboruntersuchung des Klägers durchgeführt wurde, nur dann geltend machen, wenn sie entweder selbst im Sinne des § 1 S. 1 JVEG "herangezogen" oder ihr der Anspruch des ernannten Sachverständigen abgetreten wurde.
2. Bei einer inhaltlich unklaren richterlichen Verfügung ist grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl. Thüringer LSG Beschluss vom 17.09.2003 - Az.: L 6 B 35/03 SF).
2. Bei einer inhaltlich unklaren richterlichen Verfügung ist grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl. Thüringer LSG Beschluss vom 17.09.2003 - Az.: L 6 B 35/03 SF).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. August 2010 aufgehoben und die an die Beschwerdegegnerin zu zahlenden Kosten auf 0,00 Euro festgesetzt. Die Beschwerde der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
In dem Klageverfahren U. V .../. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft - Bahn - See (Az.: S 20 R 1434/06) beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 29. Oktober 2007 die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei dem Chefarzt der orthopädischen Klinik der K. M. GmbH Dr. B ... Mit Beweisanordnung vom 30. November 2007 ordnete das Sozialgericht die Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung an. Unter dem 5. Dezember 2007 ersuchte der Kammervorsitzende den Sachverständigen, mit der Begutachtung bis zum Eingang des angeforderten Vorschusses (1.000,00 Euro) abzuwarten und bat ihn nach der Einzahlung mit Verfügung vom 18. Dezember 2007, die Beweisanordnung auszuführen. Unter dem 28. Februar 2008 teilte Dr. B. mit, er halte ein neurologisches Zusatzgutachten zum Ausschluss eines sog. "Restless legs-Syndroms" für erforderlich. Die hierfür notwendigen Zusatzkosten beliefen sich auf ca. 2.100,00 Euro und setzten sich aus einer zweimaligen Schlaflaboruntersuchung sowie der neurologischen Begutachtung zusammen; im Zustimmensfall seien sie bereit, kurzfristig einen Termin für die orthopädische und die neurologische Begutachtung zu vergeben. Nachdem der Vorschuss eingegangen war, verfügte der Kammervorsitzende unter dem 17. April 2008 folgendes Schreiben an den Sachverständigen: "Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom 28.2.2008 wird mitgeteilt, dass die Kosten für die angeregte neurologische Zusatzbegutachtung bis zur Höhe von 2100 EUR dem Grunde nach erstattet werden können".
Die stationäre Aufnahme des Klägers erfolgte am 28. Juli 2008. In dem Gutachten des Dr. B. vom 4. September 2008 sind folgende Untersuchungsdaten angegeben: orthopädische Begutachtung am 30. Juli 2008, Schlaflaboruntersuchung vom 28. bis 30. Juli 2008 (stationäre Untersuchung). Blatt 15 des Gutachtens enthält folgenden Passus: "b) Im Übrigen konnte bei Herrn V. durch die Schlaflabor-Untersuchung ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert werden. Durch den beurteilenden Neurologen wurde dem Hausarzt des Begutachteten eine entsprechende Medikationsempfehlung erteilt." Ein neurologisches Gutachten ist beim Sozialgericht nicht eingegangen. Mit Urteil vom 4. Dezember 2008 wies dieses die Klage ab.
Am 1. September 2008 gingen beim Sozialgericht eine Endabrechnung der Beschwerdegegnerin vom 28. August 2008 über 2.115,26 Euro und am 15. September 2008 eine Liquidation des Dr. B. vom 4. September 2008 über 879,11 Euro ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) verfügte am 8. Januar 2009 die Zahlung von 879,11 Euro an Dr. B ... Unter dem 27. Januar 2009 vertrat sie gegenüber der Beschwerdegegnerin die Ansicht, allein der ernannte Sachverständige Dr. B. habe einen Anspruch auf Vergütung. Stelle eine andere Person eine Rechnung, habe er seinen Anspruch gegenüber dem Rechnungssteller abzutreten. Im Übrigen sei die Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aufzuschlüsseln. Unter dem 28. April 2009 trat Dr. B. "die Vergütungsansprüche für die neurologische Zusatzbegutachtung" an die Beschwerdegegnerin ab. Diese führte aus, sie habe die erbrachten Leistungen nach dem deutschen Fallpauschalensystem - Diagnosis Related Groups (DRG) - abgerechnet, denn der Kläger sei zur Erstellung eines neurologischen Gutachtens aufgenommen worden. Unter dem 24. Juni 2009 erläuterte die UKB, aufgrund der Abtretung des Dr. B. finde das Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG) Anwendung. Eine Abrechnung im Rahmen des Fallpauschalensystems sei allerdings ausgeschlossen, da hier im Rahmen der Pauschalierungen Leistungen abgerechnet werden könnten, die ggf. tatsächlich nicht erbracht wurden. Ggf. komme eine analoge Anwendung der GOÄ in Betracht. Die Beschwerdegegnerin bat daraufhin um Begleichung ihrer Rechnung bis 26. August 2009; sei keine Entscheidung zu ihren Gunsten möglich, beantrage sie die richterliche Festsetzung. Unter dem 28. September 2009 lehnte die UKB den Antrag auf Kostenerstattung ab.
