Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 294/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Beitragsänderung zu Ungunsten des Beitragspflichtigen erfordert aus Gründen der hinreichenden Bestimmtheit die konkrete - vollständige oder teilweise - Aufhebung des früheren ersten Beitragsbescheides für dasselbe Beitragsjahr.
Die Bescheide vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2010 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird - endgültig - auf 10.225,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind nachträgliche Beitragsänderungen zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2006 bis 2008 umstritten.
Der 1959 geborene Kläger ist Inhaber und Betreiber der Fa. S. e.K., P., eines Bedachungsunternehmens. Durch - bindend gewordene - Bescheide vom 20.04.2007 (für das Jahr 2006), vom 25.04.2008 (für das Jahr 2007) und vom 24.04.2009 (für das Jahr 2008) hatte die Beklagte die vom Kläger für die Jahre 2006 bis 2008 zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung festgesetzt.
Im Zuge von Ermittlungen des Hauptzollamtes (HZA) D. - Finanzkontrolle Schwarzarbeit L. - gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Fa. M. Bauservice und Dienstleistungsgesellschaft, Berlin, (im Folgenden: Fa. M.) erfolgte im November 2008 eine Durchsuchung der Geschäftsräume des Klägers. Nach Auswertung der dabei sichergestellten Beweismittel hatte der Kläger mit der Fa. M. zwischen der 26. Kalenderwoche 2006 und der 47. Kalenderwoche 2008 - mit Unterbrechungen - einen Gesamtumsatz von rund 221.540,00 EUR abgerechnet für acht von der Fa. M. zur Ausführung von Dachdecker-, Ziegel- und Flachdacharbeiten an verschiedenen Baustellen in P. und Umgebung zur Verfügung gestellte Arbeitnehmer britischer Staatsangehörigkeit. Nach den weiteren Ermittlungen des HZA D. hatte die Fa. M. weder bei der für sie örtlich zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit eine Verleiherlaubnis beantragt noch die Überlassung von Arbeitnehmern dort angezeigt. Nach Abgabe des Vorgangs an das HZA K. setzte dieses gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine Geldbuße in Höhe von 20.200,00 EUR zzgl. Gebühren und Auslagen fest (Bußgeldbescheid vom 18.11.2009). Dieser Bescheid wurde bindend.
Nachdem die Beklagte hiervon im Februar 2010 Kenntnis erhielt, erteilte sie - nach Anhörung des Klägers (vgl. Schreiben vom 04.03.2010) - am 12.08.2010 jeweils neue Beitragsbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 und forderte von dem Kläger für diese Zeitspanne Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, für das Insolvenzgeld, für den Betriebsarzt/Arbeits¬medizinischen Dienst sowie den sicherheitstechnischen Dienst in Höhe von insgesamt 10.225,28 EUR nach.
Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Widersprüche trug der Kläger im Wesentlichen vor, die von ihm bei der Fa. M. entliehenen Personen hätten sich als Selbstständige präsentiert und auch entsprechend verhalten. Insoweit habe keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Aus dem Gesetz ergebe sich keine Obliegenheit des "Entleihers", sich von dem Überlassenden eine Verleiherlaubnis vorlegen zu lassen. Er selbst wie auch seine Ehefrau, die in seiner Firma unter anderem für die Buchhaltung und die Erstellung der Jahresabschlüsse verantwortlich sei, habe keinen Anlass gehabt, an der Legalität der Fa. M. zu zweifeln. Den Bußgeldbescheid des HZA habe er nur deshalb akzeptiert, weil er den psychischen Belastungen eines Strafverfahrens nicht gewachsen gewesen wäre. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010).
