Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 2832/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2896/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beklagte der Klägerin den Nachteilsausgleich (Merkzeichen) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) zu Recht aberkannt hat.
Bei 1991 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt R. gestützt auf einen Bericht der E.-Universität T. (Kinderklinik) vom 04.08.1993 wegen einer linksbetonten spastischen Diplegie und motorische Retardierung mit Bescheid vom 27.01.1994 den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "H" und gestützt auf ein Attest der Kinderklinik vom 05.05.1994 mit Bescheid vom 26.06.1994 das Merkzeichen "aG" fest.
Im Januar 2000 und 2001 leitete das Versorgungsamt R. jeweils Nachprüfungsverfahren ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahmen der Vertragsärztin W. vom 19.06.2000 und Dr. G. vom 20.03.2001) beigezogener ärztlicher Befundunterlagen (Dr. M. vom 20.02.2001, Dr. J. vom März 2000, Berichte des Universitätsklinikums T. - Kinderklinik - vom 13.03.2000 und des Klinikums S. - O.hospital - vom 11.12.2003) teilte das Versorgungsamt R. der Klägerin mit Bescheiden vom 27.06.2000 und 26.03.2001 jeweils mit, dass derzeit nicht beabsichtigt sei, den GdB herabzusetzen sowie festgestellte gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu entziehen.
Im Dezember 2002 leitete das Versorgungsamt R. erneut ein Nachprüfungsverfahren ein. Es zog die Berichte des Universitätsklinikums T. - Kinderklinik - vom 14.05.2001 und des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.11.2001 und 02.12.2002, die Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Klägerin von Dr. W. vom 17.01.1997 und Dr. S. vom 12.09.1997 sowie den Befundbericht von Dr. J. vom 27.01.2003 bei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. M. vom 11.03.2003) teilte das Versorgungsamt R. der Klägerin mit Bescheid vom 20.03.2003 erneut mit, aufgrund des Ergebnisses der Überprüfung sei derzeit nicht beabsichtigt, den GdB herabzusetzen sowie festgestellte gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu entziehen.
Am 07.09.2005 erfolgte bei der Klägerin eine operative Umstellungsosteotomie mit Durchtrennung der Adduktorensehnen links zur Verbesserung des Gangbildes und am 08.09.2006 die Entfernung eingebrachter Implantate (Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 27.09.2005, 14.12.2005, 28.04.2006 und 30.04.2007).
Im August 2007 leitete das nunmehr zuständige Landratsamt Z. - Versorgungsverwaltung - (LRA) wiederum ein Nachprüfungsverfahren ein. Es zog Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 27.09.2005, 14.12.2005, 28.04.2006 und 30.04.2007 bei und ließ diese versorgungsärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsärztin K. vom 19.12.2007, die wegen einer wesentlichen Besserung den GdB mit 70 und die Aberkennung des Merkzeichens "aG" vorschlug). Nach Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 10.01.2008) hob das LRA mit Bescheid vom 18.02.2008 den "Bescheid vom 26.06.1994" auf, stellte den GdB mit nur noch 70 ab dem 22.02.2008 fest und entzog der Klägerin das Merkzeichen "aG". Die Merkzeichen "G", "B" und "H" blieben weiter festgestellt.
Gegen den Bescheid vom 18.02.2008 legte die Klägerin am 10.03.2008 Widerspruch ein, mit dem sie sich unter Bezug auf die Berichte des O.hospitals S. gegen die Herabsetzung des GdB sowie die Entziehung des Merkzeichens "aG" wandte. Es sei zu berücksichtigen, dass Lähmungserscheinungen an allen Gliedern und Gelenken, besonders links, mit vorzeitigem Gelenkverschleiß und einer Unterentwicklung der Muskulatur vorlägen. Ihr sei ärztlich geraten worden, so wenig wie möglich zu laufen, weshalb ihr ein Rollstuhl verschrieben worden sei. Das LRA zog weitere medizinische Unterlagen bei (Bericht des Klinikums S.- O.hospital - vom 29.04.2008 und Äußerung Dr. J. vom 04.06.2008). Gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsarztes K. vom 15.07.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18.02.2008 vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Festsetzung des GdB mit 70 entspreche den AHP. Auch die Entscheidung, dass das Merkzeichen "aG" nicht mehr vorliege, sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 07.08.2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie wiederholte zur Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und legte ergänzend eine Stellungnahme der Physiotherapeutin G.-H. vom 25.09.2008 vor.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. M. und den Orthopäden Dr. J. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. teilte unter Vorlage von Befundberichten in seiner Stellungnahme vom 09.10.2008 mit, er könne weder zum Merkzeichen "aG" noch zum GdB Aussagen machen. Dr. J. teilte in seiner Stellungnahme vom 14.10.2008 die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen mit. Er schätze den GdB auf 80 ein und bejahte wegen schwerer Koordinationsstörungen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.
Das SG holte auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, an Behinderungen lägen bei der Klägerin eine Bewegungseinschränkung und Kraftminderung der linken oberen Extremitäten, eine Bewegungseinschränkung, Fehlstellung und Spastik der linken unteren Extremität, eine Bewegungseinschränkung und Fehlstellung der rechten unteren Extremität sowie sekundäre Auswirkungen auf die Rumpfwirbelsäule (Fehlstellung, Asymmetrie, Hyperlordose) vor. Gegenüber den Verhältnissen bei der Erteilung der Bescheide vom 27.01.1994/24.06.1994 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung der Extremitäten bewertete Dr. S. den Teil-GdB mit 70 und der Verformung der Rumpfwirbelsäule und Körperasymmetrie den Teil-GdB mit 20 sowie den Gesamt-GdB mit 80 seit 22.02.2008. Das Merkzeichen "aG" könne nicht mehr begründet werden. Eine motorische Retardierung liege nicht mehr vor. Die Fähigkeit der Klägerin zur selbständigen Fortbewegung ohne Benutzung eines Rollstuhls habe sich wesentlich gebessert.
