Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 12 KR 104/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 272/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Wird ein Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft von der Einzugsstelle für Gesamtversicherungsbeiträge bei der BGB-Gesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer in Anspruch genommen,
kann er die Erteilung von Auskünften und die Ausstellung von Urkunden gegen die Einzugsstelle zur Geltendmachung von
Ausgleichsansprüchen gegen andere Gesellschafter gemäß §§ 402 ff. BGB nicht unmittelbar mit der Leistungsklage geltend machen.
2.) Der Betroffene kann und muss versuchen, sich die begehrten Erkenntnisse nach §§ 25 und 29 SGB X im Rahmen eines Verfahrens auf Akteneinsicht zu verschaffen, bevor er
gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt. §§ 25 und 29 SGB X verdrängen insoweit Ansprüche gegen die Einzugsstelle aus §§ 402 ff BGB.
kann er die Erteilung von Auskünften und die Ausstellung von Urkunden gegen die Einzugsstelle zur Geltendmachung von
Ausgleichsansprüchen gegen andere Gesellschafter gemäß §§ 402 ff. BGB nicht unmittelbar mit der Leistungsklage geltend machen.
2.) Der Betroffene kann und muss versuchen, sich die begehrten Erkenntnisse nach §§ 25 und 29 SGB X im Rahmen eines Verfahrens auf Akteneinsicht zu verschaffen, bevor er
gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt. §§ 25 und 29 SGB X verdrängen insoweit Ansprüche gegen die Einzugsstelle aus §§ 402 ff BGB.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 1. August 2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren ist zulässig, jedoch unbegründet.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs; die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht "die reale Chance zum Obsiegen", nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf also nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fern liegend ist, denn das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4) gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt Kammerbeschluss vom 22. Juni 2007, 1 BvR 681/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8; außerdem Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347).
Hieran gemessen hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, denn die Klage hat nur entfernte Erfolgsaussichten, die reale Chance zum Obsiegen ist nach derzeitiger Aktenlage nur sehr gering. Denn die Klage, gerichtet auf Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden, ist unzulässig, die Schadensersatzansprüche erweisen sich nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen als unbegründet.
1.) Dem gerichtlich geltend gemachten Begehren des Klägers auf Auskunft und Ausstellung von Urkunden fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger hätte versuchen müssen, sich die begehrten Erkenntnisse durch eine Einsichtnahme in die über die Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten bzw. durch einen Antrag auf Beglaubigung von Dokumenten zu verschaffen, bevor er sich mit seinem Begehren an die Sozialgerichte hätte wenden dürfen. Über sein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 25 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) in die bei der Beklagten als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 28h Sozialgesetzbuch/Viertes Buch [SGB IV]) geführten Akten hätte die Beklagte im Rahmen eines durch einen Antrag auf Akteneinsicht eingeleiteten Verwaltungsverfahrens entscheiden müssen. In diesem Verfahren hätte sie die rechtlichen Interessen des Klägers an der Einsicht in die vollständigen Verwaltungsakten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und einen Anspruch auf Auszüge, Abschriften und Ablichtungen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 SGB X) bzw. auf Erteilung von Beglaubigungen von Dokumenten (§ 29 SGB X) einerseits gegen die berechtigten Interessen der Beteiligten des Einzugsstellenverfahrens bzw. Dritter an einer Geheimhaltung der vom Kläger begehrten Daten (§ 25 Abs. 3 SGB X) andererseits abwägen und die Akteneinsicht gewähren oder durch Verwaltungsakt ablehnen müssen, wogegen der Kläger mit dem Widerspruch und der Verpflichtungsklage hätte vorgehen können und müssen. Dieses Verfahren darf der Kläger nicht durch eine unmittelbare Erhebung einer Leistungsklage umgehen, zumal die von ihm geltend gemachten Ansprüche aus den §§ 402 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden im Zusammenhang mit der Tätigkeit der beklagten Einzugsstelle bei der Einziehung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die §§ 25 und 29 SGB X verdrängt werden.
2.) Da die Beklagte die vom Kläger erbetene Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden nach §§ 402 ff BGB im Hinblick auf die Möglichkeit des Klägers, sich diese durch eine Akteneinsicht selbst zu beschaffen bzw. eine Entscheidung über die Akteneinsicht herbeizuführen, nicht rechtswidrig abgelehnt hat, ist auch ein Erfolg der geltend gemachten Schadensersatzansprüche weder vor den Sozialgerichten noch den Zivilgerichten derzeit Erfolg versprechend.
3.) Im Hinblick auf diese Gründe kann der Senat im Übrigen offenlassen, ob die Geltendmachung der streitigen Ansprüche schon daran scheitert, dass die Beklagte darüber mit Bescheid vom 26. März 2009 bestandskräftig entschieden hat. Zwar enthält dieses Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung und hätte deshalb innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe mit dem Widerspruch angefochten werden können (§§ 78 Abs. 2, 84 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG). Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, ist jedoch zweifelhaft: Denn die Klage, in der ein konkludenter Widerspruch gelegen haben könnte, ist erst am 25. Juni 2010 - und damit später als ein Jahr nach der Erteilung des Bescheides - beim Sozialgericht erhoben worden. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (vgl. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren ist zulässig, jedoch unbegründet.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs; die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht "die reale Chance zum Obsiegen", nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf also nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fern liegend ist, denn das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4) gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt Kammerbeschluss vom 22. Juni 2007, 1 BvR 681/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8; außerdem Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347).
Hieran gemessen hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, denn die Klage hat nur entfernte Erfolgsaussichten, die reale Chance zum Obsiegen ist nach derzeitiger Aktenlage nur sehr gering. Denn die Klage, gerichtet auf Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden, ist unzulässig, die Schadensersatzansprüche erweisen sich nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen als unbegründet.
1.) Dem gerichtlich geltend gemachten Begehren des Klägers auf Auskunft und Ausstellung von Urkunden fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger hätte versuchen müssen, sich die begehrten Erkenntnisse durch eine Einsichtnahme in die über die Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten bzw. durch einen Antrag auf Beglaubigung von Dokumenten zu verschaffen, bevor er sich mit seinem Begehren an die Sozialgerichte hätte wenden dürfen. Über sein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 25 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) in die bei der Beklagten als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 28h Sozialgesetzbuch/Viertes Buch [SGB IV]) geführten Akten hätte die Beklagte im Rahmen eines durch einen Antrag auf Akteneinsicht eingeleiteten Verwaltungsverfahrens entscheiden müssen. In diesem Verfahren hätte sie die rechtlichen Interessen des Klägers an der Einsicht in die vollständigen Verwaltungsakten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und einen Anspruch auf Auszüge, Abschriften und Ablichtungen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 SGB X) bzw. auf Erteilung von Beglaubigungen von Dokumenten (§ 29 SGB X) einerseits gegen die berechtigten Interessen der Beteiligten des Einzugsstellenverfahrens bzw. Dritter an einer Geheimhaltung der vom Kläger begehrten Daten (§ 25 Abs. 3 SGB X) andererseits abwägen und die Akteneinsicht gewähren oder durch Verwaltungsakt ablehnen müssen, wogegen der Kläger mit dem Widerspruch und der Verpflichtungsklage hätte vorgehen können und müssen. Dieses Verfahren darf der Kläger nicht durch eine unmittelbare Erhebung einer Leistungsklage umgehen, zumal die von ihm geltend gemachten Ansprüche aus den §§ 402 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden im Zusammenhang mit der Tätigkeit der beklagten Einzugsstelle bei der Einziehung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die §§ 25 und 29 SGB X verdrängt werden.
2.) Da die Beklagte die vom Kläger erbetene Erteilung von Auskünften und Ausstellung von Urkunden nach §§ 402 ff BGB im Hinblick auf die Möglichkeit des Klägers, sich diese durch eine Akteneinsicht selbst zu beschaffen bzw. eine Entscheidung über die Akteneinsicht herbeizuführen, nicht rechtswidrig abgelehnt hat, ist auch ein Erfolg der geltend gemachten Schadensersatzansprüche weder vor den Sozialgerichten noch den Zivilgerichten derzeit Erfolg versprechend.
3.) Im Hinblick auf diese Gründe kann der Senat im Übrigen offenlassen, ob die Geltendmachung der streitigen Ansprüche schon daran scheitert, dass die Beklagte darüber mit Bescheid vom 26. März 2009 bestandskräftig entschieden hat. Zwar enthält dieses Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung und hätte deshalb innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe mit dem Widerspruch angefochten werden können (§§ 78 Abs. 2, 84 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG). Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, ist jedoch zweifelhaft: Denn die Klage, in der ein konkludenter Widerspruch gelegen haben könnte, ist erst am 25. Juni 2010 - und damit später als ein Jahr nach der Erteilung des Bescheides - beim Sozialgericht erhoben worden. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (vgl. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
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