S 24 AS 2153/11 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
24
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 AS 2153/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a. F. liegt auch dann vor, wenn der Hilfebedürftige ein Vorstellungsgespräch ohne rechtfertigenden Grund nicht wahrnimmt. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann auch dadurch (konkludent) verweigert werden, dass der Hilfebedürftige die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert, insbesondere dadurch, dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch erscheint oder aber auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu spät reagiert, so dass das Stellenbesetzungsverfahren erwartungsgemäß ohne Berücksichtigung des Hilfebedürftigen verläuft. Einer "Vereinbarung" eines Vorstellungstermins zwischen Hilfebedürftigem und potentiellem Arbeitgeber bedarf es nicht. Entscheidend ist alleine, dass ein (potentieller) Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch offeriert. Es ist Sache des Hilfebedürftigen, einer solchen Einladung Folge zu leisten, wenn ihm kein wichtiger Grund zur Seite steht.

2. Es ist nicht Aufgabe des SGB II, ein nicht förderungsfähiges (Teilzeit-) Studium zu finanzieren oder auch nur zu ermöglichen. Genauso wenig ist es Aufgabe des SGB II, eine selbstständige (Neben-) Tätigkeit in irgendeiner Form zu unterstützen, die seit geraumer Zeit keinerlei Ertrag erbringt. Im SGB II-Leistungsbezug hat der Hilfebedürftige vielmehr zuvörderst alle Maßnahmen zu ergreifen, um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu erlangen.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten im Eilverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren erster Instanz unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei A. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich in der Sache im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den (vollständigen) Wegfall seines Arbeitslosengelds II (ALG II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 wegen einer wiederholten Sanktion.

Der am XX.XX.1982 geborene deutsche Antragsteller ist ausgebildeter Automobilkaufmann. Er betreibt nach eigenen Angaben seit Juli 2006 ein selbstständiges Gewerbe als Gebiets- und Projektleiter bzw. Kundenberater im Marketing- und Eventbereich respektive als Vertreiber von Handys, seit August 2007 im Nebenerwerb. Nach Eigenerklärung hat er aus dieser Tätigkeit weder Einnahmen noch Ausgaben. Seit März 2008 studiert er zudem an der XXX Hochschule für XXX in X in einem berufsbegleitenden Studiengang im Umfang von 12 Wochenstunden Business Administration. Das beitragspflichtige Studium wird mit einem Studienkredit der KfW Förderbank gefördert (monatlicher Darlehensauszahlungsbetrag: 650 Euro).

Unter dem 03.02.2010 schloss der Antragsgegner mit dem Antragsteller erstmals eine Ein-gliederungsvereinbarung, die unter dem 15.03.2010 einvernehmlich abgeändert wurde. Darin verpflichtete sich der Antragsteller unter anderem, einen Vorstellungstermin bei der X gGmbH in X. zur Aufnahme und Durchführung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung wahrzunehmen.

Mit Bescheid vom 16.03.2010 gewährte ihm der Antragsgegner für die Zeit vom 03.02.2010 bis 31.05.2010 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 69,02 Euro (Februar 2010) bzw. in Höhe von 541 Euro (März 2010) respektive in Höhe von 766 Euro monatlich (April und Mai 2010). Mit Bescheid vom 23.04.2010 senkte der Antragsgegner sodann nach Anhörung das ALG II des Antragstellers für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.07.2010 um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung (107,10 Euro monatlich) ab und hob den Bewilligungsbescheid vom 16.03.2010 mit Wirkung ab dem 01.05.2010 entsprechend teilweise auf (weiter ausgeführt mit Änderungsbewilligungsbescheid vom 23.04.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010). Zur Begründung der Absenkung wurde angeführt, dass der Antragsteller seine Arbeit bei der X gGmbH im Umfang von 30 Wochenstunden nicht, wie beim dortigen Vorstellungsgespräch vereinbart, am 22.03.2010 aufgenommen habe. Die geltend gemachte selbstständige Tätigkeit und das Teilzeitstudium stellten keinen wichtigen Grund dar. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies die Widerspruchsstelle des Antragsgegners mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2010 als unbegründet zurück. Mit Ersetzungsverwaltungsakt vom 26.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010 verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller für die Zeit bis zum 25.10.2010, nachdem eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen war, unter anderem dazu, sich dem Arbeitsmarkt umgehend voll zur Verfügung zu stellen und mindestens neun Eigenbewerbungsbemühungen pro Monat jeweils zum 15. eines jeden Monats zu belegen.