Gegen das Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.08.2009 Einwendungen. Dr. S. habe nicht berücksichtigt, dass nach einer Operation im Jahr 2006 neue Probleme hinzugetreten seien und Laufen auf Kosten ihrer Gesundheit gehe (vorzeitiger Gelenkverschleiß). Durch eine weitere Operation im Oktober 2009 solle versucht werden, eine bessere Beweglichkeit zu erreichen. Die Klägerin legte hierzu die Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 06.05.2009, 04.01.2010, 18.01.2010, 03.02.2010 und 24.02.2010 vor. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sie nie schmerzfrei sei. Beim Zurücklegen längere Wegstrecken werde von ihr ein Rollstuhl benützt.
Der Beklagte unterbreitete der Klägerin ein Vergleichsangebot dahin, den GdB mit 80 seit 22.02.2008 festzustellen (Schriftsatz vom 10.09.2009), das die Klägerin nicht annahm, und legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 08.09.2009 und 05.03.2010 vor.
Das SG hörte weiter Prof. Dr. W., Klinikum S. - O.hospital -, schriftlich als sachverständigen Zeugen. Prof. Dr. W. teilte in seinen Stellungnahmen vom 23.11.2009 und 27.12.2010 die Behandlungen der Klägerin, die Diagnosen und Befunde sowie Änderungen im Gesundheitszustand mit. Er bestätigte den GdB mit 80 als zutreffend. Das Merkzeichen "aG" sei weiterhin zu gewähren. Die Klägerin sei aufgrund der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit großer Anstrengung außerhalb des Rollstuhls mobil. Im Verlaufe vom 23.11.2009 bis 22.11.2010 habe sich keine Verbesserung ergeben. Außerdem zog das SG den Entlassungsbericht der Fachkliniken H. vom 06.07.2010 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 26.05.2010 ist 30.06.2010 bei. Zu diesem Bericht äußerte sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.11.2010.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 05.03.2010 weiter entgegen. Unter Bezug auf den Inhalt des Berichts des Klinikums S. - O.hospital - vom 06.05.2009 schlug Dr. K. vor, im Hinblick auf die geplante Operation die Merkzeichen "aG" und "B" bis zur Beendigung der geplanten Therapie beizubehalten.
In der öffentlichen Sitzung des SG vom 16.06.2011 wurde die Klägerin angehört. Außerdem gab die Beklagtenvertreterin ein Teilanerkenntnis dahin ab, bei der Klägerin den GdB mit 80 seit dem 22.02.2008 festzustellen. Dieses Teilanerkenntnis nahm die Klägerin an. Auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2011 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16.06.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der Beklagte habe der Klägerin das Merkzeichen "aG" zu Recht entzogen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" lägen wegen einer Besserung des Gesundheitszustandes jedenfalls seit dem 22.02.2008 nicht mehr vor. Das SG stützte seine Entscheidung auf die gutachtlichen Ausführungen von Dr. S. sowie die Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung am 16.06.2011. Dr. M. und Dr. J. hätten ihre abweichenden Ansichten nicht näher begründet. Auch der Ansicht von Prof. Dr. W. könne nicht gefolgt werden. Die geschilderten Anstrengungen genügten nicht, um das Merkzeichen "aG" zu vergeben. Maßgeblich sei, dass im Zeitpunkt des Entzuges des Merkzeichens eine Verbesserung vorgelegen habe. Spätere Änderungen blieben unberücksichtigt. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass auch nach der Operation im November 2009, sofern wieder eine Verschlechterung eingetreten sei, die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht vorlägen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges an sich nur mit großer Anstrengung bewegen könne. Die Gefahr des zukünftigen Eintritts einer außergewöhnlichen Gehbehinderung reiche bei der Klägerin für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht aus.
Mit Ausführungsbescheid vom 15.07.2011 stellte das LRA bei der Klägerin den GdB mit 80 seit dem 22.02.2008 fest.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.07.2011 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, streitig sei, ob bei ihr eine außergewöhnliche Gehbehinderung weiterhin vorliege. Entgegen dem Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009, der lediglich Teilaspekte berücksichtigt habe, sei sie tatsächlich außergewöhnlich gehbehindert. Die Klägerin hat sich auf ihre Angaben bei ihrer Anhörung beim SG sowie auf die Beurteilung durch Prof. Dr. W. berufen. Eine wesentliche Änderung, die eine Entziehung des Merkzeichens "aG" rechtfertige, sei nicht gegeben. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass eine dauerhafte Besserung nicht gegeben gewesen sei, auf die es ankomme. Entgegen der Ansicht des SG seien neben der Frage, ob sie sich nur mühsam und mit äußerster Tatkraft fortbewegen könne, auch die funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen, wenn sie laufen müsse. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.03.1998 lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" auch dann vor, wenn zur Vermeidung einer weiteren sonst alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung das Gehen in allen Lebensbereichen soweit wie möglich eingeschränkt werden müsse. Genau dies sei bei ihr der Fall.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.06.2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 aufzuheben, soweit das Merkzeichen "aG" entzogen wurde, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Berufungsvorbringen der Klägerin könne eine abweichende Beurteilung nicht begründen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist nur noch, ob der Beklagte der Klägerin das Merkzeichen "aG" für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu Recht aberkannt hat. Nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die mit Bescheid vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 außerdem erfolgte Herabsetzung des GdB sowie der hierzu ergangene Ausführungsbescheid vom 15.07.2011. Denn der Rechtsstreit hat sich durch das von der Klägerin in der öffentlichen Sitzung des SG am 16.06.2011 angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten insoweit erledigt. Dem entsprechen auch der Klage- und der Berufungsantrag der Klägerin, mit denen sie sich nur noch gegen die Entziehung des Merkzeichens "aG" wendet. Dass der Beklagte mit dem Bescheid vom 18.02.2008 nur den die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" betreffenden Bescheid vom 24.06.1994 aufgehoben hat und nicht auch den GdB-Festsetzungsbescheid vom 27.01.1994, bedarf daher hinsichtlich der Herabsetzung des GdB keiner rechtlichen Bewertung.
Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht formell rechtswidrig. Die Klägerin ist vor Erlass des das Merkzeichen "aG" entziehenden Bescheids vom 18.02.2008 mit Schreiben vom 10.01.2008 ordnungsgemäß angehört worden. Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.
Rechtsgrundlage für den Entzug des Merkzeichens "aG" ist § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Danach ist festzustellen, ob sich hinsichtlich der bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen eine Besserung ergeben hat, die den Entzug des Merkzeichens "aG" rechtfertigt. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des Beklagten ist bei der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG) die Sach- und Rechtslage bei Erlass der (letzten) Verwaltungsentscheidung (hier der Erlass des am 05.08.2008 abgesandten Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008). Auf spätere Veränderungen des Gesundheitszustandes bzw. des Gehvermögens kommt es nicht an.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) i.V.m §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, ber. S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 10.04.2006 (BAnz S. 2968). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlichen Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Hiervon ausgehend ist bei der Klägerin zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 eine die Aberkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigende Besserung ihres Gehvermögens eingetreten.
Offen bleiben kann, ob für die Beurteilung der Frage, ob eine wesentliche Besserung eingetreten ist, als Vergleichsgrundlage der mit dem Bescheid vom 24.06.1994 bewertete Behinderungszustand oder der dem Bescheid vom 20.03.2003 zugrundeliegende Behinderungszustand der Klägerin heranzuziehen ist. Denn eine Besserung des Gehvermögens der Klägerin ist sowohl im Vergleich zu dem dem Bescheid vom 24.06.1994 als auch zu dem dem Bescheid vom 20.03.2003 zu Grunde liegenden Behinderungszustand eingetreten.
Nach dem Bericht der E.-Universität T. - Kinderklinik - vom 04.08.1993 und der Mitteilung vom 05.05.1994 war die Klägerin (im Alter von 3 Jahren) noch nicht in der Lage, frei zu laufen. Es bestand eine linksbetonte spastische Diplegie/Lähmung der Beine mit motorischer Retardierung (Gehvermögen Bescheid vom 24.06.1994). Nach dem Befundbericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 02.12.2002 war die damals 11 jährige Klägerin zwar zum Laufen in der Lage. Es bestand jedoch weiter eine infantile Cerebralparese (ICP) vom Typ einer linksbetonten, beinbetonten Tetraparese. Die Klägerin war auf orthopädische Hilfsmittel (Nancy-Hilton-Orthesen) angewiesen. Weiter bestand nach dem Befundbericht von Dr. J. vom 27.01.2003 eine starke Beeinträchtigung der Motorik sowie ein unflüssiges Gangbild, das aus einer Innenrotation beider Beine und Anbeugen beider Kniegelenke bestand, bei einer Knickfußkomponente linksbetont (Gehvermögen Bescheid vom 20.03.2003).
Zur Zeit des Ergehens des am 05.08.2008 abgesandten Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 war im Vergleich zum Vorgenannten Gehvermögen der Klägerin eine (weitere) Besserung eingetreten. Zwar bestand weiterhin eine ICP vom Typ einer linksbetonten, beinbetonten Tetraparese. Nach der operativen Umstellungsosteotomie mit Durchtrennung der Adduktorensehnen links am 07.09.2005 und Metallentfernung am 23.06.2006 entwickelte sich das Gangbild der Klägerin jedoch sehr positiv. Mit entsprechender Konzentration war die Klägerin in der Lage, ein hervorragendes Gangbild zu dokumentieren (Bericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.04.2007). Auf Gehhilfen und orthopädische Schuhe ist die Klägerin nicht mehr ständig angewiesen. Bei einer klinischen Untersuchung am 24.04.2008 war die Klägerin in der Lage, den Untersuchungsraum freilaufend zu betreten, bei leichtem Kauergang (Befundbericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 29.04.2008). Auch Prof. Dr. W. bestätigt in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 23.11.2009, dass sich bei der Klägerin nach der letzten Operation im September 2006 ein stabiles und in den letzten Jahren deutlich verbessertes Gangbild eingestellt hat. Die Klägerin war auch bei der Vorstellung am 23.04.2009 in der Lage, den Untersuchungsraums frei gehen zu betreten. Eine Orthesenversorgung wurde von der Klägerin nicht mehr getragen. Kleinere Strecken von 500 bis 800 Meter kann die Klägerin ohne Hilfsmittel bewältigen. Beim Bewältigen von größeren Strecken (nach Angaben von Prof. Dr. W. 500 Meter und mehr) ist die Klägerin allerdings auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. S. vom 16.07.2009 nannte die Klägerin eine mögliche Gehstrecke von ca. 1000 Meter (abhängig von der Tagesform). Die Benutzung des Rollstuhls erfolgt nach Angaben der Klägerin fakultativ und hängt von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung ab. Den Weg vom Wartebereich zum Untersuchungszimmer legte die Klägerin freigehend ohne Benutzung von Hilfsmitteln im Kauergang zurück. Auch Dr. S. geht in seinem Gutachten vom 12.06.2009 von einem gebessertem Gehvermögen der Klägerin aus, wenn auch bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides vom 24.06.1994. Damit steht für den Senat fest, dass sich das Gehvermögen der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 im Vergleich zu dem bei Ergehen der Bescheide vom 24.06.1994 wie auch vom 20.03.2003 bestehenden Gehvermögen gebessert hat.
