L 9 R 5014/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 678/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5014/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Gerichtsbescheid genannten Beträge für die Jahresendprämie als glaubhaft gemachte Arbeitsentgelte zu berücksichtigen sind.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, beim Kläger Jahresendprämien als Arbeitsentgelt festzustellen.

Der 1948 geborene Kläger war vom 1.9.1972 bis 21.10.1975 beim V. B. und vom 1.12.1975 bis 17.11.1988 beim V. B. beschäftigt. Auf Anfrage der Beklagten teilte die E. GmbH unter dem 10.7.2003 das vom Kläger in der Zeit vom 1.9.1972 bis 21.10.1975 als technischer Mitarbeiter erzielte Bruttoarbeitsentgelt und das sozialversicherungspflichtige Entgelt mit. Die P. gab unter dem 14.4.2003 die vom Kläger in der Zeit vom 1.12.1975 bis 14.3.1976 als Schlosser und vom 15.3.1976 bis 17.11.1988 als Betriebsingenieur erzielten Bruttoverdienste an.

Mit Feststellungsbescheid vom 10.12.2003 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt seien. Außerdem stellte sie die Daten nach dem AAÜG fest, die dem Rentenversicherungsträger zur Berechnung einer (späteren) Leistung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) übermittelt werden. Als nachgewiesene Zeiten (zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) führte sie die Zeiten vom 1.9.1972 bis 15.11.1988 (mit erzieltem Arbeitsentgelt, zu berücksichtigendem Arbeitsentgelt, sozialversicherungspflichtigem Arbeitsentgelt, Versorgung) auf.

In einem weiteren Bescheid (Zuordnungsbescheid über Zeiten nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG -) vom 12.12.2003 wurden die Zeiten vom 22.10.1975 bis 31.12.1975, 1.1.1976 bis 14.3.1976, 16.11.1988 bis 31.12.1988, 1.1.1989 bis 27.7.1989 der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz zugeordnet. In der Anlage 1 zum Zuordnungsbescheid wurden die Zeiten vom 1.9.1972 bis 21.10.1975 und vom 15.3.1976 bis 15.11.1988, die in der Rehabilitierungbescheinigung vom 26.3.2001 nicht als Verfolgungszeit i.S.d. BerRehaG ausgewiesen sind - entsprechend dem Feststellungsbescheid vom 10.12.2003 - aufgeführt.

Mit Schreiben vom 1.5.2008 bat der Kläger um eine verbindliche Aussage über seine Rente (u.a. über die Zusatzversorgung für die technische Intelligenz vom 1.9.1972 bis einschließlich Juli 1989, die Zeiten der beruflichen Rehabilitierung, die Zeiten der Inhaftierung) und fragte an, ob die Jahresendprämie berücksichtigt worden sei.

Mit Schreiben vom 11.6.2008 forderte die Beklagte beim Kläger Nachweise über die Jahresendprämie an. Gleichzeitig forderte sie bei der E. GmbH sowie bei der P. GmbH vollständig ausgefüllte Arbeitsentgeltbescheinigungen an.

