Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1412/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2531/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2011 abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Monate Juli, August und Oktober 2011 monatlich 371,54 EUR und für die Monate September und November 2011 266,84 EUR monatlich an die Antragstellerin zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragsgegner im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet ist, der Antragstellerin Hilfe zur Pflege zu gewähren und dabei auch bereits entstandene Rückstände gegenüber dem Pflegeheim zu übernehmen.
Die am 1920 geborene Antragstellerin lebt seit 2006 im A.-Kn.-Heim in Ludwigsburg. Sie hat vier Kinder, nämlich die 1953 geb. Tochter S. Se.-L., die 1955 geb. Tochter K. Y., den 1957 geb. Sohn W. O. und den 1962 geb. Sohn Ro. O ... Ihr jüngster Sohn ist als Generalbevollmächtigter benannt und vertritt sie auch in diesem Antragsverfahren. Die Antragstellerin ist in Pflegestufe II eingestuft und erhält insoweit von der Pflegeversicherung ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.279,00 EUR, welches direkt auf das Konto des Heims überwiesen wird.
Die Antragstellerin verfügt über Einkünfte aus einer Versichertenrente (Altersrente) in Höhe von monatlich 370,05 EUR (Stand 1. Juli 2009), in welcher Kindererziehungszeiten in Höhe von monatlich 108,80 EUR enthalten sind und von der sie Aufwendungen für eine Haftpflichtversicherung in Höhe von 4,01 EUR monatlich zu entrichten hat, aus einer Witwenrente in Höhe von monatlich 756,32 EUR (Stand 1. Juli 2009) und aus einer Betriebsrente (VBL) in Höhe von monatlich 59,56 EUR (Stand 1. Juli 2009). Zum 1. Juli 2010 blieben die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung unverändert. Die Betriebsrente erhöhte sich ab diesem Zeitpunkt auf monatlich 60,16 EUR. Zum 1. Juli 2011 erhöhte sich die Versichertenrente der Antragstellerin auf monatlich 372,85 EUR, der Anteil für die Kindererziehungsleistung betrug nun 109,88 EUR. Die Witwenrente erhöhte sich auf monatlich 761,29 EUR, die Betriebsrente auf monatlich 60,76 EUR.
Bis einschließlich Oktober 2009 reichten Vermögen und Einkünfte der Antragstellerin aus, um die laufenden Heimkosten zu decken. Am 02. November 2009 zahlte die Antragstellerin an das Pflegeheim zur Deckung weiterer bis einschließlich Oktober 2009 entstandener Kosten einen Betrag von 2.450,32 EUR, wobei sie dieses Kapital ihrem Schonvermögen entnommen hatte. In den folgenden Monaten führte sie ihre Einkünfte so lange nicht mehr an das Pflegeheim ab, bis das Schonvermögen wieder angespart war.
Am 27. Oktober 2009 beantragte ihr Sohn als Generalbevollmächtigter bei dem Antragsgegner die Gewährung von Hilfe zur Pflege durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten.
Der Pflegesatz des Heimes betrug in den Monaten November und Dezember 2009 täglich 101,98 EUR, von Januar 2010 bis April 2010 täglich 101,96 EUR, von Mai 2010 bis Dezember 2010 täglich 103,71 EUR und seit Januar 2011 104,70 EUR täglich.
Der Antragsgegner nahm Ermittlungen hinsichtlich der Unterhaltspflichten der Kinder auf und lehnte mit Bescheid vom 14. Januar 2010 die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe gegenüber ihrem jüngsten Sohn Ro. einen Unterhaltsanspruch in Höhe der nicht gedeckten Heimkosten. Da dieser Unterhaltsanspruch notfalls auch durch eine einstweilige Verfügung vor dem zuständigen Zivilgericht durchgesetzt werden könne, handele es sich um sogenannte "bereite Mittel" im Sinne von § 2 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2010 als unbegründet zurück. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat mit Urteil vom 21. Juli 2011 der Klage stattgegeben, den Bescheid vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2010 aufgehoben und den Antragsgegner zur Leistung ab 1. November 2009 verurteilt. Das Berufungsverfahren ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 7 SO 3654/11 anhängig.
Im Erörterungstermin am 4. Mai 2011 in dem beim SG anhängig gewesenen Verfahren S 14 SO 1067/10 ER erklärte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin, Ro. O., bereit, Unterhalt an die Antragstellerin zu zahlen. Dabei ging er aufgrund anwaltlicher Beratung aus dem Jahr 2006 davon aus, dass er einen monatlichen Unterhalt von 369,43 EUR schulde. Am 20. Mai 2010 zahlte er deshalb zunächst einen Betrag von 2.586,01 EUR an das Heim (7 x 369,43 EUR). Ab Juni erfolgten dann monatliche Zahlungen in Höhe von 369,43 EUR jeweils direkt an das Heim.
Der Sohn W. zahlt auf Aufforderung des Antragsgegners seit November 2010 monatlich 243,00 EUR Unterhalt, der ebenfalls direkt an das Heim überwiesen wurde.
Die beiden Töchter der Antragstellerin werden vom Antragsgegner nicht als unterhaltsverpflichtet angesehen (Unterhaltsberechnungen vom 30. November und 22. Dezember 2009); allerdings unterstützt die Tochter S. ihre Mutter durch das Mitbringen von Obst, Säften und Pflegeprodukten bei ihren Besuchen.
Nach Berechnung des A.-Kn.-Heimes sind im Zeitraum von November 2009 bis Ende Mai 2011 Rückstände in Höhe von 10.488,22 EUR entstanden. Mit Schreiben vom 14. April 2011 kündigte das Heim die Unterbringung zum 30. April 2011 und reichte am 13. Mai 2011 Räumungsklage ein.
Am 20. April 2011 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG beantragt. Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 24. Mai 2011 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin für die bestehenden Rückstände einen Betrag in Höhe von 7.970,26 EUR sowie laufend ab Juni 2011 bis November 2011 für Monate mit 30 Tagen 273,38 EUR und für Monate mit 31 Tagen 378,08 EUR zu zahlen. Der Antragstellerin könne nicht unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 SGB XII entgegengehalten werden, sie müsse sich vorrangig um die Realisierung von Ausgleichsansprüchen gegen Dritte bemühen. Dies beweise nicht zuletzt der Wortlaut der Norm, der nicht auf das Bestehen der anderen Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstelle. Die Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Kindern seien für die Antragstellerin eben gerade nicht ohne Weiteres zu realisieren.