Im Verlauf des Erinnerungsverfahrens hat der Beschwerdeführer unter dem 23. März 2010 beantragt, die Entschädigung auf 0,00 Euro festzusetzen und zur Begründung auf die Ausführungen der UKB verwiesen.
Mit Beschluss vom 10. August 2010 hat das Sozialgericht die an die Beschwerdegegnerin "zu zahlende Vergütung" auf 2.100,00 Euro festgesetzt, den Antrag im Übrigen abgewiesen und ausgeführt, bei den geltend gemachten Leistungsansprüchen handle es sich um Aufwendungen des Sachverständigen, da sich der Anspruch an ihn als Auftraggeber der Untersuchungsleistung richte. Er habe nach § 7 Abs. 1 JVEG i.V.m. § 257 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog einen Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit. Auf der Grundlage der Beweisanordnung sei er ermächtigt gewesen, im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses analog § 664 Abs. 1 S. 2 BGB eine Schlaflaboruntersuchung zu veranlassen. Es habe sich gerade nicht um Leistungen gehandelt, die der Sachverständige auf der Grundlage der GOÄ abrechnen konnte, da sie von einem Dritten erbracht wurden. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses sei der Sachverständige mangels entgegenstehender Weisungen befugt gewesen, diese medizinische Leistungen nach den üblichen Vergütungsregelungen zu veranlassen, allerdings nur bis zu einem Betrag von 2.100,00 Euro. Analog § 670 BGB habe er insoweit die Aufwendungen für den übersteigenden Betrag nicht für erforderlich halten dürfen.
Gegen den am 6. September 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 17. September 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seinen Antrag vom 22. März 2010 und die Ausführungen der UKB verwiesen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
die an die Beschwerdegegnerin zu zahlenden Kosten auf 0,00 Euro festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen und die zu zahlenden Kosten auf 2.115,26 Euro festzusetzen sowie Verzugszinsen vom 14. September 2008 bis 27. Juni 2011 in Höhe von 513,51 Euro sowie für jeden weiteren Tag in Höhe von 0,47 Euro zu zahlen.
Sie ist der Ansicht, angesichts der Notwendigkeit der stationären Aufnahme seien die die beantragte Abrechnung nach dem Fallpauschalensystem entsprechend ihrer Rechnung vom 28. August 2008 sowie die geltend gemachten Verzugszinsen zu zahlen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 10. März 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. September 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen einen im Erinnerungsverfahren ergangenen Beschluss ist nach § 4 Abs. 3 JVEG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen statthaft (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2010 - Az.: L 6 B 209/09 SF und 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - Az.: L 6 R 303/09 B, nach juris). Sie ist hier auch zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts fehlerhaft ist; die dort angegebene Frist für die Beschwerdeeinlegung von sechs Monaten existiert in § 4 Abs. 3 JVEG nicht.
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist der Beschluss der Vorinstanz aufzuheben. Ein Anspruch der Beschwerdegegnerin nach dem JVEG besteht nicht, denn sie wurde weder vom Sozialgericht herangezogen noch besteht ein Anspruch aus abgetretenem Recht. Insofern war auch ihre Beschwerde zurückzuweisen.
