L 6 AS 195/10 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 37 AS 449/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 195/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. September 2010 aufgehoben und der Eilantrag abgelehnt. Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Helge H , H Straße , 2 K bewilligt. &8195;

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Tilgungskosten für selbstgenutztes Wohnungseigentum im Rahmen der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

Der 1959 geborene Antragsteller ist seit 1998 Eigentümer einer 41 qm großen Wohnung in O mit einem von ihm ange-gebenen Verkehrswert von 60.000,00 EUR bei Belastungen von 55.000,00 EUR (Antrag vom 18. Juli 2010, Anlage VM). Die Belastung besteht in einer Grundschuld von ursprünglich 110.000,00 DM, die im Grundbuch zugunsten der Sparkasse eingetragen ist. Finanziert wurde die Wohnung u. a. durch einen Bausparvertrag bei der LBS mit einer Darlehenssumme von rund 54.000,00 EUR. Im Oktober 2009 betrug die Darlehensschuld noch über 24.000 EUR. Der mit der LBS vereinbarte "Zins- und Tilgungsplan" vom 15. Oktober 2009 sieht einen Zins- und Tilgungsbeitrag von kontinuierlich 323,62 EUR monatlich vor, wobei der Zinsanteil absinkt und der Tilgungsanteil ansteigt. So betrug der Zinsanteil im November 2009 91,07 EUR bei einem Tilgungsanteil von 232,55 EUR; im November 2010 betrug der Zinsanteil 80,83 EUR bei einem Tilgungsanteil von 343,19 EUR monatlich.

Der Antragsteller hatte die von ihm ursprünglich nicht bewohnte Wohnung bis Juli 2010 für einen Mietzins von 435,00 EUR monatlich vermietet.

Seit 2003 ist der Antragsteller selbstständig (Dienstleistungen im Haushalt- und Hausmeisterservice). Seine Betriebsstätte befand sich zunächst zusammen mit seinem Wohnsitz in M. Seit März 2010 bezieht er von der Antragsgegnerin vorläufige Leistungen nach dem SGB II. Eine Einkommensanrechnung erfolgte zunächst nicht. Bei den Leistungen berücksichtigte die Antragsgegnerin für die Wohnung in M in der Zeit von März bis Juli 2010 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 84,81 EUR ausgehend von Gesamtkosten für die Unterkunft in Höhe von 120,00 EUR monatlich und unter Abzug von Strom- und Warmwasserkosten. Die Bescheide vom 25. Juni und 6. April 2010 enthalten den Hinweis, dass die Bewilligung der Leistungen darlehensweise erfolge, da die Eigentumswohnung in O verwertbares Vermögen des Antragstellers darstelle, das jedoch noch nicht sofort verwertet werden könne.

Im Juli 2010 beantragte der Antragsteller Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Eigentumswohnung in O. Er teilte gleichzeitig mit, dass er seinen Wohn- und Geschäftssitz verlegen werde, um seine dortige Eigentumswohnung selbst zu nutzen. Der Umzug erfolgte zum 1. August 2010 Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 20. Juli 2010 für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Januar 2011 Leistungen in Höhe von 516,76 EUR unter Anrechnung von Einkommen. Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung setzte sie monatliche Leistungen in Höhe von 225,70 EUR unter Berücksichtigung aller geltend gemachten Kosten (darunter Heizkosten von 65,93 EUR) mit Ausnahme der Tilgungsleistungen fest.

Der Antragsteller wies in seinem dagegen erhobenen Widerspruch vom 3. August 2010 darauf hin, dass die Tilgungsraten für die von ihm selbstgenutzte Eigentumswohnung in Höhe von zurzeit 240,48 EUR nicht berücksichtigt worden seien. Die finanzierende Bausparkasse habe es abgelehnt, die Tilgungsraten zu reduzieren. Hierzu legte er ein Schreiben der LBS vom 2. August 2010 vor, in dem unter Bezugnahme auf den Besuch des Antragstellers vom 30. Juli 2010 mitgeteilt wurde, dass die Herabsetzung des Tilgungsbeitrages für den obigen Vertrag nicht möglich sei. Mit nicht als Widerspruchsbescheid gekennzeichnetem Schreiben vom 6. August 2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass eine Übernahme von Tilgungskosten laut dem vom Antragsteller zitierten Urteil (Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 2010 – L 11 B 41/10 AS ER) nur möglich sei, wenn die Wohnung fast abbezahlt sei, was hier nicht der Fall sei. Im Übrigen liege die Gesamt¬summe der monatlichen Belastung (Zins und Tilgung) oberhalb der Angemessenheit nach den Richtlinien des örtlichen Trägers für die Kosten der Unterkunft. Gegen dieses mit Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben erhob der inzwischen anwaltlich vertretene Antragsteller Widerspruch.