Gegen diesen ihm am 31. Mai 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 8. Juni 2011 beim SG Beschwerde eingelegt. Der Antragstellerin stehe ein monatlicher Unterhaltsanspruch gegen den Generalbevollmächtigten, ihren Sohn Ro., in Höhe von 614,00 EUR zu. Davon entrichte er 369,43 EUR. Darüber hinaus bestehe noch ein Unterhaltsanspruch aus Vermögen. Zusammen mit dem tatsächlich gewährten Unterhalt durch Herrn W. O. sei der sozialhilferechtliche Bedarf gedeckt. Der Unterhaltsanspruch sei durch eine einstweilige Verfügung realisierbar. Da dies mit dem Eilverfahren durchsetzbar sei, handele es sich hierbei auch um bereite Mittel. Auch die Bezahlung von 7.970,26 EUR mache die ausgesprochene Kündigung nicht gegenstandslos. Aus diesem Grunde bestehe kein Anlass, im Zuge der einstweiligen Anordnung rückwirkend die vom SG errechneten Beträge zuzusprechen. Im Zuge der einstweiligen Anordnung könnten Beträge außerdem vorläufig nur ab Antragseingang zugesprochen werden. Unabhängig davon sei der Anspruch der Höhe nach vom SG falsch errechnet worden. Eine hilfsweise erstellte Berechnung ergebe für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2011 lediglich einen Betrag in Höhe von 5.375,12 EUR. Denn das SG habe den bei der Pflegeeinrichtung am 2. November 2009 eingegangenen Betrag in Höhe von 2.450,32 EUR nicht berücksichtigt. Es gelte das Zuflussprinzip. Der Betrag sei also im November 2009 anzurechnen. Damit ergebe sich im November 2009 kein Anspruch. Der Barbetrag in Höhe von 96,93 EUR stehe der Antragstellerin nicht zu. Dies deshalb nicht, weil die Tochter der Antragstellerin den Barbedarf mit Naturalien decke. Der Nachzahlungsbetrag für Unterhalt in Höhe von 2.586,01 EUR sei nicht, wie vom SG angenommen, auf sechs Raten, sondern auf sieben Monate zu verteilen. Ferner sei die geringfügige Rentenerhöhung ab Juli 2010 nicht berücksichtigt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Eine einstweilige Verfügung auf Unterhalt müsse im familiengerichtlichen Verfahren beziffert werden. Es gebe keinen Mindestunterhalt, der auf jeden Fall geschuldet sei, wie dies im Kindesunterhalt der Fall sei. Daher müsse zunächst eine Auskunftsklage bzw. eine Stufenklage bei Verweigerung der Auskünfte über Einkommen und Vermögen eingereicht werden. Trotz der Unterstützung durch die Tochter durch das Mitbringen von Obst, Säften und Körperpflegeartikeln benötige sie den Barbetrag. Sie bekomme Besuch von einer medizinischen Fußpflegerin, die bar bezahlt werde. Ferner kaufe sie immer wieder selbst etwas beim Kioskwagen im Heim.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates war. II.
Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Das SG hat den Antragsgegner zu Recht zur vorläufigen Erbringung von Hilfe zur Pflege gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. § 61 SGB XII verpflichtet. Einkommen und Vermögen der Antragstellerin reichen bzw. reichten für den streitgegenständlichen Zeitraum - mit Ausnahme der Monate September 2010 und November 2010 - nicht aus, um den mit der notwendigen Unterbringung im Pflegeheim entstehenden Bedarf vollständig zu decken. Daher besteht ein Anspruch der Antragstellerin gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf Übernahme der ungedeckten Kosten.
Die vom Antragsgegner behaupteten (weiteren) Unterhaltsansprüche der Antragstellerin gegen ihren Sohn Ro. sind keine bereiten Mittel im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII. Daher kann der Antragstellerin der Nachrang der Sozialhilfe nicht anspruchsausschließend entgegengehalten werden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII greift erst dann ein, wenn es sich bei diesen Ansprüchen um bereite Mittel handelt (so schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu § 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -, vgl. z.B. Beschluss vom 21. Dezember 1999 - 5 B 84.99 - (juris); Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - SozR 4-3500 § 84 Nr. 1; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 19). Nur wenn der Anspruch durch den Hilfesuchenden unproblematisch selbst zu realisieren ist, kann also die Sozialhilfe ausgeschlossen sein. Der Umstand, dass der Sohn der Antragstellerin einen weiteren Unterhaltsanspruch bestreitet, schließt zwar nicht von vorneherein aus, dass der Unterhaltsanspruch gleichwohl als bereites Mittel anzusehen ist; vorausgesetzt ist jedoch, dass die gerichtliche Durchsetzung eine rechtzeitige Bedarfsdeckung ermöglicht, sodass nur solche Ansprüche berücksichtigungsfähig sind, die im Wege der einstweiligen Verfügung alsbald durchgesetzt werden können (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob das BSG (Urteile vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 16/07 R - (juris) und 29. September 2009, a.a.O.) die Anwendung des § 2 Abs. 1 SGB XII in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung des BVerwG zu § 2 BSHG eingeschränkt hat (vgl. Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 2 Rdnr. 11), lässt der Senat aus den nachfolgenden Gründen offen.
Die Durchsetzung der vermeintlichen Unterhaltsforderung auf gerichtlichem Wege durch eine zivilgerichtliche einstweilige Verfügung gegen ihren Sohn ist der Antragstellerin nicht zumutbar. Abgesehen davon, dass die Frage, ob der Sohn der Antragstellerin für die Unterhaltsleistung auch den Stamm seines Vermögens angreifen muss - wie der Antragsgegner meint - oder ob insoweit von einer angemessenen Altersvorsorge ausgegangen werden muss, zivilrechtlich nicht einfach zu beantworten ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - BGHZ 169, 59 bis 77), wäre der Verweis auf die Selbsthilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nur dann möglich, wenn es der Antragstellerin nach ihrer Person und nach den Familienverhältnissen zuzumuten wäre, die Ansprüche gegen ihren Sohn selbst geltend zu machen. Dabei sind die Person des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII und seine Familienverhältnisse nach § 16 SGB XII zu beachten. An der Zumutbarkeit fehlt es z.B., falls dem Leistungsberechtigten die Durchsetzung wegen der aus psychischer Erkrankung bzw. Behinderung oder Kindheit bzw. hohem Alter bestehenden Abhängigkeit vom Unterhaltsverpflichteten (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Oktober 1989 - 6 S 847/89 - (juris); VGH Hessen, Urteil vom 12. Juni 1990 - 9 UE 1622/89 - (juris)) oder erheblicher Gefährdung der familiären Beziehungen (Oberverwaltungsgericht - OVG - Lüneburg, Urteil vom 17. Dezember 1985 - 4 B 198/85 - FEVS 36, 77) nicht möglich ist (vgl. Münder in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 94 Rdnr. 76 m.w.N.).