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 regelt das JVEG 1.die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, die von dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, der Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder dem Gerichtsvollzieher herangezogen werden; 2. die Entschädigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen sowie bei den Gerichten der Verwaltungs-, der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit mit Ausnahme der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Handelssachen, in berufsgerichtlichen Verfahren oder bei Dienstgerichten sowie 3.die Entschädigung der Zeuginnen, Zeugen und Dritten (§ 23 JVEG), die von den in Nummer 1 genannten Stellen herangezogen werden.
Die Beschwerdegegnerin kann im Rahmen des JVEG ihre Kosten nur über einen Sachverständigen, nicht aber eigenständig geltend machen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 12 Rdnr. 12.8). Sie selbst wurde nicht im Sinne des Gesetzes "herangezogen". Dies erfordert notwendig ein Tätigwerden des Gerichts, z. B. auf Grund einer Ladung oder einer Anordnung des Gerichts (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Dezember 2001 - Az.: L 6 B 46/00 SF und 8. Februar 2000 - Az.: L 6 B 60/99 SF in: E-LSG B-171 zu§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG)). Eine entsprechende Anordnung des Sozialgerichts an sie ist nicht ergangen.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Abtretungserklärung vom 28. April 2008. Dies wäre nur dann möglich, wenn Dr. B. selbst einen eigenen Anspruch als neurologischer Sachverständiger gehabt hätte oder mit der stationären Unterbringung vom Sozialgericht beauftragt worden wäre. Dies ist nicht der Fall und kann auch nicht aus der inhaltlich schwer nachvollziehbaren richterlichen Verfügung vom 17. April 2008 hergeleitet werden. Auf die Anfrage des Sachverständigen vom 28. Februar 2008 hätte die Kammer (bei der Zahlung des Vorschusses durch den Kläger) eigentlich in einer Beweisanordnung einen bestimmten oder bestimmbaren neurologischen Zusatzsachverständige ernennen (vgl. § 404 der Zivilprozessordnung), ihm Beweisfragen stellen, auf die Höhe des Kostenvorschusses hinweisen und den Hauptsachverständigen entsprechend informieren müssen. Tatsächlich wies sie aber lediglich Dr. B. auf die Höhe des Kostenvorschusses hin, obwohl er nicht der neurologische Sachverständige und damit offensichtlich unzuständig war. Bei einer inhaltlich unklaren richterlichen Verfügung ist grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. September 2003 - Az.: L 6 B 35/03 SF). Auch dann konnte Dr. B. das Schreiben allenfalls so verstehen, dass er berechtigt war, den Zusatzsachverständigen auszusuchen. Angesichts der §§ 404 ff. ZPO, deren Kenntnis von einem Sachverständigen erwartet werden kann, hätte allerdings eine Rückfrage nahe gelegen. Selbst bei großzügigster Auslegung durfte er dem Schreiben aber nicht entnehmen, dass er selbst zur Veranlassung einer eigenständigen stationären Unterbringung außerhalb seines orthopädischen Gutachtens berechtigt war. Wie die Beschwerdegegnerin selbst unter dem 29. April 2009 ausdrücklich zugestanden hat, erfolgte die Aufnahme zur Erstellung des neurologischen Gutachtens. Die Ansicht der Vorinstanz, Dr. B. sei "auf der Grundlage der Beweisanordnung und der ergänzenden richterlichen Verfügung" ermächtigt gewesen, im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses die Schlaflaboruntersuchung analog § 664 Abs. 1 S. 2 BGB zu veranlassen und er habe einen Anspruch von der Befreiung der Verpflichtung, kann der Senat insofern nicht nachvollziehen. Beweisanordnung und richterliche Verfügung geben hierfür keinerlei Anhalt.
Ob bei dem (unbekannten) neurologischen Sachverständigen eine Heranziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 JVEG entsprechend § 664 Abs. 1 S. 2 BGB vorlag, ist denkbar, muss an dieser Stelle aber nicht entschieden werden. Seine Abtretung liegt nicht vor; zudem hat er dem Sozialgericht kein Gutachten erstattet, was (abgesehen von dem Fall, dass die Fertigstellung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unterbleibt - vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF) den eigenen Vergütungsanspruch einschließlich des Ersatzes der besonderen Aufwendungen nach § 12 JVEG (§ 7 Abs. 1 JVEG kommt nach dem Gesetzeswortlaut nur für bare Auslagen in Betracht) grundsätzlich ausschließt.
