L 13 AL 1797/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 510/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1797/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Oktober und November 2001 streitig.

Der Kläger war seit 1. März 2001 für die Firma VMS am Betriebsstandort Fr. beschäftigt. Die VMS kündigte dem Kläger unter dem 29. Oktober 2001 zum 30. November 2001 ordentlich. Hiergegen erhob der damalige Bevollmächtigte des Klägers unter dem 12. November 2001 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht St. auf der Grundlage einer vom Kläger am 8. November 2001 erteilten Vollmacht wegen "Lohn u.a., Kündigung" sowie - insoweit wohl nachträglich ergänzt - wegen "Insolvenzverfahren". Der Kläger bezog ab 01. Dezember 2001 mit Unterbrechungen bis zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung am 4. März 2002 Arbeitslosengeld.

Das Arbeitsgericht stellte am 11. Dezember 2001 durch Versäumnisurteil fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der VMS durch die Kündigung vom 29. Oktober 2001 nicht aufgelöst worden sei und verurteilte die VMS, den Kläger arbeitsvertragsgemäß bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen. Durch Versäumnisurteile vom 5. Februar 2002 und 19. März 2002 wurden dem Kläger für November 2001 1.788,08 EUR sowie weitere 136,61 EUR und für den Monat Dezember 2001 1.839,69 EUR Lohn - jeweils brutto - zugesprochen.

Bereits am 5. Februar 2002 hat die VMS, vertreten durch ihren Geschäftsführer, Insolvenzantrag aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gestellt. In einer unter dem 14. März 2002 gegenüber der Beklagten abgegebenen Stellungnahme teilte die VMS mit, die Betriebstätigkeit sei infolge von Zahlungsunfähigkeit zum 31. Dezember 2001 eingestellt worden. Unter dem 17. April 2002 teilte der Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht Co. auf das Vollstreckungsersuchen des damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit, der Schuldner sei "amtsbekannt fruchtlos". Auf Anfrage des damaligen Bevollmächtigten vom 13. Juni 2002 teilte das Amtsgericht Po. urschriftlich per Fax am selben Tag mit, die VMS habe einen Antrag auf Insolvenz am 5. Februar 2002 gestellt; das Verfahren sei noch nicht entschieden.

Auf Antrag des damaligen Bevollmächtigten wurde dann am 27. Juli 2002 dem Geschäftsführer der VMS die eidesstattliche Versicherung abgenommen. Danach war die VMS zu diesem Zeitpunkt völlig vermögenslos. Der damalige Bevollmächtigte teilte dem Kläger im Schreiben vom 22. August 2002 mit, dass sich "definitiv keinerlei Ansatzpunkte" fänden, um "auf Vermögenswerte zuzugreifen". Ebenfalls am 22. August 2002 erließ das Amtsgericht Po. - Insolvenzgericht den Beschluss, über das Vermögen der VMS das Insolvenzverfahren zu eröffnen und bestellte einen Insolvenzverwalter.

Der damalige Bevollmächtigte machte daraufhin beim Insolvenzverwalter unter dem 11. September 2002 ausstehendes Arbeitsentgelt in Höhe von 9.142,55 EUR brutto geltend. Der Insolvenzverwalter übersandte unter dem 16. Dezember 2002 einen Auszug aus der Tabelle der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen, aus welcher hervorging, dass der Insolvenzverwalter die vom damaligen Bevollmächtigten für den Kläger angemeldeten Forderungen bestritt und stattdessen auf einen Insolvenzgeldanspruch verwies. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 und 10. März 2003 teilte der damalige Bevollmächtigte dem Kläger jeweils mit, dass der Insolvenzverwalter den gesamten Entgeltanspruch für die Monate Oktober 2001 bis März 2002 bestritten habe, "u.a. mit der Begründung, dass es sich um einen Insolvenzgeldanspruch handele" (Schreiben vom 10. März 2003). Unter dem 10. Juni 2003 teilte der Insolvenzverwalter mit, die angemeldete Forderung werde nunmehr in voller Höhe anerkannt. Am 9. Juli 2008 teilte das Amtsgericht Po. - Insolvenzgericht mit, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der VMS werde mangels Masse eingestellt.

