L 10 R 766/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 3943/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 766/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.11.2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.

Der am 1958 geborene Kläger siedelte 1976 aus P. kommend in die Bundesrepublik Deutschland über. Dort hatte er ausweislich der vorgelegten Bescheinigung von September 1973 bis April 1976 eine praktische Berufsausbildung im Fachbereich "Schlosser-Mechaniker" durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen. Im Inland war er seinen Angaben im Rentenantrag zufolge von 1977 bis 1979 als Automatenschleifer, von 1979 bis 1983 als Schlosser bzw. Betriebsschlosser und zuletzt seit 1983 als Bauschlosser bzw. Bauarbeiter/Hoch- und Tiefbau beschäftigt. In der zuletzt ausgeübten Beschäftigung ist der Kläger seit 05.07.2005 arbeitsunfähig.

Im November 2005 wurde der Kläger stationär in der Reha-Klinik S. wegen einer medialen Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, einer Retropatellararthrose beidseits, dem Verdacht auf einen Morbus Ahlbäck im linken Kniegelenk, einem metabolischen Syndrom mit Adipositas, Hypertonie und Hyperurikämie behandelt und in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit lediglich noch im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich für leistungsfähig erachtet. Mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung hielten die behandelnden Ärzte demgegenüber sechs Stunden und mehr für zumutbar.

Am 31.03.2006 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er mit einem Zustand nach Meniskusoperation links, einer Arthrose des rechten Knies (Entzündung, Abnutzung) sowie einer Wirbelsäulenabnutzung. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. K. auf Grund Untersuchung des Klägers vom 27.06.2006, der eine mediale Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, ein lokales Lumbalsyndrom ohne neurologische Ausfälle mit bewegungs- und belastungsabhängiger Schmerzhaftigkeit, einen Hypertonus sowie eine Adipositas diagnostizierte und den Kläger für fähig erachtete, leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten, am Besten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke, Hitzeexposition, schweres Heben und Tragen über 15 kg sowie Steigen auf Leitern und Gerüste. Die letzte Tätigkeit, bei der der Kläger seinen Angaben zufolge hauptsächlich als Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau eingesetzt sei, erachtete er nur noch unter dreistündig für möglich.

Mit Bescheid vom 03.08.2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine Auskunft beim letzten Arbeitgeber des Klägers, der L. GmbH & Co. KG, Hoch- und Tiefbau, ein, nach der der Kläger als LKW-Fahrer und Arbeiter in der Werkstatt und auf den Baustellen eingesetzt gewesen sei. Es habe sich um eine angelernte Tätigkeit gehandelt mit einem geringfügig geringeren Lohn als bei Facharbeitern. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2007 wurde der Widerspruch mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, in seiner zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Bauarbeiter sei der Kläger dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen und daher auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisbar.

Die zuvor am 13.07.2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Untätigkeitsklage hat der Kläger nach Erlass des Widerspruchsbescheids als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage weitergeführt. Er hat geltend gemacht, sein Leistungsvermögen liege deutlich unter sechs Stunden; im Übrigen sei er, selbst wenn er betriebsbedingt teilweise als Bauarbeiter eingesetzt gewesen sei, zuletzt als Schlosser und nicht als Bauarbeiter beschäftigt gewesen. Er habe seinen erlernten Beruf zu keinem Zeitpunkt zu Gunsten eines minderqualifizierten Berufes aufgegeben.

