Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4979/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 902/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.02.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Beklagte Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rentenberaters im Widerspruchsverfahrens zu erstatten hat.
Der am 1953 geborene Kläger bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24.06.1982, bei dem er u.a. eine Schulterverletzung rechts erlitten hat, aufgrund Bescheids der Beklagten vom 26.05.1999 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v.H.).
Im Rahmen einer Rentenüberprüfung holte die Beklagte ein unfallchirurgisches Gutachten ein und teilte dem Kläger nach erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 23.05.2007 mit, wegen einer wesentlichen Änderung der dem Bescheid vom 26.05.1999 zugrundeliegenden Verhältnisse werde die Rente ab 01.06.2007 nach einer MdE um 10 v.H. geleistet, weil ein Stützrententatbestand vorliege. Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit der Begründung Widerspruch, eine wesentliche Besserung der Bewegungseinschränkung der rechten Schulter sei nicht eingetreten, es bestehe vielmehr eine Tendenz zur Verschlechterung. Er beantragte gleichzeitig Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde, und kündigte eine ausführliche Begründung an. Mit Schreiben vom 11.09.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde nach Eingang des angekündigten Sachvortrags seines Bevollmächtigten weitere Ermittlungen einleiten. Mit weiterem Schreiben vom 09.10.2007 schlug sie dem Kläger für eine weitere Begutachtung drei Gutachter zur Auswahl vor, worauf der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.10.2007 mitteilte, zwei der genannten Gutachter seien unerwünscht. Gleichzeitig bat er bezüglich der Arztauswahl um eine Fristverlängerung. Mit Schriftsatz vom 24.10.2007 schlug er als Gutachter Dr. B. vor, den die Beklagte sodann mit einer Begutachtung der Unfallfolgen des Klägers beauftragte. Nach Eingang des Gutachtens vom 04.03.2008 übersandte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers eine entsprechende Kopie mit dem Hinweis, es sei beabsichtigt, die Angelegenheit dem Rentenausschuss zur Entscheidung am 16.04.2008 vorzulegen. Mit Bescheid vom 16.04.2008 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers sodann ab und hob den Bescheid vom 23.05.2007 mit der Begründung auf, eine wesentliche Änderung im Unfallfolgezustand sei im Vergleich zu dem maßgeblichen Vorgutachten nicht eingetreten.
Mit Vergütungsrechnung vom 24.04.2008 stellte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in einer Gesamthöhe von 1.261,40 EUR in Rechnung. Dabei legte er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 und eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) von jeweils 520,00 EUR sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich der hieraus berechneten Umsatzsteuer zugrunde.
Mit Bescheid vom 30.05.2008 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten mit 309,40 EUR fest (Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 EUR, Auslagenpauschale 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer). Im Hinblick auf die Geschäftsgebühr führte sie aus, die erhöhte Gebühr sei nur zu gewähren, wenn die Angelegenheit besonders umfangreich oder schwierig sei; vorliegend habe es sich um ein Widerspruchsverfahren gegen eine Rentenherabsetzung ohne besondere Schwierigkeiten gehandelt, weshalb keine erhöhte Gebühr gewährt werden könne. Eine Erledigungsgebühr könne im Übrigen nur angesetzt werden, wenn der Bevollmächtigte ein deutlich erkennbares besonderes Mitwirken zur unstreitigen Lösung des Falles eingebracht habe. Die als "üblich" anzusehende Beteiligung genüge hierzu nicht. Ein besonderes Mitwirken zur unstreitigen Lösung sei hier nicht zu erkennen. Der dagegen ohne Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2008 aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurückgewiesen.
Am 09.10.2008 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die Rechtssache sei überdurchschnittlich in der Außergewöhnlichkeit der Gutachtenerstellung gewesen und habe einige Fragen aufgeworfen, die über das Normale hinausgingen. Die Erledigungsgebühr sei angefallen, da weitaus mehr getan worden sei als eine Widerspruchsbegründung abzugeben. Sein Bevollmächtigter habe bei der Gutachterauswahl mitgewirkt und darauf hingewirkt, dass eine sinnvolle Begutachtung erfolge. Dem Urteil des Bundessozialgerichts zur Erledigungsgebühr folge er nicht. Zudem sei es gänzlich unangemessen, dass vor dem Hintergrund nicht angepasster Gebühren seit 1994 der ohnehin erniedrigte Rahmen im Widerspruchsverfahren auch noch halbiert werde. Der Gebührenrahmen im Sozialgerichtsverfahren sei verfassungswidrig.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.02.2011 hat das SG die Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden abgewiesen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 15.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und unter teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Klageverfahren verwiesen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.02.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2008 zu verurteilen, Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von weiteren 952,00 EUR zu erstatten und die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, Aufwendungen in Höhe von mehr als 309,40 EUR für die Vertretung durch den bevollmächtigten Rentenberater im Widerspruchsverfahren, insbesondere die geltend gemachten 1.261,40 EUR zu erstatten.
Rechtsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach Abs. 2 der Regelung sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.
Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte bemisst sich seit 1. Juli 2004 nach dem RVG, das gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG) auch für die Vergütung der Rentenberaterinnen und Rentenberater gilt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der Rentenberater ist, kann demnach die Vergütung nach dem RVG geltend machen, deren Höhe sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 (VV) zum RVG bestimmt. Unter Anwendung dieser Regelungen hat die Beklagte die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zutreffend mit 309,40 EUR festgesetzt.
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG umfasst einen Betragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR, wobei eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog. Schwellengebühr). Bei derartigen Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Der Gesetzgeber hat dem Bevollmächtigten damit ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung der o.g. Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R in SozR 4-1935 § 14 Nr. 2). Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Die in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG aufgeführten Bemessungskriterien sind nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können, wobei sämtliche heranzuziehenden Kriterien selbständig und gleichwertig nebeneinander stehen (BSG a.a.O.).
Für die Bestimmung der konkreten Gebühr ist in einem ersten Schritt die Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr zu bestimmen und diese, sofern sie über der Schwellengebühr liegt, in einem zweiten Schritt bis zu Schwellengebühr zu kappen, wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr als durchschnittlich sind. Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit allein für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus zu. Der Umfang oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen daher über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen (BSG a.a.O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung einer Geschäftsgebühr von mehr als 240,00 EUR.
Die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers war weder umfangreich noch schwierig, so dass eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr nicht gefordert werden kann. Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, das sich der Bevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren mit den Ermittlungsergebnissen der Beklagten nicht kritisch auseinander setzte. Er legte noch nicht einmal die für den Zeitpunkt nach Einsichtnahme in die Akte angekündigte ausführliche Widerspruchsbegründung vor. Sein Tätigwerden beschränkte sich, nachdem die Beklagte auf den eingelegten Widerspruch die Durchführung weiterer Ermittlungen angekündigt und dem Kläger im Hinblick auf die Einholung eines weiteren Gutachtens drei Gutachter zur Auswahl mitgeteilt hatte, auf die Ablehnung dieser und die Benennung eines neuen Gutachters, der sodann mit einer gutachtlichen Untersuchung des Klägers beauftragt wurde. Weitere Aktivitäten entfaltete der Bevollmächtigte des Klägers hiernach nicht mehr. Nach Eingang des Gutachtens half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers vielmehr sogleich ab. Woraus der Kläger vor diesem Hintergrund einen überdurchschnittlichen Umfang der Tätigkeit seines Bevollmächtigten herleitet, ist für den Senat nicht ersichtlich.
Auch die Schwierigkeit seiner Tätigkeit war nicht überdurchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit beispielsweise dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten (BSG a.a.O). Diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Vorliegend sind derartige Probleme nicht ersichtlich. Der Bevollmächtigte hatte lediglich zu prüfen, ob eine Verbesserung der Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Schulter des Klägers im Vergleich zu den der Rentenbewilligung zugrunde liegenden Verhältnissen eingetreten waren, die es rechtfertigten die MdE statt wie bisher mit 25 v.H. nunmehr lediglich noch mit 10 v.H. zu bewerten. Damit hat es sich allenfalls um einen Normalfall im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt.
Auch die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr sind nicht erfüllt. Eine Erledigungsgebühr kommt nach Nr. 1002 i.V.m. Nr. 1005 VV RVG bei einer Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, in Betracht. Nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt nach Satz 2, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Das isolierte Vorverfahren hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" erledigt. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein Rechtsanwalt oder Rentenberater für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit und damit eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung entfaltet hat, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R). Eine solche Tätigkeit hat der Bevollmächtigte des Klägers gerade nicht entfaltet, wie das SG zutreffend entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Beklagte Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rentenberaters im Widerspruchsverfahrens zu erstatten hat.