Die im 91. Lebensjahr stehende Antragstellerin ist nach Überzeugung des Senates aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, der Notwendigkeit der Unterbringung in einem Pflegeheim und aufgrund ihres Alters von der Unterstützung ihres Sohnes abhängig und hat ihm deshalb eine Generalvollmacht zur Abwicklung sämtlicher finanzieller und behördlicher Angelegenheiten ausgestellt. Bei dieser Konstellation ist ihr nicht zuzumuten, die im Ausgang nicht einmal sichere Unterhaltsklage gegen ihren Sohn zu erheben und dabei faktisch die Generalbevollmächtigung aufzuheben bzw. zu unterlaufen. Würde die Antragstellerin in dieser Weise gegen ihren Sohn vorgehen, liefe sie Gefahr, im Ergebnis ihren Generalbevollmächtigten zu verlieren. Die Antragstellerin ginge ein hohes persönliches und emotionales Risiko ein, weshalb auch unter dem Programmsatz des § 16 SGB XII (Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Familie) ein gerichtliches Vorgehen der Antragstellerin gegen ihren Sohn nicht veranlagt werden kann. Das gilt auch dann, wenn ein Ergänzungspfleger gemäß § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestellt würde, um die Unterhaltsansprüche gegen den Sohn und Generalbevollmächtigten der Antragstellerin zu verfolgen. Die Bestellung der Ergänzungspflegschaft würde dem Willen der Antragstellerin widersprechen, denn diese wünscht gerade eine Vertretung durch ihren Sohn. Im Übrigen könnte man bei Durchsetzung von Ansprüchen über einen Ergänzungspfleger auch nicht mehr von bereiten Mitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII sprechen, weil das Bestellungsverfahren geraume Zeit beanspruchen dürfte. Die Unzumutbarkeit eines gerichtlichen Vorgehens der Antragstellerin gegen ihren Sohn verletzt das Strukturprinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nicht, denn der Hilfeträger kann den Unterhaltsanspruch, der kraft Gesetzes auf ihn übergegangen ist (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) selbst geltend machen und damit den Nachrang der Sozialhilfe wieder herstellen.
Der Antragsgegner kann auch nicht mit seinen Einwänden gegen die Höhe der von dem SG festgesetzten Leistungen durchdringen. Tatsächlich belaufen sich die ungedeckten Pflegekosten der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2011 auf insgesamt 8.068,54 EUR und nicht auf lediglich 7.970,26 EUR, wie vom SG entschieden. Allerdings ist eine Abänderung des Beschlusses zugunsten der Antragstellerin nicht möglich, da nur der Antragsgegner und nicht die Antragstellerin den Beschluss angefochten hat.
Im Einzelnen ergibt sich folgendes: Die am 2. November 2009 erfolgte Einmalzahlung in Höhe von 2.450,32 EUR ist - anders als der Antragsgegner meint - nicht als Einkommen im Zuflussmonat zu berücksichtigen. Denn es handelt sich von vornherein nicht um Einkommen der Antragstellerin, weil sie diesen Betrag aus ihrem Schonvermögen entnommen und mit Tilgungsbestimmung dem Pflegeheim zugewandt hat, um die bis einschließlich Oktober 2009 aufgelaufenen Kosten zu begleichen.
Hingegen sind die von November 2009 bis März 2010 angesparten Renten zur erneuten Bildung des Schonvermögens als Einkommen zu berücksichtigen, weil die zufließenden Einkünfte § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII unterfallen. Nach dieser Vorschrift gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Soweit das Vermögen bis zur kompletten Erschöpfung aufgebraucht ist, kann aus dem weiteren Einkommen nicht zunächst neues Vermögen geschaffen werden. Vielmehr muss der Hilfebedürftige alle ihm zufließenden Mittel zur Deckung seines Bedarfs einsetzen (§ 2 Abs. 1 SGB XII, § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Der Barbetrag steht der Antragstellerin gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB XII in Höhe von mindestens 27 v.H. des Eckregelsatzes zu. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Zuwendungen ihrer Tochter ihren persönlichen Bedarf nicht decken. Es besteht weiterer Bedarf für persönliche Bedürfnisse, wie z.B. die Bezahlung der Fußpflege, das Einkaufen kleinerer Lebensmittel oder Süßigkeiten am Heimkiosk oder Telefonkosten. Im Übrigen sichert der Barbetrag ein Minimum an autonomer Lebensführung und dient damit der Erhaltung der Menschenwürde (vgl. Armborst in LPK-SGB XII, a.a.O., § 35 Rdnr. 9). Der Barbetrag belief sich für die Zeit von November 2009 bis Dezember 2010 auf 96,93 EUR monatlich. Ab Januar 2011 erhöhte er sich wegen der Erhöhung des Regelsatzes auf 98,28 EUR monatlich.
Der Senat stimmt der Auffassung des Antragsgegners zu, dass der von dem Sohn Ro. der Antragstellerin am 20. Mai 2010 nachgezahlte Unterhalt in Höhe von 2.586,01 EUR (7 x 369,43 EUR) auf insgesamt sieben Monate, nämlich die Monate Mai 2010 bis November 2010 zu verteilen ist. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 3 sowie § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII. Danach sind einmalige Einkünfte von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; sie sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Hier ergibt sich der Aufteilungszeitraum aus der Zuordnung eines monatlichen Betrages von 369,43 EUR, die der Sohn der Antragstellerin als Unterhalt als geschuldet ansieht.