Mit Schreiben vom 2.7.2008 legte der Kläger ein Schreiben des Geschäftsführers der E. GmbH B. H. vom 31.12.2007 bzw. 24.6.2008 vor, worin die E. GmbH bestätigt, dass der Geschäftsführer H. seit 1970 in verschiedenen Leitungsfunktionen - Hauptbuchhalter und Ökonomischer Direktor - im V. B. tätig gewesen sei. Dabei sei er auch für die Berechnung und Auszahlung der Jahresendprämien zuständig gewesen. Diese seien über die Kasse ausgezahlt worden und seien kein Bestandteil des Lohnes gewesen. Somit seien diese auch nicht im Sozialversicherungsausweis ausgewiesen. Es werde eidesstattlich versichert, dass die Jahresendprämien mindestens einem durchschnittlichen Jahresmonatsverdienst entsprochen hätten. Ferner legte der Kläger ein Schreiben des V. B. vom 21.6.1976 vor, wonach der Kläger für das Jahr 1975 100 % seines Durchschnittslohns als Grundprämie erhalten hat, obwohl er bereits am 1.12.1975 seine Tätigkeit beim V. aufgenommen hatte. Ferner erklärte der Kläger, er habe von 1976 bis zu seiner Verhaftung am 16.11.1988 bei der V. B. gearbeitet. Die Rechtsnachfolgerin (K. AG Werk T. B.) habe ihm mitgeteilt, dass sie auf Anfrage der Beklagten bestätigt habe, dass Jahresendprämien an ihn ausgezahlt worden seien. Er erkläre hiermit persönlich an Eides statt, dass er von 1972 bis 1988 Jahresendprämien erhalten habe, die jeweils über dem durchschnittlichen Jahresmonatsverdienst gelegen hätten. Die P. GmbH Werk B. teilte unter dem 7.7.2008 mit, Jahresendprämien seien gezahlt worden. Unterlagen über die Höhe seien nicht mehr vorhanden.

Am 13.10.2008 erließ die Beklagte einen neuen Zuordnungsbescheid, in dem abweichend vom Bescheid vom 12.12.2003 für die Zeit vom 1.1.1975 bis 21.10.1975 ein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt von 9.959,08 Mark anstelle von bisher 9.028,32 Mark (+ 930,76 Mark) aufgeführt wurde. Ansonsten verblieb es bei den Feststellungen aus dem bisherigen Bescheid.

Am 20.10.2008 ging bei der Beklagten eine Bescheinigung der E. GmbH B. vom 10.10.2008 ein, in der diese die Arbeitsentgelte für 1972 (ab 1.9.1972 3.060.- Mark), 1973 (9.180,-Mark), 1974 (8.991,93 Mark bisher: 9.760,-Mark), 1975 (bis 21.10.1975 7.935,69 Mark bisher 9.028,32 Mark) bescheinigte und bezüglich der Jahresendprämien die Bescheinigung von B. H. vom 24.6.2008 bzw. 31.12.2007 vorlegte.

Gegen den Bescheid vom 13.10.2008 legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, da er vom 1.9.1972 bis 16.11.1988 Jahresendprämien erhalten habe, was von den Rechtsnachfolgern der Firmen bestätigt worden sei, könne nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgeforscht worden sein. Wenn in den Firmen angeblich keine Unterlagen mehr vorhanden seien, gebe es Zeugen, die seine Aussage bestätigen könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.2.2009 wies die Zentrale Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Die vom Kläger genannten zusätzlichen Einkünfte aus Jahresendprämien könnten nicht als Arbeitsentgelte im Sinne des § 6 Abs. 1 AAÜG anerkannt werden, weil deren Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Sowohl der Anspruch auf die Jahresendprämie als auch deren Höhe seien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, der es ermöglichen würde, die Zahlung und Höhe der Verdienste glaubhaft erscheinen zu lassen, könne den eigenen Angaben des Klägers oder Zeugenerklärungen nicht beigemessen werden, insbesondere, weil die zu beweisenden Tatsachen bereits länger als 25 Jahre zurücklägen.

Hiergegen hat der Kläger am 4.3.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben und die Berücksichtigung der Jahresendprämien in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts bei der Rentenberechnung begehrt. Er hat am 14.5.2009 dem SG fünf "Zeugenaussagen zur Jahresendprämie" vorgelegt. J. L. und K. H. Z. haben bestätigt, dass der Kläger während seiner Tätigkeit im V. B. vom 1.9.1972 bis 30.11.1975 jährlich Jahresendprämien mindestens in Höhe eines monatlichen Bruttogehaltes erhalten hat. K. K. und C. B. haben angegeben, der Kläger habe in der Zeit vom 1.12.1975 bis 16.11.1988 jährlich Jahresendprämien mindestens in Höhe eines monatlichen Bruttogehaltes erhalten. R. P. hat ausgeführt, sie sei ebenfalls als Betriebsingenieur in der gleichen Abteilung wie der Kläger tätig gewesen. Die Jahresendprämie habe immer über einem Monatslohn (brutto) gelegen.