Mit Bescheid vom 02.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010 bewilligte der Antragsgegner dem Antragssteller für die Zeit vom 01.06.2010 bis zum 31.08.2010 vorläufig SGB II-Leistungen in Höhe von 658,30 Euro monatlich (Juni und Juli 2010) bzw. in Höhe von 766 Euro (August 2010) und mit Bescheid vom 25.08.2010 (vorläufig) in Höhe von 766 Euro monatlich (Bewilligungszeitraum: 01.09.2010 bis 30.11.2010).

Mit Bescheid vom 22.10.2010 senkte der Antragsgegner nach Anhörung das ALG II des An-tragstellers für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung (215,40 Euro monatlich) ab und hob den Bewilligungsbescheid vom 25.08.2010 mit Wirkung ab dem 01.11.2010 entsprechend teilweise auf, weil sich der Antragsteller pflichtwidrig nicht umgehend auf den Vermittlungsvorschlag vom 30.07.2010 bei der Firma M. beworben habe. Der Bescheid enthält unter anderem den Hinweis, dass bei einer wiederholten gleichartigen Pflichtverletzung der dem Antragsteller zustehende Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten vollständig entfällt. Der dagegen erhobene Widerspruch des Antragstellers blieb in der Sache ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.12.2010). Mit Bewilligungsbescheid vom 27.10.2010 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller weiterhin vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der ausgesprochenen Minderung (Bewilligungszeitraum: 01.12.2010 bis 28.02.2011).

Anfang November 2010 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller zwei Vermittlungs-vorschläge: zum einen für ein Stellenangebot als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Firma R. Deutschland GmbH & Co. KG, zum anderen für ein Stellenangebot als Automobilkaufmann bei der Firma Autohaus K. GmbH in X. Auf den jeweiligen Rückmeldebögen – von denen in der Verwaltungsakte abgelegten Bögen enthält jedenfalls der Rückmeldebogen betreffend das Stellenangebot bei der Firma R. eine Rechtsfolgenbelehrung – gab der Antragsteller an, sich auf beide Stellenangebote beworben zu haben. Mit eMail-Schreiben vom 08.11.2010 teilte Frau K. von der Firma Autohaus K. GmbH dem Antragsteller mit, dass man ihn zu einem Vorstellungsgespräch am Samstag, den 20.11.2010 um 12:00 Uhr ins Autohaus einlade und bat um Terminsbestätigung. In seiner Antwort-eMail vom 18.11.2010 bat der Antragsteller Frau K. um Terminsverschiebung auf die kommende Woche, da er "gerade" gesehen habe, dass er am Samstag Vorlesung habe. Mit Rückmeldebogen vom 01.12.2010 – beim Antragsgegner am 02.12.2010 – eingegangen, teilte Frau K. dem Antragsgegner unter anderem mit, dass der Antragsteller nicht zum vereinbarten Vorstellungstermin am 20.11.2010 erschienen sei, weswegen man einen anderen Bewerber einge-stellt habe.

