L 3 AL 65/11 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 6 AL 12/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 65/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Beschwerde gegen eine PKH-Ablehnung ist unstatthaft,wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 14. Februar 2011 wird verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. &8195;

Gründe:

Streitgegenstand ist, ob die Beklagte zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt hat. Hierbei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, von dem Kläger, der ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) bezieht und zugleich von ihr Arbeitslosengeld (Alg) beansprucht, zu einer Meldung nach § 309 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) auffordern durfte, um aus den sich hieraus ergebenden Erkenntnissen eine Potentialanalyse nach § 37 SGB III erstellen zu können. Einer entsprechenden Aufforderung der Beklagten, sich am 5. Oktober 2009 zu melden, kam der Kläger trotz Rechtsfolgenbelehrung nicht nach. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2009, der dem Kläger erst mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 bekanntgegeben wurde, stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 6. Oktober 2009 bis 12. Oktober 2009 fest. Wegen einer nicht befolgten Einladung zum 26. Oktober 2009 erging ein weiterer Sperrzeitfeststellungsbescheid, der aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 17. September 2009 Alg mit Ausnahme der Zeiträume der beiden Sperrzeitfeststellungen. Hiergegen legte der Kläger bezüglich des Zeitraumes vom 6. Oktober bis 12. Oktober 2009 Beschwerde mit der Begründung ein, dass er die Einladung zwar erhalten, den Termin aber vergessen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch wegen Versäumnis der Meldeaufforderung aus den Gründen der Sperrzeitfeststellung zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17. Januar 2010 Klage erhoben im Wesentlichen mit der Begründung, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung, aber auch am 5. Oktober 2009 Leistungsberechtigter nach dem SGB II gewesen sei. Er habe aufgrund des Bewilligungsbescheides des J Kiel vom 30. Juli 2009 Leistungen bewilligt bekommen für die Zeit vom 23. Juli 2009 bis 31. Dezem¬ber 2009. Die Beklagte sei für die Erstellung einer Potentialanalyse im Sinne des § 37 SGB III nicht zuständig gewesen, die Einladung sei daher rechtswidrig. Die Beklagte sei im Zeitraum der Sperrzeitfeststellung allein für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zuständig gewesen. Hierzu zählten zwar Vermittlungsangebote, um die es hier vorliegend aber nicht gegangen sei, aber nicht die Potentialanalyse.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 27. Oktober 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und weist darauf hin, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Sperrzeitfeststellung in der Betreuung des J nicht gestanden habe, denn ausweislich der Aufstellung über die Bewerberbetreuung habe das J die vermittlerische Betreuung erst ab dem 7. Oktober 2009 übernommen. Zudem habe das Gespräch am 5. Oktober 2009 dazu gedient, ein Profil des Klägers zu erstellen und dies mit den gemeldeten Arbeitsplätzen abzugleichen. Ferner habe ein Stellengesuch des Klägers in das für Arbeitgeber sichtbare Angebot der Beklagten eingestellt werden sollen. Schließlich habe das Erstgespräch auch zur Klärung der Verfügbarkeit und damit der Prüfung der Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch gedient.

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 hat das Sozialgericht den zugleich mit der Klage gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt, weil keine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegeben sei. Nach summarischer Prüfung sei von einer wirksamen Meldeaufforderung der Beklagten auszugehen, der auch nicht entgegengestanden habe, dass der Kläger zugleich auch im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden habe. Denn ein zulässiger Meldezweck im Sinne des § 309 Abs. 2 SGB III habe vorgelegen. "Aufstocker" könnten gemäß § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB III – trotz gleichzeitigen Bezuges von SGB II-Leistungen – in den Genuss von Arbeitsvermittlungsleistungen nach dem SGB III kommen. Für eine sachgerechte Vermittlung im Sinne des § 35 SGB III sei erforderlich, dass die Beklagte vorab ein Leistungsprofil bzw. eine Potentialanalyse erstelle. Hierbei hingen die zu vermittelnde Tätigkeit und das vorgeschaltete Profiling nach § 37 SGB III untrennbar zusammen. Den Meldetermin habe der Kläger nicht wahrgenommen, ohne rechtfertigende Gründe zu haben. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 und 6 SGB III seien erfüllt.

Gegen diesen dem Kläger am 22. Februar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 24. Februar 2011. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren sowie erstinstanzlichem Rechtszug. Nach seiner Auffassung sei die Beschwerde statthaft, sie sei insbesondere nicht wegen Nichterreichens eines Beschwerdewertes unstatthaft. Die Unstatthaftigkeit ergebe sich auch nicht aus der Neufassung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum 11. August 2010. Denn die Neufassung erfasse nur die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Da die Frage der Regelung des § 22 SGB III im Hinblick auf die Zuständigkeit des Trägers der Leistungen nach dem SGB II einerseits und des Trägers von Leistungen nach dem SGB III andererseits offen sei, sei die Erfolgschance der Klage nicht von der Hand zu weisen.