Das SG hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.8.2009 persönlich angehört und im Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit Beweisaufnahme vom 9.10.2009 J. L., K. H. Z., K. K. und C. B. als Zeugen vernommen.

Der Kläger hat erklärt, er habe 1972 die Jahresendprämie bekommen, obwohl er nicht das ganze Jahr im Betrieb beschäftigt gewesen sei. Für das Jahr 1975 habe er den Erhalt der Jahresendprämie gerichtlich durchgesetzt, weswegen er auch das Schreiben darüber habe vorlegen können. Auch 1988 habe er - trotz Verhaftung im November 1988 - die Jahresendprämie nachträglich erhalten. Es habe ein runder Tisch stattgefunden. Einen Nachweis darüber habe er nicht. Er habe nur ein Schreiben, in dem drin stehe, dass er das Beschäftigungsverhältnis beendet habe, aber wieder eingestellt werde.

Der Zeuge L. hat angegeben, er sei in den Jahren 1972 bis 1975 zusammen mit dem Kläger in einem Unternehmen beschäftigt gewesen. Sie seien beide Technologen gewesen und hätten in einem Büro gearbeitet. Die Jahresendprämie sei Anfang der 60-er Jahre eingeführt worden und in den Monaten Januar bis März des Folgejahres gezahlt worden. Sie habe in der Regel 100 bis 130 % des Bruttoverdienstes als Grundprämie betragen. Er könne für ein bestimmtes Jahr die konkrete Größe der Grundprämie nicht nennen. Soweit er wisse, habe es aber immer 100 % gegeben. Er könne dies aber nicht genau sagen, da er aufgrund seiner (langen) Beschäftigungszeit auch erhebliche Treuerabatte gehabt habe. Er habe keine Ahnung, ob im Einzelfall einmal eine Jahresendprämie unter 100 % gezahlt worden sei. Im Jahr 1972 sei seines Erachtens die anteilige Jahresendprämie gezahlt worden, wenn der Kläger erst im September in den Betrieb eingetreten sei.

Der Zeuge Z. hat ausgesagt, sie seien ein guter Betrieb gewesen und hätten die Jahresendprämie immer bekommen, was nicht in jedem Betrieb der Fall gewesen sei. Auf jeden Fall seien immer 100 % des Bruttoverdienstes als Grundprämie gezahlt worden. Manche Personen hätten manchmal mehr bekommen, weil sie gesellschaftlich aktiv gewesen seien oder Schichtdienst verrichtet hätten. Dieser Teil sei anderen mit viel Bummelschichten oder Krankheitszeiten weggenommen worden. Durchschnittlich habe es immer mindestens 100 % gegeben; in manchen Jahren auch mehr, etwa 120 %. Beim Kläger habe es keine Probleme gegeben, als er im Betrieb angefangen habe. Erst als die politische fristlose Entlassung erfolgt sei, habe es ein Problem gegeben. Zuvor habe es keinen Grund gegeben, dem Kläger weniger als 100 % der Prämie zu zahlen.

