L 12 SF 2379/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SF 3358/09 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SF 2379/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. April 2010 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Anwaltsvergütung nach der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe streitig.

In dem zugrundeliegenden Klageverfahren S 4 AS 908/09 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) war die Erstattung des für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2008 erbrachten Arbeitslosengeldes II streitig. Das SG bewilligte dem dortigen Kläger mit Beschluss vom 11. August 2009 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Auf Vorschlag des SG schlossen die Beteiligten des Klageverfahrens im September 2009 einen Vergleich; die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 17. September 2009 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der Anwaltskosten gegenüber der Staatskasse und rechnete folgende Gebühren ab: - Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,- EUR - Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,- EUR - Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,- EUR - Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,- EUR - Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 25,- EUR - Zwischensumme 605,- EUR - 16 % MwSt. nach Nr. 7008 VV-RVG 114,95 EUR - Summe 719,95 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG setzte mit Beschluss vom 21. September 2009 den dem Beschwerdeführer aufgrund des PKH-Bewilligungsbeschlusses vom 11. August 2009 auszuzahlenden Betrag in Höhe von 481,95 EUR fest und berücksichtigte dabei folgende Gebühren: - Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,- EUR - Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,- EUR - Auslagenpauschale 20,- EUR - Dokumentenpauschale 25,- EUR - 16 % MwSt. 76,85 EUR - Summe 481,95 EUR Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden und auch nicht fiktiv anzusetzen.

Dagegen legte der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2009 Erinnerung ein. Es sei eine fiktive Terminsgebühr nach VV 3106 RVG entstanden.

Das SG hat durch Beschluss vom 29. April 2010 die Erinnerung zurückgewiesen. Die Terminsgebühr sei nicht angefallen. Es habe kein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden und ein Anerkenntnis sei nicht abgegeben worden.

Gegen den Beschluss des SG richtet sich die am 11. Mai 2010 erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er weiterhin die Festsetzung der Terminsgebühr geltend macht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen des SG mit Ausnahme der Urteile die Beschwerde statt, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Nach § 178 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht endgültig, wenn gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle das Gericht angerufen wird.

Ein solcher Fall liegt hier vor, nachdem das SG auf die Erinnerung gegen die Entscheidung seines Urkundsbeamten entschieden hat. Die nach der Rechtsmittelbelehrung des SG mögliche Beschwerde gegen richterliche Beschlüsse im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) steht dem Beschwerdeführer nach dem Gesetz nicht zu.

Weder durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Juni 2007 - L 12 AL 1353/07 KO-B -) noch durch eine ausdrückliche Zulassung der Beschwerde kann insoweit die Zulässigkeit einer Beschwerde zum LSG bewirkt werden, wenn das Gesetz die Möglichkeit der Beschwerde nicht vorsieht (vgl. den ebenfalls zu dieser Problematik ergangenen Beschluss des erkennenden Senats vom 14. Januar 2008 - L 12 SO 1995/06 KO-B -).

Wegen des abschließenden Normengefüges der §§ 172 ff. SGG ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG die Beschwerde an das LSG gegen die Entscheidung des SG grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. nur LSG Berlin, Beschluss vom 28. Februar 2005 - L 9 B 166/02 KR -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006 - L 8 B 4/06 SO SF -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. April 2008; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - L 1 B 266/09 SF E -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Juni 2011 - L 3 R 234/10 B - (alle juris) und ständige Senatsrechtsprechung, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 und 14. Januar 2008, jeweils a.a.O.; vom 26. März 2008 - L 12 AS 1144/08 KO-B -; vom 19. Juni 2009 - L 12 AS 2241/09 KE -; vom 4. November 2010 - L 12 SF 3329/10 B; vom 20. Dezember 2010 - L 12 SF 5172/09 E -; vom 12. September 2011 - L 12 SO 1563/09 B -). Nach der grundlegenden Systematik des SGG sind auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG unanfechtbar. Neben der Regelung des § 178 Satz 1 SGG sieht deshalb das SGG für das Kostenfestsetzungsverfahren in § 197 Abs. 2 SGG und in Verfahren zur Feststellung der Pauschgebühr in § 189 Abs. 2 SGG nur eine gerichtliche - endgültige - Entscheidung auf die Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten vor, nicht aber eine Beschwerdemöglichkeit gegen den auf die Erinnerung hin ergangenen Beschluss.