Die eingetretene Verbesserung des Gehvermögens der Klägerin ist auch wesentlich im Sinne des § 48 SGB X. Denn die Klägerin hat zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht mehr zu dem Personenkreis der außergewöhnlich gehbehinderten Menschen gehört, da ihre Gehfähigkeit nicht in außergewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies hat das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 16.06.2011 ausführlich und zutreffend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung ebenfalls zu dieser Überzeugung. Er schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den genannten Urteilsgründen an, auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Nach den überzeugenden und für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten vom 12.06.2009 kann bei der Klägerin das Merkzeichen "aG" nicht mehr begründet werden. Zwar ist nach den Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten bei der Klägerin eine schwere Behinderung erkennbar. Die Klägerin kann auf die Benutzung eines Rollstuhls nicht gänzlich verzichten. Unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin gelangt Dr. S. jedoch überzeugend zu der Schlussfolgerung, dass die Benutzung des Rollstuhls nicht mehr regelhaft erfolgen muss. Der Klägerin ist das freie Gehen auch über längere Strecke möglich. Sie kann, wenn auch nicht ohne Mühe, Treppen selbstständig bewältigen. Für Dr. S. war nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dr. S. gelangt zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin die Gehfähigkeit soweit gegeben ist, dass eine hinreichende Mobilität mit Einschränkungen vorliegt. Diese Bewertung ist für den Senat nach den im Gutachten wiedergegebenen Angaben der Klägerin (insbesondere, die Rollstuhlbenutzung erfolge fakultativ und hänge von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung ab; die mögliche Gehstrecke betrage abhängig von der Tagesform ca. 1000 m) und den von Dr. S. bei der Untersuchung der Klägerin erhobenen Befunden nachvollziehbar und überzeugend. Seiner Ansicht schließt sich der Senat an. Danach kann die Klägerin, die dem in die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO genannten Personenkreis nicht angehört, diesem Personenkreis nicht gleichgestellt werden, da die Klägerin sich ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung bewegen kann.
Der abweichenden Bewertungen von Dr. J. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 14.10.2008 und von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 23.11.2009, die übereinstimmend die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" bei der Klägerin bejahen, kann nicht gefolgt werden. Deren Darlegungen ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin sich praktisch mit den ersten Schritten nur mit großer Anstrengung bewegen kann (vgl. BSG Urt. vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R -, = SozR 3-3250 § 69 Nr. 1). Zwar ist bei der Klägerin davon auszugehen, dass sie sich aufgrund der bei ihr bestehenden Gangstörung nicht ohne Mühe bewegen kann. Ein mühsames Bewegen ist jedoch nicht dem Bewegen mit der gesetzlich geforderten großen Anstrengung gleichzusetzen. Dr. J. nimmt in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung wegen einer starken Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin aufgrund schwerer Koordinationsstörungen an, ohne die bestehende Einschränkung der Gehfähigkeit näher zu beschreiben. Er nennt auch keine (neuen) Befunde, die die überzeugende Ansicht von Dr. S. in seinem Gutachten erschüttern, weshalb der Ansicht von Dr. J. nicht gefolgt werden kann. Dies gilt auch für die von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vertretene Ansicht. Zwar geht Prof. Dr. W. davon aus, dass die Klägerin dauernd nur mit großer Anstrengung außerhalb des Rollstuhls mobil sei. Er berücksichtigt dabei, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung ein erhöhter Energieumsatz zur Bewältigung der Gehstrecke nötig und die Rekompensationszeit deutlich verlängert sei. Daraus lässt sich jedoch nicht schon ableiten, dass bei der Klägerin eine bereits mit den ersten Schritten auftretende große Anstrengung besteht. Dagegen spricht vielmehr, wovon auch Prof. Dr. W. ausgeht, dass die Klägerin Wegstrecken von 500 bis 800 m ohne Hilfsmittel bewältigen kann, die Klägerin hinreichend mobil ist und im Übrigen auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann, weshalb seiner Ansicht ebenfalls nicht gefolgt werden kann. Ihren Angaben bei der Untersuchung durch Dr. S. zufolge treten eine Erschöpfung und schmerzende Glieder erst nach "längerem Laufen (ca. 1 km)" auf. Dies spricht dagegen, dass bereits nach wenigen Schritten längere Pausen zur Rekompensation (zu Pausen als Indiz für Erschöpfung, vgl. BSG Urt. vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R -, Behindertenrecht 2008, 138, juris) nötig sind, da ansonsten Wegstrecken von 800 bis 1000 m nicht ohne Hilfsmittel zurückgelegt würden. Auch Dr. M. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 09.10.2008 wegen des von ihm genannten unsicheren Gangs der Klägerin und mühsamer Bewegung das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" nicht bejaht, sondern angegeben, hierzu keine Aussagen machen zu können.