Der Zeuge K. hat angegeben, er sei ab 1.1.1977 bei der Transportgummi gewesen. Bis 31.12.1979 sei er Investingenieur gewesen, wobei laufend Abstimmungen zu Projektunterlagen mit dem Kläger erforderlich gewesen seien, so dass sie auch persönlich ins Gespräch gekommen seien. Vom 1.1.1980 durch bis 18.10.1987 sei er Leiter der Fachabteilung Mess-, Steuer- und Regeltechnik gewesen und somit in der gleichen Abteilung wie der Kläger. Sie hätten denselben Chef gehabt. Sie hätten jedes Jahr Jahresendprämien bekommen. Es seien 100 % des Bruttogehaltes gezahlt worden. Die Einzelheiten seien von bestimmten Leistungsfaktoren abhängig gewesen. In der Regel habe jeder 100 % erhalten. Seines Erachtens habe der Kläger jedes Jahr mindestens 100 % der Jahresprämie bekommen. Er habe persönlich Kontakt zum Kläger gehabt. Ihm sei nicht bekannt, dass er weniger bekommen hätte. Die letzten Jahre ab 1987 habe er selbst die Jahresendprämie für ihn festgelegt. Es habe dabei keine Abstriche gegeben. Er habe auch die Beurteilung beim Ausscheiden des Klägers geschrieben und ihm ausgezeichnete Leistungen im Betrieb bescheinigt. Da der Kläger 1988 verhaftet worden sei, habe er diesem Jahr keine Jahresendprämie erhalten.