Mit Bescheid vom 16.12.2010 senkte der Antragsgegner nach Anhörung des Antragstellers dessen ALG II zunächst für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 wegen Nichtbefolgens seiner Eigenbemühungspflicht aus der Eingliederungsvereinbarung vom 26.04.2010 – gemeint der Ersetzungsverwaltungsakt vom 26.04.2010 – vollständig ab und hob den Bewilligungsbescheid vom 27.10.2010 mit Wirkung ab dem 01.01.2011 entsprechend teilweise auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller seit dem 15.05.2010 bis heute trotz Belehrung über die Rechtsfolgen keine Eigenbewerbungsnachweise erbracht habe. Die Absenkung betreffe die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt. In seinem dagegen erhobenen Widerspruch räumte der Antragsteller ein, dass er keine neun Bewerbungsbemühungen pro Monat unternommen habe und vertrat im Wesentlichen die Ansicht, dass er einen wichtigen Grund dafür habe, von "Blindbewerbungen" abzusehen. Er beabsichtige nämlich, sich mit einer "neuen Geschäftsidee" selbstständig zu machen. Im Übrigen habe der Antragsgegner nicht nur die Regelleistung auf Null abgesenkt, sondern auch seine Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung.

Im anschließenden Anhörungsverfahren betreffend das Vorstellungsgespräch bei der Firma K. GmbH stellte sich der Antragsteller auf den Standpunkt (Schreiben vom 12.01.2011, beim Antragsgegner unter dem 14.01.2011 eingegangen), dass ein Vorstellungstermin am 20.11.2010 nie vereinbart gewesen sei, so dass ihn auch keine Pflichtverletzung treffe. Der Antragsgegner zog daraufhin zunächst den oben wiedergegebenen eMail-Schriftverkehr von der Firma K. GmbH bei (Eingang beim Antragsgegner unter dem 23.03.2011).

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2011 wies die Widerspruchsstelle des Antragsgegners den Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 16.12.2010 als unbegründet zurück. Der Antragsteller habe in der Zeit von Mai bis Oktober 2010 keine Nachweise über Eigenbe-werbungsbemühungen vorgelegt, was eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB II darstelle. Ein wichtiger Grund für diese Pflichtverletzung liege nicht vor. Im Hinblick auf die vorangegangene Sanktion in der Zeit vom 01.05.2010 bis 31.07.2010 (Absenkung um 30 Prozent) und die wiederholte Pflichtverletzung (Sanktionszeitraum vom 01.11.2010 bis 31.01.2011, Absenkung um 60 Prozent) werde die neuerliche Pflichtverletzung mit 100 Prozent Wegfall sanktioniert, wobei davon hier lediglich die Regelleistung betroffen sei. Bei der nächsten 100 Prozent-Sanktion wären aber auch die Kosten der Unterkunft betroffen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.03.2011 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.05.2011 vorläufig SGB II-Leistungen unter Zugrundelegung eines sanktionsbedingten Minderungsbetrages von 359 Euro für den Monat März 2011 in Höhe von 393,92 Euro (Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung) und in Höhe von jeweils 767 Euro für die Monate April und Mai 2011.

Mit Bescheid vom 24.03.2011 senkte der Antragsgegner sodann – gestützt auf § 31 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) und Abs. 6 SGB II – das ALG II des Antragstellers für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.06.2011 wegen Vereitelung des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma K. GmbH vollständig ab und hob den Bewilli-gungsbescheid vom 04.03.2011 mit Wirkung ab dem 01.04.2011 entsprechend teilweise auf. Der Antragsteller habe seine Pflicht, alle Möglichkeiten zur Beendigung bzw. Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen verletzt, indem er sich ohne wichtigen Grund trotz Rechtsfolgenbelehrung geweigert habe, das Vorstellungsgespräch bei der Firma K. GmbH am 20.11.2010 wahrzunehmen. Die Absenkung betreffe sowohl die Regelleistung als auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Der Bescheid enthält unter anderem auch den Hinweis, dass auf Antrag im angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen, insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen, gewährt werden können. Mit seinem unter dem 11.04.2011 erhobenen Widerspruch macht der Antragsteller geltend, dass er keine Pflichtverletzung begangen habe. Außerdem sei es nicht zulässig, eine solche erst vier Monate später zu sanktionieren.