Angesichts dieser Sachlage spielt es keine Rolle, dass die Vorinstanz die Erforderlichkeit der Höhe der Unterbringungskosten nicht geprüft, sondern lediglich unterstellt hat. Zur Vollständigkeit weist der Senat außerdem darauf hin, dass das JVEG keine gesetzliche Grundlage für Verzugszinsen enthält.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Gründe:
I.
In dem Klageverfahren U. V .../. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft - Bahn - See (Az.: S 20 R 1434/06) beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 29. Oktober 2007 die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei dem Chefarzt der orthopädischen Klinik der K. M. GmbH Dr. B ... Mit Beweisanordnung vom 30. November 2007 ordnete das Sozialgericht die Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung an. Unter dem 5. Dezember 2007 ersuchte der Kammervorsitzende den Sachverständigen, mit der Begutachtung bis zum Eingang des angeforderten Vorschusses (1.000,00 Euro) abzuwarten und bat ihn nach der Einzahlung mit Verfügung vom 18. Dezember 2007, die Beweisanordnung auszuführen. Unter dem 28. Februar 2008 teilte Dr. B. mit, er halte ein neurologisches Zusatzgutachten zum Ausschluss eines sog. "Restless legs-Syndroms" für erforderlich. Die hierfür notwendigen Zusatzkosten beliefen sich auf ca. 2.100,00 Euro und setzten sich aus einer zweimaligen Schlaflaboruntersuchung sowie der neurologischen Begutachtung zusammen; im Zustimmensfall seien sie bereit, kurzfristig einen Termin für die orthopädische und die neurologische Begutachtung zu vergeben. Nachdem der Vorschuss eingegangen war, verfügte der Kammervorsitzende unter dem 17. April 2008 folgendes Schreiben an den Sachverständigen: "Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom 28.2.2008 wird mitgeteilt, dass die Kosten für die angeregte neurologische Zusatzbegutachtung bis zur Höhe von 2100 EUR dem Grunde nach erstattet werden können".
Die stationäre Aufnahme des Klägers erfolgte am 28. Juli 2008. In dem Gutachten des Dr. B. vom 4. September 2008 sind folgende Untersuchungsdaten angegeben: orthopädische Begutachtung am 30. Juli 2008, Schlaflaboruntersuchung vom 28. bis 30. Juli 2008 (stationäre Untersuchung). Blatt 15 des Gutachtens enthält folgenden Passus: "b) Im Übrigen konnte bei Herrn V. durch die Schlaflabor-Untersuchung ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert werden. Durch den beurteilenden Neurologen wurde dem Hausarzt des Begutachteten eine entsprechende Medikationsempfehlung erteilt." Ein neurologisches Gutachten ist beim Sozialgericht nicht eingegangen. Mit Urteil vom 4. Dezember 2008 wies dieses die Klage ab.
Am 1. September 2008 gingen beim Sozialgericht eine Endabrechnung der Beschwerdegegnerin vom 28. August 2008 über 2.115,26 Euro und am 15. September 2008 eine Liquidation des Dr. B. vom 4. September 2008 über 879,11 Euro ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) verfügte am 8. Januar 2009 die Zahlung von 879,11 Euro an Dr. B ... Unter dem 27. Januar 2009 vertrat sie gegenüber der Beschwerdegegnerin die Ansicht, allein der ernannte Sachverständige Dr. B. habe einen Anspruch auf Vergütung. Stelle eine andere Person eine Rechnung, habe er seinen Anspruch gegenüber dem Rechnungssteller abzutreten. Im Übrigen sei die Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aufzuschlüsseln. Unter dem 28. April 2009 trat Dr. B. "die Vergütungsansprüche für die neurologische Zusatzbegutachtung" an die Beschwerdegegnerin ab. Diese führte aus, sie habe die erbrachten Leistungen nach dem deutschen Fallpauschalensystem - Diagnosis Related Groups (DRG) - abgerechnet, denn der Kläger sei zur Erstellung eines neurologischen Gutachtens aufgenommen worden. Unter dem 24. Juni 2009 erläuterte die UKB, aufgrund der Abtretung des Dr. B. finde das Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG) Anwendung. Eine Abrechnung im Rahmen des Fallpauschalensystems sei allerdings ausgeschlossen, da hier im Rahmen der Pauschalierungen Leistungen abgerechnet werden könnten, die ggf. tatsächlich nicht erbracht wurden. Ggf. komme eine analoge Anwendung der GOÄ in Betracht. Die Beschwerdegegnerin bat daraufhin um Begleichung ihrer Rechnung bis 26. August 2009; sei keine Entscheidung zu ihren Gunsten möglich, beantrage sie die richterliche Festsetzung. Unter dem 28. September 2009 lehnte die UKB den Antrag auf Kostenerstattung ab.