Am 17. November 2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Insolvenzgeld. Mit Anhörungsschreiben vom 27. Dezember 2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er unter Zugrundelegung eines Insolvenzereignisses vom 22. August 2002 die zweimonatige Ausschlussfrist versäumt habe und deshalb um Darlegung gebeten werde, welche Schritte er seit der Säumigkeit des Arbeitgebers unternommen habe, um seine Ansprüche gegen den Schuldner durchzusetzen und wann er von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt habe. In seiner Stellungnahme vom 7. Januar 2005 teilte der Kläger mit, er habe "voll auf seinen Anwalt vertraut", den er, wie seine anderen ehemaligen Kollegen zum Zeitpunkt, als die VMS insolvent geworden sei, eingeschaltet habe, damit er ihn vertrete. Er sei misstrauisch geworden, als einige seiner Arbeitskollegen Insolvenzgeld bekommen hätten. Daraufhin habe er selbst Anfang November 2004 beim Insolvenzverwalter in Berlin angerufen. Dieser habe ihn darüber aufgeklärt, dass er einen separaten Antrag auf Insolvenzgeld stellen müsse, was, so der Insolvenzverwalter, bislang nicht geschehen sei. In Ergänzung zum Insolvenzgeldantrag machte der Kläger dann für den Monat Oktober 2001 ein Bruttoarbeitsentgelt von 5.599,38 EUR für den Monat November 2001 von 1.788,08 EUR und für den Monat Dezember 2001 von 3.598,13 EUR geltend. Hierauf seien keine Zahlungen geleistet worden. Er legte entsprechende Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die drei Monate vor.