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Bewertung. Soweit sich die Klägerin auf den eingetretenen Gesundheitszustand im Anschluss an eine Ende des Jahres 2009 erfolgte Operation beruft, ist hierüber im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu entscheiden, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage das Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 ist. Nachfolgende Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin/ihres Gehvermögens sind von ihr vielmehr im Rahmen eines Neufeststellungsantrages wegen Verschlimmerung geltend zu machen. Deswegen kommt auch dem Vorschlag des Versorgungsarztes K. in seiner Stellungnahme vom 05.03.2010, im Hinblick auf die im Jahr 2009 geplante Operation die Merkzeichen "aG" und "B" bis zur Beendigung der geplanten Therapie beizubehalten, keine streitentscheidende Bedeutung zu.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei ihr sei keine dauerhafte wesentliche Verbesserung ihres Gehvermögens eingetreten. Nach den vorliegenden Befundberichten sowie den Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte hat sich bei der Klägerin vielmehr nach der Operationen im September 2005 ihre Gehvermögen sehr positiv entwickelt (Bericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.04.2007 und 29.04.2008). Nach den Angaben von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 23.11.2009 hatte sich bei der Klägerin bei der letzten Operation im September 2006 ein stabiles Gangbild eingestellt. Entgegen ihrer Ansicht ist bei der Klägerin danach von einer dauerhaften wesentlichen Besserung ihres Gehvermögens auszugehen.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die funktionalen Auswirkungen beim Gehen (Überlastung der Füße) berufen. Das von der Klägerin genannte Urteil des BSG (vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R -) rechtfertigt - entgegen ihrer Ansicht - einen Anspruch auf Belassung des Merkzeichens "aG" nicht. Zwar hat das BSG in diesem Urteil entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen schon die akute Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung eines progredienten Leidens für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ausreicht, auch wenn die funktionelle Einschränkung des Gehvermögens noch nicht derjenigen des oben genannten Personenkreises gleichsteht. Als ausreichend hat das BSG angesehen, wenn der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten (Verzicht auf jedes überflüssige Gehen) zeitlich hinausgezögert werden kann. Danach hat der Schwerbehinderte bereits dann Anspruch auf das Merkzeichen "aG", wenn die dadurch gebotenen Erleichterungen im Straßenverkehr prophylaktisch ins Gewicht fallen. Das BSG hat in diesem Urteil jedoch klargestellt, dass dies nicht anzunehmen ist, solange der Behinderte noch entsprechende Wegstrecken im häuslichen Bereich oder bei sonstiger Gelegenheit zurückzulegen pflegt und - trotz Vorliegen eines progredienten Leidens - unter medizinischen Gesichtspunkten auch zurücklegen darf oder gar soll. Letzteres trifft jedoch bei der Klägerin zu. Dass die Klägerin unter medizinischen Gesichtspunkten zur Vermeidung überflüssiger Wegstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, lässt sich - entgegen ihrem Vorbringen - weder den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen, noch den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere auch nicht der Aussage von Prof. Dr. W. vom 23.11.2009, wie auch dem Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 entnehmen. Die Klägerin vermeidet selbst auch keine überflüssigen Wegstrecken durch Benutzung eines Rollstuhls. Vielmehr benützte die Klägerin den Rollstuhl nur fakultativ, d.h. abhängig von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere wirft der vorliegende Rechtsstreit keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf, die Anlass für die Zulassung der Revision geben könnten.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beklagte der Klägerin den Nachteilsausgleich (Merkzeichen) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) zu Recht aberkannt hat.
Bei 1991 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt R. gestützt auf einen Bericht der E.-Universität T. (Kinderklinik) vom 04.08.1993 wegen einer linksbetonten spastischen Diplegie und motorische Retardierung mit Bescheid vom 27.01.1994 den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "H" und gestützt auf ein Attest der Kinderklinik vom 05.05.1994 mit Bescheid vom 26.06.1994 das Merkzeichen "aG" fest.
Im Januar 2000 und 2001 leitete das Versorgungsamt R. jeweils Nachprüfungsverfahren ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahmen der Vertragsärztin W. vom 19.06.2000 und Dr. G. vom 20.03.2001) beigezogener ärztlicher Befundunterlagen (Dr. M. vom 20.02.2001, Dr. J. vom März 2000, Berichte des Universitätsklinikums T. - Kinderklinik - vom 13.03.2000 und des Klinikums S. - O.hospital - vom 11.12.2003) teilte das Versorgungsamt R. der Klägerin mit Bescheiden vom 27.06.2000 und 26.03.2001 jeweils mit, dass derzeit nicht beabsichtigt sei, den GdB herabzusetzen sowie festgestellte gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu entziehen.
Im Dezember 2002 leitete das Versorgungsamt R. erneut ein Nachprüfungsverfahren ein. Es zog die Berichte des Universitätsklinikums T. - Kinderklinik - vom 14.05.2001 und des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.11.2001 und 02.12.2002, die Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Klägerin von Dr. W. vom 17.01.1997 und Dr. S. vom 12.09.1997 sowie den Befundbericht von Dr. J. vom 27.01.2003 bei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. M. vom 11.03.2003) teilte das Versorgungsamt R. der Klägerin mit Bescheid vom 20.03.2003 erneut mit, aufgrund des Ergebnisses der Überprüfung sei derzeit nicht beabsichtigt, den GdB herabzusetzen sowie festgestellte gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu entziehen.
Am 07.09.2005 erfolgte bei der Klägerin eine operative Umstellungsosteotomie mit Durchtrennung der Adduktorensehnen links zur Verbesserung des Gangbildes und am 08.09.2006 die Entfernung eingebrachter Implantate (Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 27.09.2005, 14.12.2005, 28.04.2006 und 30.04.2007).
Im August 2007 leitete das nunmehr zuständige Landratsamt Z. - Versorgungsverwaltung - (LRA) wiederum ein Nachprüfungsverfahren ein. Es zog Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 27.09.2005, 14.12.2005, 28.04.2006 und 30.04.2007 bei und ließ diese versorgungsärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsärztin K. vom 19.12.2007, die wegen einer wesentlichen Besserung den GdB mit 70 und die Aberkennung des Merkzeichens "aG" vorschlug). Nach Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 10.01.2008) hob das LRA mit Bescheid vom 18.02.2008 den "Bescheid vom 26.06.1994" auf, stellte den GdB mit nur noch 70 ab dem 22.02.2008 fest und entzog der Klägerin das Merkzeichen "aG". Die Merkzeichen "G", "B" und "H" blieben weiter festgestellt.