Das SG hat den Arzt für Orthopädie Dr. D. sowie den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. D. hat über Vorstellungen wegen rezidivierender Kniegelenksbeschwerden und Kreuzschmerzen berichtet und Tätigkeiten in dem zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten jedoch vollschichtig für möglich erachtet. Dr. N. hat eine körperlich leichte Tätigkeit nach medikamentöser Einstellung der Hypertonie und Reduzierung der Risikofaktoren für denkbar erachtet. Das SG hat ferner das Gutachten des Dr. Sch. , Chefarzt der Orthopädischen Klinik im O. -Klinikum O.-G. , eingeholt, der eine medialbetonte Gonarthrose und Retropatellararthrose beidseits, links größer als rechts mit typischen Arthroseschmerzen und varischen Beinachsen sowie chronische degenerativ bedingte Wirbelsäulenbeschwerden beschrieben und leichte sowie kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich für möglich erachtet hat. Die Tätigkeiten sollten dabei im Wechselrhythmus erfolgen unter Vermeidung von monotonen Zwangshaltungen, Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Akkord-, Schicht- und Fließbandarbeit, Arbeiten auf Leitern, knienden Tätigkeiten, Überkopfarbeiten, ausschließlich gebückten Tätigkeiten sowie Arbeiten unter starken thermischen Belastungen. Das SG hat darüber hinaus das Gutachten des Prof. Dr. Z. , Chefarzt der internistischen Abteilung im St. J. F. , auf Grund Untersuchung des Klägers vom 19.09.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat eine geringgradige Aortenektasie, eine sehr gut eingestellte arterielle Hypertonie, eine Fettleber, eine Adipositas per magna sowie eine geringgradige restriktive Lungenfunktionsstörung beschrieben und leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen Dr. Sch. aufgeführten Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Einschränkungen bezüglich Tätigkeiten geistiger Art, Publikumsverkehr oder nervlicher Beanspruchung hat er nicht gesehen. Nach Einholung einer Auskunft bei dem letzten Arbeitgeber des Klägers (u.a.: der Kläger habe angelernte Tätigkeiten verrichtet) hat das SG im Hinblick auf das vorgelegte Attest des Dr. J. , Facharzt für Neurologie/Psychiatrie, diesen noch als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. J. hat über eine subdepressive Verfassung mit depressiver Herabgestimmtheit und eingeschränkter affektiver Schwingungsbreite, einem leicht eingeschränkten Antrieb, Lustlosigkeit und Schlafstörung berichtet und eine körperlich leichte Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Schichtarbeit und besondere Stressbelastungen, wie beispielsweise Akkordarbeit, sechs Stunden täglich für möglich erachtet.

Mit Urteil vom 12.11.2009 hat das SG unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 03.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2007 verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2006 zu gewähren. Seiner Beurteilung hat es dabei zu Grunde gelegt, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Arbeiten in Wechselhaltung, ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Schichtarbeit, ohne Arbeiten auf Leitern, ohne kniende oder gebückte Tätigkeiten) körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann und damit weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege. Hingegen sei der Kläger teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit, weil er im Hinblick auf seine Ausbildung zum Schlosser als Facharbeiter einzustufen sei, er sich von diesem Beruf durch die Ausübung einer sog. Mischtätigkeit nicht gelöst habe, er derartige Tätigkeiten auf Grund der Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten des Bewegungsapparates nicht mehr wenigstens sechs Stunden täglich verrichten könne und eine zumutbare Verweisungstätigkeit weder von der Beklagten benannt worden noch ersichtlich sei.

Gegen das der Beklagten am 08.02.2010 zugestellte Urteil hat diese am 15.02.2010 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und angesichts der bestehenden Zweifel an der Verwertbarkeit der Arbeitgeberauskünfte geltend gemacht, ein Berufsschutz als Facharbeiter sei nicht hinreichend nachgewiesen. Dies könne allerdings dahingestellt bleiben, da der Kläger, sollte er als Facharbeiter einzustufen sein, mit seinem Leistungsvermögen auf Tätigkeiten als Poststellenmitarbeiter und Registrator verwiesen werden könne. Diese seien körperlich leicht und trügen den zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen Rechnung. Diesbezüglich hat sich die Beklagte auf die umfangreiche Rechtsprechung des LSG bezogen, u.a. auch auf die Senatsurteile vom 17.07.2006 (L 10 R 953/05) und 03.05.2007 (L 10 R 194/06).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.11.2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Das SG habe zu Recht entschieden, dass ihm Berufsschutz als Facharbeiter zustehe. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten seien ihm weder sozial noch gesundheitlich zumutbar. In seinem Alter könne er, nachdem er Zeitlebens in einer Werkstatt bzw. im Freien gearbeitet habe, keine Tätigkeiten in geschlossenen Räumen verrichten. Auch gebe es derartige Tätigkeiten nur in nicht nennenswerter Zahl, weshalb ihm der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Die Tätigkeit eines Registrators sei überwiegend mit Computerarbeit verbunden, wozu er aufgrund seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden nicht in der Lage sei. Als handwerklich Arbeitender solle er sich nun an das Tempo eines Computers anpassen und in der Lage sein, sich in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation einzugliedern. Tätigkeiten in der Poststelle seien Schichttätigkeiten; zudem sei das Heben von Lasten über 10 kg und kniende Tätigkeiten nicht zu vermeiden. In seinem vorgerückten Lebensalter verfüge er im Übrigen nicht mehr über die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit für eine völlig neue berufliche Aufgabe. Bei körperlich arbeitenden Versicherten im vorgerückten Alter könne von der Umstellungsfähigkeit auf eine Tätigkeit als Pförtner oder Poststellenmitarbeiter, in denen sprachliches Ausdrucksvermögen und Kommunikationsfähigkeit vorausgesetzt werde, nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Zudem sei seine Muttersprache nicht deutsch und ihm sei ärztlicherseits attestiert worden, dass er sich körperlich und psychisch in einem schlechten Zustand befinde.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens des Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist auch begründet.