Unter dem 15. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Das Insolvenzereignis sei durch Insolvenzeröffnung am 22. August 2002 eingetreten. Die Antragsfrist habe somit mit Ablauf des 22. Oktobers 2002 geendet, weshalb die Antragsfrist vom Kläger versäumt worden sei. Der Kläger habe Kenntnis vom eröffneten Insolvenzverfahren gehabt, da im Rahmen dessen Forderungsanmeldungen an den Verwalter erfolgt seien. Zu diesem Zeitpunkt hätte aber auch die Antragstellung auf Insolvenzgeld erfolgen können und müssen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 16. März 2005, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005 zurück.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Bevollmächtigten, am 23. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Oktober und November 2001 beantragt. Die Beklagte sei von einem unzutreffenden Insolvenzereignis ausgegangen. Das Insolvenzereignis sei spätestens am 30. November 2001 eingetreten, da zu diesem Zeitpunkt die Betriebstätigkeit im Inland vollständig beendet worden sei. Die Mandatierung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren führe nicht dazu, dass auch eine Mandatierung bei der Beantragung von Insolvenzgeld erfolge. Diese Mandatierung sei erst im Januar 2005 erfolgt. Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er zur Aufrechterhaltung seiner Ansprüche auf Insolvenzgeld einen Insolvenzgeldantrag auch fristgemäß zu stellen habe. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Kläger Arbeitnehmer der Firma VMS gewesen sei, Arbeitslosengeld beantragt habe und von der Stilllegung des Unternehmens betroffen gewesen sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Zeitpunkt des Insolvenzereignisses sei unerheblich, da auch bei vollständiger Betriebseinstellung am 30. November 2001 nicht von einer fristgerechten Antragstellung ausgegangen werden könne.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG eine Auskunft beim Insolvenzverwalter der VMS eingeholt. Dieser teilte unter dem 7. Januar 2008 mit, dass der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2002 über seinen damaligen Bevollmächtigten Geldansprüche für die Zeiträume Oktober bis Dezember 2001 und Januar bis März 2002 zum Vermögensverzeichnis angemeldet habe. In einem Telefonat mit der Ehefrau des Klägers sei dieser am 8. November 2004 mitgeteilt worden, dass gegenwärtig kein Antrag auf Insolvenzgeld vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für die Monate Oktober 2001 und November 2001 komme dem Kläger nicht zu, da er die Ausschlussfrist für die Beantragung dieser Leistung versäumt habe. Es könne dahinstehen, ob das maßgebliche Insolvenzereignis in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der VMS am 22. August 2002 zu sehen ist, oder ob entsprechend dem Vortrag des Klägers bereits im November 2001 eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland vorlag. Denn bei beiden Varianten sei die Antragsfrist des § 324 SGB III versäumt worden. Eine Nachfrist sei dem Kläger nicht einzuräumen. Der Kläger habe nachweislich rechtzeitige Kenntnis von dem Insolvenzereignis erhalten, da er durch seinen damaligen Bevollmächtigten am 12. September 2002 die Entgeltansprüche von Oktober 2001 bis März 2002 beim Insolvenzverwalter angemeldet habe. Entweder aber erfasste die Mandatierung des damaligen Bevollmächtigten auf Durchsetzung seiner Arbeitsentgeldansprüche auch eine Beratungspflicht hinsichtlich der Stellung des Insolvenzgeldantrags, dann wäre das Beratungsverschulden des Klägervertreters dem Kläger zuzurechnen. Umfasste das Mandat, wie der damaligen Bevollmächtigte des Kläger vortrage, nur die Durchsetzung arbeitsgerichtlicher Ansprüche, so hätte sich der Kläger selbst um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemühen müssen. Er habe rechtzeitige Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt. Bei einem Insolvenzereignis bereits im November 2001 wäre dem Kläger zwar eine Nachfrist einzuräumen gewesen, da er im November 2001 noch keine Kenntnis von dem Insolvenzereignis haben konnte. Die dann einzuräumende Nachfrist von 2 Monaten beginne mit dem Wegfall des Hinderungsgrundes. Dieser sei jedoch mit der Kenntnis des Klägers von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers am 22. August 2002 weggefallen. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Kenntnis von der Tatsache, dass ein Insolvenzereignis eingetreten ist. Die Beklagte treffe auch kein Beratungsverschulden, da zum Zeitpunkt der Stellung des Arbeitslosengeldantrags für Dezember 2001 noch keine Kenntnis von einem Insolvenzereignis bestand und bestehen konnte. Nehme man ein Insolvenzereignis im November 2001 an, dann habe die Beklagte zu diesen Zeitpunkt gleichfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen eines Insolvenzereignisses gehabt und konnte auch nicht entsprechend beraten.

Gegen den ihm ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 15. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. April 2010 Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung habe die Beklagte bereits bei Stellung und Bearbeitung des Arbeitslosengeldantrags zumindest auf die damals noch theoretische Möglichkeit der Stellung eines Insolvenzgeldantrages hinweisen müssen. Somit verbleibe es bei einem Beratungsverschulden der Beklagten, welches dazu geführt habe, dass die Antragsfrist nicht eingehalten werden konnte.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 10. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm für die Monate Oktober 2001 bis November 2001 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Unter dem 25. Januar 2011 ist ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt worden. Im Rahmen dieses Termins hat der Kläger erklärt, er habe Anfang Oktober 2001 Arbeitslosengeld beantragt. Der Kläger hat weiterhin seine Unterlagen über die verschiedenen Gerichtsverfahren dem Berichterstatter übergeben, desweiteren seinen damaligen Bevollmächtigten von der anwaltlichen Schweigepflicht entbunden und sein Einverständnis damit erklärt, dass die Akten des damaligen Bevollmächtigten dem Gericht zur Verfügung gestellt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Erörterungstermins sowie des Sach- und Streitstandes insgesamt wird auf die Prozessakten 1. und 2. Instanz sowie auf die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte, die Verwaltungsakten betreffend das Insolvenzverfahren der VMS, die vom Kläger dem Gericht übergebenen eigenen Unterlagen sowie auf 3 Bd. Handakten des früheren Bevollmächtigten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2011 geworden sind, sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) einge¬legt worden.