Die Betriebsrente erhöhte sich zum 1. Juli 2010 um 0,6 EUR auf 60,16 EUR monatlich. Die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung blieben zum 1. Juli 2010 unverändert. Von der Versichertenrente der Antragstellerin sind abzusetzen der auf die Kindererziehung entfallende Anteil in Höhe von 108,80 EUR (§ 299 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) und der monatliche Beitrag zur Privathaftpflichtversicherung in Höhe von 4,01 EUR (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII). Es ergibt sich danach für die einzelnen Monate folgende Aufstellung:
Nov 09 Dez 09 Jan 10 Feb 10 Mrz 10 Heimkosten 3059,40 3161,38 3160,76 2854,88 3160,76 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 96,93 Bed.summe 3156,33 3258,31 3257,69 2951,81 3257,69
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 59,56 59,56 59,56 59,56 59,56 Unterh.Ro. Unterh. W. Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2352,12 2352,12 2352,12 2352,12 2352,12
verbl. Bedarf 804,21 906,19 905,57 599,69 905,57
Apr 10 Mai 10 Jun 10 Jul 10 Aug 10 Heimkosten 3058,80 3215,01 3111,30 3215,01 3215,01 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 96,93 Bed.summe 3155,73 3311,94 3208,23 3311,94 3311,94
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 59,56 59,56 59,56 60,16 60,16 Unterh.Ro. 369,43 738,86 738,86 738,86 Unterh. W. Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2352,12 2721,55 3090,98 3091,58 3091,58
verbl. Bedarf 803,61 590,39 117,25 220,36 220,36
Sep 10 Okt 10 Nov 10 Dez 10 Jan 11 Heimkosten 2922,66 3167,85 3111,30 3215,01 3245,70 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 98,28 Bed.summe 3019,59 3264,78 3208,23 3311,94 3343,98
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 60,16 60,16 60,16 60,16 60,16 Unterh.Ro. 738,86 738,86 738,86 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 3091,58 3091,58 3334,58 2965,15 2965,15
verbl. Bedarf 0 173,20 0 346,79 378,83
Feb 11 Mrz 11 Apr 11 Mai 11 Heimkosten 2931,60 3245,70 3141,00 3245,70 Barbetrag 98,28 98,28 98,28 98,28 Bed.summe 3029,88 3343,98 3239,28 3343,98
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 60,16 60,16 60,16 60,16 Unterh.Ro. 369,43 369,43 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2965,15 2965,15 2965,15 2965,15
verbl. Bedarf 64,73 378,83 274,13 378,83 8068,54
Der ungedeckte Bedarf für die Monate November 2009 bis Mai 2011 beläuft sich also auf insgesamt 8068,54 EUR und übersteigt damit den vom SG errechneten Betrag sogar. Für den Monat Juni 2011 ergibt sich aufgrund der unveränderten Daten die gleiche Berechnung wie für den Monat April 2011. Mithin beträgt der ungedeckter Bedarf insoweit 274,13 EUR und nicht lediglich wie vom SG errechnet 273,38 EUR. Eine Abänderung des Beschlusses des SG kommt aber zu Gunsten der Antragstellerin nicht in Betracht, weil nur der Antragsgegner Beschwerde erhoben hat.
Zum 1. Juli 2011 erhöhte sich die Versichertenrente der Antragstellerin auf 372,85 EUR monatlich, der Anteil für die Kindererziehungsleistung betrug nun 109,88 EUR monatlich. Die Witwenrente erhöhte sich auf 761,29 EUR monatlich, die Betriebsrente auf 60,76 EUR monatlich. Für die Zeit von Juli bis November 2011 ergibt sich daraus ein geringfügig niedrigerer ungedeckter Bedarf der Antragstellerin als vom SG entschieden, nämlich in Höhe von 371,54 EUR für die Monate mit 31 Tagen (Juli, August und Oktober) bzw. von 266,84 EUR für die Monate mit 30 Tagen (September und November). Im Einzelnen lautet die Rechnung wie folgt, wobei wiederum bei der Versichertenrente der monatliche Beitrag zur Haftpflichtversicherung und die Kindererziehungsleistung abgesetzt sind:
Jul. Aug, Okt 2011 Sep, Nov 2011 Heimkosten 3245,70 3141,00 Barbetrag 98,28 98,28 Bed.summe 3343,98 3239,28
VersR berein. 258,96 258,96 WitwR 761,29 761,29 BetriebsR 60,76 60,76 Unterh.Ro. 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 Ges.EK 2972,44 2972,44
verbl. Bedarf 371,54 266,84
Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, dem Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung stehe das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen, vermag sich der Senat dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen. Ein unzumutbarer Nachteil im Sinne eines Anordnungsgrundes liegt nämlich auch dann vor, wenn der Verlust eines Heimplatzes wegen eingetretener Zahlungsrückstände konkret droht (vgl. etwa Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 18. November 2002 - 20 L 4109/02 - (juris)). Vorliegend ist es wegen der erheblichen Zahlungsrückstände bereits zur Kündigung des Heimplatzes und zur Einreichung einer Räumungsklage gekommen. Die Antragstellerin muss mit dem Verlust ihres Heimplatzes konkret und in naher Zukunft rechnen, soweit nicht unverzüglich eine Tilgung der Schulden erfolgt. Auch das Argument des Antragsgegners, mit der Bezahlung des Betrages von 7.970,26 EUR würden nicht sämtliche Rückstände beglichen und damit die ausgesprochene Kündigung nicht gegenstandslos, greift nicht durch. Denn nach § 21 Ziff. 3 des Heimvertrages wird die Kündigung unwirksam, wenn bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage der Zahlungsanspruch befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle sich zur Befriedigung verpflichtet. Die Antragstellerin kann mit der vom SG festgesetzten (und vom Antragsgegner bereits ausgezahlten) Leistung zusammen mit dem Betrag aus dem wieder angesparten Schonvermögen sämtliche Rückstände des Pflegeheimes begleichen. Daher ist auch insoweit die Regelungsanordnung geeignet und erforderlich, einen gegenwärtigen wesentlichen Nachteil für die Antragstellerin abzuwenden.
Schließlich stehen der Antragstellerin nicht nur die Ansprüche ab Antragstellung beim SG (20. April 2011), sondern bereits rückwirkend ab 1. November 2009 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu. Zwar ist es zutreffend, dass eine gerichtliche Regelungsanordnung sich wegen des Tatbestandsmerkmals "Abwendung" in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nur auf die Zukunft beziehen kann mit der Folge, dass Leistungen vor Eingang des Eilantrages bei Gericht in der Regel nicht zugesprochen werden können (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, Rdnr. 323 mit zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung). Doch muss immer dann von einem gegenwärtigen erheblichen Nachteil ausgegangen werden, wenn Ursachen aus der Zeit vor der Antragstellung vorliegen, aus denen sich Beeinträchtigungen für die Zeit nach der Antragstellung bei Gericht ergeben können (Krodel, a.a.O., Rdnr. 324). So liegt der Fall hier. Bei der Abwendung der Kündigung des Heimvertrages der Antragstellerin geht es um die Abwendung eines zukünftigen Nachteils, der maßgeblich darauf beruht, dass der Antragsgegner zu Unrecht die Übernahme der ungedeckten Heimkosten seit November 2009 abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Angesichts des weit überwiegenden Obsiegens der Antragstellerin war eine Kostenquote zu ihren Lasten nicht zu bilden. Zudem ergibt sich der Teilerfolg des Antragsgegners erst aus im Beschwerdeverfahren veränderten Umständen, nämlich aus der Anpassung der Rentenzahlungen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragsgegner im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet ist, der Antragstellerin Hilfe zur Pflege zu gewähren und dabei auch bereits entstandene Rückstände gegenüber dem Pflegeheim zu übernehmen.