Am 18. August 2010 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Kiel gestellt. Zur Begründung hat er sich auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anerkennung von Tilgungszahlungen als Kosten der Unterkunft, und zwar insbesondere auf die Entscheidung des BSG vom 8. Juni 2008 (B 14/11b AS 67/06 R) bezogen.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antrags-eingang Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung warmer Unterkunftskosten in Höhe von 423,50 EUR monatlich längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Tilgungsraten nicht übernommen werden könnten, weil es sich nicht um Kosten der Unterkunft handele. Der pauschale Verweis der Bausparkasse auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reiche nicht aus, um nachzuweisen, dass die Unterkunft des Antragstellers bedroht sei. Auch seien Vollstreckungsmaßnahmen noch nicht angekündigt. Abstrakt angemessen seien in der Gemeinde O für eine Person Kosten der Unterkunft von 235 EUR (Kaltmiete), 61,50 (Betriebskosten) und 55,58 EUR (Heizkosten), also ein Gesamtbetrag von 432,50 EUR. Unter Einbeziehung der Tilgungsleistung würde der Antragsteller mit 465,62 EUR weit über diesem Betrag liegen.

Das Sozialgericht Kiel hat mit Beschluss vom 17. September 2010 die Antragsgegnerin verpflichtet, Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 331,10 EUR brutto kalt monatlich zuzüglich eines Heizkostenabschlages in Höhe von 55,85 EUR für die Zeit vom 18. August 2010 bis 31. Januar 2011 zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Die Voraussetzungen, die das BSG in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2008 für die Übernahme der Tilgungsraten als Kosten der Unterkunft benannt habe, lägen vor. Der Antragsteller wäre gezwungen, ohne die Übernahme der Finanzierungskosten seine Wohnung aufzugeben. Dafür sei es nicht erforderlich, dass mit einer Vollstreckung gedroht werde. Die Tatsache, dass eine dauerhafte Unterdeckung dazu führe, dass die Tilgungsraten nicht beglichen werden und damit die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung und Zwangsversteigerung bestehe, sei eine nicht bloß abstrakte Gefahr. Es sei nach allgemeiner Lebenserfahrung absehbar, dass die Bausparkasse bei dauerhaftem Verstoß gegen die Tilgungsvereinbarungen diese rechtlichen Optionen nutzen werde. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass von vornherein unseriös finanzierte Eigenheime finanziert würden, da die Grenze der zu berücksichtigenden Tilgungsraten das Maß der Angemessenheit der Kosten bei Mietwohnungen sei. Das Sozialgericht Kiel bestimmte diese abstrakte Angemessenheit der Kosten der Unterkunft am Wohnort des Antragstellers mangels Vorlage eines schlüssigen Konzeptes durch die Antragsgegnerin selbst auf der Grundlage der Werte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) unter Berücksichtigung eines Zuschlages von 7,5 %. Die Heizkosten seien hingegen um einen Pauschalbetrag für die Erwärmung des Warmwassers abzusenken.

Gegen diesen am 20. September 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 13. Oktober 2010 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Beschwerde. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren. Sie bleibe bei ihrer Ansicht, dass selbst bei Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung der Erhalt des Wohnungseigentums nicht sichergestellt sei und die Bank durch die Bezugnahme auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht hinreichend deutlich gemacht habe, dass eine Herabsetzung der Tilgungsraten nicht in Betracht komme.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. September 2010 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die angefochtene Entscheidung und einen Beschluss der 40. Kammer des Sozialgerichts Kiel vom 1. Oktober 2010 (S 40 AS 480/10 ER).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Dies hat der Antragsteller nicht getan. Unabhängig davon, ob angesichts dessen, dass noch nicht einmal Zahlungsverzug eingetreten ist, vorliegend überhaupt ein Eilbedürfnis für eine Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes besteht, hält der Senat es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren die von ihm geltend gemachten Leistungen für die Übernahme der monatlichen Tilgungsraten als Kosten der Unterkunft zugesprochen werden.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen er-bracht, soweit diese angemessen sind. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut dieser Vorschrift die Be-rücksichtigung von Tilgungsraten für selbstgenutzten Wohnraum nicht generell ausschließt. Als tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft kommen bei Eigentumswohnungen die gesamten Finanzierungskosten, mithin auch Tilgungsleistungen in Betracht, wenn es sich um eine ange¬messene Eigentumswohnung im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II handelt(vgl. in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 (B 14/11b AS 67/06 R – zitiert nach juris). Die Voraussetzung einer angemessenen Wohnung ist hier im Hinblick auf die geringe Größe der Eigentumswohnung (41 qm) auch erfüllt.

Dennoch werden nicht alle Tilgungskosten für ein unter das Schonvermögen fallendes Wohnungseigentum übernommen. Insbesondere ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des BSG zu berücksichtigen, dass ein Spannungsverhältnis besteht zwischen dem Schutz des Wohnungseigentums einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung andererseits, da das Arbeitslosengeld II den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen soll (BSG, a.a.O., Rdn. 27). Die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohnungseigentum ruhenden Belastung führt bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Ver¬mögens des Eigentümers. Dies sei aber – so das BSG - bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben nur dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohnungseigentums drohe. Bei wertender Betrachtung habe der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten, wenn die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig sei, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können und ohne Fortführung der Tilgung die Aufgabe der Wohnung unvermeidlich wäre. Übernommen werden könnten die Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen jedoch nur bis zu der Höhe, die der Grundsicherungsträger auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte. Außerdem sei erforderlich, dass die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohnungseigen¬tums unvermeidbar seien, weshalb der Hilfebedürftige vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen müsse, um die Tilgungsverpflichtungen während des Bezugs der Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Zutreffender und wesentlicher Ansatzpunkt dieser Rechtsprechung des BSG ist das Ziel des Gesetzgebers, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, solange dies zu Lasten der Allgemeinheit mit vertretbaren Kosten verbunden ist (BSG, a.a.O., Rdn. 29).