Deswegen hat der Kläger am 19.01.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Fa. M. sei zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, ihm - dem Kläger - Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sei deren Tätigkeit im Schwerpunkt einer Abrechnungstätigkeit für die selbstständigen Personen gewesen, die die Fa. M. ihm als mögliche Vertragspartner benannt habe. Diese Personen seien für ihn jeweils aufgrund einzelner Werkverträge selbstständig tätig gewesen. Als solche hätten sie ihre Arbeitszeit und Arbeitsleistung eigenverantwortlich gestalten können und seien von Weisungen jedweder Art, mit Ausnahme fachlicher Inhalte, vollkommen unabhängig gewesen. Mit den aus seiner Sicht als Subunternehmer beschäftigten Personen habe er keine schriftlichen Verträge abgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten, den der beigezogenen Ermittlungsakte des HZA K. sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Als Rechtsgrundlage für den Erlass der vorliegend angefochtenen Beitragsbescheide kommt allein § 168 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten der Beitragspflichtigen nur dann aufzuheben, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthält (§ 165 Abs. 1 und 2 SGB VII) oder sich die Schätzung der Unfallversicherungsträger (§ 165 Abs. 3 SGB VII) als unrichtig erweist. Diese Vorschrift, bei der es sich um eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Rücknahmeregelung in § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) handelt (vgl. hierzu BSG SozR 4-2700 § 168 Nr. 3, Rand-Nr. 47 und Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Juli 2011, § 168, Rand-Nr. 4), ist aufgrund der Voraussetzungen "zu Ungunsten der Beitragspflichtigen" und "Aufheben des Beitragsbescheides" nur anwendbar, wenn - erstens - eine Beitragsfestsetzung nach § 168 Abs. 1 SGB VII für das jeweilige Umlagejahr bereits ergangen ist und - zweitens - darin der Beitrag zu Gunsten des Beitragspflichtigen der Höhe nach rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden ist.
Vorliegend hatte die Beklagte gegen den Kläger für die Beitragsjahre 2006 bis 2008 Beitragsbescheide bereits am 20.04.2007 (für das Beitragsjahr 2006), am 25.04.2008 (für das Beitragsjahr 2007) und am 24.04.2009 (für das Beitragsjahr 2008) erteilt. Diese Bescheide sind, da Gegenteiliges weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich ist, bindend geworden (§ 77 SGG). Diese Bindungswirkung steht indes der Festsetzung der jeweiligen Beitragsschuld des Klägers für die hier streitigen Beitragsjahre nicht entgegen, soweit durch Gesetz anderes bestimmt ist, insbesondere soweit das Gesetz eine Aufhebung des Verwaltungsakts erlaubt. § 168 Abs. 2 SGB VII berechtigt zur Aufhebung von wirksamen und bindenden Beitragsbescheiden.
Allerdings muss diese Aufhebung hinreichend bestimmt erklärt werden (§ 33 Abs. 1 SGB X; vgl. BSG SozR 4-2700 § 168 Nrn. 2 und 3). Der Träger der Unfallversicherung muss konkret sagen, ob und in welchem Umfang er den ersten Beitragsbescheid aufhebt. Erst mit der gestaltenden Entscheidung über das Ob und Wie der Aufhebung steht fest, welcher der ergangenen Bescheide den Umfang der Beitragspflicht mit welchem Inhalt regelt. Ohne eine Aufhebung oder wenigstens Teilaufhebung bleibt dagegen die Beitragserstfestsetzung wirksam und bindend (vgl. BSG SozR 4-2700 § 168 Nr. 2). Dies folgt aus dem auch im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden § 39 Abs. 2 SGB X, demzufolge ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden vom 12.