Die Zeugin B. hat erklärt, es habe jedes Jahr die Jahresendprämie gegeben, 100 bis 120 %. 100 % habe es immer gegeben. Sie habe nicht darauf geachtet, ob der Kläger 100 % oder mehr erhalten habe. Sie habe die Jahresendprämie mit ausgerechnet. Die 100 % seien schon immer mit Bleistift vorgetragen gewesen, und es sei noch eine Aufstockung vergeben worden. Sie wisse nichts davon, dass der Kläger die Jahresendprämie für 1988 noch nachträglich bekommen habe. Sie glaube auch nicht, dass das möglich gewesen sei, da er aus dem Betrieb heraus verhaftet worden sei. Für die Jahre zuvor könne sie sagen, dass er nicht weniger als 100 % bekommen habe, auch nicht aus politischen Gründen. Die Ingenieure hätten eigentlich immer weit über 100 % erhalten. Es habe auch keine Verweise gegeben; insofern habe der Kläger mindestens 100 % Jahresendprämie erhalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2009 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 13.10.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 10.2.2009 verurteilt, für das Jahr 1972 anteilig seit Betriebseintritt, für die Jahre 1973 bis 1974 und 1976 bis 1987 Jahresendprämien in Höhe eines durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zusätzlich zu den bereits berücksichtigten tatsächlichen Arbeitsentgelten zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei hinsichtlich des im Vergleich zur Klagerhebung geringfügig veränderten Antrags zulässig und vollumfänglich begründet. Die vorliegend strittige Jahresendprämie sei Arbeitsentgelt i.S.d. § 6 Abs. 1 AAÜG. Der Kläger habe zur Überzeugung des SG in den streitigen Jahren 1972 (anteilig), 1973 bis 1974 und 1976 bis 1987 eine Jahresendprämie jedenfalls in der geltend gemachten Höhe von 100 % des durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes erzielt. Insoweit bestünden seitens des Gerichts keinerlei ernsthafte Zweifel. Das heiße, es sei mehr als eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben, wie sie für eine Glaubhaftmachung i.S. des § 6 Abs. 6 AAÜG erforderlich sei, um die Jahresendprämie in der geltend gemachten Höhe, jedenfalls zu fünf Sechstel, zu berücksichtigen. Für die Beschäftigung in den Jahren 1972 bis 1974 im V. in B. sei der Erhalt einer Jahresendprämie jedenfalls in Höhe von 100 % des durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes durch die Aussagen der Zeugen L. und Z. bestätigt. Auch hinsichtlich des Erhalts der Jahresendprämie in Höhe von jedenfalls 100 % des durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes während der Tätigkeit im V. in B. in den Jahren 1976 bis 1987 habe das SG keinerlei ernsthafte Zweifel. Vielmehr sei es davon überzeugt, dass der Kläger eine entsprechende Jahresendprämie erhalten habe. Insoweit stütze es sich neben den Aussagen des Klägers auf die glaubhaften und überzeugenden Angaben der Zeugen K. und B. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 26.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 29.10.2009 Berufung eingelegt, allgemeine Ausführungen zur Jahresendprämie gemacht und vorgetragen, die Möglichkeit der Gewährung und die Höhe aller Prämien hingen nicht nur von den individuellen Leistungen der Beschäftigten ab, sondern auch von der Planerfüllung und wirtschaftlichen Leistung des gesamten Betriebes. Die Jahresendprämie sei eine Leistungs- bzw. Erfüllungsprämie gewesen. Deshalb könne der Prämiennachweis des Klägers aus dem Jahr 1975 nicht für die Beurteilung der Jahresendprämie anderer Jahre und schon gar nicht in einem anderen Betrieb herangezogen werden. Habe sich anfangs die Jahresendprämie noch am Durchschnittslohn orientiert und aus einem Grundbetrag und einem leistungsabhängigen variablen Betrag zusammengesetzt, habe sich das spätestens mit der Einführung der Produktivlöhne geändert. Während in der Prämienverordnung von 1972 und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmung im Zusammenhang mit der Jahresendprämie auf den Monatslohn Bezug genommen werde, sei dieser Passus in der Prämienverordnung von 1982 und der dazu gehörenden Durchführungsbestimmung nicht mehr enthalten. Die Jahresendprämie sei in Abhängigkeit von der Planerfüllung auf der Grundlage eines Durchschnittswertes aller Vollbeschäftigteneinheiten und von der Erfüllung der Leistungskriterien jedes Einzelnen festzulegen gewesen. Während in der DDR die lohnpolitischen Reformen dazu gedient hätten, den Anteil der Prämienzahlungen am Gesamtlohn zu verringern und damit erreicht worden sei, dass die Höhe der Jahresendprämie stagniert habe bzw. im Verhältnis zum monatlichen Durchschnittslohn ständig abgesenkt worden sei, gäben die Zeugen eine auf der Lohnentwicklung des Klägers basierende kontinuierlich steigende Jahresendprämie an. Dies würde bedeuten, dass im strittigen Zeitraum die Festlegung und Zahlung der Jahresendprämie im Arbeitsumfeld des Klägers losgelöst von den wirtschaftlichen Problemen und der sich daraus ergebenden konzeptionellen Veränderung der Lohn- und Leistungspolitik entweder unter Verletzung der Rechtsnorm oder aber ausschließlich mit erteilter Ausnahmegenehmigung zuständiger staatlicher Organe erfolgt sei. Die Zeugenaussagen seien somit nach Ansicht der Beklagten für die Feststellung der Jahresendprämie im strittigen Zeitraum nicht geeignet. Allgemeine Aussagen zum Erhalt und insbesondere zur Höhe einer Jahresendprämie aufgrund der vorstehenden Ausführungen seien nicht dazu geeignet, den Nachweis eines Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung von Prämien als Lohnbestandteil zu führen. Dies gelte insbesondere dann, weil die zu beweisenden Tatsachen bereits länger als 20 Jahre (und weiter) zurücklägen und damit neben einer umfassenden Sachkenntnis vor allem ein außergewöhnlich hohes und konkretes Erinnerungsvermögen voraussetzen. Darüber hinaus sei die Beklagte weiterhin der Auffassung, dass eine nachträgliche Feststellung der Höhe einer tatsächlich geflossenen Jahresendprämie aufgrund ihres Charakters als "Erfüllungs- und Übererfüllungsprämie festgelegter Kennziffern" und insbesondere in der darin begründeten Abhängigkeit von einer Vielzahl objektiv nicht nachvollziehbarer Faktoren ohne konkrete Nachweise nicht möglich sei. Eine Glaubhaftmachung der Jahresendprämie in einer nicht bezifferbaren Höhe scheide von vornherein aus. Selbst wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit angenommen werden würde, dass im vorliegenden Einzelfall eine Jahresendprämie gezahlt worden sein könnte, könne nicht zweifelsfrei bestimmt werden, welche Summe mindestens zur Auszahlung gelangt sei.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sei rechtmäßig. Die von der Beklagten vorgebrachten Argumente seien nicht geeignet, die Feststellung des SG zu widerlegen. Das SG sei unter nicht zu beanstandender Durchführung der Beweisaufnahme und nicht zu beanstandender Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass er in den Jahren 1972 (anteilig), 1973 bis 1974 und 1976 bis 1987 eine Jahresendprämie jedenfalls in der geltend gemachten Höhe von 100 % des durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes erzielt habe. Das SG habe die Zeugen K., B., L. und Z. ausführlich befragt, welche schlüssig und widerspruchsfrei angegeben hätten, dass er jeweils eine Jahresendprämie von 100 % des durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes erhalten habe. Insoweit habe er den ihm obliegenden Beweis erbracht. Letztlich könne es keine Rolle spielen, ob er die Jahresendprämie möglicherweise ohne Rechtsgrund erhalten habe. Entscheidend sei, dass die Jahresendprämien tatsächlich gezahlt worden seien, was nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweifelsfrei feststehe.