Gegen den Bescheid vom 18.02.2008 legte die Klägerin am 10.03.2008 Widerspruch ein, mit dem sie sich unter Bezug auf die Berichte des O.hospitals S. gegen die Herabsetzung des GdB sowie die Entziehung des Merkzeichens "aG" wandte. Es sei zu berücksichtigen, dass Lähmungserscheinungen an allen Gliedern und Gelenken, besonders links, mit vorzeitigem Gelenkverschleiß und einer Unterentwicklung der Muskulatur vorlägen. Ihr sei ärztlich geraten worden, so wenig wie möglich zu laufen, weshalb ihr ein Rollstuhl verschrieben worden sei. Das LRA zog weitere medizinische Unterlagen bei (Bericht des Klinikums S.- O.hospital - vom 29.04.2008 und Äußerung Dr. J. vom 04.06.2008). Gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsarztes K. vom 15.07.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18.02.2008 vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Festsetzung des GdB mit 70 entspreche den AHP. Auch die Entscheidung, dass das Merkzeichen "aG" nicht mehr vorliege, sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 07.08.2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie wiederholte zur Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und legte ergänzend eine Stellungnahme der Physiotherapeutin G.-H. vom 25.09.2008 vor.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. M. und den Orthopäden Dr. J. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. teilte unter Vorlage von Befundberichten in seiner Stellungnahme vom 09.10.2008 mit, er könne weder zum Merkzeichen "aG" noch zum GdB Aussagen machen. Dr. J. teilte in seiner Stellungnahme vom 14.10.2008 die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen mit. Er schätze den GdB auf 80 ein und bejahte wegen schwerer Koordinationsstörungen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.
Das SG holte auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, an Behinderungen lägen bei der Klägerin eine Bewegungseinschränkung und Kraftminderung der linken oberen Extremitäten, eine Bewegungseinschränkung, Fehlstellung und Spastik der linken unteren Extremität, eine Bewegungseinschränkung und Fehlstellung der rechten unteren Extremität sowie sekundäre Auswirkungen auf die Rumpfwirbelsäule (Fehlstellung, Asymmetrie, Hyperlordose) vor. Gegenüber den Verhältnissen bei der Erteilung der Bescheide vom 27.01.1994/24.06.1994 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung der Extremitäten bewertete Dr. S. den Teil-GdB mit 70 und der Verformung der Rumpfwirbelsäule und Körperasymmetrie den Teil-GdB mit 20 sowie den Gesamt-GdB mit 80 seit 22.02.2008. Das Merkzeichen "aG" könne nicht mehr begründet werden. Eine motorische Retardierung liege nicht mehr vor. Die Fähigkeit der Klägerin zur selbständigen Fortbewegung ohne Benutzung eines Rollstuhls habe sich wesentlich gebessert.
Gegen das Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.08.2009 Einwendungen. Dr. S. habe nicht berücksichtigt, dass nach einer Operation im Jahr 2006 neue Probleme hinzugetreten seien und Laufen auf Kosten ihrer Gesundheit gehe (vorzeitiger Gelenkverschleiß). Durch eine weitere Operation im Oktober 2009 solle versucht werden, eine bessere Beweglichkeit zu erreichen. Die Klägerin legte hierzu die Berichte des Klinikums S. - O.hospital - vom 06.05.2009, 04.01.2010, 18.01.2010, 03.02.2010 und 24.02.2010 vor. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sie nie schmerzfrei sei. Beim Zurücklegen längere Wegstrecken werde von ihr ein Rollstuhl benützt.
Der Beklagte unterbreitete der Klägerin ein Vergleichsangebot dahin, den GdB mit 80 seit 22.02.2008 festzustellen (Schriftsatz vom 10.09.2009), das die Klägerin nicht annahm, und legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 08.09.2009 und 05.03.2010 vor.
Das SG hörte weiter Prof. Dr. W., Klinikum S. - O.hospital -, schriftlich als sachverständigen Zeugen. Prof. Dr. W. teilte in seinen Stellungnahmen vom 23.11.2009 und 27.12.2010 die Behandlungen der Klägerin, die Diagnosen und Befunde sowie Änderungen im Gesundheitszustand mit. Er bestätigte den GdB mit 80 als zutreffend. Das Merkzeichen "aG" sei weiterhin zu gewähren. Die Klägerin sei aufgrund der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit großer Anstrengung außerhalb des Rollstuhls mobil. Im Verlaufe vom 23.11.2009 bis 22.11.2010 habe sich keine Verbesserung ergeben. Außerdem zog das SG den Entlassungsbericht der Fachkliniken H. vom 06.07.2010 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 26.05.2010 ist 30.06.2010 bei. Zu diesem Bericht äußerte sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.11.2010.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 05.03.2010 weiter entgegen. Unter Bezug auf den Inhalt des Berichts des Klinikums S. - O.hospital - vom 06.05.2009 schlug Dr. K. vor, im Hinblick auf die geplante Operation die Merkzeichen "aG" und "B" bis zur Beendigung der geplanten Therapie beizubehalten.
