Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2667/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5230/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die (rentenversicherungsrechtliche) Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung.
Die 1969 geborene Klägerin ist französische Staatsangehörige; sie zog am 1. Juni 1996 in die Bundesrepublik Deutschland zu. In Frankreich hatte sie von September 1981 bis Juli 1987 das Gymnasium besucht und mit dem Reifezeugnis der zweiten Sekundarstufe erfolgreich abgeschlossen. Ab September 1987 sie an der Universität Paris und erwarb dort am 28. Juni 1990 das Diplôme universitaire de Technologie im Fachgebiet "STATISTIQUE ET TRAITEMENT INFORMATIQUE DES DONNEES" (Statistik und Datenverarbeitung). Anschließend setzte sie das Studium an der ECOLE NATIONALE DE LA STATISTIQUE ET DE L’ADMINISTRATION (ENSAE), einer staatlichen Hochschule in Paris bis Juni 1992 fort und erwarb am 3. August 1992 das DIPLÔME DE CADRE DE GESTION STATISTIQUE (Zeugnis eines Statistikverwaltungsmanagers). Dem folgte ein (Aufbau-) Studium an der HEC SCHOOL OF MANAGEMENT - HAUTES ÉTUDES COMMERCIALES (HEC; Wirtschaftshochschule; 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994), das die Klägerin mit dem ihr am 10. Juni 1994 verliehenen Grad einer Masters Spécialisé (M. S.) erfolgreich abschloss. In der Folgezeit arbeitete die Klägerin als Marktforscherin bei der französischen Bahn.
Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland stellte die Klägerin am 14. Mai 2008 einen Antrag auf Kontenklärung. Nach Klärung des Versicherungskontos stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2009 die in einem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31. Dezember 2002 als für die Beteiligten verbindlich fest. Sie merkte dabei u. a. die Zeit vom 28. August 1986 bis 31. August 1987 als Zeit der Schulausbildung und die Zeit vom 1. September 1987 bis 30. Juni 1992 als Zeit der Hochschulausbildung vor. Eine Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit lehnte die Beklagte ausdrücklich ab, weil die durchlaufene Ausbildung keine Lehrzeit, Schul-, Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung gewesen sei. Den hiergegen seitens der Klägerin am 13. Mai 2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2009 zurück. Der Abschluss der Hochschulausbildung sei grundsätzlich die von der Hochschule für den jeweiligen Studiengang nach den maßgebenden Prüfungsbestimmungen vorgesehene Abschlussprüfung. Das in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 absolvierte Aufbaustudium des 3ème cycle habe lediglich der Vertiefung und Erweiterung der mit dem bereits zuvor abgeschlossenen Studium erworbenen Kenntnisse gedient. Dieses Studium sei somit als Ergänzungsstudium zu werten und könne folglich nicht als Ausbildungs-Anrechnungszeit vorgemerkt werden.
Mit der am 13. August 2009 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, das Master-Marketing sei ein eigenes Studium gewesen, denn sie habe mehrere Voraussetzungen erfüllen müssen, um als Studentin bei der HEC aufgenommen zu werden. Die Studieninhalte seien weitgehend neu gewesen. Mit der erworbenen Spezialisierung hätten sich ihre Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich erhöht. Der dritte Studienabschnitt sei keine Promotion, sondern einer Master-Ausbildung vergleichbar gewesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2009 hat das SG die Beklagte verpflichtet, die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit der Hochschulausbildung vorzumerken. Die Klägerin habe das in Frankreich typische dreigliedrige Studiensystem durchlaufen. Dabei habe zwar nach jedem Abschnitt die Möglichkeit der Aufnahme einer Berufstätigkeit bestanden, allerdings mit deutlich geminderten Berufschancen. Der dritte Studienabschnitt stelle deshalb kein eigenständiges Zusatzstudium dar, sondern sei als Teil eines einheitlichen Hochschulstudiums zu werten.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 15. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 10. November 2009 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine abgeschlossene Hochschulausbildung liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bereits vor, wenn der erste von mehreren möglichen Abschlüssen erreicht sei. Dies sei im Fall der Klägerin bereits im Juni 1992 mit dem Erwerb des DIPLÔME DE CADRE DE GESTION STATISTIQUE der Fall gewesen. Das im Anschluss an der HEC absolvierte Studium sei deshalb nur als Aufbau- oder Zusatzstudium zu qualifizieren, das nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (56 280869 B 531), die Klageakte des SG (S 4 R 2667/09) und die Berufungsakte des Senats (L 13 R 5230/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht der Klage stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der Zeiten bis 31. Dezember 2002 als für die Beteiligten verbindlich feststellende (Vormerkungs-) Bescheid vom 23. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2009, allerdings nur, soweit die Beklagte die Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung abgelehnt hat. Insoweit erweist sich der angegriffene Vormerkungsbescheid als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht der allein geltend gemachte Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung zu. Darüber hinaus hat die Klägerin den streitgegenständlichen Vormerkungsbescheid nicht mit Widerspruch und Klage angefochten; die übrigen Vormerkungen sind als eigenständige Verfügungssätze des Bescheids vom 23. April 2009 damit bestandskräftig geworden.
Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Vormerkung ist § 149 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach seiner Versendung nicht widersprochen hat. Der Vormerkungsanspruch nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist gerichtet auf die Feststellung von Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rechtserheblich und nach Maßgabe des deutschen Rentenversicherungsrechts im Versicherungskonto festzustellen sind. Ein solcher Vormerkungsanspruch steht der Klägerin (auch) im Hinblick auf die als (Hochschul-) Anrechnungszeit geltend gemachte Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 zu.
Die Klägerin hat rentenrechtliche Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt und ist dementsprechend "Versicherte" im Sinne des § 149 Abs. 5 SGB VI. Die Zeiten des Besuchs der HEC vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 sind als Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung vorzumerken. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu 8 Jahren. Die Vorschrift setzt hier, hinsichtlich des allein in Frage kommenden Tatbestandsmerkmals "Besuch der Hochschule", nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck voraus, dass die Versicherte während dieser Zeit an der Hochschule zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation ("Ausbildung") studiert hat, die ihr einen Weg ins Berufsleben eröffnet. Ein erfolgreich abgeschlossenes Studium ist zwar nicht für die Anerkennung dieser Zeit als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit erforderlich; jedoch ist allein das Studium an einer Hochschule - unabhängig von dem oben genannten Ziel - als Voraussetzung für die Vormerkung eines derartigen Tatbestandes nicht ausreichend. Mithin sind nur solche Zeiten berücksichtigungsfähig, die der "Ausbildung" dienen; grundsätzlich stellt die Abschlussprüfung das Ende der (Hochschul-)Ausbildung dar; dies gilt unabhängig davon, ob eine Fachschule oder eine Hochschule besucht worden ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 67/97 - SozR 3-2600 § 58 Nr. 13, veröffentlicht auch in Juris).
Der Anrechnungszeittatbestand einer Hochschulausbildung ist nicht auf Ausbildungen im Inland beschränkt (BSG, Urteil vom 2. November 1983 - 11 RA 82/82 - SozR 2200 § 1259 Nr. 80; Urteil vom 26. Juni 1991 - 8 RKn 15/89 - SozR 3-2200 § 1259 Nr. 6). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 1991 - 4/1 RA 65/90 - SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 9 m.w.N) kann grundsätzlich nur eine einzige erfolgreich abgeschlossene Hochschulausbildung als Anrechnungszeit anerkannt werden. Nach Erreichen des ersten möglichen Abschlusses sind weitere Ausbildungsabschnitte an einer Hochschule keine Anrechnungszeittatbestände mehr. Dies gilt erst recht, wenn ein Studium nur der Vertiefung, Auffrischung oder gar dem erstmaligen Erwerb der Kenntnisse gilt, deren Nachweis eine bereits erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung dient. Das Gesetz berücksichtigt nicht jede Berufsausbildung als Anrechnungszeit, sondern nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit geregeltem Ausbildungsgang. Hierbei ist die Hochschulausbildung nur bis zu dem Abschluss zu berücksichtigen, der den Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. März 2009 - L 2 R 195/07 - veröffentlicht in Juris m.w.H. auf die Rechtsprechung des BSG).
