L 10 R 4950/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4485/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4950/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung wegen fortbestehender Beschwerden im Bereich des rechten Hüftgelenkes (Zustand nach TEP 2005) die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur erneuten Gewährung / Fortsetzung einer orthopädischen Rehabilitation. Eine solche Maßnahme war ihm antragsgemäß ambulant ganztägig und in der von ihm gewünschten Fachklinik W. für drei Wochen bewilligt und dort in der Zeit vom 22.08. bis 09.09.2011 durchgeführt worden. Eine wegen auffälligen Verhaltens (nach dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. V., Chefarzt der Klinik, diesbezüglich V.a. Anpassungsstörunge bzw. Borderline-Symptomatik, DD schwere psychotische Störung/Schizophrenie) empfohlene nervenärztliche Konsultation während der Maßnahme lehnte der Antragsteller ab. Prof. Dr. V. sah deswegen und weil die orthopädischen Beschwerden in jeder ambulanten physiotherapeutischen Praxis behandelt werden könnten (Schreiben an den Antragsteller vom 12.09.2011) keinen Grund für eine Verlängerung der Maßnahme und eine weitere ambulante Behandlung i.S. eines IRENA-Programmes (intensivierte Rehabilitations-Nachsorge im Anschluss an eine Rehabilitationsbehandlung). Er hielt den Kläger trotz der Beschwerden und der Nutzung von Gehstöcken in seinem Beruf als Bankkaufmann und für leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig.

Nach Entlassung aus der Fachklinik W. beantragte der Antragsteller am 13.09.2011 die Verlängerung der ambulanten Therapie in einer anderen Einrichtung. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 04.10.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei durchgeführt und regulär beendet worden, ein Ersatzheilverfahren sei daher nicht angezeigt.

Am 28.01.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe eine sofortige Entscheidung mit dem Ziel einer erneuten Aufnahme zur orthopädischen Rehabilitation an einem anderen Ort sowie eine nachfolgende Nachsorge i.S. des IRENA-Programms beantragt. Diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.11.2011 abgelehnt. Es hat bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag verneint, weil der Bescheid vom 04.10.2011 bindend geworden sei. Würde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Widerspruch gewertet, bestünde jedenfalls kein Anordnungsanspruch.

Hiergegen hat der Antragsteller noch im November 2011 Beschwerde eingelegt. Er verweist auf seine Beschwerden und die Notwendigkeit weiteren Muskelaufbaus. Die Antragsgegnerin hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen (so der im Beschluss formulierte sinngemäße Antrag), dass der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm erneut ganztägige ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und im Anschluss hieran 24 Behandlungen nach dem IRENA-Programm zu gewähren. Hiergegen, gegen dieses Verständnis seines Begehrens, hat der Antragsteller auch keine Einwände erhoben. Auch der Antragsteller geht davon aus, dass Behandlungen nach dem IRENA-Programm eine zuvor durchgeführte medizinische Rehabilitation erfordern, wenn er in seinem Antragsschriftsatz selbst darlegt, dass derartige Maßnahmen nur von der Rehabilitationseinrichtung veranlasst werden könnten. Tatsächlich handelt es sich - wie die Bezeichnung "intensivierte Rehabilitations-Nachsorge" schon ausdrückt - um ein Nachsorge-Programm im Anschluss an eine Rehabilitationsbehandlung zur Festigung und Vertiefung der durch die Rehabilitation erreichten Ergebnisse. Dieses Begehren hatte der Antragsteller schon gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht.

Ebenso zutreffend hat das Sozialgericht dieses Begehren als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gewertet und diesen Antrag - im Ergebnis wiederum zutreffend - deshalb abgelehnt, weil die Beklagte hierüber bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid entschieden hatte.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei müssen - wie für jede Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes - die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Außerdem muss (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung) neben einem Anordnungsgrund (Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile) auch ein Anordnungsanspruch bestehen, hier also das vom Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin behauptete Recht auf die begehrten Maßnahmen.

Ein solches Recht, von der Antragsgegnerin erneute ganztägige ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und im Anschluss hieran Behandlungen nach dem IRENA-Programm zu erhalten, steht dem Antragsteller nicht zu. Denn mit dem Bescheid vom 04.10.2011 lehnte die Beklagte gerade den auf solche Leistungen bezogenen Antrag des Antragstellers ab. Dieser Bescheid ist für die Beteiligten in der Sache bindend (§ 77 SGG). Denn gegen den Bescheid vom 04.10.2011 legte der Antragsteller den allein möglichen Rechtsbehelf des Widerspruchs, auf den er im Bescheid hingewiesen wurde, nicht ein und er kann diesen Rechtsbehelf auch nicht mehr einlegen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) abgelaufen ist. Der beim Sozialgericht angebrachte Antrag auf Eilentscheidung kann dabei nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.10.2011 angesehen werden. Der Antragsteller hat sich in seinem Antrag an das Sozialgericht weder gegen den Bescheid vom 04.10.2011 gewandt - dieser ist von ihm noch nicht einmal erwähnt worden - noch hat er eine erneute Entscheidung der Verwaltung - also der Widerspruchsstelle - begehrt, sondern klar und eindeutig eine gerichtliche Eilentscheidung beantragt. Dabei war er über die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruches gegen den Bescheid vom 04.10.2011 durch die in diesem Bescheid erteilte Rechtsbehelfsbelehrung informiert. Wählt der Betroffene in Kenntnis der Möglichkeit eines bestimmten Rechtsbehelfes, über den er informiert wird, eine andere prozessuale Möglichkeit, kann sein so formuliertes Begehren nicht umgedeutet werden (Beschluss des Senats vom 09.02.2009, L 10 U 5616/08 NZB unter Anschluss an BSG, Urteil vom 20.05.2003, B 1 KR 25/01 R in SozR 4-1500 § 158 Nr. 1).

Auf Grund der Bindungswirkung des Bescheides vom 04.10.2011 steht für die Beteiligten - und damit auch den Senat - fest, dass der Antragsteller kein Recht auf die gewünschten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation hat. Damit fehlt jedenfalls ein Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht hat somit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Der Senat kann daher offen lassen, ob ein bestandskräftiger Bescheid darüber hinaus einen Antrag auf Erlass einer - dem Bescheid entgegen stehenden - einstweiligen Anordnung unzulässig macht (so u.a. Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.11.2010, L 16 AS 788/10 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.06.2010, L 5 AS 94/10 B ER; LSG für das Saarland, Beschluss vom 11.08.2005, L 9 B 4/05 AS; a.A. Bayerisches LSG, Beschluss vom 25.01.2010, L 11 AS 796/09 B ER: Frage der Begründetheit). Es bedarf daher auch keiner Erwägungen, aus welchen Gründen genau (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Fehlen eines streitigen Rechtsverhältnisses, Fehlen einer besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes in Form eines zulässigen Hauptsacheverfahrens, hier einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) die Zulässigkeit zu verneinen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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