Mit Bescheid vom 25.10.2011 hat die Beklagte - als Rentenversicherungsträger - dem Kläger ab 1.10.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gem. § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Der Rentenbescheid vom 25.10.2011 ist nicht nach § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil der Rentenbescheid den Feststellungsbescheid nach § 8 Abs. 3 AAÜG nicht ersetzt. Entgeltbescheide nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG, die den Rentenversicherungsträger als Vorabfeststellungen eines Versorgungsträgers nach § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG binden, ändern oder ersetzen keine Leistungsbewilligungen und werden durch diese auch selbst nicht abgeändert oder ersetzt. Dies gilt entsprechend auch für die beiden Aufgabenbereiche innerhalb des Rechtssubjekts "Deutsche Rentenversicherung Bund", das sie nach außen durch eine vertretungsberechtigte Behörde im prozess- und organisationsrechtlichen Sinne wahrnimmt, innerhalb dieser Behörde "Direktorium" aber durch verschiedene Stellen (BSG, Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 7/06 R - in SozR 4-1500 § 54 Nr. 11 und in Juris).

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet, weil der Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden ist.

Streitig ist vorliegend allein, ob und in welcher Höhe der Kläger Jahresendprämien in den Jahren 1972, 1973 bis 1974 sowie 1976 bis 1987 erhalten hat.

Gem.§ 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der u.a. für der Zusatzversorgungsystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 SGB VI) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Nachdem sie zuvor den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG (§ 1 Abs. 1) bejaht und die Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, die - fiktive - Pflichtbeitragszeiten zur bundesdeutschen Rentenversicherung begründen (§ 5), festgestellt hat, hat sie unter anderem auch das während dieser Zeiten erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen festzustellen (§ 6 Abs. Satz 1).

Die maßgebliche Norm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (§ 5) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu Grunde zu legen. Die weitere Einschränkung, dieses höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zu berücksichtigen, wird erst im Leistungsverfahren bedeutsam; insoweit hat der Versorgungsträger gegebenenfalls nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze festzustellen.

Bei den strittigen Jahresendprämien handelt es sich um Arbeitsentgelte, nämlich um einmalige Leistungen im Sinne des § 6 Abs. 1 AAÜG, wie das BSG im Urteil vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 und in Juris) im Einzelnen dargelegt hat. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die bundesrechtliche Qualifizierung der Jahresendprämie als Arbeitsentgelt i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wird durch § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV i.V.m. § 1 Arbeitsentgelt-Verordnung (ArEV) vom 18.12.1984 (BGBl I 1642) nicht ausgeschlossen. Ob einmalige Einnahmen eines Versicherten lohnsteuerfrei und damit nicht dem Arbeitsentgelt zuzuordnen sind, bestimmt sich - aufgrund der Überleitung auf das Beitragsgebiet zum 1.1.1991 - auch für AAÜG-Versorgungsberechtigte nach dem am 1.8.1991 geltenden bundesdeutschen Steuerrecht. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der vom 7.9.1990 bis 2.11.1992 geltenden Fassung gehörten zu den - steuerpflichtigen - Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden; gleichgültig war, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelte oder ob ein Rechtsanspruch auf sie bestand.