Der am 1953 geborene Kläger bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24.06.1982, bei dem er u.a. eine Schulterverletzung rechts erlitten hat, aufgrund Bescheids der Beklagten vom 26.05.1999 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v.H.).
Im Rahmen einer Rentenüberprüfung holte die Beklagte ein unfallchirurgisches Gutachten ein und teilte dem Kläger nach erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 23.05.2007 mit, wegen einer wesentlichen Änderung der dem Bescheid vom 26.05.1999 zugrundeliegenden Verhältnisse werde die Rente ab 01.06.2007 nach einer MdE um 10 v.H. geleistet, weil ein Stützrententatbestand vorliege. Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit der Begründung Widerspruch, eine wesentliche Besserung der Bewegungseinschränkung der rechten Schulter sei nicht eingetreten, es bestehe vielmehr eine Tendenz zur Verschlechterung. Er beantragte gleichzeitig Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde, und kündigte eine ausführliche Begründung an. Mit Schreiben vom 11.09.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde nach Eingang des angekündigten Sachvortrags seines Bevollmächtigten weitere Ermittlungen einleiten. Mit weiterem Schreiben vom 09.10.2007 schlug sie dem Kläger für eine weitere Begutachtung drei Gutachter zur Auswahl vor, worauf der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.10.2007 mitteilte, zwei der genannten Gutachter seien unerwünscht. Gleichzeitig bat er bezüglich der Arztauswahl um eine Fristverlängerung. Mit Schriftsatz vom 24.10.2007 schlug er als Gutachter Dr. B. vor, den die Beklagte sodann mit einer Begutachtung der Unfallfolgen des Klägers beauftragte. Nach Eingang des Gutachtens vom 04.03.2008 übersandte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers eine entsprechende Kopie mit dem Hinweis, es sei beabsichtigt, die Angelegenheit dem Rentenausschuss zur Entscheidung am 16.04.2008 vorzulegen. Mit Bescheid vom 16.04.2008 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers sodann ab und hob den Bescheid vom 23.05.2007 mit der Begründung auf, eine wesentliche Änderung im Unfallfolgezustand sei im Vergleich zu dem maßgeblichen Vorgutachten nicht eingetreten.
Mit Vergütungsrechnung vom 24.04.2008 stellte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in einer Gesamthöhe von 1.261,40 EUR in Rechnung. Dabei legte er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 und eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) von jeweils 520,00 EUR sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich der hieraus berechneten Umsatzsteuer zugrunde.
Mit Bescheid vom 30.05.2008 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten mit 309,40 EUR fest (Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 EUR, Auslagenpauschale 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer). Im Hinblick auf die Geschäftsgebühr führte sie aus, die erhöhte Gebühr sei nur zu gewähren, wenn die Angelegenheit besonders umfangreich oder schwierig sei; vorliegend habe es sich um ein Widerspruchsverfahren gegen eine Rentenherabsetzung ohne besondere Schwierigkeiten gehandelt, weshalb keine erhöhte Gebühr gewährt werden könne. Eine Erledigungsgebühr könne im Übrigen nur angesetzt werden, wenn der Bevollmächtigte ein deutlich erkennbares besonderes Mitwirken zur unstreitigen Lösung des Falles eingebracht habe. Die als "üblich" anzusehende Beteiligung genüge hierzu nicht. Ein besonderes Mitwirken zur unstreitigen Lösung sei hier nicht zu erkennen. Der dagegen ohne Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2008 aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurückgewiesen.
Am 09.10.2008 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die Rechtssache sei überdurchschnittlich in der Außergewöhnlichkeit der Gutachtenerstellung gewesen und habe einige Fragen aufgeworfen, die über das Normale hinausgingen. Die Erledigungsgebühr sei angefallen, da weitaus mehr getan worden sei als eine Widerspruchsbegründung abzugeben. Sein Bevollmächtigter habe bei der Gutachterauswahl mitgewirkt und darauf hingewirkt, dass eine sinnvolle Begutachtung erfolge. Dem Urteil des Bundessozialgerichts zur Erledigungsgebühr folge er nicht. Zudem sei es gänzlich unangemessen, dass vor dem Hintergrund nicht angepasster Gebühren seit 1994 der ohnehin erniedrigte Rahmen im Widerspruchsverfahren auch noch halbiert werde. Der Gebührenrahmen im Sozialgerichtsverfahren sei verfassungswidrig.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.02.2011 hat das SG die Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden abgewiesen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 15.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und unter teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Klageverfahren verwiesen.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.02.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2008 zu verurteilen, Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von weiteren 952,00 EUR zu erstatten und die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, Aufwendungen in Höhe von mehr als 309,40 EUR für die Vertretung durch den bevollmächtigten Rentenberater im Widerspruchsverfahren, insbesondere die geltend gemachten 1.261,40 EUR zu erstatten.
Rechtsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach Abs. 2 der Regelung sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.
Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte bemisst sich seit 1. Juli 2004 nach dem RVG, das gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG) auch für die Vergütung der Rentenberaterinnen und Rentenberater gilt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der Rentenberater ist, kann demnach die Vergütung nach dem RVG geltend machen, deren Höhe sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 (VV) zum RVG bestimmt. Unter Anwendung dieser Regelungen hat die Beklagte die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zutreffend mit 309,40 EUR festgesetzt.
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG umfasst einen Betragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR, wobei eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog. Schwellengebühr). Bei derartigen Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Der Gesetzgeber hat dem Bevollmächtigten damit ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung der o.g. Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R in SozR 4-1935 § 14 Nr. 2). Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Die in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG aufgeführten Bemessungskriterien sind nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können, wobei sämtliche heranzuziehenden Kriterien selbständig und gleichwertig nebeneinander stehen (BSG a.a.O.).
Für die Bestimmung der konkreten Gebühr ist in einem ersten Schritt die Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr zu bestimmen und diese, sofern sie über der Schwellengebühr liegt, in einem zweiten Schritt bis zu Schwellengebühr zu kappen, wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr als durchschnittlich sind. Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit allein für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus zu. Der Umfang oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen daher über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen (BSG a.a.O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung einer Geschäftsgebühr von mehr als 240,00 EUR.
Die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers war weder umfangreich noch schwierig, so dass eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr nicht gefordert werden kann. Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, das sich der Bevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren mit den Ermittlungsergebnissen der Beklagten nicht kritisch auseinander setzte. Er legte noch nicht einmal die für den Zeitpunkt nach Einsichtnahme in die Akte angekündigte ausführliche Widerspruchsbegründung vor. Sein Tätigwerden beschränkte sich, nachdem die Beklagte auf den eingelegten Widerspruch die Durchführung weiterer Ermittlungen angekündigt und dem Kläger im Hinblick auf die Einholung eines weiteren Gutachtens drei Gutachter zur Auswahl mitgeteilt hatte, auf die Ablehnung dieser und die Benennung eines neuen Gutachters, der sodann mit einer gutachtlichen Untersuchung des Klägers beauftragt wurde. Weitere Aktivitäten entfaltete der Bevollmächtigte des Klägers hiernach nicht mehr. Nach Eingang des Gutachtens half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers vielmehr sogleich ab. Woraus der Kläger vor diesem Hintergrund einen überdurchschnittlichen Umfang der Tätigkeit seines Bevollmächtigten herleitet, ist für den Senat nicht ersichtlich.
Auch die Schwierigkeit seiner Tätigkeit war nicht überdurchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit beispielsweise dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten (BSG a.a.O). Diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Vorliegend sind derartige Probleme nicht ersichtlich. Der Bevollmächtigte hatte lediglich zu prüfen, ob eine Verbesserung der Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Schulter des Klägers im Vergleich zu den der Rentenbewilligung zugrunde liegenden Verhältnissen eingetreten waren, die es rechtfertigten die MdE statt wie bisher mit 25 v.H. nunmehr lediglich noch mit 10 v.H. zu bewerten. Damit hat es sich allenfalls um einen Normalfall im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt.
Auch die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr sind nicht erfüllt. Eine Erledigungsgebühr kommt nach Nr. 1002 i.V.m. Nr. 1005 VV RVG bei einer Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, in Betracht. Nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt nach Satz 2, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Das isolierte Vorverfahren hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" erledigt. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein Rechtsanwalt oder Rentenberater für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit und damit eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung entfaltet hat, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R). Eine solche Tätigkeit hat der Bevollmächtigte des Klägers gerade nicht entfaltet, wie das SG zutreffend entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved