Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 25 KR 71/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 20/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Anordnungsgrund als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung setzt das Fehlen zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten, zu denen auch der Einsatz eigenen Vermögens gehört, voraus.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. Dezember 2010 geändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insgesamt abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Hyperthermie-Therapie durch die Antragsgegnerin.
Die 1964 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzliche versicherte Antragstellerin leidet an einer Krebserkrankung. Sie begab sich im März 2010 in die Behandlung des nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Facharztes für Radiologie und Strahlentherapie Dr. B., der Hyperthermie als alternative Krebstherapie im Rahmen der Chemoradiotherapie erbringt. Auf ihren Antrag auf Kostenübernahme hin ließ die Antragsgegnerin vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nord ein Gutachten erstellen, lehnte mit Bescheid vom 17. Mai 2010 eine Kostenübernahme ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur Erkrankung der Antragstellerin, dem Therapieansatz durch Dr. B. und der Einschätzung des MDK sowie auch im Übrigen verweist der Senat auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluss.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 15. November 2010 Klage erhoben und mit gleichem Datum den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, vorläufig die Kosten für bereits erfolgte und künftigen Hyperthermie-Behandlungen zu übernehmen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Alternative Behandlungen reichten allein nicht aus. Es bestehe eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung und eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf durch die Hyperthermie-Be¬handlung. Aufgrund dieser Behandlung seien bereits deutliche Verbesserungen zu verzeichnen. Andere Therapien, konkret Strahlen- oder Chemotherapien, seien nicht ausreichend. Es bestehe Eilbedürftigkeit, die Antragstellerin bezahle die Rechnungen z. T. selbst. Dr. B. habe sich ausnahmsweise zur Teilzahlung bereiterklärt, ohne jedoch auf die Forderungen insgesamt zu verzichten. Da sie kaum finanzielle Reserven habe, werde ihr selbst die anteilige Zahlung künftig nicht mehr möglich sein. Ohne die Hyperthermie-Behandlung drohe wieder eine Verschlechterung. Dazu hat die Antragstellerin umfangreiches Befund- und Behandlungsmaterial vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung beantragt und auf das Gutachten des MDK hingewiesen. Da vertragliche Behandlungsmöglichkeiten unzweifelhaft bestünden, habe sie, die Antragsgegnerin, Zweifel am Anordnungsgrund. Dr. B. hat einen umfassenden Bericht vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin die Kosten für bis zu 50 ab dem 15. November 2010 durchgeführte Elektrohyperthermie-Applikationen – bis zu 20 im Bereich des Gehirns und bis zu 30 im Bereich der entfernten Leber- und Lymphknotenmetastasen – zu übernehmen. Den weitergehenden Antrag hat es abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für die Zeit vor Antragstellung am 15. November 2010 beim Gericht fehle es an der für die einstweilige Anordnung vorausgesetzten Dringlichkeit der Angelegenheit, für die Zeit danach lägen deren Voraussetzungen hingegen vor, seien aber auf die im Tenor festgelegten Applikationen umfangmäßig entsprechend der Aussage des behandelnden Arztes zu beschränken. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes habe die Antragstellerin glaubhaft dargelegt, dass ihr selbst anteilige Zahlungen künftig nicht mehr möglich seien. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass es hier um existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung gehe, bei denen anstelle der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Bewertung geboten sei. Könne eine solche nicht erfolgen, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägungen einzustellen seien. Eine solche abschließende Prüfung, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Hyperthermie-Behandlung zustehe, sei in dem Eilverfahren nicht möglich. Zwar habe der Gemeinsame Bundesausschuss die Hyperthermie als von den vertragsärztlichen Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgeschlossene Behandlungsmethoden mit Beschluss vom 14. Mai 2005 eingestuft. Ein Anspruch könnte jedoch verfassungsrechtlich begründet sein, wie insbesondere dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 zu entnehmen sei. Die dafür aufgestellten Voraussetzungen seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu bewerten. Es sei aus jetziger Sicht zumindest zweifelhaft, ob hinsichtlich dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehe. Jedenfalls habe die von Dr. B. angewandte Kombinationstherapie eine Absenkung der Serumtumormarkers erreichen können und neue Metastasen seien bis zum 20. Oktober 2010 nicht nachgewiesen worden. Bis heute ergebe sich ein deutlich positiver als vorhergesagter Verlauf. Die von der Antragsgegnerin aufgezeigten alternativen anerkannten Behandlungsmöglichkeiten führten nicht weiter. Auch könne im Rahmen des Eilverfahrens nicht hinreichend geklärt werden, ob mit der streitigen Therapie eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verbunden sei. Ob dem Bundessozialgericht (BSG) in seiner Einschätzung der Bedeutung einer ausgeschlossenen Behandlungsmethode gefolgt werden könne, sei vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2007 fraglich. Da die Elektrohyperthermie-Behandlung gerade nicht eine anerkannte Behandlungsmethode sei, scheine es naheliegend zu sein, dass diese gerade auch von nicht zugelassenen Ärzten angeboten werde. Eine Beschränkung auf die Inanspruchnahme von Vertragsbehandlern würde den vom Bundesverfassungsgericht hergeleiteten Anspruch erheblich einschränken und wäre ihrerseits verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die vorzunehmende Folgenabwägung falle zum Nachteil der Antragsgegnerin aus.