Wie bereits das SG in den Gründen des mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheids vom 8. Oktober 2009, auf die der Senat zur weiteren Begründung ergänzend Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), zutreffend dargelegt hat, ist im Fall des von der Klägerin durchlaufenen dreigliedrigen französischen Studiensystems erst nach dem Erwerb eines Abschlusses der dritten Stufe das rechtliche Ende der Hochschulausbildung eingetreten und der Weg ins Berufsleben eröffnet. Die zuvor erreichten Abschlüsse der ersten und zweiten Stufe qualifizieren hierfür noch nicht und schließen deshalb eine Anerkennung der dritten Stufe als (Hochschul-) Ausbildungsanrechnungszeit nicht aus. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 18. März 2009 (a.a.O.) hierzu Folgendes ausgeführt:
"Mit erfolgreichem Abschluss lediglich des zweiten Abschnitts eines dreigliedrigen französischen Universitätsstudiums der Ingenieurwissenschaften war die Klägerin jedenfalls für die hier maßgeblichen bundesdeutschen Verhältnisse erkennbar nicht berechtigt, einen Ingenieurberuf auszuüben. Der Ausbildungserfolg ist vielmehr erst mit dem Erwerb des Abschlusses des Diplome d`Ètudes Approffondies (D.E.A.) eingetreten. Mithin war die Klägerin auch erst beginnend ab diesem Zeitpunkt berechtigt, in Deutschland einen ein Ingenieurstudium voraussetzenden Beruf zu ergreifen und auszuüben. Dass dabei nicht die "rechtlichen" Verhältnisse im Ausland - hier: Frankreich - maßgeblich sind, ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. November 1991 (Urteil, 4/1 RA 65/90, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 9), der sich der Senat insoweit anschließt. Mit Ausstellung einer Gleichwertigkeitsbescheinigung ist danach ein in der ehemaligen DDR absolviertes Studium der Staats- und Rechtswissenschaften, erfolgreich abgeschlossen mit der juristischen Diplom-Prüfung, der Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet worden. In diesem Sinne stellt der von der Klägerin in Frankreich absolvierte Abschluss der Maitrise keinen ordnungsgemäßen ersten rechtlichen Hochschulabschluss dar. Es handelt sich vielmehr um eine als Abschluss nach bundesdeutschen Maßstäben nicht hinreichende Vorprüfung.
Die dargelegte Rechtsansicht des Senats steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (EU).
Einerseits würde bereits die über Art. 18 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl. II, 766 - EGV) gewährleistete Freizügigkeit ... innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigt, wenn in einem Mitgliedsstaat absolvierte Vorprüfungen in einem anderen Mitgliedsstaat als eine die Hochschulausbildung abschließende Prüfung anzusehen wäre und nachfolgende Zeiten schulischer Ausbildung keine Berücksichtigung finden könnten. Vielmehr ergibt sich aus Art. 149 Abs. 1 EGV das Ziel der Gemeinschaft und der Mitgliedsstaaten, nämlich die Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung. Konkret beschreibt Art. 149 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich EGV die Förderung der Mobilität der Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten.
Ferner stützt sich die vom Senat vertretene Auffassung auf sekundäres Gemeinschaftsrecht in Gestalt der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 1495.7. 1971 S. 2). Zwar enthält Art. 45 Abs. 1 EWG 1408/71 kein allgemeines Gleichstellungsgebot für Anspruchsvoraussetzungen, sondern verpflichtet die mitgliedschaftlichen Träger lediglich, bei der Prüfung speziell der versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen die nach fremdmitgliedstaatlichem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten mit den innerstaatlichen Zeiten zusammenzurechnen, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Insbesondere haben jedoch die Wartezeiten, im Falle der Klägerin die Wartezeit von 35 Jahren als Voraussetzung für den Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte (§ 50 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI), auf die nach Maßgabe des § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten - mithin auch Anrechnungszeiten nach § 54 Abs. 1 und 4 SGB VI iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten einer schulischen Ausbildung - angerechnet werden, anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenen Charakter i.S. des § 45 Abs. 1 EWG 1408/71 und sind deshalb wie mitgliedstaatliche Rentenzeiten zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, U. v. 8.12.2005 - B 13 RJ 40/04 R - SozR 4-2600 § 53 Nr. 1 zum gemeinschaftsrechtlichen Gebot zur Gleichstellung von Aufschubtatbeständen). Als Studierende ist die Klägerin ausdrücklich gemäß Art. 2 Abs. 1 EWG 1408/71 vom persönlichen Geltungsbereich umfasst.
