Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 2507/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 325/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2011 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Oliver Marson, Zimmerstraße 69, 10117 Berlin, bewilligt. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde der – bedürftigen – Klägerin ist begründet. Ihr ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts zu bewilligen (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungs- bzw Bescheidungsklage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg schon deshalb, weil für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob der Klägerin die begehrten Leistungen aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) zustehen bzw ob die Beklagte oder das ggf beizuladende Jobcenter hierüber erneut eine Ermessensentscheidung zu treffen haben, noch weitere Ermittlungen erforderlich sein dürften. Insbesondere wird das Sozialgericht (SG) zu prüfen haben, ob die Erstattung der Bewerbungskosten für die berufliche Eingliederung trotz der Tatsache, dass die Klägerin ab 12. April 2010 wieder in Arbeit stand, iSv § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III "notwendig" war.
Das SG durfte trotz Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht die Bewilligung von PKH nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Falle der Klägerin nicht erforderlich sei, weil diese imstande sei, ihre rechtlichen Interessen selbst zu vertreten. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 1737/10 = NJW 2011, 2039-2040; BVerfGE 81, 347 (356); BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 = NJW 2009, 209 (210)). Mit dem Institut der PKH ermöglicht der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten.
Zwar ist das Verfahren vor den Sozialgerichten ohne Anwaltszwang und gerichtskostenfrei ausgestaltet. Die Bewilligung von PKH ist hier jedoch insofern von Bedeutung, als der Unbemittelte durch die Beiordnung des Rechtsanwalts und dessen Befriedigung durch die Staatskasse von dessen Vergütungsansprüchen freigestellt wird (vgl § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -). Dem Unbemittelten ist daher gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Die Erforderlichkeit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO beurteilt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (vgl BVerfGE 63, 380 (394)). Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 = NJW 1997, 2103 f.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, 1713 f.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 -, juris Rn. 17). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist vornehmlich, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten verletzt ist (vgl BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, 1713 (1714)).
Vorliegend ist der Schluss nicht gerechtfertigt, dass hinsichtlich Kenntnisstand und Fähigkeiten der Beteiligten kein Ungleichgewicht besteht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Klägerin rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - juris Rn. 18). In einem solchen Fall wird ein vernünftiger Rechtsuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren in jedem Stadium durch sachdienlichen Vortrag und Anträge effektiv fördern zu können (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - juris Rn. 18). Die Klägerin verfügt zwar – was sie selbst einräumt – über Rechtskenntnisse auf dem hier einschlägigen Rechtsgebiet, und sie führte und führt auch selbst zahlreiche sozialgerichtliche Verfahren erster und zweiter Instanz. Dies allein stützt jedoch nicht die Annahme, sie sei in jedem Stadium des Verfahrens ausnahmslos in der Lage, derartige Verfahren durch sachdienlichen Vortrag und entsprechende Anträge effektiv zu fördern bzw zu betreiben, zumal sie sich bei der Abfassung von Schriftsätzen auch anwaltlicher Hilfe bedient (vgl ihr Vorbringen in der Beschwerdeschrift). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist daher auch vorliegend als erforderlich anzusehen.
Die Gewährung von PKH für das PKH-Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht (vgl BGHZ 91, 311 mwN).
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der – bedürftigen – Klägerin ist begründet. Ihr ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts zu bewilligen (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungs- bzw Bescheidungsklage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg schon deshalb, weil für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob der Klägerin die begehrten Leistungen aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) zustehen bzw ob die Beklagte oder das ggf beizuladende Jobcenter hierüber erneut eine Ermessensentscheidung zu treffen haben, noch weitere Ermittlungen erforderlich sein dürften. Insbesondere wird das Sozialgericht (SG) zu prüfen haben, ob die Erstattung der Bewerbungskosten für die berufliche Eingliederung trotz der Tatsache, dass die Klägerin ab 12. April 2010 wieder in Arbeit stand, iSv § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III "notwendig" war.
Das SG durfte trotz Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht die Bewilligung von PKH nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Falle der Klägerin nicht erforderlich sei, weil diese imstande sei, ihre rechtlichen Interessen selbst zu vertreten. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 1737/10 = NJW 2011, 2039-2040; BVerfGE 81, 347 (356); BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 = NJW 2009, 209 (210)). Mit dem Institut der PKH ermöglicht der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten.
Zwar ist das Verfahren vor den Sozialgerichten ohne Anwaltszwang und gerichtskostenfrei ausgestaltet. Die Bewilligung von PKH ist hier jedoch insofern von Bedeutung, als der Unbemittelte durch die Beiordnung des Rechtsanwalts und dessen Befriedigung durch die Staatskasse von dessen Vergütungsansprüchen freigestellt wird (vgl § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -). Dem Unbemittelten ist daher gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Die Erforderlichkeit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO beurteilt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (vgl BVerfGE 63, 380 (394)). Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 = NJW 1997, 2103 f.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, 1713 f.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 -, juris Rn. 17). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist vornehmlich, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten verletzt ist (vgl BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, 1713 (1714)).
Vorliegend ist der Schluss nicht gerechtfertigt, dass hinsichtlich Kenntnisstand und Fähigkeiten der Beteiligten kein Ungleichgewicht besteht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Klägerin rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - juris Rn. 18). In einem solchen Fall wird ein vernünftiger Rechtsuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren in jedem Stadium durch sachdienlichen Vortrag und Anträge effektiv fördern zu können (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - juris Rn. 18). Die Klägerin verfügt zwar – was sie selbst einräumt – über Rechtskenntnisse auf dem hier einschlägigen Rechtsgebiet, und sie führte und führt auch selbst zahlreiche sozialgerichtliche Verfahren erster und zweiter Instanz. Dies allein stützt jedoch nicht die Annahme, sie sei in jedem Stadium des Verfahrens ausnahmslos in der Lage, derartige Verfahren durch sachdienlichen Vortrag und entsprechende Anträge effektiv zu fördern bzw zu betreiben, zumal sie sich bei der Abfassung von Schriftsätzen auch anwaltlicher Hilfe bedient (vgl ihr Vorbringen in der Beschwerdeschrift). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist daher auch vorliegend als erforderlich anzusehen.
Die Gewährung von PKH für das PKH-Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht (vgl BGHZ 91, 311 mwN).
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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