Die Beklagte bestreitet im vorliegenden Fall auch nicht mehr, dass Jahresendprämien berücksichtigungsfähig sind, sie sieht jedoch den Erhalt und die Höhe der Jahresendprämien beim Kläger weder als nachgewiesen noch als glaubhaft gemacht an.

Der Nachweis einer Tatsache ist dann erbracht, wenn diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht und zwar in so hohem Grade, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (BSG, Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 m.w.N. und Definition in § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).

Für den Senat ist aufgrund der Angaben des Klägers, der Bescheinigungen des Geschäftsführers der E. GmbH H. sowie der P. GmbH, der Aussagen der Zeugen L., Z., K. und B. sowie der Erklärung von R. P. nachgewiesen, dass der Kläger in den Jahren 1972 (anteilig), 1973 und 1974 sowie in den Jahren 1976 bis 1987 Jahresendprämien erhalten hat.

Weiter ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die auf den Angaben des Klägers, den Aussagen der Zeugen L., Z., K. und B. sowie der schriftlichen Erklärung von R. P. beruhen, überwiegend wahrscheinlich und damit glaubhaft gemacht, dass der Kläger als Jahresendprämie mindestens 100 % seines durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt erhalten hat.

Für die Zeit der Beschäftigung im V. B. geht der Senat aufgrund der Angaben des Klägers sowie der Zeugen L. und Z. davon aus, dass der Kläger in den Jahren 1972 (anteilig) sowie 1973 und 1974 eine Jahresendprämie von mindestens 100 % erhalten hat.

So hat der Zeuge L. erklärt, er habe von 1972 bis 1975 mit dem Kläger im selben Unternehmen gearbeitet, in dem er selbst von 1961 bis 2003 beschäftigt gewesen sei. Die Jahresprämie habe 100 bis 130 % des Bruttoverdienstes als Grundprämie betragen. Dann sei innerhalb der Abteilung besprochen worden, ob Treujahre, wahrgenommene staatliche Funktionen, gesellschaftliche Tätigkeiten, viele oder wenige Arbeitsunfähigkeitszeiten, Fleiß usw. zu berücksichtigen seien. In der Regel seien 100 bis 130 % ausgezahlt worden. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen Z. bestätigt, der erklärt hat, ihr Betrieb sei ein guter Betrieb gewesen. Auf jeden Fall seien ihnen 100 % des Bruttoverdienstes als Grundprämie ausgezahlt worden. Diese Erklärungen werden durch das vom Kläger vorgelegte Schreiben des V. B. vom 21.6.1976 bestätigt, aus dem sich ergibt, dass der Kläger für das Jahr 1975 100 % seines Durchschnittslohns als Grundprämie erhalten hat, obwohl er bereits vor Ablauf des Jahres (wohl aufgrund politisch bedingter fristloser Kündigung) aus dem Unternehmen ausgeschieden war und ab 1.12.1975 eine Tätigkeit bei dem VEB Transportgummi - zunächst als Schlosser und ab 15.3.1976 als Betriebsingenieur - aufgenommen hatte.

Der Senat hält - wie das SG - es auch für überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger in den Jahren 1976 bis 1987 eine Jahresendprämie in Höhe von mindestens 100 % seines monatlichen Bruttolohns erhalten hat. Diese Überzeugung des Senats beruht auf den glaubwürdigen Angaben des Klägers sowie der Zeugen K. und B. und der schriftlichen Erklärung von R. P.