Mit ihrer Beschwerde vom 10. Januar 2011 wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Entscheidung des Sozialgerichts und wiederholt ihren bisherigen Vortrag. Sollte es das Sozialgericht für notwendig erachten, werde bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Stellungnahme des KC-Onkolo¬gie des MDK N. eingeholt werden. Die Antragstellerin bleibt bei ihrer Auffassung.
Der Senat hat von der Antragstellerin zwei Auskünfte über ihre finanzielle Situation eingeholt. Zu diesen Auskünften trägt die Antragstellerin vor, sie bestreite die Kosten für die streitgegenständliche Therapie aus ihren Ersparnissen. Zu berücksichtigen sei, dass sie die Kosten für die zuvor erfolgten Behandlungen schulde und analog der Einkommens- und Vermögensfreibeträge für Leistungen aufgrund von Bedürftigkeit nicht von ihr verlangt werden könne, dass sie zunächst die Kosten zu übernehmen habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat derzeit keinen Anspruch auf die Kostenübernahme der streitigen Hyperthermie-Behandlung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Zutreffend gibt das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die hierfür maßgebende Norm, wieder. Danach muss neben dem Anordnungsgrund, der Eilbedürftigkeit, ein Anordnungsanspruch, der gesetzliche Anspruch auf die begehrte Leistung, vorliegen. Beide Voraussetzungen müssen von dem Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts fehlt es hier an dem Anordnungsgrund. Bei der Regelungsanordnung ist der Anordnungsgrund die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Vermieden werden soll, dass der Antragsteller vor vollendet Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz - im Hauptsacheverfahren - erlangen kann. Dies setzt voraus, dass er nicht über zumutbare Möglichkeiten der Selbsthilfe verfügt, kraft derer er das Fehlen der angestrebten Leistungen bis zu dem angestrebten – Erfolg im Hauptsacheverfahren überbrücken kann. Bestehen zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten in diesem Sinne, dann droht auch ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen, namentlich sind keine nachträglich nicht ausgleichbaren Beeinträchtigungen der Grundrechte zu befürchten. Erweist sich der geltend gemachte Anspruch im Hauptsacheverfahren als begründet, wird dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers dadurch entsprochen, dass die Leistungen (hier Kostenerstattung der streitigen Behandlung) nachträglich erbracht werden und dadurch die eingesetzten eigenen finanziellen Mittel im Nachhinein ersetzt werden (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2003 – L 3 KN 1/03 P ER; Dühring in Jansen, Kommentar zum SGG, § 86b Rz. 28).
Eine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit stellt der Einsatz eigenen Vermögens dar (vgl. Beschluss des Senats vom 20. August 2009 L 5 B 429/09 KR ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 19. April 2010 – L 27 P 9/20 B ER).
Der Einsatz des Vermögens ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch zumutbar. Denn für den Fall, dass sie im Hauptsacheverfahren unterliegt, wäre sie verpflichtet, die im Rahmen der Anordnung von der Antragsgegnerin vorgestreckten Zahlungen dieser zu erstatten (Entscheidung des Senats vom 20. August 2009, a.a.O.; zur Erstattungspflicht vgl. etwa Plagemann/Timme, MAH Sozialrecht, § 47 Rz. 97 ff.). Der Hinweis auf die analoge Anwendung der Einkommens- und Vermögensfreibeträge für Leistungen aufgrund von Bedürftigkeit greifen insoweit nicht. Zudem handelt es sich bei dem Vermögen in Höhe von 9.529,39 EUR um verfügbares Vermögen, mit dem die Kosten der Elektrohyperthermie-Applikationen vollständig übernommen werden können, zu denen das Sozialgericht die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Beschluss verpflichtet hat. Ausweislich der in den Akten befindlichen Abrechnungen liegt der Kostenaufwand für die einzelne Hyperthermie-Behandlung bei 145,14 EUR. Bei den 50 Anwendungen, zu denen der Beschluss verpflichtet, reicht das vorhandene Vermögen insoweit aus, als noch ein Betrag von über 2.000,00 EUR verbleibt.