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 indes keine Aufhebung ihrer Beitragserstfestsetzungen für die fraglichen Beitragsjahre verfügt. Es fehlt an einer konkreten Regelung über die Aufhebung der Beitragserstbescheide. Für das Beitragsjahr 2006 hat die Beklagte im Bescheid vom 12.08.2010 vielmehr allein geregelt: "Beitragsbescheid für das Jahr 2006" und in der Abrechnung gegenüber dem Gesamt-Beitrag gem. Bescheid vom 20.04.2007 eine Nachforderung im Umfang von 3.037,40 EUR festgesetzt. Wie sich diese Beitragsnachforderung im Einzelnen zu den Beitragserstfestsetzungen für das selbe Beitragsjahr verhält, hat die Beklagte indes nicht näher bestimmt. Da mithin die Beitragserstfestsetzungen insgesamt nicht beseitigt worden sind, ist der Erlass eines neuen Verwaltungsakts zur (abweichenden) Regelung der Beiträge für das entsprechende Beitragsjahr rechtswidrig. Er verstößt gegen die Bindungswirkung der ersten Beitragsfestsetzungen und verletzt dadurch den Kläger in seinen Rechten. Gleiches gilt für die weiteren hier streitigen Beitragsbescheide vom 12.08.2010 für die Jahre 2007 und 2008. Auch in diesen Bescheiden fehlt jedwede Regelung über die Aufhebung der Beitragserstbescheide vom 25.08.2008 und vom 24.04.2009. Weiter ist aus den Beitragsbescheiden vom 12.08.2010 für die Kalenderjahre 2007 und 2008 ebenfalls nicht ersichtlich, wie sich die nunmehrigen Beitragsforderungen zu den Beitragserstfestsetzungen für die selben Beitragszeiträume aufgrund der Bescheide vom 25.04.2008 und vom 24.04.2009 verhalten. Insbesondere ist aus den geänderten Beitragsbescheiden für die Beitragsjahre 2007 und 2008 auch nicht ersichtlich, in welcher Höhe sich die jeweilige Nachforderung gegen den Kläger bemisst.
Vor diesem Hintergrund verstoßen die hier streitigen Bescheide insgesamt gegen die Beitragserstfestsetzungen und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten.
Auf die Rechtsfrage, ob die Angaben des Klägers in den Lohnnachweisen zu den Beitragsjahren 2006 bis 2008 unrichtig waren, insbesondere, ob der Einsatz der ihm von der Fa. M. vermittelten Personen im Rahmen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung erfolgte, kommt es deshalb in diesem Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers der mit dem Rechtsstreit verfolgten Anfechtung der Beitragsnachforderungen entspricht der Gesamtbetrag der nachgeforderten Beiträge, das sind 10.225,28 EUR. Der endgültige Streitwert war deshalb auf - gerundet - 10.225,00 EUR festzusetzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind nachträgliche Beitragsänderungen zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2006 bis 2008 umstritten.
Der 1959 geborene Kläger ist Inhaber und Betreiber der Fa. S. e.K., P., eines Bedachungsunternehmens. Durch - bindend gewordene - Bescheide vom 20.04.2007 (für das Jahr 2006), vom 25.04.2008 (für das Jahr 2007) und vom 24.04.2009 (für das Jahr 2008) hatte die Beklagte die vom Kläger für die Jahre 2006 bis 2008 zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung festgesetzt.
Im Zuge von Ermittlungen des Hauptzollamtes (HZA) D. - Finanzkontrolle Schwarzarbeit L. - gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Fa. M. Bauservice und Dienstleistungsgesellschaft, Berlin, (im Folgenden: Fa. M.) erfolgte im November 2008 eine Durchsuchung der Geschäftsräume des Klägers. Nach Auswertung der dabei sichergestellten Beweismittel hatte der Kläger mit der Fa. M. zwischen der 26. Kalenderwoche 2006 und der 47. Kalenderwoche 2008 - mit Unterbrechungen - einen Gesamtumsatz von rund 221.540,00 EUR abgerechnet für acht von der Fa. M. zur Ausführung von Dachdecker-, Ziegel- und Flachdacharbeiten an verschiedenen Baustellen in P. und Umgebung zur Verfügung gestellte Arbeitnehmer britischer Staatsangehörigkeit. Nach den weiteren Ermittlungen des HZA D. hatte die Fa. M. weder bei der für sie örtlich zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit eine Verleiherlaubnis beantragt noch die Überlassung von Arbeitnehmern dort angezeigt. Nach Abgabe des Vorgangs an das HZA K. setzte dieses gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine Geldbuße in Höhe von 20.200,00 EUR zzgl. Gebühren und Auslagen fest (Bußgeldbescheid vom 18.11.2009). Dieser Bescheid wurde bindend.