Die Beschwerdemöglichkeit nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG ist danach nur in Verfahrensordnungen denkbar, die diese Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits ausgeschlossen haben. Für Fragen der Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gegenüber dem SGG das allgemeinere Gesetz, womit dem SGG als dem spezielleren Gesetz der Vorrang gebührt (a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 18. Januar 2007 - L 15 B 224/06 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - L 19 B 21/08 AS - (juris); Burkiczak, NJW 2010, 407, 410 f.). Dementsprechend kann das RVG in seinem verfahrensrechtlichen Teil nicht eine Gebührennachprüfungsinstanz schaffen, die es als solche in der Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich für den Bereich der Kostenentscheidungen nicht gibt.

Die Gegenauffassung, die damit argumentiert, dass § 178 Satz 1 SGG von dem spezielleren § 73a Abs. 1 SGG verdrängt werde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2008 - L 1 B 35/07 AS -; LSG Thüringen, Beschluss vom 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF - (beide juris)), überzeugt nicht. § 73a SGG verweist lediglich auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) hinsichtlich der Prüfung der Prozesskostenhilfebewilligung als solcher, er verweist nicht auf das RVG. Der Anwendungsbereich des RVG ergibt sich aus dessen § 1. Danach bemisst sich die Vergütung für alle anwaltlichen Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach dem RVG. Prinzipiell sind daher auch im sozialgerichtlichen Verfahren die §§ 45 ff. RVG über die Vergütungsansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte anwendbar, wenn PKH bewilligt wurde, ohne dass dies im SGG nochmals ausdrücklich hätte angeordnet werden müssen. Soweit indes das SGG Verfahrensregeln über die Kostenfestsetzung und die Rechtsmittel/Rechtsbehelfe dagegen enthält, besteht keine Grundlage für die subsidiäre Heranziehung anderer Gesetze. Dies entspricht auch der gesetzessystematischen Auslegung unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte (vgl. hierzu ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009 - L 15 SF 9/09 B - (juris)). Auch § 172 Abs. 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 26. März 2008 spricht gegen die Annahme einer Beschwerdemöglichkeit. Er schließt die Beschwerdemöglichkeit gegen die Ablehnung von PKH bei Verneinung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen aus mit dem Ziel einer Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit. Wenn die Hauptsacheentscheidung über die Gewährung von PKH nur noch in beschränktem Umfang anfechtbar ist, dürfte dies erst recht für PKH-Nebenverfahren gelten (vgl. hierzu auch Löffler, Anm. zu Beschluss des Thüring. LSG s.o., SGb 2008, 620, 623 f.).

Im Übrigen dient der vorliegende Ausschluss der Beschwerde der Einheitlichkeit des Verfahrens, weil nur so unterschiedliche Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG und im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG vermieden werden können. Denn es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, dass in Kostenfestsetzungsverfahren gegen den unterlegenen Verfahrensgegner das SG endgültig über die Kosten entscheidet, in Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse aber seine Entscheidung mit der Beschwerde überprüfbar sein soll. Dies zeigt sich in den Fällen besonders deutlich, in denen nach der Bewilligung von PKH und einem teilweisen Obsiegen in der Hauptsache nur ein Teil der klägerischen außergerichtlichen Kosten von der Staatskasse und der Rest vom Verfahrensgegner zu tragen ist. Nur hinsichtlich des Kostenanteils, der von der Staatskasse zu tragen ist, könnte dann Beschwerde nach dem RVG zum LSG eingelegt werden, nicht jedoch hinsichtlich des Kostenanteils, der von der Beklagten zu tragen ist. Es liegt auf der Hand, dass insofern die Gefahr abweichender und widersprüchlicher Kostenentscheidungen hinsichtlich desselben Hauptsacheverfahrens besteht.

Auch das Argument, die §§ 193 ff. SGG seien vorliegend nicht einschlägig, da hierin nur die Kostentragung der Beteiligten untereinander geregelt werde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Sowohl in § 197 Abs. 2 SGG als auch in § 178 Satz 1 SGG und § 189 Abs. 2 SGG ist für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit einheitlich geregelt, dass auf Erinnerungen gegen Beschlüsse des Urkundsbeamten nur noch ein Rechtsbehelf am selben Gericht besteht.

Die vorliegende Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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