Die am 1920 geborene Antragstellerin lebt seit 2006 im A.-Kn.-Heim in Ludwigsburg. Sie hat vier Kinder, nämlich die 1953 geb. Tochter S. Se.-L., die 1955 geb. Tochter K. Y., den 1957 geb. Sohn W. O. und den 1962 geb. Sohn Ro. O ... Ihr jüngster Sohn ist als Generalbevollmächtigter benannt und vertritt sie auch in diesem Antragsverfahren. Die Antragstellerin ist in Pflegestufe II eingestuft und erhält insoweit von der Pflegeversicherung ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.279,00 EUR, welches direkt auf das Konto des Heims überwiesen wird.
Die Antragstellerin verfügt über Einkünfte aus einer Versichertenrente (Altersrente) in Höhe von monatlich 370,05 EUR (Stand 1. Juli 2009), in welcher Kindererziehungszeiten in Höhe von monatlich 108,80 EUR enthalten sind und von der sie Aufwendungen für eine Haftpflichtversicherung in Höhe von 4,01 EUR monatlich zu entrichten hat, aus einer Witwenrente in Höhe von monatlich 756,32 EUR (Stand 1. Juli 2009) und aus einer Betriebsrente (VBL) in Höhe von monatlich 59,56 EUR (Stand 1. Juli 2009). Zum 1. Juli 2010 blieben die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung unverändert. Die Betriebsrente erhöhte sich ab diesem Zeitpunkt auf monatlich 60,16 EUR. Zum 1. Juli 2011 erhöhte sich die Versichertenrente der Antragstellerin auf monatlich 372,85 EUR, der Anteil für die Kindererziehungsleistung betrug nun 109,88 EUR. Die Witwenrente erhöhte sich auf monatlich 761,29 EUR, die Betriebsrente auf monatlich 60,76 EUR.
Bis einschließlich Oktober 2009 reichten Vermögen und Einkünfte der Antragstellerin aus, um die laufenden Heimkosten zu decken. Am 02. November 2009 zahlte die Antragstellerin an das Pflegeheim zur Deckung weiterer bis einschließlich Oktober 2009 entstandener Kosten einen Betrag von 2.450,32 EUR, wobei sie dieses Kapital ihrem Schonvermögen entnommen hatte. In den folgenden Monaten führte sie ihre Einkünfte so lange nicht mehr an das Pflegeheim ab, bis das Schonvermögen wieder angespart war.
Am 27. Oktober 2009 beantragte ihr Sohn als Generalbevollmächtigter bei dem Antragsgegner die Gewährung von Hilfe zur Pflege durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten.
Der Pflegesatz des Heimes betrug in den Monaten November und Dezember 2009 täglich 101,98 EUR, von Januar 2010 bis April 2010 täglich 101,96 EUR, von Mai 2010 bis Dezember 2010 täglich 103,71 EUR und seit Januar 2011 104,70 EUR täglich.
Der Antragsgegner nahm Ermittlungen hinsichtlich der Unterhaltspflichten der Kinder auf und lehnte mit Bescheid vom 14. Januar 2010 die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe gegenüber ihrem jüngsten Sohn Ro. einen Unterhaltsanspruch in Höhe der nicht gedeckten Heimkosten. Da dieser Unterhaltsanspruch notfalls auch durch eine einstweilige Verfügung vor dem zuständigen Zivilgericht durchgesetzt werden könne, handele es sich um sogenannte "bereite Mittel" im Sinne von § 2 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2010 als unbegründet zurück. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat mit Urteil vom 21. Juli 2011 der Klage stattgegeben, den Bescheid vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2010 aufgehoben und den Antragsgegner zur Leistung ab 1. November 2009 verurteilt. Das Berufungsverfahren ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 7 SO 3654/11 anhängig.
Im Erörterungstermin am 4. Mai 2011 in dem beim SG anhängig gewesenen Verfahren S 14 SO 1067/10 ER erklärte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin, Ro. O., bereit, Unterhalt an die Antragstellerin zu zahlen. Dabei ging er aufgrund anwaltlicher Beratung aus dem Jahr 2006 davon aus, dass er einen monatlichen Unterhalt von 369,43 EUR schulde. Am 20. Mai 2010 zahlte er deshalb zunächst einen Betrag von 2.586,01 EUR an das Heim (7 x 369,43 EUR). Ab Juni erfolgten dann monatliche Zahlungen in Höhe von 369,43 EUR jeweils direkt an das Heim.
Der Sohn W. zahlt auf Aufforderung des Antragsgegners seit November 2010 monatlich 243,00 EUR Unterhalt, der ebenfalls direkt an das Heim überwiesen wurde.
Die beiden Töchter der Antragstellerin werden vom Antragsgegner nicht als unterhaltsverpflichtet angesehen (Unterhaltsberechnungen vom 30. November und 22. Dezember 2009); allerdings unterstützt die Tochter S. ihre Mutter durch das Mitbringen von Obst, Säften und Pflegeprodukten bei ihren Besuchen.
Nach Berechnung des A.-Kn.-Heimes sind im Zeitraum von November 2009 bis Ende Mai 2011 Rückstände in Höhe von 10.488,22 EUR entstanden. Mit Schreiben vom 14. April 2011 kündigte das Heim die Unterbringung zum 30. April 2011 und reichte am 13. Mai 2011 Räumungsklage ein.
Am 20. April 2011 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG beantragt. Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 24. Mai 2011 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin für die bestehenden Rückstände einen Betrag in Höhe von 7.970,26 EUR sowie laufend ab Juni 2011 bis November 2011 für Monate mit 30 Tagen 273,38 EUR und für Monate mit 31 Tagen 378,08 EUR zu zahlen. Der Antragstellerin könne nicht unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 SGB XII entgegengehalten werden, sie müsse sich vorrangig um die Realisierung von Ausgleichsansprüchen gegen Dritte bemühen. Dies beweise nicht zuletzt der Wortlaut der Norm, der nicht auf das Bestehen der anderen Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstelle. Die Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Kindern seien für die Antragstellerin eben gerade nicht ohne Weiteres zu realisieren.