In der Zeit von Oktober 2010 bis April 2011 erhielt der Antragsteller vom Antragsgegner er-gänzende Sachleistungen in Gestalt von Lebensmittelgutscheinen.

Unter dem 11.04.2011 hat der Antragsteller beim beschließenden Gericht gegen den Minde-rungsbescheid des Antragsgegners vom 16.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2011 Klage erhoben (S 24 AS 2152/11), über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat er einstweiligen Rechtsschutz gegen den Minderungsbescheid des Antragsgegners vom 24.03.2011 sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei A. beantragt.

Zu Begründung seines Eilantrags führt er im Wesentlichen an, dass zwischen ihm und dem Autohaus K. überhaupt kein Vorstellungsgespräch vereinbart gewesen sei. Er habe vielmehr den vorgeschlagenen Termin am 20.11.2010 aus wichtigem Grund nicht annehmen können und daher auch mit seinem eMail-Schreiben vom 18.11.2010 seinerseits Ausweichtermine angeboten, ohne auf diese eMail vom Autohaus eine Antwort erhalten zu haben. Davon abgesehen könne das Nichtwahrnehmen eines Vorstellungsgesprächs auch schwerlich mit der Vereitelung des Zu-standekommens einer Tätigkeit gleichgesetzt werden. Außerdem habe sich der Antragsgegner mit der Sanktionierung zu lange Zeit gelassen. Durch das rechtswidrige Verhalten des Antragsgegners werde im Übrigen sein Studienabschluss gefährdet.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners vom 24.03.2011 auszusetzen und den Antragsgegner zu verurteilen, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es liege keine Eilbedürftigkeit vor. Außerdem verfüge der Antragsteller wohl über Einkommen aus einer nicht angemeldeten Tätigkeit.

Über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Minderungsbescheid vom 24.03.2011 ist bis zum Beschlusstage soweit ersichtlich noch nicht entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren erster Instanz hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist nach dem ausdrücklichen Begehren des Antragstellers alleine der Minderungsbescheid des Antragsgegners vom 24.03.2011. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. So liegt der Fall hier: dem (Anfechtungs-) Widerspruch des Antragstellers vom 11.04.2011 gegen den Minderungsbescheid vom 24.03.2011 kommt kraft Gesetzes gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 (BGBl. I, S. 850) in der mit Wirkung zum 01.04.2011 in Kraft getretenen Fassung des Art. 2 Nr. 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I, S. 453),

vgl. zur intertemporalen Geltung der (prozessrechtlichen) Vorschrift des § 39 SGB II nur Sächs. LSG, Beschl. v. 12.01.2010 – L 7 AS 653/09 ER, juris; SG Bremen, Beschl. v. 17.03.2009 – S 26 AS 218/09 ER, info also 2009, 124,

keine aufschiebende Wirkung zu,

so auch bereits die Rechtslage unter Geltung des § 39 Nr. 1 SGB II a. F.: siehe nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 12.04.2006 – L 7 AS 1196/06 ER-B, juris; LSG NRW, Beschl. v. 27.08.2007 – L 1 B 33/07 AS ER, n. v.; Eicher, in: Ders./Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 39 Rz. 12.

Durch den mit Widerspruch angefochtenen, auf die Sanktionsnorm des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c, Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden – und vorliegend gemäß § 77 Abs. 12 SGB II n. F. auch weiterhin maßgeblichen – Fassung (a. F.) gestützten Bescheid vom 24.03.2011 über die Minderung der mit Bescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.03.2011 für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.05.2011 vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um monatlich 100 vom Hundert in der Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 wird in die durch die Leistungsbewilligung erlangte Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen, soweit sich die Zeiträume überschneiden. In einer solchen Situation ist einstweiliger Rechtsschutz in dem Umfang, wie sich der Leistungsbewilligungszeitraum und der Minderungszeitraum decken,

siehe dazu nur LSG Nds.-Br., Beschl. v. 30.01.2006 – L 9 AS 17/06 ER, juris,

durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu gewähren. Denn auch in der Hauptsache wäre insoweit der statthafte Rechtsbehelf alleine die (reine) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG. Des zusätzlichen Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG bedarf es dann nicht,

statt vieler nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 08.04.2008 – L 7 AS 1161/08 ER-B, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb; Beschl. v. 12.04.2006 – L 7 AS 1196/06 ER-B, juris, st. Rspr.; LSG Nds.-Br., Beschl. v. 06.09.2007 – L 7 AS 472/07 ER, juris, alle m. w. N.; Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 Rz. 254, 160.

Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wird der Behörde nämlich die Vollziehung des Minderungsbescheides einstweilen untersagt. Damit lebt die ursprüngliche Bewilligung ohne die verfügte Minderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache wieder auf,

vgl. nur Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 Rz. 160.

Soweit vorliegend die verfügte Minderung über den bereits bewilligten Leistungszeitraum hinausgeht (Monat Juni 2011), kommt der (zusätzliche) Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG bereits deshalb nicht in Betracht, weil dem Gericht nicht bekannt – und vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht – ist, dass für die Zeit ab dem 01.06.2011 beim Antragsgegner überhaupt ein (konstitutiver) Fortzahlungsantrag anhängig ist.

Die Auffassung des Antragsgegners, dem Antrag fehle (insgesamt) das Rechtsschutzbedürfnis bzw. die Eilbedürftigkeit, liegt im Hinblick auf § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG neben der Sache.

Dass einstweiliger Rechtsschutz bereits vor Klageerhebung zulässig ist, folgt im Übrigen aus § 86b Abs. 3 SGG.

2. Bei der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist von den Gerichten eine Interessenabwägung durchzuführen. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch analog § 54 Abs. 2 SGG beschwert, ist in der Regel die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht bestehen kann. Ist dagegen der Widerspruch aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten in dieser Weise nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfsverfahrens mitberücksichtigt werden können,

statt vieler nur Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rz. 12e ff. m. w. N.

Die Abwägung im Eilverfahren ist dabei grundsätzlich summarisch vorzunehmen, wobei der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten zu ermitteln ist, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist.

Unter Zugrundelegung dessen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11.04.2011 gegen den Minderungsbescheid des Antragsgegners vom 24.03.2011 nicht anzuordnen, weil sich hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides keine ernstlichen Zweifel ergeben.

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. wird das ALG II in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn er die in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II a. F. bezeichneten Pflichtverletzungen begeht. Eine Pflichtverletzung liegt unter anderem gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 c) SGB II a. F. vor, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F.). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II a. F. wird das Arbeitslosengeld II um 60 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gemindert (§ 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F.). Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II a. F. wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert (§ 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F.). Minderung und Wegfall treten grundsätzlich mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Minderung oder den Wegfall der Leistung feststellt (§ 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II a. F.).

Der hier streitgegenständliche Bescheid ordnet – wie oben ausgeführt – die Minderung der Grundsicherungsleistungen um 100 vom Hundert für die Monate April bis Juni 2011 an.

Schon aus der einschneidenden Wirkung der in § 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II a. F. vorgesehenen Rechtsfolgen ergibt sich, dass von einer "Wiederholung" nur dann die Rede sein kann, wenn ein Leistungsempfänger durch einen ersten Minderungsbescheid bereits auf die Pflichtverletzung hingewiesen worden ist und danach sein Verhalten fortsetzt. Die vom Gesetzgeber gewollte Warnwirkung der vorangegangenen Sanktionen kann sich nur auf ein Verhalten beziehen, das zeitlich nach dem Erlass eines ersten und zweiten Absenkungsbescheides liegt,