Nachdem die Beklagte hiervon im Februar 2010 Kenntnis erhielt, erteilte sie - nach Anhörung des Klägers (vgl. Schreiben vom 04.03.2010) - am 12.08.2010 jeweils neue Beitragsbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 und forderte von dem Kläger für diese Zeitspanne Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, für das Insolvenzgeld, für den Betriebsarzt/Arbeits¬medizinischen Dienst sowie den sicherheitstechnischen Dienst in Höhe von insgesamt 10.225,28 EUR nach.
Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Widersprüche trug der Kläger im Wesentlichen vor, die von ihm bei der Fa. M. entliehenen Personen hätten sich als Selbstständige präsentiert und auch entsprechend verhalten. Insoweit habe keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Aus dem Gesetz ergebe sich keine Obliegenheit des "Entleihers", sich von dem Überlassenden eine Verleiherlaubnis vorlegen zu lassen. Er selbst wie auch seine Ehefrau, die in seiner Firma unter anderem für die Buchhaltung und die Erstellung der Jahresabschlüsse verantwortlich sei, habe keinen Anlass gehabt, an der Legalität der Fa. M. zu zweifeln. Den Bußgeldbescheid des HZA habe er nur deshalb akzeptiert, weil er den psychischen Belastungen eines Strafverfahrens nicht gewachsen gewesen wäre. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010).
Deswegen hat der Kläger am 19.01.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Fa. M. sei zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, ihm - dem Kläger - Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sei deren Tätigkeit im Schwerpunkt einer Abrechnungstätigkeit für die selbstständigen Personen gewesen, die die Fa. M. ihm als mögliche Vertragspartner benannt habe. Diese Personen seien für ihn jeweils aufgrund einzelner Werkverträge selbstständig tätig gewesen. Als solche hätten sie ihre Arbeitszeit und Arbeitsleistung eigenverantwortlich gestalten können und seien von Weisungen jedweder Art, mit Ausnahme fachlicher Inhalte, vollkommen unabhängig gewesen. Mit den aus seiner Sicht als Subunternehmer beschäftigten Personen habe er keine schriftlichen Verträge abgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten, den der beigezogenen Ermittlungsakte des HZA K. sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Als Rechtsgrundlage für den Erlass der vorliegend angefochtenen Beitragsbescheide kommt allein § 168 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten der Beitragspflichtigen nur dann aufzuheben, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthält (§ 165 Abs. 1 und 2 SGB VII) oder sich die Schätzung der Unfallversicherungsträger (§ 165 Abs. 3 SGB VII) als unrichtig erweist. Diese Vorschrift, bei der es sich um eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Rücknahmeregelung in § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) handelt (vgl. hierzu BSG SozR 4-2700 § 168 Nr. 3, Rand-Nr. 47 und Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Juli 2011, § 168, Rand-Nr. 4), ist aufgrund der Voraussetzungen "zu Ungunsten der Beitragspflichtigen" und "Aufheben des Beitragsbescheides" nur anwendbar, wenn - erstens - eine Beitragsfestsetzung nach § 168 Abs. 1 SGB VII für das jeweilige Umlagejahr bereits ergangen ist und - zweitens - darin der Beitrag zu Gunsten des Beitragspflichtigen der Höhe nach rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden ist.
Vorliegend hatte die Beklagte gegen den Kläger für die Beitragsjahre 2006 bis 2008 Beitragsbescheide bereits am 20.04.2007 (für das Beitragsjahr 2006), am 25.04.2008 (für das Beitragsjahr 2007) und am 24.04.2009 (für das Beitragsjahr 2008) erteilt. Diese Bescheide sind, da Gegenteiliges weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich ist, bindend geworden (§ 77 SGG). Diese Bindungswirkung steht indes der Festsetzung der jeweiligen Beitragsschuld des Klägers für die hier streitigen Beitragsjahre nicht entgegen, soweit durch Gesetz anderes bestimmt ist, insbesondere soweit das Gesetz eine Aufhebung des Verwaltungsakts erlaubt. § 168 Abs. 2 SGB VII berechtigt zur Aufhebung von wirksamen und bindenden Beitragsbescheiden.