Der Umstand, dass der Anordnungsgrund mit dem Anordnungsanspruch in einer Wechselbeziehung dergestalt steht, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung und Prüfungsdichte des drohenden Nachteils auch von dem zu erwartenden Maß des Erfolgs in der Hauptsache abhängig ist (vgl. z. B. Wehrhahn in Breitkreuz, Fichte, Kommentar zum SGG, § 86b Rz. 57), führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der angefochtene Beschluss zitiert selbst die Rechtsprechung des BSG, wonach der Nachweis einer hinreichenden Erfolgsaussicht einer Therapie dann nicht mehr möglich ist, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss, wie bei der Hyperthermie, zur medizinischen Notwendigkeit eine negative Bewertung abgegeben hat. Der Senat lässt offen, ob er dieser Auffassung vor dem Hintergrund der über fünf Jahre zurückliegenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses und der gegen diese Rechtsprechung vorgetragenen Bedenken (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2007 – L 5 B 8/07 KR ER) folgt, bezieht sie aber gleichwohl in die Beurteilung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens mit ein. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Leistungserbringung durch einen nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Arzt erfolgt. Der angefochtene Beschluss geht davon aus, dass eine Beschränkung auf Vertragsbehandler verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Dem vermag der Senat grundsätzlich nur insoweit zu folgen, als nicht anerkannte Behandlungsmethoden ausschließlich von nicht zugelassenen Ärzten angeboten werden. Das ist allerdings bei der Hyperthermie-Behandlung nicht der Fall.
Der Senat sieht davon ab, die beantragte Anordnung gleichwohl auszusprechen, allerdings von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen. Dies würde die Situation der Antragstellerin nicht verbessern.
Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Hyperthermie-Therapie durch die Antragsgegnerin.
Die 1964 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzliche versicherte Antragstellerin leidet an einer Krebserkrankung. Sie begab sich im März 2010 in die Behandlung des nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Facharztes für Radiologie und Strahlentherapie Dr. B., der Hyperthermie als alternative Krebstherapie im Rahmen der Chemoradiotherapie erbringt. Auf ihren Antrag auf Kostenübernahme hin ließ die Antragsgegnerin vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nord ein Gutachten erstellen, lehnte mit Bescheid vom 17. Mai 2010 eine Kostenübernahme ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur Erkrankung der Antragstellerin, dem Therapieansatz durch Dr. B. und der Einschätzung des MDK sowie auch im Übrigen verweist der Senat auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluss.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 15. November 2010 Klage erhoben und mit gleichem Datum den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, vorläufig die Kosten für bereits erfolgte und künftigen Hyperthermie-Behandlungen zu übernehmen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Alternative Behandlungen reichten allein nicht aus. Es bestehe eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung und eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf durch die Hyperthermie-Be¬handlung. Aufgrund dieser Behandlung seien bereits deutliche Verbesserungen zu verzeichnen. Andere Therapien, konkret Strahlen- oder Chemotherapien, seien nicht ausreichend. Es bestehe Eilbedürftigkeit, die Antragstellerin bezahle die Rechnungen z. T. selbst. Dr. B. habe sich ausnahmsweise zur Teilzahlung bereiterklärt, ohne jedoch auf die Forderungen insgesamt zu verzichten. Da sie kaum finanzielle Reserven habe, werde ihr selbst die anteilige Zahlung künftig nicht mehr möglich sein. Ohne die Hyperthermie-Behandlung drohe wieder eine Verschlechterung. Dazu hat die Antragstellerin umfangreiches