Gegen diesen ihm am 31. Mai 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 8. Juni 2011 beim SG Beschwerde eingelegt. Der Antragstellerin stehe ein monatlicher Unterhaltsanspruch gegen den Generalbevollmächtigten, ihren Sohn Ro., in Höhe von 614,00 EUR zu. Davon entrichte er 369,43 EUR. Darüber hinaus bestehe noch ein Unterhaltsanspruch aus Vermögen. Zusammen mit dem tatsächlich gewährten Unterhalt durch Herrn W. O. sei der sozialhilferechtliche Bedarf gedeckt. Der Unterhaltsanspruch sei durch eine einstweilige Verfügung realisierbar. Da dies mit dem Eilverfahren durchsetzbar sei, handele es sich hierbei auch um bereite Mittel. Auch die Bezahlung von 7.970,26 EUR mache die ausgesprochene Kündigung nicht gegenstandslos. Aus diesem Grunde bestehe kein Anlass, im Zuge der einstweiligen Anordnung rückwirkend die vom SG errechneten Beträge zuzusprechen. Im Zuge der einstweiligen Anordnung könnten Beträge außerdem vorläufig nur ab Antragseingang zugesprochen werden. Unabhängig davon sei der Anspruch der Höhe nach vom SG falsch errechnet worden. Eine hilfsweise erstellte Berechnung ergebe für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2011 lediglich einen Betrag in Höhe von 5.375,12 EUR. Denn das SG habe den bei der Pflegeeinrichtung am 2. November 2009 eingegangenen Betrag in Höhe von 2.450,32 EUR nicht berücksichtigt. Es gelte das Zuflussprinzip. Der Betrag sei also im November 2009 anzurechnen. Damit ergebe sich im November 2009 kein Anspruch. Der Barbetrag in Höhe von 96,93 EUR stehe der Antragstellerin nicht zu. Dies deshalb nicht, weil die Tochter der Antragstellerin den Barbedarf mit Naturalien decke. Der Nachzahlungsbetrag für Unterhalt in Höhe von 2.586,01 EUR sei nicht, wie vom SG angenommen, auf sechs Raten, sondern auf sieben Monate zu verteilen. Ferner sei die geringfügige Rentenerhöhung ab Juli 2010 nicht berücksichtigt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Eine einstweilige Verfügung auf Unterhalt müsse im familiengerichtlichen Verfahren beziffert werden. Es gebe keinen Mindestunterhalt, der auf jeden Fall geschuldet sei, wie dies im Kindesunterhalt der Fall sei. Daher müsse zunächst eine Auskunftsklage bzw. eine Stufenklage bei Verweigerung der Auskünfte über Einkommen und Vermögen eingereicht werden. Trotz der Unterstützung durch die Tochter durch das Mitbringen von Obst, Säften und Körperpflegeartikeln benötige sie den Barbetrag. Sie bekomme Besuch von einer medizinischen Fußpflegerin, die bar bezahlt werde. Ferner kaufe sie immer wieder selbst etwas beim Kioskwagen im Heim.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates war. II.
Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).
Das SG hat den Antragsgegner zu Recht zur vorläufigen Erbringung von Hilfe zur Pflege gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. § 61 SGB XII verpflichtet. Einkommen und Vermögen der Antragstellerin reichen bzw. reichten für den streitgegenständlichen Zeitraum - mit Ausnahme der Monate September 2010 und November 2010 - nicht aus, um den mit der notwendigen Unterbringung im Pflegeheim entstehenden Bedarf vollständig zu decken. Daher besteht ein Anspruch der Antragstellerin gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf Übernahme der ungedeckten Kosten.
Die vom Antragsgegner behaupteten (weiteren) Unterhaltsansprüche der Antragstellerin gegen ihren Sohn Ro. sind keine bereiten Mittel im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII. Daher kann der Antragstellerin der Nachrang der Sozialhilfe nicht anspruchsausschließend entgegengehalten werden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII greift erst dann ein, wenn es sich bei diesen Ansprüchen um bereite Mittel handelt (so schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu § 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -, vgl. z.B. Beschluss vom 21. Dezember 1999 - 5 B 84.99 - (juris); Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - SozR 4-3500 § 84 Nr. 1; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 19). Nur wenn der Anspruch durch den Hilfesuchenden unproblematisch selbst zu realisieren ist, kann also die Sozialhilfe ausgeschlossen sein. Der Umstand, dass der Sohn der Antragstellerin einen weiteren Unterhaltsanspruch bestreitet, schließt zwar nicht von vorneherein aus, dass der Unterhaltsanspruch gleichwohl als bereites Mittel anzusehen ist; vorausgesetzt ist jedoch, dass die gerichtliche Durchsetzung eine rechtzeitige Bedarfsdeckung ermöglicht, sodass nur solche Ansprüche berücksichtigungsfähig sind, die im Wege der einstweiligen Verfügung alsbald durchgesetzt werden können (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob das BSG (Urteile vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 16/07 R - (juris) und 29. September 2009, a.a.O.) die Anwendung des § 2 Abs. 1 SGB XII in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung des BVerwG zu § 2 BSHG eingeschränkt hat (vgl. Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 2 Rdnr. 11), lässt der Senat aus den nachfolgenden Gründen offen.
Die Durchsetzung der vermeintlichen Unterhaltsforderung auf gerichtlichem Wege durch eine zivilgerichtliche einstweilige Verfügung gegen ihren Sohn ist der Antragstellerin nicht zumutbar. Abgesehen davon, dass die Frage, ob der Sohn der Antragstellerin für die Unterhaltsleistung auch den Stamm seines Vermögens angreifen muss - wie der Antragsgegner meint - oder ob insoweit von einer angemessenen Altersvorsorge ausgegangen werden muss, zivilrechtlich nicht einfach zu beantworten ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - BGHZ 169, 59 bis 77), wäre der Verweis auf die Selbsthilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nur dann möglich, wenn es der Antragstellerin nach ihrer Person und nach den Familienverhältnissen zuzumuten wäre, die Ansprüche gegen ihren Sohn selbst geltend zu machen. Dabei sind die Person des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII und seine Familienverhältnisse nach § 16 SGB XII zu beachten. An der Zumutbarkeit fehlt es z.B., falls dem Leistungsberechtigten die Durchsetzung wegen der aus psychischer Erkrankung bzw. Behinderung oder Kindheit bzw. hohem Alter bestehenden Abhängigkeit vom Unterhaltsverpflichteten (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Oktober 1989 - 6 S 847/89 - (juris); VGH Hessen, Urteil vom 12. Juni 1990 - 9 UE 1622/89 - (juris)) oder erheblicher Gefährdung der familiären Beziehungen (Oberverwaltungsgericht - OVG - Lüneburg, Urteil vom 17. Dezember 1985 - 4 B 198/85 - FEVS 36, 77) nicht möglich ist (vgl. Münder in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 94 Rdnr. 76 m.w.N.).