Die Berufung ist indes nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass als maßgebliches Insolvenzereignis der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 22. August 2002 zugrunde zu legen ist. Zwar lag spätestens zum 31. Dezember 2001 eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der VMS im Inland vor. Dies lässt sich der Stellungnahme des damaligen Geschäftsführers der VMS vom 13. März 2002 gegenüber der Arbeitsagentur Po. im Rahmen der Prüfung der Berechtigung von Anträgen auf Insolvenzgeld entnehmen (vgl. Bl. 47 der Akte der Beklagten zum Insolvenzereignis VMS). Auch der Insolvenzverwalter Dr. Kü. geht in seinem Schlussbericht zum Insolvenzverfahren über das Vermögen der VMS vom September 2007 davon aus, der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei am 31. Dezember 2001 eingestellt worden, nachdem zuvor allen Mitarbeitern fristgerecht gekündigt worden sei. Zum 30. November 2001 waren der VMS im Übrigen fristlos die Geschäftsräume in Folge von Mietaußenständen von ca. 200.000 DM gekündigt worden. Zu diesem Zeitpunkt war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch noch nicht gestellt worden.

Allerdings fehlt es an der weiteren Voraussetzung des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung vom 10. Dezember 2001, wonach ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommen darf. Zwar genügt es in diesem Zusammenhang, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für eine Masseunzulänglichkeit sprechen; die bloß angenommene Zahlungsunfähigkeit reicht zur Bejahung der offensichtlichen Masselosigkeit allerdings nicht aus (vgl. Niesel/Brand, SGB III § 183 Rndr. 47). Denn Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung alleine bedeuten noch nicht, dass deshalb die Kosten zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären. Masselosigkeit ist aus Sicht eines unbefangenen Beobachters zwar in der Regel anzunehmen, wenn - wie vorliegend - unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird. Wird jedoch nach späterer Antragstellung bei unveränderter Sachlage das Insolvenzverfahren eröffnet, so zeigt sich das damit die objektiven Um¬stände, die einen Anschein von Masseunzulänglichkeit rechtfertigen könnten, nicht vorgelegen haben (Niesel/Brand a.a.O.). Nachdem das Insolvenzgericht auf den kurz nach Betriebseinstellung hin erfolgten Insolvenzantrag der VMS am 22. August 2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hat, lagen die Voraussetzungen für eine Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht vor. Maßgebliches Insolvenzereignis für die Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III war damit der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 22. August 2002.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, war damit letzter Tag der Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III der 22. Oktober 2002. Der Kläger hat diese Frist mit dem Insolvenzgeldantrag vom 17. November 2004 weit verfehlt.

Mit dem SG sind auch die Voraussetzungen für die Einräumung einer Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III abzulehnen. Auf die Ausführungen in der Entscheidung des SG wird verwiesen. Es liegt ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten des damaligen Bevollmächtigten im Hinblick auf die Nichtstellung des Insolvenzgeldantrags vor: Spätestens am 11. September 2002 hatte der damalige Bevollmächtigte Kenntnis vom Beschluss des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schriftsatz vom 11. September 2002 hat der damalige Bevollmächtigte nämlich dem Kläger nachrichtlich den Beschluss des Amtsgerichts Po. über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens übersandt und zugleich dem im Beschluss benannten Insolvenzverwalter die Forderungsaufstellung des Klägers übermittelt. Die Beantragung von Insolvenzgeld wäre demnach ohne weiteres in der Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III möglich gewesen; das dies nicht erfolgt ist, beruht auf zumindest fahrlässiger Unkenntnis des Bevollmächtigten von der Ausschlussfrist. Bemerkenswert ist, dass der damalige Bevollmächtigte selbst dann keine Antragstellung auf Insolvenzgeld erwog, als ihm der Insolvenzverwalter unter dem 16. Dezember 2002 mitgeteilt hatte, dass die zur Tabelle angemeldeten Entgeltansprüche im Hinblick auf den Insolvenzgeldanspruch bestritten würden. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschlussfrist aber ohnedies verstrichen.