Das SG hätte die Beklagte nicht zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verurteilen dürfen; vielmehr hätte es die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen ist der Kläger auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht. Denn gegen das die Klage teilweise abweisende Urteil des SG hat lediglich die Beklagte Berufung eingelegt, weshalb bestandskräftig feststeht, dass dem Kläger Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zusteht. Indes hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einer entsprechenden Erwerbsminderungsrente (§ 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) hat das SG ebenso wie die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Einstufung der Versicherten in das Mehrstufenschema und ihre Verweisbarkeit dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verweist.

Soweit das SG die Auffassung vertreten hat, der Kläger sei angesichts der in P. absolvierten Ausbildung und der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Rahmen des Mehrstufenschemas der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, teilt der Senat die von der Beklagten geäußerten Bedenken, wonach nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger bei seinem letzten Arbeitgeber in wesentlichem Umfang Tätigkeiten seines Bezugsberufs ausgeübt hat und daher im Rahmen des Mehrstufenschemas zu Recht der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet wurde. So legte der von der Beklagten hinzugezogene Gutachter Dr. K. auf Grund der eigenen Angaben des Klägers anlässlich seiner Untersuchung für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar als Bezugsberuf die Arbeit eines Bauarbeiters zu Grunde, nachdem der Kläger angab, er müsse im Rahmen seiner Tätigkeit eigentlich alles machen, sei nun jedoch hauptsächlich als Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau eingesetzt. Auch die Ausführungen im Entlassungsbericht der Reha-Klinik Sonnhalde, wonach der Kläger die ersten zehn Jahre als Schlosser, seit 13 Jahren jedoch als Bauarbeiter im Hoch-/Tiefbau eingesetzt sei, deuten nicht darauf hin, dass der Kläger zuletzt in seinem Ausbildungsberuf als Schlosser beschäftigt war, weshalb aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Angaben seines letzten Arbeitgebers zu den verrichteten Tätigkeiten nicht ohne weiteres die Beurteilung zu Grunde gelegt werden kann, dass der Kläger in wesentlichem Umfang als Schlosser tätig war und dementsprechend als Facharbeiter einzustufen ist.

Der Senat kann allerdings dahingestellt sein lassen, ob der Kläger im Rahmen des Mehrstufenschemas der Gruppe der Facharbeiter oder der niedrigeren Gruppe der Angelernten, ggf. jener der gehobenen Angelernten, zuzuordnen ist. Denn selbst wenn der Kläger als Facharbeiter einzustufen wäre, könnte er zumutbar auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren genannte Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle verwiesen werden. Denn eine solche Tätigkeit ist dem Kläger sowohl im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch sozial zumutbar.

Wie der Senat in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung vom 03.05.2007 ausgeführt hat, werden Mitarbeiter in der Poststelle im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt, wobei es sich nach dem Tarifvertrag damit um Tätigkeiten für Angelernte und somit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten handelt (Urteil des BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89). Wie schon seinerzeit geht der Senat auch weiterhin davon aus, dass Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Gesichtspunkte, die es gebieten würden, diese Frage nunmehr abweichend zu beurteilen, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, derartige Tätigkeiten gebe es nur in nicht nennenswerter Anzahl, hat er seine entsprechende Ansicht in keiner Weise begründet und unter Heranziehung der Entscheidung des BSG vom 03.11.1994 (13 RJ 77/93), wonach 350 Arbeitsplätze als Kassiererin an der Sammelkasse bei der Firma Karstadt als ausreichend angesehen worden seien, lediglich pauschal behauptet, bundesweit gebe es keine "350 freie Stellen als Poststellenmitarbeiter". Für den Senat ist angesichts der Vielzahl der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Behörden und Gerichten nicht nachvollziehbar, weshalb bundesweit nicht wenigstens 350 Arbeitsplätze für Poststellenmitarbeiter vorhanden sein sollen. Soweit der Kläger das Vorhandensein von 350 "freien" Stellen anzweifelt, ist darauf hinzuweisen, dass die Anzahl der freien Stellen unerheblich ist, da für die rentenversicherungsrechtliche Frage, ob der Versicherte aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch eine zumutbare Verweisungstätigkeit auszuüben vermag, ohne Bedeutung ist, ob solche in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei oder bereits besetzt sind (BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Denn das Risiko, ob ein Versicherter auch tatsächlich einen ihm zumutbaren Arbeitsplatz erhält, fällt nicht in den versicherten Risikobereich der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in jenen der Arbeitslosenversicherung. Dem entsprechend bestimmt § 240 Abs. 2 SGB VI a.E., dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Im Übrigen besteht bei - wie hier - tariflich erfassten Tätigkeiten eine Vermutung, dass es entsprechende Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl gibt (BSG, Urteil vom 03.11.1982, 1 RJ 12/81 in SozR 2200 § 1246 Nr. 102).

Eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter ist dem Kläger auch gesundheitlich zumutbar. Wie der Senat bereits in seiner von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 03.05.2007 ausgeführt hat, umfasst diese Tätigkeit das Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und das Beschriften der ausgehenden Aktenpost. Dabei handelt es sich regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Solche Tätigkeiten tragen den Leistungseinschränkungen des Klägers, für den vorzugsweise leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in Betracht kommen, in jeder Hinsicht Rechnung. Insbesondere werden dabei auch die zu beachtenden qualitativen Einschränkungen berücksichtigt. Dass solche Tätigkeiten - wie vom Kläger ohne Begründung behauptet - in Schichtarbeit verrichtet werden, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen, sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen jedoch nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (so der Senat in der genannten Entscheidung unter Hinweis auf seine Ermittlungsergebnisse). Dass dem Kläger damit nicht jeder Arbeitsplatz auf einer Poststelle zuzumuten ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn bei der Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich, dass der leistungsgeminderte Versicherte auf allen in Betracht kommenden Arbeitsplätzen einsetzbar wäre. Vielmehr genügt die prinzipielle Eignung für eine solche Tätigkeit und die Gewissheit, dass geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind. Hieran hat der Senat keine Zweifel.

Soweit der Kläger geltend macht, in seinem bisherigen Berufsleben lediglich in einer Werkstatt oder im Freien gearbeitet zu haben, steht auch dieser Gesichtspunkt einer Verweisung auf die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters nicht entgegen. Denn gesundheitliche Gründe, die es für den Kläger unzumutbar erscheinen lassen könnten, einer beruflichen Tätigkeit in geschlossenen Räumen nachzugehen, sind für den Senat nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht über die erforderlichen Umstellungs- und Anpassungsfähigkeiten verfügen könnte, um zukünftig eine Tätigkeit der genannten Art auszuüben. Insbesondere stellt das nach seinem Vorbringen vorgerückte Lebensalter - der Kläger ist zum Entscheidungszeitpunkt 53 Jahre alt - keinen Grund dar, generell und ganz allgemein an den entsprechenden Fähigkeiten zu zweifeln. Entsprechende Gesichtspunkte lassen sich auch den Ausführungen des als sachverständigen Zeugen gehörten Neurologen und Psychiaters Dr. J. nicht entnehmen. Schließlich wurde dem Kläger auch im Rahmen seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit über Jahre hinweg eine Flexibilität abverlangt, was darin zum Ausdruck kommt, dass er ständig auf wechselnden Baustellen eingesetzt war und angesichts der geringen Mitarbeiterzahl im Betreib seines Arbeitgebers die unterschiedlichsten Aufgaben wahrzunehmen hatte. Auch dort war er in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingegliedert, ohne dass hierdurch relevante Probleme auftraten. Soweit Dr. J. neben Schichtarbeiten auch besondere Stressbelastungen nicht mehr für zumutbar erachtet hat, ist die in Rede stehende Tätigkeit hiermit nicht verbunden.

Eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter erfordert auch kein besonderes sprachliches Ausdrucksvermögen oder eine besondere, über das Übliche hinausgehende Kommunikationsfähigkeit, weshalb der Senat auch insoweit keine Anhaltspunkte dafür sieht, dass die in Rede stehende Tätigkeit den Kläger überfordern würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die Muttersprache des Klägers nicht deutsch ist. Der Senat sieht keine Gründe, die es gebieten könnten, die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters nur Personen vorzubehalten, deren Muttersprache deutsch ist. Ohnehin sind mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache im Hinblick auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.1989, 4 RJ 29/79 in SozR 2200 § 1246 Nr. 61).

Soweit der Kläger geltend macht, er befinde sich in einem körperlich und psychisch schlechten Zustand, haben die im Laufe des Verfahrens durchgeführten umfangreichen medizinischen Ermittlungen gerade nicht bestätigt, dass der gesundheitliche Zustand des Klägers Tätigkeiten der beschriebenen Art nicht mehr zuließen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der Kläger die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle nach einer betrieblichen Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten vollwertig auszuüben vermag. Denn dass beim Kläger Störungen hinsichtlich Auffassung, Merkfähigkeit oder Gedächtnis vorliegen, hat keiner der im Verfahren beteiligten Ärzte dokumentiert.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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