L 8 SB 5895/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 5334/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5895/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der 1952 geborene Kläger stellte erstmals am 18.11.2008 einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung nach § 69 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX).

Das Landratsamt O. (VA) zog Arztunterlagen bei, die mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.01.2009 ausgewertet wurden.

Mit Bescheid vom 03.02.2009 stellte das VA den GdB mit 20 seit 18.11.2008 fest. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, Teillähmung des rechten Ellennervs, Mittelnervendruckschädigung (Karpaltunnelsyndrom).

Dagegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 18.02.2009 Widerspruch ein und nahm Akteneinsicht. Trotz der Mahnungen des VA vom 17.02.2009, 29.04.2009 und 15.06.2009 begründete der Bevollmächtigte des Klägers den eingelegten Widerspruch nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 22.10.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Antrag, den Beklagten dazu zu verurteilen, bei dem Kläger einen GdB von wenigstens 50 v.H. anzuerkennen. Der Wirbelsäulenbeeinträchtigung in zwei Wirbelsäulenabschnitte sei von der Beklagten nicht Rechnung getragen worden. Auf vorgelegte Arztbriefe behandelnder Ärzte wurde verwiesen (u.a. Bericht der radiologischen Gemeinschaftspraxis von Dr. B. und Dr. B. vom 05.11.2007).

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen (Auskunft des Orthopäden Dr. M.-H. vom 21.12.2009 und des Allgemeinarztes Dr. H. vom 29.12.2009). Ihren schriftlichen Aussagen waren weitere Arztbriefe beigefügt.

Der Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25.03.2010 vor. Diese wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 08.04.2010 zur Stellungnahme übersandt. An die Erledigung der gerichtlichen Verfügung vom 08.04.2010 erinnerte das SG den Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 31.05.2010 und 01.09.2010. Eine Antwort hierauf ist vom Bevollmächtigten des Klägers nicht erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2010 hob das SG den Bescheid vom 03.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2009 auf und verurteilte den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 30 ab 18.11.2008 anzuerkennen; im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG stützte sich auf die schriftlichen Aussagen von Dr. H. und Dr. M.-H. und bewertete die Funktionseinschränkung der rechten Hand mit einem Teil-GdB von 30 und der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10.

Gegen den - dem Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 01.12.2010 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 27.12.2010 Berufung eingelegt und angekündigt, Anträge und Begründung würden nachgereicht werden.

Einen Antrag hat der Bevollmächtigte des Klägers nicht gestellt und die Berufung hat er nicht begründet.

Der Bevollmächtigte des Klägers ist mit gerichtlichem Schreiben vom 07.03.2011 an die Übersendung der Berufungsbegründung erinnert worden und mit gerichtlichem Schreiben vom 15.08.2011 ist er erneut darauf hingewiesen worden, dass ein Antrag und eine Begründung bislang nicht vorliegen. Unter Hinweis auf § 106 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Bevollmächtigte des Klägers Frist bis zum 30.09.2011 erhalten, einen Antrag zu stellen und die Berufung zu begründen.

Am 16.11.2011 hat der Kläger vorgetragen, die mit einem Teil-GdB von 30 angenommene Handproblematik sei unterbewertet, eine Einschränkung der Schulterbeweglichkeit rechtfertige einen Teil-GdB von 20 und die Wirbelsäulenbeeinträchtigung sei nicht korrekt bewertet.

Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.11.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 03.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von wenigstens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 151 Abs. 3 SGG soll die Berufungsschrift das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Gemäß § 153 Abs. 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. Nach § 92 Abs. 1 SGG muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten.

Diesen Anforderungen entspricht der Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 27.12.2010, mit dem er Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.11.2010 eingelegt hat, nicht. Darin ist der Streitgegenstand mangels eines Antrages nicht hinreichend bestimmt und das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers war mangels Begründung nicht erkennbar. Mit gerichtlicher Verfügung vom 15.08.2011 ist der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen worden, dass er zwar Berufung eingelegt, einen Antrag und eine Begründung jedoch nicht abgegeben hat. Diesen Mangel hat der Bevollmächtigte des Klägers - zwar nicht innerhalb der ihm vom Gericht nach § 106 a SGG gestellten Frist bis zum 30.09.2011 behoben. Erst mit Schriftsatz vom 16.11.2011 hat er einen Antrag gestellt und sein Rechtsschutzziel mit der nachgeholten Begründung zu erkennen gegeben. Der Senat hat auf Grund dessen die Berufung des Klägers noch als zulässig beurteilt.

Jedoch stellt sich die Berufung als unbegründet dar. Ein Anspruch des Klägers gemäß des gestellten Antrags, den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von wenigstens 50 anzuerkennen, besteht nicht.

Das SG hat die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass beim Kläger ein GdB von lediglich 30 festzustellen ist. Die Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand ist vom SG unter Berücksichtigung des Karpaltunnelsyndroms mit einem Teil-GdB von 30 beurteilt worden. Ein höherer GdB als 30 lasse sich nach Auffassung des SG hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand nicht begründen. Ein GdB von 40 sei nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) für den Verlust von 4 Fingern einer Hand vorgesehen (vgl. B 18.13 der VG, S.112) und eine dementsprechende Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand liege beim Kläger nicht vor. Die festgestellte Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bestehe beim Kläger in einer endgradigen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Seitneigung, Rotation und Flexion mit nur geringen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sowie einer zuletzt am 19.09.2003 erhobenen Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (Berichte der Radiologischen Praxis Dr. B. und Kollegen vom 18. und 19.09.2003), die nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. vom 29.12.2009 ohne neurologische Ausfallerscheinungen einherging, was vom SG mit einem Teil-GdB von 10 bewertet worden ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis und nimmt zur Begründung hierfür und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung der Schulter hat der Senat nicht feststellen können. Eine Schultergelenkserkrankung oder Schulterbeschwerden des Klägers haben die vom SG als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte Dr. H. und Dr. M.-H. in ihren aktuellen Aussagen im Jahr 2009 nicht angegeben. Lediglich in dem radiologischen Befundbericht der Praxis Dr. B. und Kollegen vom 05.11.2007 ist eine eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter - wohl als Beschwerdevorbringen des Klägers - bei ansonsten röntgenologisch völlig unauffälligem Befund erwähnt. Dies spricht für nur vorübergehende Beschwerden, ohne dass ein eine Behinderung begründender Dauerzustand vorliegt. Der Senat hat sich daher nicht zu weiteren Ermittlungen über Schultergelenkenerkrankung gedrängt gesehen. Auf diese Funktionsein-schränkung hat sich der Kläger auch erst nach Ablauf der ihm ordnungsgemäß bis 30.09.2011 gesetzten Präklusionsfrist und erst nach der gerichtlichen Terminsbestimmung vom 18.10.2011 im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.11.2011 berufen. Eine genügende Entschuldigung für das verspätete Vorbringen ist nicht vorgebracht worden. Eine allgemeine Arbeitsüberlastung, wie vom Klägerbevollmächtigten erstmals mit Schriftsatz vom 16.11.2011 ohne nähere Konkretisierung vorgetragen, entschuldigt eine mehr als sechswöchige Fristüberschreitung nicht hinreichend. Nachdem bereits Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.11.2011 anberaumt worden war, hätte die Zulassung dieses Vorbringens im Schriftsatz vom 16.11.2011 die Erledigung des Rechtsstreits durch dann erforderliche weitere Ermittlungen verzögert, zumal nicht einmal vorgetragen ist, bei welchem Arzt Befunde über konkret noch bestehende Schulterbeeinträchtigungen eingeholt werden können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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