Schließlich ist die von der Beklagten vertretene Auffassung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwert. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 112, 50). Die unterschiedliche Behandlung derjenigen Versicherten, die ein Ingenieurstudium mit der Diplomprüfung in Deutschland abschließen und zweifelsohne bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich Anspruch auf Vormerkung Zeiten schulischer Ausbildung als Anrechnungszeittatbestände haben, gegenüber denjenigen Versicherten, die - wie die Klägerin - im Ausland nach dortigen Maßstäben ein dreigliedrigeres Ingenieurstudium absolvieren und sich einer abschließenden Diplom-Prüfung unterziehen, um sodann erstmals jeweils Zugang zu einem Ingenieurberuf zu erlangen, ist durch sachliche Gründe nicht zu rechfertigen."
Nach diesen mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Widerspruch stehenden Grundsätzen, denen auch der erkennende Senat sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung anschließt, hat im Fall der Klägerin weder der Erwerb des Diplôme universitaire de Technologie noch das anschließend zuerkannte Diplôme de Cadre de Gestion statistique zu einer die Vormerkung nachfolgender Ausbildungsanrechungszeiten ausschließenden Beendigung des Hochschulstudiums geführt. Einen Ausbildungsabschluss in diesem Sinne hat die Klägerin erst mit dem Grad der Master Spécialisé erworben. Der zu diesem Abschluss führende dritte Studienabschnitt, den die Klägerin an der HEC absolviert hat, ist dementsprechend (auch) als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorzumerken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die (rentenversicherungsrechtliche) Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung.
Die 1969 geborene Klägerin ist französische Staatsangehörige; sie zog am 1. Juni 1996 in die Bundesrepublik Deutschland zu. In Frankreich hatte sie von September 1981 bis Juli 1987 das Gymnasium besucht und mit dem Reifezeugnis der zweiten Sekundarstufe erfolgreich abgeschlossen. Ab September 1987 sie an der Universität Paris und erwarb dort am 28. Juni 1990 das Diplôme universitaire de Technologie im Fachgebiet "STATISTIQUE ET TRAITEMENT INFORMATIQUE DES DONNEES" (Statistik und Datenverarbeitung). Anschließend setzte sie das Studium an der ECOLE NATIONALE DE LA STATISTIQUE ET DE L’ADMINISTRATION (ENSAE), einer staatlichen Hochschule in Paris bis Juni 1992 fort und erwarb am 3. August 1992 das DIPLÔME DE CADRE DE GESTION STATISTIQUE (Zeugnis eines Statistikverwaltungsmanagers). Dem folgte ein (Aufbau-) Studium an der HEC SCHOOL OF MANAGEMENT - HAUTES ÉTUDES COMMERCIALES (HEC; Wirtschaftshochschule; 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994), das die Klägerin mit dem ihr am 10. Juni 1994 verliehenen Grad einer Masters Spécialisé (M. S.) erfolgreich abschloss. In der Folgezeit arbeitete die Klägerin als Marktforscherin bei der französischen Bahn.
Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland stellte die Klägerin am 14. Mai 2008 einen Antrag auf Kontenklärung. Nach Klärung des Versicherungskontos stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2009 die in einem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31. Dezember 2002 als für die Beteiligten verbindlich fest. Sie merkte dabei u. a. die Zeit vom 28. August 1986 bis 31. August 1987 als Zeit der Schulausbildung und die Zeit vom 1. September 1987 bis 30. Juni 1992 als Zeit der Hochschulausbildung vor. Eine Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit lehnte die Beklagte ausdrücklich ab, weil die durchlaufene Ausbildung keine Lehrzeit, Schul-, Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung gewesen sei. Den hiergegen seitens der Klägerin am 13. Mai 2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2009 zurück. Der Abschluss der Hochschulausbildung sei grundsätzlich die von der Hochschule für den jeweiligen Studiengang nach den maßgebenden Prüfungsbestimmungen vorgesehene Abschlussprüfung. Das in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 absolvierte Aufbaustudium des 3ème cycle habe lediglich der Vertiefung und Erweiterung der mit dem bereits zuvor abgeschlossenen Studium erworbenen Kenntnisse gedient. Dieses Studium sei somit als Ergänzungsstudium zu werten und könne folglich nicht als Ausbildungs-Anrechnungszeit vorgemerkt werden.
Mit der am 13. August 2009 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, das Master-Marketing sei ein eigenes Studium gewesen, denn sie habe mehrere Voraussetzungen erfüllen müssen, um als Studentin bei der HEC aufgenommen zu werden. Die Studieninhalte seien weitgehend neu gewesen. Mit der erworbenen Spezialisierung hätten sich ihre Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich erhöht. Der dritte Studienabschnitt sei keine Promotion, sondern einer Master-Ausbildung vergleichbar gewesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2009 hat das SG die Beklagte verpflichtet, die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit der Hochschulausbildung vorzumerken. Die Klägerin habe das in Frankreich typische dreigliedrige Studiensystem durchlaufen. Dabei habe zwar nach jedem Abschnitt die Möglichkeit der Aufnahme einer Berufstätigkeit bestanden, allerdings mit deutlich geminderten Berufschancen. Der dritte Studienabschnitt stelle deshalb kein eigenständiges Zusatzstudium dar, sondern sei als Teil eines einheitlichen Hochschulstudiums zu werten.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 15. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 10. November 2009 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine abgeschlossene Hochschulausbildung liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bereits vor, wenn der erste von mehreren möglichen Abschlüssen erreicht sei. Dies sei im Fall der Klägerin bereits im Juni 1992 mit dem Erwerb des DIPLÔME DE CADRE DE GESTION STATISTIQUE der Fall gewesen. Das im Anschluss an der HEC absolvierte Studium sei deshalb nur als Aufbau- oder Zusatzstudium zu qualifizieren, das nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (56 280869 B 531), die Klageakte des SG (S 4 R 2667/09) und die Berufungsakte des Senats (L 13 R 5230/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht der Klage stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der Zeiten bis 31. Dezember 2002 als für die Beteiligten verbindlich feststellende (Vormerkungs-) Bescheid vom 23. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2009, allerdings nur, soweit die Beklagte die Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung abgelehnt hat. Insoweit erweist sich der angegriffene Vormerkungsbescheid als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht der allein geltend gemachte Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung zu. Darüber hinaus hat die Klägerin den streitgegenständlichen Vormerkungsbescheid nicht mit Widerspruch und Klage angefochten; die übrigen Vormerkungen sind als eigenständige Verfügungssätze des Bescheids vom 23. April 2009 damit bestandskräftig geworden.
Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Vormerkung ist § 149 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach seiner Versendung nicht widersprochen hat. Der Vormerkungsanspruch nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist gerichtet auf die Feststellung von Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rechtserheblich und nach Maßgabe des deutschen Rentenversicherungsrechts im Versicherungskonto festzustellen sind. Ein solcher Vormerkungsanspruch steht der Klägerin (auch) im Hinblick auf die als (Hochschul-) Anrechnungszeit geltend gemachte Zeit vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 zu.