Befund- und Behandlungsmaterial vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung beantragt und auf das Gutachten des MDK hingewiesen. Da vertragliche Behandlungsmöglichkeiten unzweifelhaft bestünden, habe sie, die Antragsgegnerin, Zweifel am Anordnungsgrund. Dr. B. hat einen umfassenden Bericht vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin die Kosten für bis zu 50 ab dem 15. November 2010 durchgeführte Elektrohyperthermie-Applikationen – bis zu 20 im Bereich des Gehirns und bis zu 30 im Bereich der entfernten Leber- und Lymphknotenmetastasen – zu übernehmen. Den weitergehenden Antrag hat es abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für die Zeit vor Antragstellung am 15. November 2010 beim Gericht fehle es an der für die einstweilige Anordnung vorausgesetzten Dringlichkeit der Angelegenheit, für die Zeit danach lägen deren Voraussetzungen hingegen vor, seien aber auf die im Tenor festgelegten Applikationen umfangmäßig entsprechend der Aussage des behandelnden Arztes zu beschränken. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes habe die Antragstellerin glaubhaft dargelegt, dass ihr selbst anteilige Zahlungen künftig nicht mehr möglich seien. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass es hier um existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung gehe, bei denen anstelle der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Bewertung geboten sei. Könne eine solche nicht erfolgen, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägungen einzustellen seien. Eine solche abschließende Prüfung, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Hyperthermie-Behandlung zustehe, sei in dem Eilverfahren nicht möglich. Zwar habe der Gemeinsame Bundesausschuss die Hyperthermie als von den vertragsärztlichen Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgeschlossene Behandlungsmethoden mit Beschluss vom 14. Mai 2005 eingestuft. Ein Anspruch könnte jedoch verfassungsrechtlich begründet sein, wie insbesondere dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 zu entnehmen sei. Die dafür aufgestellten Voraussetzungen seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu bewerten. Es sei aus jetziger Sicht zumindest zweifelhaft, ob hinsichtlich dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehe. Jedenfalls habe die von Dr. B. angewandte Kombinationstherapie eine Absenkung der Serumtumormarkers erreichen können und neue Metastasen seien bis zum 20. Oktober 2010 nicht nachgewiesen worden. Bis heute ergebe sich ein deutlich positiver als vorhergesagter Verlauf. Die von der Antragsgegnerin aufgezeigten alternativen anerkannten Behandlungsmöglichkeiten führten nicht weiter. Auch könne im Rahmen des Eilverfahrens nicht hinreichend geklärt werden, ob mit der streitigen Therapie eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verbunden sei. Ob dem Bundessozialgericht (BSG) in seiner Einschätzung der Bedeutung einer ausgeschlossenen Behandlungsmethode gefolgt werden könne, sei vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2007 fraglich. Da die Elektrohyperthermie-Behandlung gerade nicht eine anerkannte Behandlungsmethode sei, scheine es naheliegend zu sein, dass diese gerade auch von nicht zugelassenen Ärzten angeboten werde. Eine Beschränkung auf die Inanspruchnahme von Vertragsbehandlern würde den vom Bundesverfassungsgericht hergeleiteten Anspruch erheblich einschränken und wäre ihrerseits verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die vorzunehmende Folgenabwägung falle zum Nachteil der Antragsgegnerin aus.
Mit ihrer Beschwerde vom 10. Januar 2011 wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Entscheidung des Sozialgerichts und wiederholt ihren bisherigen Vortrag. Sollte es das Sozialgericht für notwendig erachten, werde bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Stellungnahme des KC-Onkolo¬gie des MDK N. eingeholt werden. Die Antragstellerin bleibt bei ihrer Auffassung.