Demgegenüber verweist die Beklagte darauf, dass nach der Regelung des § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB III Hilfebedürftige, die Anspruch auf Alg nach dem SGB III hätten und im ergänzenden Alg-II-Bezug stünden, ihre nach dem SGB III bestehenden Ansprüche auf Pflichtleistungen nach dem SGB III. Das Erstellen eines Vermittlungsangebotes im Sinne des § 35 SGB III setze denklogisch die Fertigung einer Potentialanalyse nach § 37 SGB III voraus. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht eine nur gewisse Erfolgsaussicht der Klage angenommen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Beschwerde ist unzulässig. Gemäß §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Beschwerde nicht statthaft.

Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen des Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne trifft § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften über die ZPO entsprechend. Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ist eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von PKH, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers gestützt wird, ausgeschlossen, wenn der Streit in der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt. Nach § 144 Abs. 1 SGG, der dem den Beschwerdewert der Berufung regelnden Bestimmungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entspricht, bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt und die Berufung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Nach Auffassung des Senats hat sich hieran auch in Ansehung der Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG mit Wirkung zum 11. Au¬gust 2010 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. Au¬gust 2010 (BGBl. I, 1127) nichts geändert. Danach ist die Beschwerde u. a. gegen Prozesskostenhilfe versagende Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/1684, Seite 16 ff.) soll durch die Änderung verhindert werden, dass gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen als in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst. Durch die Ergänzung in Abs. 3 Nr. 1 soll danach sichergestellt werden, dass die Beschwerde nicht nur in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, sondern auch in den Fällen, in denen sich die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet. Ein darüber hinausgehender Regelungswille ist der vorgenommenen Änderung nicht zu entnehmen. Insbesondere ist aus der Gesetzesbegründung nicht der erkennbare Wille zu entnehmen, für Hauptsacheverfahren sei im Umkehrschluss die Statthaftigkeit der Beschwerde entgegen § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO zu erweitern (vgl. 11. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 9. Mai 2011 L 11 AS 33/11 B PKH -, Hessisches Landessozialgericht vom 25. März 2011 – L 9 AS 108/11 B -, 34. Senat des LSG Berlin-Brandenburg vom 22. Dezember 2010 – L 34 AS 2182/10 B PKH -). Der gegenteiligen Rechtsauffassung (vgl. z. B. LSG Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 19. Januar 2011 – L 7 AS 4623/10 B – oder des 25. Senats des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2010 – L 25 B 2246/08 AS –) ist demgegenüber nicht zu folgen. Denn die Argumentation, dass aus der nicht Gesetz gewordenen Anregung des Bundesrates (vgl. BR-Drucks. 152/10 (Beschluss), Seite 5 Nr. 9) der Schluss zu ziehen sei, dass der Meinungsstreit durch den Gesetzgeber dahin klargestellt worden sei, dass der Beschwerdeausschluss wegen Nichtüberschreitens der Beschwerdewertgrenze nur für Entscheidungen über einen PKH-Antrag im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, nicht dagegen für solche in einem Klagverfahren gelten solle, ist keineswegs zwingend. Denn hätte eine entsprechende Beschwerde in einem Hauptsacheverfahren zulässig sein sollen, hätte es nahegelegen, den § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO aus dem Verweis in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG herauszunehmen. Hiervon hat der Gesetzgeber aber abgesehen, ohne die Gründe hierfür zu benennen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung auf die Anregung des Bundesrates insoweit eine Prüfung in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren in Aussicht gestellt hat (BT-Drucks. 17/1684 Seite 25), so auch LSG Berlin-Brandenburg, 34. Senat in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2010 (a.a.O.). Gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde spricht weiter, dass PKH-Verfahren einen weitergehenden Rechtsschutz genießen würden als Klagverfahren; diese Intention ist der Neuregelung nicht zu entnehmen (so auch 11. Senat LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von PKH ausgeschlossen ist, weil in der Hauptsache der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht wird. Denn weder übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,00 EUR, noch betrifft die Hauptsache wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr. Denn in der Hauptsache begehrt der Kläger die Aufhebung der Sperrzeitfeststellung in der Zeit vom 6. Okto¬ber 2009 bis 12. Oktober 2009; hieraus errechnet sich unter Berücksichtigung eines täglichen Leistungssatzes von 24,14 EUR ein Beschwerdewert von 168,98 EUR.

Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts zutreffenden, aber vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung des erkennenden Senats unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., vor § 143 Rdn. 14b).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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