Die Klägerin hat rentenrechtliche Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt und ist dementsprechend "Versicherte" im Sinne des § 149 Abs. 5 SGB VI. Die Zeiten des Besuchs der HEC vom 1. Juli 1992 bis 18. Mai 1994 sind als Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung vorzumerken. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu 8 Jahren. Die Vorschrift setzt hier, hinsichtlich des allein in Frage kommenden Tatbestandsmerkmals "Besuch der Hochschule", nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck voraus, dass die Versicherte während dieser Zeit an der Hochschule zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation ("Ausbildung") studiert hat, die ihr einen Weg ins Berufsleben eröffnet. Ein erfolgreich abgeschlossenes Studium ist zwar nicht für die Anerkennung dieser Zeit als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit erforderlich; jedoch ist allein das Studium an einer Hochschule - unabhängig von dem oben genannten Ziel - als Voraussetzung für die Vormerkung eines derartigen Tatbestandes nicht ausreichend. Mithin sind nur solche Zeiten berücksichtigungsfähig, die der "Ausbildung" dienen; grundsätzlich stellt die Abschlussprüfung das Ende der (Hochschul-)Ausbildung dar; dies gilt unabhängig davon, ob eine Fachschule oder eine Hochschule besucht worden ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 67/97 - SozR 3-2600 § 58 Nr. 13, veröffentlicht auch in Juris).
Der Anrechnungszeittatbestand einer Hochschulausbildung ist nicht auf Ausbildungen im Inland beschränkt (BSG, Urteil vom 2. November 1983 - 11 RA 82/82 - SozR 2200 § 1259 Nr. 80; Urteil vom 26. Juni 1991 - 8 RKn 15/89 - SozR 3-2200 § 1259 Nr. 6). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 1991 - 4/1 RA 65/90 - SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 9 m.w.N) kann grundsätzlich nur eine einzige erfolgreich abgeschlossene Hochschulausbildung als Anrechnungszeit anerkannt werden. Nach Erreichen des ersten möglichen Abschlusses sind weitere Ausbildungsabschnitte an einer Hochschule keine Anrechnungszeittatbestände mehr. Dies gilt erst recht, wenn ein Studium nur der Vertiefung, Auffrischung oder gar dem erstmaligen Erwerb der Kenntnisse gilt, deren Nachweis eine bereits erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung dient. Das Gesetz berücksichtigt nicht jede Berufsausbildung als Anrechnungszeit, sondern nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit geregeltem Ausbildungsgang. Hierbei ist die Hochschulausbildung nur bis zu dem Abschluss zu berücksichtigen, der den Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. März 2009 - L 2 R 195/07 - veröffentlicht in Juris m.w.H. auf die Rechtsprechung des BSG).
Wie bereits das SG in den Gründen des mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheids vom 8. Oktober 2009, auf die der Senat zur weiteren Begründung ergänzend Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), zutreffend dargelegt hat, ist im Fall des von der Klägerin durchlaufenen dreigliedrigen französischen Studiensystems erst nach dem Erwerb eines Abschlusses der dritten Stufe das rechtliche Ende der Hochschulausbildung eingetreten und der Weg ins Berufsleben eröffnet. Die zuvor erreichten Abschlüsse der ersten und zweiten Stufe qualifizieren hierfür noch nicht und schließen deshalb eine Anerkennung der dritten Stufe als (Hochschul-) Ausbildungsanrechnungszeit nicht aus. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 18. März 2009 (a.a.O.) hierzu Folgendes ausgeführt:
"Mit erfolgreichem Abschluss lediglich des zweiten Abschnitts eines dreigliedrigen französischen Universitätsstudiums der Ingenieurwissenschaften war die Klägerin jedenfalls für die hier maßgeblichen bundesdeutschen Verhältnisse erkennbar nicht berechtigt, einen Ingenieurberuf auszuüben. Der Ausbildungserfolg ist vielmehr erst mit dem Erwerb des Abschlusses des Diplome d`Ètudes Approffondies (D.E.A.) eingetreten. Mithin war die Klägerin auch erst beginnend ab diesem Zeitpunkt berechtigt, in Deutschland einen ein Ingenieurstudium voraussetzenden Beruf zu ergreifen und auszuüben. Dass dabei nicht die "rechtlichen" Verhältnisse im Ausland - hier: Frankreich - maßgeblich sind, ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. November 1991 (Urteil, 4/1 RA 65/90, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 9), der sich der Senat insoweit anschließt. Mit Ausstellung einer Gleichwertigkeitsbescheinigung ist danach ein in der ehemaligen DDR absolviertes Studium der Staats- und Rechtswissenschaften, erfolgreich abgeschlossen mit der juristischen Diplom-Prüfung, der Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet worden. In diesem Sinne stellt der von der Klägerin in Frankreich absolvierte Abschluss der Maitrise keinen ordnungsgemäßen ersten rechtlichen Hochschulabschluss dar. Es handelt sich vielmehr um eine als Abschluss nach bundesdeutschen Maßstäben nicht hinreichende Vorprüfung.