In der öffentlichen Sitzung des SG vom 16.06.2011 wurde die Klägerin angehört. Außerdem gab die Beklagtenvertreterin ein Teilanerkenntnis dahin ab, bei der Klägerin den GdB mit 80 seit dem 22.02.2008 festzustellen. Dieses Teilanerkenntnis nahm die Klägerin an. Auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2011 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16.06.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der Beklagte habe der Klägerin das Merkzeichen "aG" zu Recht entzogen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" lägen wegen einer Besserung des Gesundheitszustandes jedenfalls seit dem 22.02.2008 nicht mehr vor. Das SG stützte seine Entscheidung auf die gutachtlichen Ausführungen von Dr. S. sowie die Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung am 16.06.2011. Dr. M. und Dr. J. hätten ihre abweichenden Ansichten nicht näher begründet. Auch der Ansicht von Prof. Dr. W. könne nicht gefolgt werden. Die geschilderten Anstrengungen genügten nicht, um das Merkzeichen "aG" zu vergeben. Maßgeblich sei, dass im Zeitpunkt des Entzuges des Merkzeichens eine Verbesserung vorgelegen habe. Spätere Änderungen blieben unberücksichtigt. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass auch nach der Operation im November 2009, sofern wieder eine Verschlechterung eingetreten sei, die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht vorlägen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges an sich nur mit großer Anstrengung bewegen könne. Die Gefahr des zukünftigen Eintritts einer außergewöhnlichen Gehbehinderung reiche bei der Klägerin für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht aus.
Mit Ausführungsbescheid vom 15.07.2011 stellte das LRA bei der Klägerin den GdB mit 80 seit dem 22.02.2008 fest.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.07.2011 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, streitig sei, ob bei ihr eine außergewöhnliche Gehbehinderung weiterhin vorliege. Entgegen dem Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009, der lediglich Teilaspekte berücksichtigt habe, sei sie tatsächlich außergewöhnlich gehbehindert. Die Klägerin hat sich auf ihre Angaben bei ihrer Anhörung beim SG sowie auf die Beurteilung durch Prof. Dr. W. berufen. Eine wesentliche Änderung, die eine Entziehung des Merkzeichens "aG" rechtfertige, sei nicht gegeben. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass eine dauerhafte Besserung nicht gegeben gewesen sei, auf die es ankomme. Entgegen der Ansicht des SG seien neben der Frage, ob sie sich nur mühsam und mit äußerster Tatkraft fortbewegen könne, auch die funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen, wenn sie laufen müsse. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.03.1998 lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" auch dann vor, wenn zur Vermeidung einer weiteren sonst alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung das Gehen in allen Lebensbereichen soweit wie möglich eingeschränkt werden müsse. Genau dies sei bei ihr der Fall.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.06.2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 aufzuheben, soweit das Merkzeichen "aG" entzogen wurde, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Berufungsvorbringen der Klägerin könne eine abweichende Beurteilung nicht begründen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist nur noch, ob der Beklagte der Klägerin das Merkzeichen "aG" für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu Recht aberkannt hat. Nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die mit Bescheid vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 außerdem erfolgte Herabsetzung des GdB sowie der hierzu ergangene Ausführungsbescheid vom 15.07.2011. Denn der Rechtsstreit hat sich durch das von der Klägerin in der öffentlichen Sitzung des SG am 16.06.2011 angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten insoweit erledigt. Dem entsprechen auch der Klage- und der Berufungsantrag der Klägerin, mit denen sie sich nur noch gegen die Entziehung des Merkzeichens "aG" wendet. Dass der Beklagte mit dem Bescheid vom 18.02.2008 nur den die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" betreffenden Bescheid vom 24.06.1994 aufgehoben hat und nicht auch den GdB-Festsetzungsbescheid vom 27.01.1994, bedarf daher hinsichtlich der Herabsetzung des GdB keiner rechtlichen Bewertung.
Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht formell rechtswidrig. Die Klägerin ist vor Erlass des das Merkzeichen "aG" entziehenden Bescheids vom 18.02.2008 mit Schreiben vom 10.01.2008 ordnungsgemäß angehört worden. Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.
Rechtsgrundlage für den Entzug des Merkzeichens "aG" ist § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Danach ist festzustellen, ob sich hinsichtlich der bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen eine Besserung ergeben hat, die den Entzug des Merkzeichens "aG" rechtfertigt. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des Beklagten ist bei der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG) die Sach- und Rechtslage bei Erlass der (letzten) Verwaltungsentscheidung (hier der Erlass des am 05.08.2008 abgesandten Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008). Auf spätere Veränderungen des Gesundheitszustandes bzw. des Gehvermögens kommt es nicht an.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) i.V.m §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, ber. S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 10.04.2006 (BAnz S. 2968). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlichen Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Hiervon ausgehend ist bei der Klägerin zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 eine die Aberkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigende Besserung ihres Gehvermögens eingetreten.
Offen bleiben kann, ob für die Beurteilung der Frage, ob eine wesentliche Besserung eingetreten ist, als Vergleichsgrundlage der mit dem Bescheid vom 24.06.1994 bewertete Behinderungszustand oder der dem Bescheid vom 20.03.2003 zugrundeliegende Behinderungszustand der Klägerin heranzuziehen ist. Denn eine Besserung des Gehvermögens der Klägerin ist sowohl im Vergleich zu dem dem Bescheid vom 24.06.1994 als auch zu dem dem Bescheid vom 20.03.2003 zu Grunde liegenden Behinderungszustand eingetreten.
Nach dem Bericht der E.-Universität T. - Kinderklinik - vom 04.08.1993 und der Mitteilung vom 05.05.1994 war die Klägerin (im Alter von 3 Jahren) noch nicht in der Lage, frei zu laufen. Es bestand eine linksbetonte spastische Diplegie/Lähmung der Beine mit motorischer Retardierung (Gehvermögen Bescheid vom 24.06.1994). Nach dem Befundbericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 02.12.2002 war die damals 11 jährige Klägerin zwar zum Laufen in der Lage. Es bestand jedoch weiter eine infantile Cerebralparese (ICP) vom Typ einer linksbetonten, beinbetonten Tetraparese. Die Klägerin war auf orthopädische Hilfsmittel (Nancy-Hilton-Orthesen) angewiesen. Weiter bestand nach dem Befundbericht von Dr. J. vom 27.01.2003 eine starke Beeinträchtigung der Motorik sowie ein unflüssiges Gangbild, das aus einer Innenrotation beider Beine und Anbeugen beider Kniegelenke bestand, bei einer Knickfußkomponente linksbetont (Gehvermögen Bescheid vom 20.03.2003).
