L 1 KR 288/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 108/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 288/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Höhe der Beiträge, die der Kläger an die Beklagte zu leisten hat.

Der 1939 geborene Kläger bezieht als Beamter im Ruhestand Bezüge vom Lt B, deren Höhe über der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.

Die Beklagte schrieb ihm unter dem 19. Dezember 2007, dass unter anderem sein Beitrag zur Krankenversicherung auf 493,20 Euro ansteige. Dabei legte sie den ermäßigten Beitragssatz in Höhe von 12,8 % sowie den Zusatzbeitrag von 0,9 % zugrunde. Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 teilte sie ihm dann aber mit, der Beitrag betrage ab 1. Januar 2008 529,20 Euro. Der Beitragssatz betrage zwar allgemein 12,8 % (zuzüglich 0,9 % gesetzlich festgeschriebenen Zusatzbeitrages). Unter anderem aber für Renten und Versorgungsbezüge gelte abweichend hiervon ein Beitragssatz von 13,8 % (zuzüglich 0,9 % Zusatzbeitrag).

Der Kläger erhob gegen den "Bescheid" vom 18. Januar 2008 Widerspruch. Mit Teilabhilfebescheid vom 15. Februar 2008 setzte die Beklagte den höheren Beitrag (nur für die Krankenversicherung) erst mit Wirkung vom 1. Februar 2008 fest. Der Bescheid vom 18. Januar 2008 habe den rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt vom 19. Dezember 2007 nach § 45 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen. Sie wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2008 zurück. Nach §§ 240 Abs. 2 S. 3 i. V. m. 248 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei für die Beitragsermittlung freiwillig Krankenversicherter aus Versorgungsbezügen der allgemeine Beitragssatz heranzuziehen. Dies gelte, obgleich Mitglieder ohne Krankengeldanspruch grundsätzlich nur den ermäßigten Beitragssatz zu entrichten hätten, § 243 SGB V. Der Gesetzgeber habe jedoch bei der Bemessung von Beiträgen aus Rente und Versorgungsbezügen die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes vorgeschrieben.

Hiergegen richtet sich die am 20. März 2008 beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat vorgebracht, für eine Ungleichbehandlung zwischen aktiven Beamten (ermäßigter Beitragssatz) und Ruhestandsbeamten bestehe keine Rechtsgrundlage und kein sachlicher Grund.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. August 2009 abgewiesen. Die Heranziehung des Klägers zum vollen allgemeinen Beitragssatz sei in der speziellen Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V i. V. m. § 248 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 144 a, BB Nr. 148 a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom 14. November 2003, BGBl. I 2191) geregelt. § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V verweise hinsichtlich der Berücksichtigung der Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes nicht generell auf die Vorschriften über die Beitragssätze in den §§ 241 ff. SGB V. Die Regelungen der §§ 247 und 248 SGB V als nachfolgende Regelungen für spezielle Versicherungsgruppen verdrängten vielmehr die vorangegangenen allgemeinen Regelungen, so auch den § 243 Abs. 5 SGB V. Das Bundessozialgericht (BSG) habe auch bereits wiederholt entschieden, dass diese Regeln keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bedeuteten (Bezugnahme auf BSG U. vom 10.05.2006 -B 12 KR 6/05 R-SozR 4-2500 § 240 Nr. 7).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die vom BSG vertretene Auffassung sei verfassungsrechtlich zumindest problematisch und könne nur durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geklärt werden. Es sei nur schwer nachvollziehbar, weshalb Ruhestandsbeamte, die weniger verdienten als aktive Beamte, nur deshalb schlechter behandelt werden dürften, weil ältere Menschen öfters krank seien. Noch unverständlicher sei, dass für die Höhe des Beitrages nicht die Höhe des Einkommens maßgebend sei, sondern die Art des Einkommens: Für aktive Beamte -auch Millionäre- gelte auch für deren Einkünfte aus Kapital und Vermietung der ermäßigte Beitragssatz, bei Pensionären insgesamt der erhöhte. Der Beschluss des BVerfG vom 28. Februar 2008 (1 BvR 2136/06) beträfe eine ganz andere Frage, nämlich die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge in der Krankenversicherung der Rentner.

Der Kläger hat schriftlich beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 6. August 2009 die Bescheide der Beklagten vom 18. Januar 2008 und vom 24. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Beschlusswege gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, in der Verfügung vom 12. Juli 2011 hingewiesen worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf dessen Begründung wird zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Die Beklagte hat den Beitrag nicht in rechtswidriger Höhe erhoben. Ob die Schreiben vom 19. Dezember 2007 und vom 18. Januar 2008 Verwaltungsakte -womöglich sogar begünstigende- sind, kann dahingestellt bleiben.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch ergänzend auszuführen: Das SG hat aus Sicht des Senats zutreffend auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG berufen, wonach die Regelung des § 248 SGB V sowohl soweit sie mit der Anordnung des vollen allgemeinen Beitragssatzes eine Verdoppelung der Beiträge aus den Versorgungsbezügen bewirkt hat, als auch, soweit die Beiträge nach dem (vollen) allgemeinen Beitragssatz und nicht nach einem ermäßigten Beitragssatz erhoben, nicht verfassungswidrig ist (U. v. 10.05.2006 –B 12 KR 7/05 R-). Das BVerfG hat in dem Nichtannahmebeschluss vom 28.02.2008 (1 BvR 2136/06) die Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Es hat sich in diesem Beschluss auch mit dem Argument auseinandergesetzt, dass der Umstand der fehlenden Krankengeldberechtigung bei der Beitragsfestsetzung nicht berücksichtigt sein müsse. Unter Beachtung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers sei dies nicht zu bemängeln. Der Grundsatz der Äquivalenz von Beitrag und Leistung werde nicht verletzt, da den Rentnern mit der Beitragserhebung nach dem allgemeinen Beitragssatz keine systemwidrige Sonderlast auferlegt werde. Denn die Leistungsaufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die von den Rentnern in Anspruch genommenen Leistungen überstiegen die eigenen Beiträge der Rentner bei weitem und das Krankengeldrisiko habe auf den Beitragssatz einen relativ geringen Einfluss (a.a.O. RdNr. 35). Der Senat folgt dem.

Auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der freiwillig versicherten Versorgungsempfänger gegenüber erwerbstätigen freiwilligen Versicherten, welche einen Anspruch auf einen Beitragszuschuss durch den Arbeitgeber haben, besteht nicht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.05.2008 - 1 BvR 2257/06 - RdNr. 15).

Auch das BSG hat im Urteil vom 21.01.2009 (B 12 R 11/06 R, RdNr. 17). für den hiesigen Senat überzeugend ausgeführt, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ausscheide, weil die Differenzierung des Beitragssatzes nach dem Risiko der Inanspruchnahme von Krankengeld nicht auf pflichtversicherte Rentner erstreckt werden muss.

Aufgrund seiner Typisierungsbefugnis muss der Gesetzgeber zuletzt bei der Ausgestaltung des § 243 SGB V nicht berücksichtigen, dass es Einkommensbezieher gibt, die aufgrund der Höhe ihrer Einkünfte –der Kläger wählt als Beispiel den Millionär aufgrund Kapitaleinkünften- der Differenzierung des ermäßigten Beitragssatzes gar nicht bedürfen, obgleich sie nicht krankengeldberechtigt sind.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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