Die dargelegte Rechtsansicht des Senats steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (EU).
Einerseits würde bereits die über Art. 18 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl. II, 766 - EGV) gewährleistete Freizügigkeit ... innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigt, wenn in einem Mitgliedsstaat absolvierte Vorprüfungen in einem anderen Mitgliedsstaat als eine die Hochschulausbildung abschließende Prüfung anzusehen wäre und nachfolgende Zeiten schulischer Ausbildung keine Berücksichtigung finden könnten. Vielmehr ergibt sich aus Art. 149 Abs. 1 EGV das Ziel der Gemeinschaft und der Mitgliedsstaaten, nämlich die Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung. Konkret beschreibt Art. 149 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich EGV die Förderung der Mobilität der Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten.
Ferner stützt sich die vom Senat vertretene Auffassung auf sekundäres Gemeinschaftsrecht in Gestalt der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 1495.7. 1971 S. 2). Zwar enthält Art. 45 Abs. 1 EWG 1408/71 kein allgemeines Gleichstellungsgebot für Anspruchsvoraussetzungen, sondern verpflichtet die mitgliedschaftlichen Träger lediglich, bei der Prüfung speziell der versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen die nach fremdmitgliedstaatlichem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten mit den innerstaatlichen Zeiten zusammenzurechnen, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Insbesondere haben jedoch die Wartezeiten, im Falle der Klägerin die Wartezeit von 35 Jahren als Voraussetzung für den Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte (§ 50 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI), auf die nach Maßgabe des § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten - mithin auch Anrechnungszeiten nach § 54 Abs. 1 und 4 SGB VI iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten einer schulischen Ausbildung - angerechnet werden, anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenen Charakter i.S. des § 45 Abs. 1 EWG 1408/71 und sind deshalb wie mitgliedstaatliche Rentenzeiten zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, U. v. 8.12.2005 - B 13 RJ 40/04 R - SozR 4-2600 § 53 Nr. 1 zum gemeinschaftsrechtlichen Gebot zur Gleichstellung von Aufschubtatbeständen). Als Studierende ist die Klägerin ausdrücklich gemäß Art. 2 Abs. 1 EWG 1408/71 vom persönlichen Geltungsbereich umfasst.
Schließlich ist die von der Beklagten vertretene Auffassung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwert. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 112, 50). Die unterschiedliche Behandlung derjenigen Versicherten, die ein Ingenieurstudium mit der Diplomprüfung in Deutschland abschließen und zweifelsohne bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich Anspruch auf Vormerkung Zeiten schulischer Ausbildung als Anrechnungszeittatbestände haben, gegenüber denjenigen Versicherten, die - wie die Klägerin - im Ausland nach dortigen Maßstäben ein dreigliedrigeres Ingenieurstudium absolvieren und sich einer abschließenden Diplom-Prüfung unterziehen, um sodann erstmals jeweils Zugang zu einem Ingenieurberuf zu erlangen, ist durch sachliche Gründe nicht zu rechfertigen."
Nach diesen mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Widerspruch stehenden Grundsätzen, denen auch der erkennende Senat sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung anschließt, hat im Fall der Klägerin weder der Erwerb des Diplôme universitaire de Technologie noch das anschließend zuerkannte Diplôme de Cadre de Gestion statistique zu einer die Vormerkung nachfolgender Ausbildungsanrechungszeiten ausschließenden Beendigung des Hochschulstudiums geführt. Einen Ausbildungsabschluss in diesem Sinne hat die Klägerin erst mit dem Grad der Master Spécialisé erworben. Der zu diesem Abschluss führende dritte Studienabschnitt, den die Klägerin an der HEC absolviert hat, ist dementsprechend (auch) als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorzumerken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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