Im Verlauf des Erinnerungsverfahrens hat der Beschwerdeführer unter dem 23. März 2010 beantragt, die Entschädigung auf 0,00 Euro festzusetzen und zur Begründung auf die Ausführungen der UKB verwiesen.
Mit Beschluss vom 10. August 2010 hat das Sozialgericht die an die Beschwerdegegnerin "zu zahlende Vergütung" auf 2.100,00 Euro festgesetzt, den Antrag im Übrigen abgewiesen und ausgeführt, bei den geltend gemachten Leistungsansprüchen handle es sich um Aufwendungen des Sachverständigen, da sich der Anspruch an ihn als Auftraggeber der Untersuchungsleistung richte. Er habe nach § 7 Abs. 1 JVEG i.V.m. § 257 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog einen Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit. Auf der Grundlage der Beweisanordnung sei er ermächtigt gewesen, im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses analog § 664 Abs. 1 S. 2 BGB eine Schlaflaboruntersuchung zu veranlassen. Es habe sich gerade nicht um Leistungen gehandelt, die der Sachverständige auf der Grundlage der GOÄ abrechnen konnte, da sie von einem Dritten erbracht wurden. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses sei der Sachverständige mangels entgegenstehender Weisungen befugt gewesen, diese medizinische Leistungen nach den üblichen Vergütungsregelungen zu veranlassen, allerdings nur bis zu einem Betrag von 2.100,00 Euro. Analog § 670 BGB habe er insoweit die Aufwendungen für den übersteigenden Betrag nicht für erforderlich halten dürfen.
Gegen den am 6. September 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 17. September 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seinen Antrag vom 22. März 2010 und die Ausführungen der UKB verwiesen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
die an die Beschwerdegegnerin zu zahlenden Kosten auf 0,00 Euro festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen und die zu zahlenden Kosten auf 2.115,26 Euro festzusetzen sowie Verzugszinsen vom 14. September 2008 bis 27. Juni 2011 in Höhe von 513,51 Euro sowie für jeden weiteren Tag in Höhe von 0,47 Euro zu zahlen.
Sie ist der Ansicht, angesichts der Notwendigkeit der stationären Aufnahme seien die die beantragte Abrechnung nach dem Fallpauschalensystem entsprechend ihrer Rechnung vom 28. August 2008 sowie die geltend gemachten Verzugszinsen zu zahlen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 10. März 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. September 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen einen im Erinnerungsverfahren ergangenen Beschluss ist nach § 4 Abs. 3 JVEG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen statthaft (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2010 - Az.: L 6 B 209/09 SF und 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - Az.: L 6 R 303/09 B, nach juris). Sie ist hier auch zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts fehlerhaft ist; die dort angegebene Frist für die Beschwerdeeinlegung von sechs Monaten existiert in § 4 Abs. 3 JVEG nicht.
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist der Beschluss der Vorinstanz aufzuheben. Ein Anspruch der Beschwerdegegnerin nach dem JVEG besteht nicht, denn sie wurde weder vom Sozialgericht herangezogen noch besteht ein Anspruch aus abgetretenem Recht. Insofern war auch ihre Beschwerde zurückzuweisen.
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 regelt das JVEG 1.die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, die von dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, der Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder dem Gerichtsvollzieher herangezogen werden; 2. die Entschädigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen sowie bei den Gerichten der Verwaltungs-, der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit mit Ausnahme der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Handelssachen, in berufsgerichtlichen Verfahren oder bei Dienstgerichten sowie 3.die Entschädigung der Zeuginnen, Zeugen und Dritten (§ 23 JVEG), die von den in Nummer 1 genannten Stellen herangezogen werden.