Der Kläger muss sich dieses sorgfaltspflichtwidrige Verhalten seines damaligen Bevollmächtigten auch zurechnen lassen. Die Regelung über die Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III stellt eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X; § 67 SGG) dar (BSG vom 29.10.1992 - 10 RAr 14/91 = SozR 3-4100 § 141e Nr. 2 - juris Rdnr. 15). Entsprechend der dortigen Grundsätze ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen. Allerdings ist nicht jede Person, an die sich der Betroffene rechtsuchend wendet, in diesem Sinn ihr Vertreter. So ist regelmäßig Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Betroffene von einer Person eine falsche Auskunft erhalten hat, auf deren Sachkunde er einerseits vertrauen dürfte, die er anderseits jedoch nicht mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut hat (BSG, a.a.O., juris Rdnr. 16).

Für eine Zurechnung des Verschuldens des damaligen Bevollmächtigten des Klägers kommt es damit maßgeblich darauf an, ob der damalige Bevollmächtigte im Rahmen des ihm erteilten Auftrags auch zur Stellung eines Antrags auf Insolvenzgeld befugt war oder, wenn nicht, ob ihm hieraus eine Informationspflicht oblag, der er nicht nachgekommen ist. Dann wäre es auch gerechtfertigt, dem Kläger bei einem entsprechenden Versäumnis seines Bevollmächtigten nicht die Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu Gute zu kommen lassen, sondern ihn auf Regressansprüche gegen seinen damaligen Bevollmächtigten zu verweisen (BSG a.a.O., juris Rdnr. 20). Nur wenn der Kläger seinen damaligen Bevollmächtigten eng begrenzt ausschließlich mit seiner Vertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren betraut hatte, kann davon ausgegangen werden, dass eine Pflicht, den Kläger über die Möglichkeit eines Anspruchs auf Insolvenzgeld zu beraten, geschweige denn einen entsprechenden Antrag zu stellen, nicht bestand (BSG a.a.O., juris Rdnr. 23). Wenn sich der Kläger indes an seinen damaligen Bevollmächtigten mit dem Anliegen gewandt hatte, sein Arbeitsgeber habe ihm keinen Lohn gezahlt und er solle die sich hieraus ergebenden Ansprüche realisieren, so umfasst ein entsprechender Auftrag auch die Stellung eines Antrags auf Insolvenzgeld nach Kenntnis von der Insolvenz des Arbeitgebers; dies unabhängig davon, ob zur Insolvenzgeldantragstellung die Erteilung einer gesonderten Vollmacht erforderlich gewesen wäre oder nicht (BSG a.a.O., juris Rdnr. 23). Dementsprechend gehen die Instanzgerichte - soweit ersichtlich - einhellig davon aus, dass der einem Bevollmächtigten erteilte Auftrag, einen arbeitsrechtlichen Anspruch im Insolvenzverfahren durchzusetzen, regelmäßig auch die Verpflichtung umfasst, den Arbeitnehmer über die Voraussetzungen eines Insolvenzgeldanspruchs zu informieren (LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2009 - L 1 AL 61/07 - juris Rdnr. 33; LSG Sachsen-Anhalt vom 23. Februar 2005 - L 2 AL 55/03 - juris Rdnr. 34; LSG Saarland vom 28. Mai 2004 - L 8 AL 36/03 - juris Rdnr. 30; LSG Niedersachsen-Bremen vom 5. April 2004 - L 8 AL 240/03 - juris Rdnr. 20).

Vorliegend hat das dem damaligen Bevollmächtigten erteilte Mandat des Klägers neben der Beauftragung mit der Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht von vornherein auch die Geltendmachung und Durchsetzung von ausstehendem Arbeitslohn umfasst. So hat der Kläger ausweislich der in der Handakte des damaligen Bevollmächtigten befindlichen Vollmacht vom 8. November 2001 dem Bevollmächtigten zunächst Vollmacht wegen "Lohn u.a." und "Kündigung" erteilt. Diese Vollmacht wurde später durch Ergänzung des ursprünglichen Textes um "Insolvenzverfahren" erweitert. Das genaue Datum dieser Erweiterung der Vollmacht lässt sich der Urkunde zwar nicht entnehmen; die Ergänzung muss jedoch spätestens zum 11. September 2002 erfolgt sein, nachdem die ergänzte Vollmacht dem Anschreiben vom selben Tage an den Insolvenzverwalter bereits beigefügt war.