siehe dazu nur LSG Ba.-Wü., Urt. v. 16.09.2009 – L 3 AS 1665/09, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb, m. w. N.; LSG Sachs.-Anh., Beschl. v. 31.08.2009 – L 5 AS 287/09 B ER, juris; LSG NRW, Beschl. v. 24.09.2007 – L 20 B 169/07 AS ER, juris.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Voraussetzungen für die Minderung des ALG II um 100 vom Hundert gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. vorliegend erfüllt. Der Antragsteller hat wiederholt seine Pflichten nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. verletzt. Die erste Pflichtverletzung bestand darin, dass er die in der Eingliederungsvereinbarung vom 15.03.2010 festgelegten Pflichten nicht erfüllte, indem er am 22.03.2010 die Maßnahme bei der X gGmbH nicht aufnahm, weswegen der Antragsgegner das ALG II des Antragstellers mit Bescheid vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010 für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.07.2010 um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung minderte. Die erste wiederholte Pflichtverletzung beging der Antragsteller dadurch, dass er sich nicht umgehend auf den Vermittlungsvorschlag vom 30.07.2010 bei der Firma M. bewarb. Auf Grund dieses ersten wiederholten Pflichtverstoßes nahm der An-tragsgegner mit Bescheid vom 22.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2010 gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F. eine weitere Minderung des ALG II für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung vor. Beide Minderungsbescheide sind bestandskräftig geworden (§ 77 SGG) und jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht zu überprüfen,

statt vieler nur Bay. LSG, Beschl. v. 03.01.2011 – L 7 AS 921/10 B ER, juris.

Ob die zweite wiederholte Pflichtverletzung des Antragstellers im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. bereits darin zu erblicken ist, dass er der ihm mit bestandskräftigem Erset-zungsverwaltungsakt (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II a. F.) vom 26.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2010 auferlegten Verpflichtung, für die Zeit vom 26.04.2010 bis 25.10.2010 monatlich neun Eigenbewerbungsbemühungen nachzuweisen, nicht nachgekommen ist, kann hier auf sich beruhen. Auf den entsprechenden Minderungsbescheid vom 16.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2011, der Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens S 24 AS 2152/11 ist, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Entscheidend ist vielmehr alleine die jetzt zur Minderung des ALG II um 100 vom Hundert führende zweite wiederholte Pflichtverletzung des Antragstellers innerhalb eines Jahres, die darin besteht, dass er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine gesetzliche Pflicht aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a. F., eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, verletzt hat, indem er das Vorstellungsgespräch bei der Firma Autohaus K. GmbH am 20.11.2010 nicht wahrnahm. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann auch dadurch im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a. F. (konkludent) verweigert werden, dass der Hilfebedürftige die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert, insbesondere dadurch, dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch erscheint oder aber auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu spät reagiert, so dass das Stellenbesetzungsverfahren erwartungsgemäß ohne Berücksichtigung des Hilfebedürftigen verläuft,

siehe nur LSG Sachs.-Anh., Beschl. v. 31.08.2009 – L 5 AS 287/09 B ER, juris; LSG Nds.-Brem., Urt. v. 31.03.2009 – L 9 AS 737/06, juris; Berlit, in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rz. 36; Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 Rz. 81; vgl. auch Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 144 SGB III Rz. 127 (Stand: Juli 2009) m. w. N. zum Sperrzeitrecht nach dem SGB III.

So liegt der Fall hier: Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts seine Teilnahme am Vorstellungsgespräch bei der Firma K. Autohaus GmbH am 20.11.2010 jedenfalls bedingt vorsätzlich vereitelt. Dies ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Ablauf. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch wurde dem Antragsteller per eMail am 08.11.2010 übersandt, nachdem er nach eigener Angabe am selben Tag mit dem Geschäftsführer des Autohauses telefoniert hatte. Auf die eMail antwortete er mit seinem Verlegungsansinnen indes erst zehn Tage später, nämlich unmittelbar vor dem Termin am Mittag des 18.11.2010. Er konnte und durfte damit nicht davon ausgehen, dass der potentielle Arbeitgeber so kurzfristig sein Bewerbungsverfahren nach seinen Wünschen ausrichten wird, zumal auch der Umstand, dass ihm erst "gerade" aufgefallen sein soll, dass – wie er behauptet – am 20.11.2010 eine universitäre Veranstaltung stattfindet, nach außen hin erkennbar einem Interesse an der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses zuwiderläuft. Soweit der Antragsteller meint, ein Vorstellungsgespräch sei nicht "vereinbart" worden, verkennt er seine gesetzlichen Pflichten aus § 2 und § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a. F. Entscheidend ist insoweit alleine, dass ihn ein potentieller Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat. Es ist Sache des Hilfebedürftigen, einer solchen Einladung Folge zu leisten, wenn ihm kein wichtiger Grund gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. zur Seite steht.