Die im 91. Lebensjahr stehende Antragstellerin ist nach Überzeugung des Senates aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, der Notwendigkeit der Unterbringung in einem Pflegeheim und aufgrund ihres Alters von der Unterstützung ihres Sohnes abhängig und hat ihm deshalb eine Generalvollmacht zur Abwicklung sämtlicher finanzieller und behördlicher Angelegenheiten ausgestellt. Bei dieser Konstellation ist ihr nicht zuzumuten, die im Ausgang nicht einmal sichere Unterhaltsklage gegen ihren Sohn zu erheben und dabei faktisch die Generalbevollmächtigung aufzuheben bzw. zu unterlaufen. Würde die Antragstellerin in dieser Weise gegen ihren Sohn vorgehen, liefe sie Gefahr, im Ergebnis ihren Generalbevollmächtigten zu verlieren. Die Antragstellerin ginge ein hohes persönliches und emotionales Risiko ein, weshalb auch unter dem Programmsatz des § 16 SGB XII (Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Familie) ein gerichtliches Vorgehen der Antragstellerin gegen ihren Sohn nicht veranlagt werden kann. Das gilt auch dann, wenn ein Ergänzungspfleger gemäß § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestellt würde, um die Unterhaltsansprüche gegen den Sohn und Generalbevollmächtigten der Antragstellerin zu verfolgen. Die Bestellung der Ergänzungspflegschaft würde dem Willen der Antragstellerin widersprechen, denn diese wünscht gerade eine Vertretung durch ihren Sohn. Im Übrigen könnte man bei Durchsetzung von Ansprüchen über einen Ergänzungspfleger auch nicht mehr von bereiten Mitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII sprechen, weil das Bestellungsverfahren geraume Zeit beanspruchen dürfte. Die Unzumutbarkeit eines gerichtlichen Vorgehens der Antragstellerin gegen ihren Sohn verletzt das Strukturprinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nicht, denn der Hilfeträger kann den Unterhaltsanspruch, der kraft Gesetzes auf ihn übergegangen ist (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) selbst geltend machen und damit den Nachrang der Sozialhilfe wieder herstellen.
Der Antragsgegner kann auch nicht mit seinen Einwänden gegen die Höhe der von dem SG festgesetzten Leistungen durchdringen. Tatsächlich belaufen sich die ungedeckten Pflegekosten der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2011 auf insgesamt 8.068,54 EUR und nicht auf lediglich 7.970,26 EUR, wie vom SG entschieden. Allerdings ist eine Abänderung des Beschlusses zugunsten der Antragstellerin nicht möglich, da nur der Antragsgegner und nicht die Antragstellerin den Beschluss angefochten hat.
Im Einzelnen ergibt sich folgendes: Die am 2. November 2009 erfolgte Einmalzahlung in Höhe von 2.450,32 EUR ist - anders als der Antragsgegner meint - nicht als Einkommen im Zuflussmonat zu berücksichtigen. Denn es handelt sich von vornherein nicht um Einkommen der Antragstellerin, weil sie diesen Betrag aus ihrem Schonvermögen entnommen und mit Tilgungsbestimmung dem Pflegeheim zugewandt hat, um die bis einschließlich Oktober 2009 aufgelaufenen Kosten zu begleichen.
Hingegen sind die von November 2009 bis März 2010 angesparten Renten zur erneuten Bildung des Schonvermögens als Einkommen zu berücksichtigen, weil die zufließenden Einkünfte § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII unterfallen. Nach dieser Vorschrift gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Soweit das Vermögen bis zur kompletten Erschöpfung aufgebraucht ist, kann aus dem weiteren Einkommen nicht zunächst neues Vermögen geschaffen werden. Vielmehr muss der Hilfebedürftige alle ihm zufließenden Mittel zur Deckung seines Bedarfs einsetzen (§ 2 Abs. 1 SGB XII, § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Der Barbetrag steht der Antragstellerin gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB XII in Höhe von mindestens 27 v.H. des Eckregelsatzes zu. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Zuwendungen ihrer Tochter ihren persönlichen Bedarf nicht decken. Es besteht weiterer Bedarf für persönliche Bedürfnisse, wie z.B. die Bezahlung der Fußpflege, das Einkaufen kleinerer Lebensmittel oder Süßigkeiten am Heimkiosk oder Telefonkosten. Im Übrigen sichert der Barbetrag ein Minimum an autonomer Lebensführung und dient damit der Erhaltung der Menschenwürde (vgl. Armborst in LPK-SGB XII, a.a.O., § 35 Rdnr. 9). Der Barbetrag belief sich für die Zeit von November 2009 bis Dezember 2010 auf 96,93 EUR monatlich. Ab Januar 2011 erhöhte er sich wegen der Erhöhung des Regelsatzes auf 98,28 EUR monatlich.
Der Senat stimmt der Auffassung des Antragsgegners zu, dass der von dem Sohn Ro. der Antragstellerin am 20. Mai 2010 nachgezahlte Unterhalt in Höhe von 2.586,01 EUR (7 x 369,43 EUR) auf insgesamt sieben Monate, nämlich die Monate Mai 2010 bis November 2010 zu verteilen ist. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 3 sowie § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII. Danach sind einmalige Einkünfte von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; sie sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Hier ergibt sich der Aufteilungszeitraum aus der Zuordnung eines monatlichen Betrages von 369,43 EUR, die der Sohn der Antragstellerin als Unterhalt als geschuldet ansieht.
