L 11 KR 4966/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3423/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4966/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.10.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.10.2011 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller Krankengeld (Krg) ab dem 23.09.2011 im Wege einer einstweiligen Anordnung zuzusprechen.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl hierzu Senatsbeschluss vom 14.02.2011, L 11 KR 498/11 ER-B mwN), wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Dies gilt auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit es um die Geltendmachung eines Anspruchs auf Krg geht (st Rspr des Senats; vgl Beschlüsse vom 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 16.10.2008, L 11 KR 4447/08ER-B, juris; im Ergebnis ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, 17.06.2008, L 16 B 23/08 KR-ER, BeckRS 2008, 53944).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krg ist § 44 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte, die mit Anspruch auf Krg versichert sind, Anspruch auf diese Leistung, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob der Antragsteller ab dem 23.09.2011 mit Anspruch auf Krg versichert war, ist aber zweifelhaft. Der Antragsteller bezog bis zum 30.06.2011 Arbeitslosengeld. Aufgrund des Bezugs dieser Leistung war er nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) mit Anspruch auf Krg versichert. Dieses Versicherungsverhältnis endete nach § 190 Abs 12 SGB V mit Ablauf des letzten Tages, für den der Antragsteller Arbeitslosengeld bezog; dies war der 30.06.2011. Ein neues Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg ist nach dem 30.06.2011 nicht begründet worden. Deshalb war der Antragsteller am 01.07.2011 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert. Die Mitgliedschaft in der KVdA blieb auch nicht nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass der Antragsteller noch während der Mitgliedschaft in der KVdA ein Anspruch auf Krg erworben hätte, was aber nicht der Fall war. Durch die am 30.06.2011 erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, hätte sich ein Anspruch auf Krg nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V erst ab dem 01.07.2011 ergeben können. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller aber nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert. Der Umstand, dass der Antragsteller Krg tatsächlich erhalten hat, begründet keinen Versicherungsschutz. Deshalb bestand auch am 23.09.2011 kein Versicherungsverhältnis, das einen Anspruch auf Krg umfasst. Zwar hatte der Antragsteller nach dem Ende der Mitgliedschaft in der KVdA gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V noch einen Anspruch auf Leistungen - auch auf Krg - längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft. Ein Anspruch auf Krg, der nur als nachgehende Leistung gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V besteht, oder die Zahlung von Krg als nachgehende Leistung führt nicht dazu, dass die zuvor beendete Mitgliedschaft wieder auflebt und aufrechterhalten wird. Vielmehr endet ein solcher Krg-Anspruch mit dem Ende des sich aus § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V ergebenden nachgehenden Anspruchs (BSG, 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4).

Unabhängig davon, besteht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Krg, weil der Antragsteller im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig war. Der Begriff "arbeitsunfähig" ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde von den Krankenkassen und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind. Maßstäblich ist grundsätzlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Maßgebend ist somit in der Regel die letzte (versicherte) Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Bezieher von Arbeitslosengeld sind arbeitsunfähig, wenn krankheitsbedingt die Vermittelbarkeit aufgehoben ist und sie daher aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind somit im Grundsatz Arbeiten, die dem versicherten Arbeitslosen versicherungsrechtlich zumutbar sind, sodass alle Beschäftigungsmöglichkeiten heranzuziehen sind, auf die sich der Arbeitslose nach Maßgabe vor allem des § 121 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verweisen lassen muss (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Dies gilt nach der neueren Rspr des BSG auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit (BSG, 04. 04.2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 9).

Nach dem vorliegenden Gutachten von Dr B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 13.10.2011 geht auch der Senat davon aus, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit zumindest ab dem 23.09.2011 nicht mehr anzunehmen ist. Die von Dr B. in ihrem Gutachten dargelegte Einschätzung, der Antragsteller sei in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen im geforderten Umfang auszuüben, sind nach der vom Senat im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass Dr B. sämtliche der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen sowie weitere Befundberichte des den Antragsteller behandelnden Nervenfacharztes K. gesichtet und am Tag der Begutachtung eine telefonische Fallbesprechung mit letzterem durchgeführt hat. Die aus der depressiven Anpassungsstörung des Antragstellers resultierenden Einschränkungen (leichte bis mittelschwere Störung der Stimmungslage, Grübelneigung, subjektive Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit sowie Schlafstörungen) bedingen im Rahmen des gebotenen Prüfungsumfangs keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit für zumindest leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Soweit der Antragsteller vorträgt, eine Verwertung des Gutachtens von Dr B. sei ausgeschlossen, da diese ihn nicht persönlich untersucht habe, so ist dem nicht folgen. Vielmehr hat die Ärztin zum einen den aktuellen Befundbericht des Nervenfacharztes K. und seine persönliche, telefonisch mitgeteilte Einschätzung mit in ihre Beurteilung einbezogen; zum anderen hat sie ihrem Gutachten das von Dr G. erst wenige Wochen zuvor am 21.07.2011 erstatte Gutachten bei Abgabe ihrer Leistungsbeurteilung berücksichtigt, dem eine persönliche Untersuchung des Antragstellers zugrunde lag und der unter alleiniger Berücksichtigung der das nervenärztliche Fachgebiet betreffenden Beeinträchtigungen eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit bereits zum 31.07.2011 vorgeschlagen hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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