Die Beschwerdegegnerin kann im Rahmen des JVEG ihre Kosten nur über einen Sachverständigen, nicht aber eigenständig geltend machen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 12 Rdnr. 12.8). Sie selbst wurde nicht im Sinne des Gesetzes "herangezogen". Dies erfordert notwendig ein Tätigwerden des Gerichts, z. B. auf Grund einer Ladung oder einer Anordnung des Gerichts (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Dezember 2001 - Az.: L 6 B 46/00 SF und 8. Februar 2000 - Az.: L 6 B 60/99 SF in: E-LSG B-171 zu§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG)). Eine entsprechende Anordnung des Sozialgerichts an sie ist nicht ergangen.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Abtretungserklärung vom 28. April 2008. Dies wäre nur dann möglich, wenn Dr. B. selbst einen eigenen Anspruch als neurologischer Sachverständiger gehabt hätte oder mit der stationären Unterbringung vom Sozialgericht beauftragt worden wäre. Dies ist nicht der Fall und kann auch nicht aus der inhaltlich schwer nachvollziehbaren richterlichen Verfügung vom 17. April 2008 hergeleitet werden. Auf die Anfrage des Sachverständigen vom 28. Februar 2008 hätte die Kammer (bei der Zahlung des Vorschusses durch den Kläger) eigentlich in einer Beweisanordnung einen bestimmten oder bestimmbaren neurologischen Zusatzsachverständige ernennen (vgl. § 404 der Zivilprozessordnung), ihm Beweisfragen stellen, auf die Höhe des Kostenvorschusses hinweisen und den Hauptsachverständigen entsprechend informieren müssen. Tatsächlich wies sie aber lediglich Dr. B. auf die Höhe des Kostenvorschusses hin, obwohl er nicht der neurologische Sachverständige und damit offensichtlich unzuständig war. Bei einer inhaltlich unklaren richterlichen Verfügung ist grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. September 2003 - Az.: L 6 B 35/03 SF). Auch dann konnte Dr. B. das Schreiben allenfalls so verstehen, dass er berechtigt war, den Zusatzsachverständigen auszusuchen. Angesichts der §§ 404 ff. ZPO, deren Kenntnis von einem Sachverständigen erwartet werden kann, hätte allerdings eine Rückfrage nahe gelegen. Selbst bei großzügigster Auslegung durfte er dem Schreiben aber nicht entnehmen, dass er selbst zur Veranlassung einer eigenständigen stationären Unterbringung außerhalb seines orthopädischen Gutachtens berechtigt war. Wie die Beschwerdegegnerin selbst unter dem 29. April 2009 ausdrücklich zugestanden hat, erfolgte die Aufnahme zur Erstellung des neurologischen Gutachtens. Die Ansicht der Vorinstanz, Dr. B. sei "auf der Grundlage der Beweisanordnung und der ergänzenden richterlichen Verfügung" ermächtigt gewesen, im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses die Schlaflaboruntersuchung analog § 664 Abs. 1 S. 2 BGB zu veranlassen und er habe einen Anspruch von der Befreiung der Verpflichtung, kann der Senat insofern nicht nachvollziehen. Beweisanordnung und richterliche Verfügung geben hierfür keinerlei Anhalt.
Ob bei dem (unbekannten) neurologischen Sachverständigen eine Heranziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 JVEG entsprechend § 664 Abs. 1 S. 2 BGB vorlag, ist denkbar, muss an dieser Stelle aber nicht entschieden werden. Seine Abtretung liegt nicht vor; zudem hat er dem Sozialgericht kein Gutachten erstattet, was (abgesehen von dem Fall, dass die Fertigstellung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unterbleibt - vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF) den eigenen Vergütungsanspruch einschließlich des Ersatzes der besonderen Aufwendungen nach § 12 JVEG (§ 7 Abs. 1 JVEG kommt nach dem Gesetzeswortlaut nur für bare Auslagen in Betracht) grundsätzlich ausschließt.
Angesichts dieser Sachlage spielt es keine Rolle, dass die Vorinstanz die Erforderlichkeit der Höhe der Unterbringungskosten nicht geprüft, sondern lediglich unterstellt hat. Zur Vollständigkeit weist der Senat außerdem darauf hin, dass das JVEG keine gesetzliche Grundlage für Verzugszinsen enthält.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
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