Die Betriebsrente erhöhte sich zum 1. Juli 2010 um 0,6 EUR auf 60,16 EUR monatlich. Die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung blieben zum 1. Juli 2010 unverändert. Von der Versichertenrente der Antragstellerin sind abzusetzen der auf die Kindererziehung entfallende Anteil in Höhe von 108,80 EUR (§ 299 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) und der monatliche Beitrag zur Privathaftpflichtversicherung in Höhe von 4,01 EUR (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII). Es ergibt sich danach für die einzelnen Monate folgende Aufstellung:
Nov 09 Dez 09 Jan 10 Feb 10 Mrz 10 Heimkosten 3059,40 3161,38 3160,76 2854,88 3160,76 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 96,93 Bed.summe 3156,33 3258,31 3257,69 2951,81 3257,69
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 59,56 59,56 59,56 59,56 59,56 Unterh.Ro. Unterh. W. Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2352,12 2352,12 2352,12 2352,12 2352,12
verbl. Bedarf 804,21 906,19 905,57 599,69 905,57
Apr 10 Mai 10 Jun 10 Jul 10 Aug 10 Heimkosten 3058,80 3215,01 3111,30 3215,01 3215,01 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 96,93 Bed.summe 3155,73 3311,94 3208,23 3311,94 3311,94
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 59,56 59,56 59,56 60,16 60,16 Unterh.Ro. 369,43 738,86 738,86 738,86 Unterh. W. Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2352,12 2721,55 3090,98 3091,58 3091,58
verbl. Bedarf 803,61 590,39 117,25 220,36 220,36
Sep 10 Okt 10 Nov 10 Dez 10 Jan 11 Heimkosten 2922,66 3167,85 3111,30 3215,01 3245,70 Barbetrag 96,93 96,93 96,93 96,93 98,28 Bed.summe 3019,59 3264,78 3208,23 3311,94 3343,98
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 60,16 60,16 60,16 60,16 60,16 Unterh.Ro. 738,86 738,86 738,86 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 3091,58 3091,58 3334,58 2965,15 2965,15
verbl. Bedarf 0 173,20 0 346,79 378,83
Feb 11 Mrz 11 Apr 11 Mai 11 Heimkosten 2931,60 3245,70 3141,00 3245,70 Barbetrag 98,28 98,28 98,28 98,28 Bed.summe 3029,88 3343,98 3239,28 3343,98
VersR berein. 257,24 257,24 257,24 257,24 WitwR 756,32 756,32 756,32 756,32 BetriebsR 60,16 60,16 60,16 60,16 Unterh.Ro. 369,43 369,43 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 1279,00 1279,00 Ges.EK 2965,15 2965,15 2965,15 2965,15
verbl. Bedarf 64,73 378,83 274,13 378,83 8068,54
Der ungedeckte Bedarf für die Monate November 2009 bis Mai 2011 beläuft sich also auf insgesamt 8068,54 EUR und übersteigt damit den vom SG errechneten Betrag sogar. Für den Monat Juni 2011 ergibt sich aufgrund der unveränderten Daten die gleiche Berechnung wie für den Monat April 2011. Mithin beträgt der ungedeckter Bedarf insoweit 274,13 EUR und nicht lediglich wie vom SG errechnet 273,38 EUR. Eine Abänderung des Beschlusses des SG kommt aber zu Gunsten der Antragstellerin nicht in Betracht, weil nur der Antragsgegner Beschwerde erhoben hat.
Zum 1. Juli 2011 erhöhte sich die Versichertenrente der Antragstellerin auf 372,85 EUR monatlich, der Anteil für die Kindererziehungsleistung betrug nun 109,88 EUR monatlich. Die Witwenrente erhöhte sich auf 761,29 EUR monatlich, die Betriebsrente auf 60,76 EUR monatlich. Für die Zeit von Juli bis November 2011 ergibt sich daraus ein geringfügig niedrigerer ungedeckter Bedarf der Antragstellerin als vom SG entschieden, nämlich in Höhe von 371,54 EUR für die Monate mit 31 Tagen (Juli, August und Oktober) bzw. von 266,84 EUR für die Monate mit 30 Tagen (September und November). Im Einzelnen lautet die Rechnung wie folgt, wobei wiederum bei der Versichertenrente der monatliche Beitrag zur Haftpflichtversicherung und die Kindererziehungsleistung abgesetzt sind:
Jul. Aug, Okt 2011 Sep, Nov 2011 Heimkosten 3245,70 3141,00 Barbetrag 98,28 98,28 Bed.summe 3343,98 3239,28
VersR berein. 258,96 258,96 WitwR 761,29 761,29 BetriebsR 60,76 60,76 Unterh.Ro. 369,43 369,43 Unterh. W. 243,00 243,00 Pflegekasse 1279,00 1279,00 Ges.EK 2972,44 2972,44
verbl. Bedarf 371,54 266,84
Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, dem Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung stehe das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen, vermag sich der Senat dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen. Ein unzumutbarer Nachteil im Sinne eines Anordnungsgrundes liegt nämlich auch dann vor, wenn der Verlust eines Heimplatzes wegen eingetretener Zahlungsrückstände konkret droht (vgl. etwa Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 18. November 2002 - 20 L 4109/02 - (juris)). Vorliegend ist es wegen der erheblichen Zahlungsrückstände bereits zur Kündigung des Heimplatzes und zur Einreichung einer Räumungsklage gekommen. Die Antragstellerin muss mit dem Verlust ihres Heimplatzes konkret und in naher Zukunft rechnen, soweit nicht unverzüglich eine Tilgung der Schulden erfolgt. Auch das Argument des Antragsgegners, mit der Bezahlung des Betrages von 7.970,26 EUR würden nicht sämtliche Rückstände beglichen und damit die ausgesprochene Kündigung nicht gegenstandslos, greift nicht durch. Denn nach § 21 Ziff. 3 des Heimvertrages wird die Kündigung unwirksam, wenn bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage der Zahlungsanspruch befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle sich zur Befriedigung verpflichtet. Die Antragstellerin kann mit der vom SG festgesetzten (und vom Antragsgegner bereits ausgezahlten) Leistung zusammen mit dem Betrag aus dem wieder angesparten Schonvermögen sämtliche Rückstände des Pflegeheimes begleichen. Daher ist auch insoweit die Regelungsanordnung geeignet und erforderlich, einen gegenwärtigen wesentlichen Nachteil für die Antragstellerin abzuwenden.
Schließlich stehen der Antragstellerin nicht nur die Ansprüche ab Antragstellung beim SG (20. April 2011), sondern bereits rückwirkend ab 1. November 2009 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu. Zwar ist es zutreffend, dass eine gerichtliche Regelungsanordnung sich wegen des Tatbestandsmerkmals "Abwendung" in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nur auf die Zukunft beziehen kann mit der Folge, dass Leistungen vor Eingang des Eilantrages bei Gericht in der Regel nicht zugesprochen werden können (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, Rdnr. 323 mit zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung). Doch muss immer dann von einem gegenwärtigen erheblichen Nachteil ausgegangen werden, wenn Ursachen aus der Zeit vor der Antragstellung vorliegen, aus denen sich Beeinträchtigungen für die Zeit nach der Antragstellung bei Gericht ergeben können (Krodel, a.a.O., Rdnr. 324). So liegt der Fall hier. Bei der Abwendung der Kündigung des Heimvertrages der Antragstellerin geht es um die Abwendung eines zukünftigen Nachteils, der maßgeblich darauf beruht, dass der Antragsgegner zu Unrecht die Übernahme der ungedeckten Heimkosten seit November 2009 abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Angesichts des weit überwiegenden Obsiegens der Antragstellerin war eine Kostenquote zu ihren Lasten nicht zu bilden. Zudem ergibt sich der Teilerfolg des Antragsgegners erst aus im Beschwerdeverfahren veränderten Umständen, nämlich aus der Anpassung der Rentenzahlungen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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