Der Zeuge K., der seit 1977 bei der T. tätig und zuletzt (seit 1987) die Jahresendprämie mit festgelegt hat, hat angegeben, dass die Mitarbeiter des Betriebes in der Regel 100 % des Bruttogehaltes erhalten haben und dass dies auch beim Kläger der Fall gewesen sei, da Gründe für Abstriche bei ihm nicht vorgelegen hätten. Im Jahr 1988 habe der Kläger - wegen der Verhaftung - keine Jahresendprämie erhalten. Diese Angaben werden durch die Aussagen der Zeugin B. bestätigt, die erklärt hat, die Jahresendprämie habe 100 bis 120 % betragen; 100 % habe es immer gegeben. Da die Zeugin B. selbst mit der Ausrechnung der Jahresendprämie und der Zeuge K. mit der Festlegung der Jahresendprämie befasst waren, hält der Senat die Aussagen für glaubwürdig.

Der Umstand, dass aufgrund der Prämienverordnung von 1982 und der dazu gehörenden Durchführungsbestimmung nicht mehr auf den Monatslohn Bezug genommen wurde und damit versucht werden sollte, die Höhe der Prämienzahlungen einzufrieren bzw. im Verhältnis zum Durchschnittslohn abzusenken, belegt nicht, dass die Jahresendprämie des Klägers ab 1982 bzw. 1983 unter 100 % des Bruttolohns abgesunken ist und erschüttert die Angaben der Zeugen K. und B., die auch in diesen Jahren mit den Jahresendprämien befasst waren, nicht. Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über die Berechnung von Jahresendprämien sind ebenfalls nicht geeignet, Zweifel an den Aussagen der Zeugen zu wecken. Denn aus den Berechnungen (Prämienkarten der Jahresendprämie) für die Jahre 1972 bis 1989 ergibt sich, dass in den meisten Jahren die Jahresendprämie über 100 % des durchschnittlichen Monatsbruttolohns gelegen hat. Im streitigen Zeitraum von 1972 bis 1974 sowie von 1976 bis 1987 lag sie lediglich in den Jahren 1984 (Jahresbruttolohnsumme 15.327,-, monatlich 1.277,25, Jahresendprämie 1.130,-) und 1987 (Jahresbrutto 16.962,00, monatlich 1.413,50, Jahresendprämie 1.295,00) unter 100 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttolohns. Im Übrigen betreffen diese Berechnungen auch nicht das Unternehmen, in dem der Kläger tätig war.

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung behauptet, eine Glaubhaftmachung der Jahresendprämie in einer nicht bezifferten Höhe scheide von vornherein aus, berücksichtigt sie nicht, dass § 6 Abs. 6 AAÜG selbst die Glaubhaftmachung eines Verdienstes vorsieht und sie selbst im Widerspruchsbescheid hiervon ausgegangen ist. Außerdem geht der Senat - ebenso wie das SG - von einer konkreten Höhe der Jahresendprämie - nämlich 100 % des monatlichen durchschnittlichen Bruttoverdienstes - aus.

Da aus dem Tenor des Gerichtsbescheids nicht zu entnehmen ist, ob das SG von einem Nachweis oder einer Glaubhaftmachung der zusätzlichen Arbeitsentgelte für die Jahresendprämie ausgeht, während das SG in den Entscheidungsgründen ausführt, es sei mehr als eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben, wie sie für eine Glaubhaftmachung i.S. des § 6 Abs. 6 AAÜG erforderlich wäre, um die Jahresprämie in der geltend gemachten Höhe jedenfalls zu fünf Sechstel zu berücksichtigen, hat der Senat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Gerichtsbescheid des SG genannten Jahresendprämien in Höhe eines durchschnittlichen Jahresmonatsverdienstes als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt gemäß § 6 Abs. 6 AAÜG zu berücksichtigen sind.

Nach alledem war der Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Beklagten musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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