L 6 SF 872/11 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 26 SF 125/10 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 872/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. April 2011 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 26 AS 1915/07).

Mit Bescheid vom 8. April 2007 hob die Beklagte, eine ARGE SGB II, gegenüber dem Kläger ihren Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis 30. April 2006 teilweise in Höhe von 108,80 Euro auf und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 zurück, soweit er nicht die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen betraf. Mit seiner am 16. Juli 2007 erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen den Abzug von 35 v.H. des täglichen Regelbedarfs wegen ersparter persönlicher Verpflegungsaufwendungen während seiner stationären Behandlung in der Zeit vom 22. März bis 19. April 2006. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2007 gewährte ihm das Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin ab 16. Juli 2007.

Auf Anfrage der Kammervorsitzenden, ob die Beklagte aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 2008 - Az.: B 14 AS 22/07 R ihren Bescheid abändere, hob diese unter dem 29. Oktober 2008 den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Das Anerkenntnis nahm die Beschwerdeführerin für den Kläger am 20. November 2008 an und erklärte die Hauptsache für erledigt. Unter dem 27. Januar 2009 erklärte sich die Beklagte zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit.

Mit Verfügung vom 14. November 2007 hatte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) antragsgemäß einen Vorschuss in Höhe von 321,30 Euro festgesetzt. Auf den weiteren Antrag auf Vorschuss vom 20. November 2008 verfügte sie am 26. November 2008 die Festsetzung von 238,00 Euro und teilte am 23. Februar 2009 der Beklagten mit, die Kosten seien "gem. § 55 Abs. 1 RVG auf 559,30 EUR festgesetzt" worden; es werde um Erstattung gebeten. Am 12. März 2010 reichte die Beschwerdeführerin ihre Kostenrechnung vom 10. März 2010 ein und begehrte die Festsetzung folgender Gebühren und deren Überweisung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 18,00 Euro Zwischensumme 678,00 Euro Mehrwertsteuer 128,82 Euro Gesamtbetrag 806,82 Euro abzüglich erhaltene Zahlung 580,72 Euro 226,10 Euro

Mit Beschluss vom 20. April 2010 setzte die UKB die aus der "Landeskasse (richtig: Staatskasse) noch zu zahlende Vergütung" auf 21,42 Euro fest. Zur Begründung gab sie an, die Erledigungsgebühr komme bei Annahme eines Anerkenntnisses mangels qualifizierter anwaltlicher Mitwirkung nicht in Betracht. Zusätzlich seien die Dokumentenpauschale und die Mehrwertsteuer zu zahlen.

Am 19. Mai 2010 hat die Beschwerdeführerin "insbesondere gegen die Absetzung der Erledigungsgebühr" und die darauf entfallende Mehrwertsteuer Erinnerung eingelegt und sich zur Begründung auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Juli 2008 - Az.: L 6 B 337/08 AS-KO bezogen. Der Beschwerdegegner ist ihr entgegengetreten und hat auf die Ausführungen der UKB im Beschluss vom 20. April 2010 verwiesen.

Mit Beschluss vom 4. April 2011 hat das Sozialgericht Altenburg die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 580,72 Euro festgesetzt und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zu Recht sei die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG abgesetzt worden, denn es fehle an einem besonderen kausalen Bemühen der Beschwerdeführerin an einer unstreitigen Verfahrenserledigung. Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeute nach dem Sprachgebrauch mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" des Rechtsanwalts und insofern ein Tätigwerden, das über die Klageeinreichung und -begründung hinausgehe. Die Regelungssystematik des RVG bestätige das Erfordernis der qualifizierten Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die Annahme des Anerkenntnisses beinhalte kein besonderes Bemühen. Vielmehr sei die Tätigkeit der Beschwerdeführerin mit der fiktiven Terminsgebühr abgegolten. Damit ergebe sich folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 18,00 Euro Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG 92,72 Euro Gesamtbetrag 580,72 Euro

Gegen den ihr am 20. April 2011 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 21. April 2011 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf ihre Erinnerungsbegründung verwiesen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. April 2011 aufzuheben und die Vergütung auf 806,82 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des Sozialgerichts.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. Juli 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Frist des §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist gewahrt.

Nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ist der der Senatsvorsitzende zuständig für die Entscheidung. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat bestehen nicht; die Sache hat angesichts des Senatsbeschlusses vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B keine grundsätzliche Bedeutung mehr.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Dem Kläger wurde PKH gewährt. Er war auch kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 12 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 RVG Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Allerdings war die verfahrensmäßige Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung unrichtig. Die UKB hätte auf den Antrag auf Vorschuss vom 20. November 2008 nur darüber, nicht aber über die endgültige Festsetzung entscheiden dürfen. Damit entspricht auch der Tenor der Festsetzung vom 20. April 2010 ("noch zu zahlenden Vergütung") nicht den Vorgaben des § 55 Abs. 1 S. 1 RVG. Allerdings hat sie nach Eingang des Antrags im Ergebnis inzident über die gesamte Höhe der Vergütung entschieden, sodass die Vorinstanz insgesamt über die Erinnerung - wie geschehen - entscheiden konnte.

1. Der Senat hat keine Bedenken gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV-RVG in Höhe der beantragten Mittelgebühr (250,00 Euro). Sie wurde zudem von den Beteiligten nicht angegriffen.

Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit sechs teilweise sehr kurzen Schriftsätzen lag er hier im mittleren Bereich eines durchschnittlichen Verfahrens. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war allenfalls durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger angesichts der Höhe der Rückforderung (108,08 Euro) für ihn als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II überdurchschnittlich. Es kommt auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für die Antragsteller an, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Seine unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden durch die überdurchschnittliche Bedeutung kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.

2. Bei der getrennt zu prüfenden Terminsgebühr (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 3. April 2009 - Az.: L 6 B 261/08 SF m.w.N.) beträgt der Betragsrahmen nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Die von der Beschwerdeführerin bestimmte und von der UKB zuerkannte Gebühr von 200,00 Euro ist angesichts der Umstände überhöht und übersteigt auch die Toleranzgrenze von 20 v.H. Unter Berücksichtigung aller Umstände war nur eine Vergütung in Höhe von 150,00 Euro angemessen.

Abzustellen ist bei der fiktiven Terminsgebühr nicht auf den hypothetischen Aufwand (so Bayerisches LSG, Beschluss vom 20. August 2010 - Az.: L 15 B 1007/08 SF; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Juli 2008 - L 1 B 127/08 SK; SG Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2009 - Az.: S 12 SF 56/09 E, alle nach juris), denn die voraussichtliche Dauer einer mündlichen Verhandlung ist in den meisten Fällen spekulativ (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 2011 - Az.: L 6 SF 727/10 B) und die Praxis zeigt immer wieder Fälle, in denen die erwartete Dauer einer mündlichen Verhandlung nicht eingehalten werden kann. Deshalb muss der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 3. Januar 2011 - Az.: L 6 SF 727/10 B; SG Berlin, Beschluss vom 10. September 2007 - Az.: S 48 SB 2223/05, nach juris). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (Annahme eines vollen Anerkenntnisses) war allerdings weit unterdurchschnittlich. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verhandlungsgebühr (1.) verwiesen.

3. Eine Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG kommt nicht in Betracht, denn der Rechtsstreit hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt", wie sie in der Erläuterung zu Nr. 1002 VV-RVG gefordert wird. In seinem Beschluss vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B hat der erkennende Senat hierzu ausgeführt:

"Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B), denn Ziel der Einigungsgebühr ist es, die streitvermeidende oder -beendete Tätigkeit des Rechtanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drucks. 15/1971 S. 204). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05, beide nach juris). In seinem Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06 führt das BSG u.a. aus: "Die anwaltliche Mitwirkung muss vielmehr gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2006 - 2 O 223/05, juris RdNr 5; FG des Saarlandes, Beschluss vom 14. November 2005 - 2 S 335/05, juris RdNr 15 ). Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeutet nach dem Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts ( ähnlich: Hartmann, aaO, 1002 VV RVG RdNr 11 ) und erfordert deshalb ein auf die Erledigung der Rechtssache gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Widerspruchseinlegung und -begründung hinausgeht. Nur in diese Auslegung fügt sich auch der Wortlaut der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG ein, die den unter Geltung der BRAGO noch nicht ausdrücklich geregelten Fall betrifft, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Verpflichtungswiderspruch). Die Worte "Das Gleiche gilt" stellen klar, dass es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mitwirkung des Anwalts ankommt. Nichts anderes kann für eine Verwaltungsentscheidung gelten, die einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) vorgelagert ist. bb) Die Regelungssystematik des VV RVG bestätigt das Erfordernis einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die Erledigungsgebühr der Nr 1002 VV RVG befindet sich nämlich als dritter geregelter Fall der "allgemeinen Gebühren", die neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren stehen, in einem engen Regelungszusammenhang mit der Einigungsgebühr (Nr 1000 VV RVG) und der Aussöhnungsgebühr (Nr 1001 VV RVG). Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung des Anwalts beim Abschluss eines (streitbeendenden) Vergleichsvertrages vgl dazu zB BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - 3 AZB 69/05, NJW 2006, 1997 ), die Aussöhnungsgebühr dann, wenn die anwaltliche Tätigkeit dazu geführt hat, dass sich scheidungswillige Eheleute aussöhnen und die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen oder wieder aufnehmen. Auch in diesen anderen Fällen ist der Rechtsanwalt in einer Weise tätig geworden, die über die allgemeine Wahrnehmung verfahrensmäßiger bzw rechtlicher Interessen für seinen Mandanten hinausgeht und damit eine Entstehung neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren rechtfertigt. Für die Auslegung der Nr 1002 VV RVG und damit insoweit auch der Nr 1005 VV RVG hat dann Gleiches zu gelten. Auch der systematische Zusammenhang von Nr 1005 mit Nr 1006 VV RVG entsprechend dem von Nr 1002 VV RVG mit der Nr 1003 VV RVG zeigt, dass die anwaltliche Mitwirkung gerade auf die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung gerichtet sein muss; denn sofern bereits ein gerichtliches Verfahren über eine Rechtssache anhängig ist, verringert sich danach die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG. Die Erledigungsgebühr entsteht andererseits überhaupt nur dann, wenn es der an sich vom Rechtsuchenden begehrten streitigen Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht bedarf. Trotz der Unterschiede zwischen gerichtlichem Verfahren und Widerspruchsverfahren kann daraus jedenfalls entnommen werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts primär auf eine nichtstreitige Erledigung gerichtet sein muss, um zu einer zusätzlichen Gebühr nach Nr 1005 VV RVG zu führen. Von einer solchen Form der Erledigung kann indessen nicht stets schon dann die Rede sein, wenn die Abhilfeentscheidung in erster Linie auf einen alsbaldigen Erkenntnisgewinn der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage (§ 78 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGG) zurückzuführen ist. cc) Sinn und Zweck von Nr 1005 VV RVG entspricht es ebenfalls allein, vom Rechtsanwalt eine besondere Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache zu verlangen. Die Gebührentatbestände der Nr 1000 ff VV RVG sollen nämlich durch die erfolgende zusätzliche Honorierung die streitvermeidende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern und damit eine gerichtsentlastende Wirkung herbeiführen (vgl Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks 15/1971 S 204 zu Nr 1002 VV; BAG NJW 2006, 1997, 1998 ). Nr 1005 VV RVG zielt vor diesem Hintergrund nicht schon darauf ab, Behörden durch das bloße Einschalten und Tätigwerden eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren zu einer Abhilfe-Entscheidung zu bewegen. Das erstmalige Auftreten eines Rechtsanwalts für den Widerspruchsführer wird in diesem Verfahrensstadium bereits durch die Gebühr nach Nr 2500 VV RVG abgegolten, das bloße Einlegen eines Widerspruchs bei vorrangegangener Tätigkeit im Verwaltungsverfahren durch die Gebühr nach Nr 2501 VV RVG. Dem Ziel der kostenmäßigen Begünstigung eines anwaltlichen Bemühens um die gütliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Bürger wird regelmäßig ebenfalls nicht bereits dadurch genügt, dass der Widerspruch mit einer kurzen Begründung versehen ist. Abgesehen davon, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet ist, ein Verfahren in jedem Stadium mit der gebotenen Sorgfalt zu betreiben (vgl Straßfeld, SGb 2005, 154, 158), lässt sich bei Einlegung und Begründung des Widerspruchs in der Regel noch nicht hinreichend überschauen, ob und in welcher Weise die Behörde vorgetragene Argumente aufnehmen und darauf reagieren wird."