Der Senat hat von der Antragstellerin zwei Auskünfte über ihre finanzielle Situation eingeholt. Zu diesen Auskünften trägt die Antragstellerin vor, sie bestreite die Kosten für die streitgegenständliche Therapie aus ihren Ersparnissen. Zu berücksichtigen sei, dass sie die Kosten für die zuvor erfolgten Behandlungen schulde und analog der Einkommens- und Vermögensfreibeträge für Leistungen aufgrund von Bedürftigkeit nicht von ihr verlangt werden könne, dass sie zunächst die Kosten zu übernehmen habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat derzeit keinen Anspruch auf die Kostenübernahme der streitigen Hyperthermie-Behandlung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Zutreffend gibt das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die hierfür maßgebende Norm, wieder. Danach muss neben dem Anordnungsgrund, der Eilbedürftigkeit, ein Anordnungsanspruch, der gesetzliche Anspruch auf die begehrte Leistung, vorliegen. Beide Voraussetzungen müssen von dem Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts fehlt es hier an dem Anordnungsgrund. Bei der Regelungsanordnung ist der Anordnungsgrund die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Vermieden werden soll, dass der Antragsteller vor vollendet Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz - im Hauptsacheverfahren - erlangen kann. Dies setzt voraus, dass er nicht über zumutbare Möglichkeiten der Selbsthilfe verfügt, kraft derer er das Fehlen der angestrebten Leistungen bis zu dem angestrebten – Erfolg im Hauptsacheverfahren überbrücken kann. Bestehen zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten in diesem Sinne, dann droht auch ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen, namentlich sind keine nachträglich nicht ausgleichbaren Beeinträchtigungen der Grundrechte zu befürchten. Erweist sich der geltend gemachte Anspruch im Hauptsacheverfahren als begründet, wird dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers dadurch entsprochen, dass die Leistungen (hier Kostenerstattung der streitigen Behandlung) nachträglich erbracht werden und dadurch die eingesetzten eigenen finanziellen Mittel im Nachhinein ersetzt werden (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2003 – L 3 KN 1/03 P ER; Dühring in Jansen, Kommentar zum SGG, § 86b Rz. 28).
Eine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit stellt der Einsatz eigenen Vermögens dar (vgl. Beschluss des Senats vom 20. August 2009 L 5 B 429/09 KR ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 19. April 2010 – L 27 P 9/20 B ER).
Der Einsatz des Vermögens ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch zumutbar. Denn für den Fall, dass sie im Hauptsacheverfahren unterliegt, wäre sie verpflichtet, die im Rahmen der Anordnung von der Antragsgegnerin vorgestreckten Zahlungen dieser zu erstatten (Entscheidung des Senats vom 20. August 2009, a.a.O.; zur Erstattungspflicht vgl. etwa Plagemann/Timme, MAH Sozialrecht, § 47 Rz. 97 ff.). Der Hinweis auf die analoge Anwendung der Einkommens- und Vermögensfreibeträge für Leistungen aufgrund von Bedürftigkeit greifen insoweit nicht. Zudem handelt es sich bei dem Vermögen in Höhe von 9.529,39 EUR um verfügbares Vermögen, mit dem die Kosten der Elektrohyperthermie-Applikationen vollständig übernommen werden können, zu denen das Sozialgericht die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Beschluss verpflichtet hat. Ausweislich der in den Akten befindlichen Abrechnungen liegt der Kostenaufwand für die einzelne Hyperthermie-Behandlung bei 145,14 EUR. Bei den 50 Anwendungen, zu denen der Beschluss verpflichtet, reicht das vorhandene Vermögen insoweit aus, als noch ein Betrag von über 2.000,00 EUR verbleibt.
Der Umstand, dass der Anordnungsgrund mit dem Anordnungsanspruch in einer Wechselbeziehung dergestalt steht, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung und Prüfungsdichte des drohenden Nachteils auch von dem zu erwartenden Maß des Erfolgs in der Hauptsache abhängig ist (vgl. z. B. Wehrhahn in Breitkreuz, Fichte, Kommentar zum SGG, § 86b Rz. 57), führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der angefochtene Beschluss zitiert selbst die Rechtsprechung des BSG, wonach der Nachweis einer hinreichenden Erfolgsaussicht einer Therapie dann nicht mehr möglich ist, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss, wie bei der Hyperthermie, zur medizinischen Notwendigkeit eine negative Bewertung abgegeben hat. Der Senat lässt offen, ob er dieser Auffassung vor dem Hintergrund der über fünf Jahre zurückliegenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses und der gegen diese Rechtsprechung vorgetragenen Bedenken (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2007 – L 5 B 8/07 KR ER) folgt, bezieht sie aber gleichwohl in die Beurteilung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens mit ein. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Leistungserbringung durch einen nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Arzt erfolgt. Der angefochtene Beschluss geht davon aus, dass eine Beschränkung auf Vertragsbehandler verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Dem vermag der Senat grundsätzlich nur insoweit zu folgen, als nicht anerkannte Behandlungsmethoden ausschließlich von nicht zugelassenen Ärzten angeboten werden. Das ist allerdings bei der Hyperthermie-Behandlung nicht der Fall.
Der Senat sieht davon ab, die beantragte Anordnung gleichwohl auszusprechen, allerdings von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen. Dies würde die Situation der Antragstellerin nicht verbessern.
Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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