Nach Obsiegen im Kündigungsstreitverfahren haben sich die Bemühungen des damaligen Bevollmächtigten dann auch folgerichtig auf die Geltendmachung des noch ausstehenden Arbeitslohns konzentriert, zunächst im Wege der Zwangsvollstreckung (vgl. hierzu die im Auftrag des Bevollmächtigten abgenommene eidesstattliche Versicherung vom 27. Juli 2002) und später dann, nach Kenntnis vom Insolvenzereignis am 22. August 2002, auf die Durchsetzung im Insolvenzverfahren durch Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter. Bereits die ausdrückliche Bevollmächtigung, jedenfalls aber das tatsächliche Tätigwerden des Bevollmächtigten im Zuge der Durchsetzung der Ansprüche des Klägers im Insolvenzverfahren lassen keinen Zweifel zu, dass dem damaligen Bevollmächtigten eben gerade nicht ein eng begrenztes Mandat ausschließlich für das arbeitsgerichtliche Verfahren erteilt worden war. Vielmehr war er beauftragt, umfassend die Lohnansprüche des Klägers - unter Einschluss des Insolvenzverfahrens - zu realisieren. Nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG wie auch nach allgemeiner Auffassung der Instanzgerichte oblag damit dem damaligen Bevollmächtigten im Rahmen seines Auftrags auch die Beratung und ggf. Antragstellung im Insolvenzgeldverfahren (BSG a.a.O., Rdnr. 22; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; LSG Saarland, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Der schuldhafte Verstoß gegen die Einhaltung der gesetzlichen Fristen bei der Geltendmachung des Insolvenzgeldes ist deshalb unabhängig von einer gesonderten Vollmacht zur Insolvenzgeldantragstellung dem Kläger zuzurechnen.

Nachdem sich der Kläger das Fehlverhalten seines Vertreters zurechnen lassen muss, bedarf es keiner Klärung, ob der Kläger selbst - dem von seinem damaligen Bevollmächtigten stets zeitnah sämtliche Unterlagen, insbesondere auch der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, übersandt worden waren - gleichfalls schuldhaft von einer Geltendmachung des Insolvenzgeldes im Rahmen der Ausschlussfrist abgesehen hat.

Eine Ersetzung der unterbliebenen rechtzeitigen Antragstellung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, gestützt auf ein Beratungsverschulden der Beklagten, kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat Arbeitslosengeld nach eigenen Angaben im Oktober 2001 nach Ausspruch der Kündigung beantragt und dieses ab 01. Dezember 2001 mit Unterbrechungen bis einschließlich 3. März 2002 bezogen. Der Leistungsbezug endete mit Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zum 4. März 2002. Eine Verpflichtung zur Spontanberatung des zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr im Leistungsbezug befindlichen Klägers durch die Beklagte bei Eintritt des Insolvenzereignis am 22. August 2002 scheidet evident aus.

Auf die Frage, welche Monate der Insolvenzgeldzeitraum im konkreten Fall vor dem Hintergrund umfasst, dass der Kläger im Kündigungsstreit eine unbefristete Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses erlangt hat und er erst zum 4. März 2002 eine neue Beschäftigung aufgenommen hat (davor allerdings bereits zeitweise ein Arbeitsverhältnis befristet aufgenommen hatte), kommt es schon nicht an.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Für den Senat war im Rahmen des hierbei eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung keinen Erfolg hat.

Gründe für die Zulassung der Revision sind für den Senat nicht ersichtlich. Zur streitentscheidenden Frage der Zurechnung eines anwaltlichen Verschuldens bei der Beantragung von Insolvenzgeld können der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Kriterien und Grundsätze zur Auslegung entnommen werden, die für die Entscheidung im vorliegenden Einzelfall genügen. Eine grundsätzliche Bedeutung kann demnach nicht angenommen werden; auch beruht die Entscheidung nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts. Sonstige Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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