Allerdings muss diese Aufhebung hinreichend bestimmt erklärt werden (§ 33 Abs. 1 SGB X; vgl. BSG SozR 4-2700 § 168 Nrn. 2 und 3). Der Träger der Unfallversicherung muss konkret sagen, ob und in welchem Umfang er den ersten Beitragsbescheid aufhebt. Erst mit der gestaltenden Entscheidung über das Ob und Wie der Aufhebung steht fest, welcher der ergangenen Bescheide den Umfang der Beitragspflicht mit welchem Inhalt regelt. Ohne eine Aufhebung oder wenigstens Teilaufhebung bleibt dagegen die Beitragserstfestsetzung wirksam und bindend (vgl. BSG SozR 4-2700 § 168 Nr. 2). Dies folgt aus dem auch im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden § 39 Abs. 2 SGB X, demzufolge ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden vom 12.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 indes keine Aufhebung ihrer Beitragserstfestsetzungen für die fraglichen Beitragsjahre verfügt. Es fehlt an einer konkreten Regelung über die Aufhebung der Beitragserstbescheide. Für das Beitragsjahr 2006 hat die Beklagte im Bescheid vom 12.08.2010 vielmehr allein geregelt: "Beitragsbescheid für das Jahr 2006" und in der Abrechnung gegenüber dem Gesamt-Beitrag gem. Bescheid vom 20.04.2007 eine Nachforderung im Umfang von 3.037,40 EUR festgesetzt. Wie sich diese Beitragsnachforderung im Einzelnen zu den Beitragserstfestsetzungen für das selbe Beitragsjahr verhält, hat die Beklagte indes nicht näher bestimmt. Da mithin die Beitragserstfestsetzungen insgesamt nicht beseitigt worden sind, ist der Erlass eines neuen Verwaltungsakts zur (abweichenden) Regelung der Beiträge für das entsprechende Beitragsjahr rechtswidrig. Er verstößt gegen die Bindungswirkung der ersten Beitragsfestsetzungen und verletzt dadurch den Kläger in seinen Rechten. Gleiches gilt für die weiteren hier streitigen Beitragsbescheide vom 12.08.2010 für die Jahre 2007 und 2008. Auch in diesen Bescheiden fehlt jedwede Regelung über die Aufhebung der Beitragserstbescheide vom 25.08.2008 und vom 24.04.2009. Weiter ist aus den Beitragsbescheiden vom 12.08.2010 für die Kalenderjahre 2007 und 2008 ebenfalls nicht ersichtlich, wie sich die nunmehrigen Beitragsforderungen zu den Beitragserstfestsetzungen für die selben Beitragszeiträume aufgrund der Bescheide vom 25.04.2008 und vom 24.04.2009 verhalten. Insbesondere ist aus den geänderten Beitragsbescheiden für die Beitragsjahre 2007 und 2008 auch nicht ersichtlich, in welcher Höhe sich die jeweilige Nachforderung gegen den Kläger bemisst.
Vor diesem Hintergrund verstoßen die hier streitigen Bescheide insgesamt gegen die Beitragserstfestsetzungen und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten.
Auf die Rechtsfrage, ob die Angaben des Klägers in den Lohnnachweisen zu den Beitragsjahren 2006 bis 2008 unrichtig waren, insbesondere, ob der Einsatz der ihm von der Fa. M. vermittelten Personen im Rahmen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung erfolgte, kommt es deshalb in diesem Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers der mit dem Rechtsstreit verfolgten Anfechtung der Beitragsnachforderungen entspricht der Gesamtbetrag der nachgeforderten Beiträge, das sind 10.225,28 EUR. Der endgültige Streitwert war deshalb auf - gerundet - 10.225,00 EUR festzusetzen.
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