Einen solchen vermag das Gericht nicht zu erkennen. Zum einen hat der Antragsteller bereits nicht glaubhaft gemacht, dass er am 20.11.2010 wegen einer universitären (Pflicht-) Veranstaltung verhindert war. Zum anderen kann eine solche schon von vorherein keinen wichtigen Grund darstellen. Als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ist der Antragsteller vielmehr verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 Abs. 1 SGB II). Es ist nicht Aufgabe des SGB II, ein nicht förderungsfähiges (Teilzeit-) Studium zu finanzieren oder auch nur zu ermöglichen,

vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2007 – B14/7b AS 28/06 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 8.

Genauso wenig ist es Aufgabe des SGB II, eine selbstständige (Neben-) Tätigkeit in irgendeiner Form zu unterstützen, die – wie vorliegend – seit geraumer Zeit nach Eigenerklärung des Antragstellers keinerlei Ertrag erbringt. Im SGB II-Leistungsbezug hat der Hilfebedürftige vielmehr zuvörderst alle Maßnahmen zu ergreifen, um ein sozialversicherungspflichtiges Be-schäftigungsverhältnis zu erlangen. Unabhängig davon bestehen im Übrigen auch keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller überhaupt einer selbstständigen Tätigkeit tatsächlich nachgeht.

Zweifel daran, dass die angesonnene Beschäftigung als Automobilkaufmann bei der Firma Autohaus K. GmbH dem Antragsteller persönlich bzw. gesundheitlich zuzumuten war, sind weder behauptet worden noch sonst ersichtlich, zumal es sich um eine Tätigkeit im erlernten Beruf des Antragstellers handelte und die immer wieder von ihm vorgebrachten Einschränkungen im Hinblick auf seine (angebliche) selbstständige Nebentätigkeit bzw. im Hinblick auf sein Teilzeitstudium – wie ausgeführt – unerheblich sind.

Der Antragsteller ist auch ordnungsgemäß über die eintretenden Rechtsfolgen bei Vereitelung des Vorstellungsgesprächs belehrt worden. Zwar enthält der in der Verwaltungsakte vom Antragsteller übersandte Rückmeldebogen vom 08.11.2011 zum Vermittlungsvorschlag bei der Firma K. Autohaus GmbH keine Rechtsfolgenbelehrung. Ob der Vermittlungsvorschlag separat mit einer solchen versehen war, vermag das Gericht anhand der vorgelegten Verwaltungsakte nicht beurteilen zu können, was im Hinblick auf die übrige (schlampige) Aktenführung des Antragsgegners nicht weiter verwundert. Der vom Antragsteller ebenfalls übersandte Rückmeldebogen vom 10.11.2011 betreffend den Vermittlungsvorschlag bei der Firma R. Deutschland GmbH & Co. KG enthält hingegen eine Rechtsfolgenbelehrung, die den höchstrichterlichen Anforderungen genügt. Sie ermöglichte es dem Antragsteller, in einer seinem Empfängerhorizont angemessenen Form zu erfassen, welche Auswirkungen auf seinen Anspruch ein von ihm ohne wichtigen Grund erfolgendes negatives Bewerbungsverhalten hat. Ihm wurde ausreichend vor Auge geführt, dass er in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen hat, um seinen Lebensunterhalt künftig aus eigenen Mitteln und Kräften sicherzustellen und dass etwaige Irrtümer bei der Beurteilung eines wichtigen Grundes zu seinen Lasten gehen. Zur Überzeugung des Gerichts war es dem Antragsteller damit auch unter Berücksichtigung der vormals in den Eingliederungsvereinbarungen vom 03.02.2010 und 15.03.2010 bzw. im Ersetzungsverwaltungsakt vom 26.04.2010 festgelegten Pflichten – unter anderem auch im Zusammenhang mit der Teilnahme an Vorstellungsgesprächen – und den Erfahrungen aus den vorangegangenen Verwaltungsverfahren ohne weiteres ersichtlich, dass er sich bei einem potentiellen Arbeitgeber vorzustellen hat, wenn dieser ihn zu einem Gespräch einlädt. Die Belehrung ist schließlich auch bezüglich der zu erwartenden Rechtsfolgen hinreichend konkret, verständlich und widerspruchsfrei. So geht aus der Belehrung namentlich eindeutig hervor, dass bei Vereitelung der Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten das Arbeitslosengeld II vollständig entfällt, dass Absenkung und Wegfall mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides beginnen und dass die Absenkung und der Wegfall drei Monate dauern. Ebenso wird zutreffend darauf hingewiesen, dass während Absenkung und Wegfall der Leistung kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) besteht und dass bei einer Minderung des ALG II um mehr als 30 Prozent der maßgebenden Regelleistung gegebenenfalls ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können.