Hier geht es jedoch nicht um den Erhalt einer unter Umständen langjährig genutzten Eigentumswohnung im Falle des Eintritts der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II. Der Antragsteller hat vielmehr in einer deutlich günstigeren Wohnung zur Miete gelebt und seine Eigentumswohnung vermietet. Da er diese bisher zu rund 2/3 abbezahlte Eigentumswohnung nicht selbst bewohnte, gehörte sie nicht zum Schonvermögen und hätte verwertet werden müssen. Hierauf ist der Antragsteller auch von der Antragsgegnerin hingewiesen worden. Er hat daraufhin sein bisheriges Wohnumfeld verlassen mit der Folge, dass bereits ohne Tilgungskosten sich die Höhe der von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Leistungen für die Kosten für Unterkunft und Heizung mehr als verdoppelt haben. Der Senat geht zwar zu Gunsten des Antragstellers davon aus, dass es sich bei dem Bezug des eigenen Eigentums grundsätzlich um einen erforderlichen Umzug im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II handelt; dies hat die Folge, dass keine Begrenzungen auf die bisherigen niedrigeren Kosten der Unterkunft greifen. Dennoch ist aus dem Rechtsgedanken des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu folgern, dass durch einen Umzug verursachte höhere Kosten in der Regel nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen. Dies ist bei einer wertenden Betrachtung der Übernahmefähigkeit weiterer Kosten (Tilgungskosten) zu berücksichtigen. Insbesondere fällt ins Gewicht, dass es bei einem Umzug während des Leistungsbezugs nicht mehr um den Erhalt der bisherigen Wohnung und des Wohnumfeldes geht. Im Falle des Einzugs in eine bisher nicht selbst bewohnte eigene Wohnung geht es primär um den Erhalt des Vermögenswertes der Immobilie.

Dies veranschaulicht das vorliegende Verfahren. Durch den Einzug in seine Eigentumswohnung erhält sich der Antragsteller nicht nur seinen bisherigen Vermögensgegenstand. Er wäre bei unterstellter langfristiger Hilfebedürftigkeit auch in der Lage, sein Vermögen durch Zuschüsse der Grundsicherung auszubauen, indem die bisher noch bestehenden Schulden von über 20.000,00 EUR getilgt werden. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidend von den Sachverhalten, in denen die Rechtsprechung bisher die Tilgungskosten trotz der damit verbundenen Vermögensbildung als Teil der Grundsicherung angesehen hat (vgl. insbesondere den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 2010 – L 11 B 41/10 AS ER -).

§ 22 SGB II schützt die Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt und nicht den Erhalt und Ausbau von Immobilienwerten. Zur Überzeugung des Senats hat bei einer wertenden Betrachtung ein steuerfinanziertes Grundsicherungssystem grundsätzlich dann nicht Tilgungskosten zu tragen, wenn die KdU bei einer bisher während des Leistungsbezugs bewohnten zumutbaren Mietwohnung niedriger sind und neben dem Erhalt des Vermögensgegenstandes nicht andere gewichtige Gründe für den Umzug sprechen. Solche Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dessen ungeachtet besteht auch deshalb kein Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller nicht die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen um eine Herabsetzung der Tilgungsbeiträge glaubhaft gemacht hat, indem er lediglich ein Schreibens der LBS mit dem knappen und unspezifischen Hinweis auf einen "Besuch vom 30. Juli 2010" im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Tilgungsbeiträge vorgelegt hat. Er hat damit weder das ernsthafte Bemühen um eine Vertragsänderung glaubhaft gemacht noch einen entsprechenden formellen Antrag gestellt. Außerdem hat er schon bei seiner ursprünglichen Antragstellung auf sein Recht verwiesen, dass Tilgungskosten in vollem Umfang in der Höhe vergleichbarer angemessener Mietwohnungen zu übernehmen seien, was dagegen spricht, dass er sich ernsthaft um eine Senkung von Kosten bemüht hat, deren Erstattung ihm nach seiner Auffassung zustehen und deren Bezahlung seinen Vermögensgegenstand vergrößern.

Da der Beschluss des SG Kiel in vollem Umfang aufgehoben wird, kann offenbleiben, ob innerhalb der ersten sechs Monate nach Bezug der Wohnung und ohne Kostensenkungsaufforderung eine Begrenzung der Unterkunftskosten, insbesondere der Heizkosten vorgenommen werden kann und ob die diesbezüglichen Berechnungen in der Sache zutreffend sind.

Die Kostenentscheidung folgt analog § 193 SGG.

Da der Antragsteller erstinstanzlich obsiegt hat, ist Prozesskostenhilfe ohne Prüfung der Erfolgsaussicht auch für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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