Der Senat folgt dieser Ansicht, der sich im Übrigen weitere Senate des BSG (vgl. Urteile vom 9. Oktober 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R, 5. Mai 2009 - Az.: B 13 R 137/08 R, 21. März 2007 - Az.: B 11a AL 53/06 R, nach juris) angeschlossen haben. Sie entspricht der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: III B 140/06, nach juris) und der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV-RVG 1002 Rdnr. 38; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, Nr. 1002 VV Rdnr. 17; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 9).

Fehl geht der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF. Dort hatte der Senat eine besondere anwaltliche Mitwirkung bejaht, weil der Prozessbevollmächtigte auf den Kläger einwirkte, einen Vergleichsvorschlag anzunehmen und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. In diesem Fall hat er also tatsächlich eine für die Erledigung ursächliche qualifizierte anwaltliche Tätigkeit bejaht. Die rein formelle Annahme eines Anerkenntnisses führt dagegen zwar zur Erledigung des Rechtsstreits, beinhaltet aber nicht die über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung an der Erledigung (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. August 2010 - Az.: L 3 SF 6/09 E; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 5. Mai 2010 - Az.: 1 O 27/10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - Az.: 12 E 1120/08, alle nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 14 "Erledigtanzeige").

Soweit das Sächsische Landessozialgericht in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Beschluss vom 30. Juli 2008 (Az.: L 6 B 337/08 AS-KO) für Nr. 1006, 1005 VV-RVG die Notwendigkeit einer qualifizierten Mitwirkung verneint, folgt der Senat dem nicht. Nr. 1005 VV-RVG verweist hinsichtlich der Definitionen ausdrücklich auf Nr. 1000 VV-RVG bzw. Nr. 1002 VV-RVG (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E, nach juris). Dann kommt eine unterschiedliche Auslegung nicht in Betracht. Zu Recht verweist die Vorinstanz (unter Hinweis auf SG Berlin, Beschluss vom 6. März 2009 - Az.: S 164 SF 118/09, nach juris) darauf, dass es dann sowohl bei einem Anfechtungs- (Nr. 1002 VV-RVG Erläuterungen Satz 1) wie bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf (Nr. 1002 VV-RVG Erläuterungen Satz 2) und konsequent auch bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf die qualifizierte Mitwirkung ankommt. Dass diese trotzdem auf das Widerspruchsverfahren zugeschnitten und nur dort, nicht aber im Klageverfahren erforderlich sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Schwierigkeiten bei der Feststellung der Mitwirkung können diese Auslegung nicht begründen und dürften im Übrigen in beiden Verfahren auftreten."

An diesen Ausführungen wird festgehalten. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.

4. Keine Bedenken bestehen gegen die Auslagen- und Dokumentenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG und 7000 VV-RVG). Zu erstatten ist die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG).

Damit errechnet sich die Vergütung wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 150,00 Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 18,00 Euro Summe 438,00 Euro Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG 83,22 Euro Gesamtbetrag 521,22 Euro

Nachdem der Beschwerdegegner selbst keine Beschwerde erhoben hat, scheidet eine Herbsetzung der Gebühren aus dem Grundsatz der reformatio in peius (sog. Verschlechterungsverbot) aus.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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