Das Gericht hat bei lebensnaher Betrachtung keinerlei Zweifel daran, dass dem Antragsteller bewusst war, dass die ihm mit dem Vermittlungsvorschlag betreffend das Stellenangebot bei der Firma R. Deutschland GmbH & Co. KG übersandte Rechtsfolgenbelehrung auch für den kurz zuvor übersandten Vermittlungsvorschlag bei der Firma Autohaus K. GmbH Geltung beansprucht und dass ihn damit die Warn- und Erziehungsfunktion der Belehrung erreichte.

Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen sowohl in der Rechtsfolgenbelehrung zum Vermittlungsvorschlag als auch im Minderungsbescheid vom 24.03.2011 hat der Antragsgegner schließlich auch der Bestimmung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II a. F. ausreichend Rechnung getragen,

vgl. dazu nur LSG Bln.-Bbg., Beschl. v. 12.05.2010 – L 29 AS 1420/10 B ER, juris, m. w. N.,

zumal der Antragsteller auch bereits in der Zeit von Oktober 2010 bis April 2011 vom An-tragsgegner ergänzende Sachleistungen in Gestalt von Lebensmittelgutscheinen erhielt.

Schließlich begründet auch der Umstand, dass der Beklagte den streitgegenständlichen Min-derungsbescheid erst rund vier Monate nach der Pflichtverletzung erlassen hat, nicht dessen Rechtswidrigkeit. Wie der nunmehr eingefügte § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II n. F. zeigt, erachtet der Gesetzgeber einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten zwischen Pflichtverletzung und Minderungsfeststellung als unschädlich. Dass dies vor der Einfügung anders zu beurteilen war, ist nicht ersichtlich. Davon abgesehen hat der Antragsteller durch seine Angaben im Anhörungsverfahren auch Anlass für weitere Ermittlungen des Antragsgegners geliefert. Die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung wirkt sich im hier gegebenen Umfang jedenfalls nicht zugunsten des Antragstellers aus.

Nach alledem ist der vollständige Wegfall der SGB II-Leistungen im Zeitraum vom 01.04.2011 bis zum 30.06.2011 nicht zu beanstanden. Da der angegriffene Bescheid somit offensichtlich rechtmäßig ist, überwiegt das Interesse des Antragsgegners am Vollzug der Leistungsminderung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, dass der Antragsteller als unterliegender Teil seine außergerichtlichen Kosten im Eilverfahren (§ 193 Abs. 2 SGG analog) selbst zu tragen hat.

4. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entsprechend der obigen Ausführungen zu Ziffer 2 keinen Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei A. abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Rechtskraft
Aus
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