Zur Zeit des Ergehens des am 05.08.2008 abgesandten Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 war im Vergleich zum Vorgenannten Gehvermögen der Klägerin eine (weitere) Besserung eingetreten. Zwar bestand weiterhin eine ICP vom Typ einer linksbetonten, beinbetonten Tetraparese. Nach der operativen Umstellungsosteotomie mit Durchtrennung der Adduktorensehnen links am 07.09.2005 und Metallentfernung am 23.06.2006 entwickelte sich das Gangbild der Klägerin jedoch sehr positiv. Mit entsprechender Konzentration war die Klägerin in der Lage, ein hervorragendes Gangbild zu dokumentieren (Bericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.04.2007). Auf Gehhilfen und orthopädische Schuhe ist die Klägerin nicht mehr ständig angewiesen. Bei einer klinischen Untersuchung am 24.04.2008 war die Klägerin in der Lage, den Untersuchungsraum freilaufend zu betreten, bei leichtem Kauergang (Befundbericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 29.04.2008). Auch Prof. Dr. W. bestätigt in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 23.11.2009, dass sich bei der Klägerin nach der letzten Operation im September 2006 ein stabiles und in den letzten Jahren deutlich verbessertes Gangbild eingestellt hat. Die Klägerin war auch bei der Vorstellung am 23.04.2009 in der Lage, den Untersuchungsraums frei gehen zu betreten. Eine Orthesenversorgung wurde von der Klägerin nicht mehr getragen. Kleinere Strecken von 500 bis 800 Meter kann die Klägerin ohne Hilfsmittel bewältigen. Beim Bewältigen von größeren Strecken (nach Angaben von Prof. Dr. W. 500 Meter und mehr) ist die Klägerin allerdings auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. S. vom 16.07.2009 nannte die Klägerin eine mögliche Gehstrecke von ca. 1000 Meter (abhängig von der Tagesform). Die Benutzung des Rollstuhls erfolgt nach Angaben der Klägerin fakultativ und hängt von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung ab. Den Weg vom Wartebereich zum Untersuchungszimmer legte die Klägerin freigehend ohne Benutzung von Hilfsmitteln im Kauergang zurück. Auch Dr. S. geht in seinem Gutachten vom 12.06.2009 von einem gebessertem Gehvermögen der Klägerin aus, wenn auch bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides vom 24.06.1994. Damit steht für den Senat fest, dass sich das Gehvermögen der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2008 im Vergleich zu dem bei Ergehen der Bescheide vom 24.06.1994 wie auch vom 20.03.2003 bestehenden Gehvermögen gebessert hat.
Die eingetretene Verbesserung des Gehvermögens der Klägerin ist auch wesentlich im Sinne des § 48 SGB X. Denn die Klägerin hat zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht mehr zu dem Personenkreis der außergewöhnlich gehbehinderten Menschen gehört, da ihre Gehfähigkeit nicht in außergewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies hat das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 16.06.2011 ausführlich und zutreffend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung ebenfalls zu dieser Überzeugung. Er schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den genannten Urteilsgründen an, auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Nach den überzeugenden und für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten vom 12.06.2009 kann bei der Klägerin das Merkzeichen "aG" nicht mehr begründet werden. Zwar ist nach den Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten bei der Klägerin eine schwere Behinderung erkennbar. Die Klägerin kann auf die Benutzung eines Rollstuhls nicht gänzlich verzichten. Unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin gelangt Dr. S. jedoch überzeugend zu der Schlussfolgerung, dass die Benutzung des Rollstuhls nicht mehr regelhaft erfolgen muss. Der Klägerin ist das freie Gehen auch über längere Strecke möglich. Sie kann, wenn auch nicht ohne Mühe, Treppen selbstständig bewältigen. Für Dr. S. war nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dr. S. gelangt zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin die Gehfähigkeit soweit gegeben ist, dass eine hinreichende Mobilität mit Einschränkungen vorliegt. Diese Bewertung ist für den Senat nach den im Gutachten wiedergegebenen Angaben der Klägerin (insbesondere, die Rollstuhlbenutzung erfolge fakultativ und hänge von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung ab; die mögliche Gehstrecke betrage abhängig von der Tagesform ca. 1000 m) und den von Dr. S. bei der Untersuchung der Klägerin erhobenen Befunden nachvollziehbar und überzeugend. Seiner Ansicht schließt sich der Senat an. Danach kann die Klägerin, die dem in die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO genannten Personenkreis nicht angehört, diesem Personenkreis nicht gleichgestellt werden, da die Klägerin sich ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung bewegen kann.
Der abweichenden Bewertungen von Dr. J. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 14.10.2008 und von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 23.11.2009, die übereinstimmend die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" bei der Klägerin bejahen, kann nicht gefolgt werden. Deren Darlegungen ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin sich praktisch mit den ersten Schritten nur mit großer Anstrengung bewegen kann (vgl. BSG Urt. vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R -, = SozR 3-3250 § 69 Nr. 1). Zwar ist bei der Klägerin davon auszugehen, dass sie sich aufgrund der bei ihr bestehenden Gangstörung nicht ohne Mühe bewegen kann. Ein mühsames Bewegen ist jedoch nicht dem Bewegen mit der gesetzlich geforderten großen Anstrengung gleichzusetzen. Dr. J. nimmt in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung wegen einer starken Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin aufgrund schwerer Koordinationsstörungen an, ohne die bestehende Einschränkung der Gehfähigkeit näher zu beschreiben. Er nennt auch keine (neuen) Befunde, die die überzeugende Ansicht von Dr. S. in seinem Gutachten erschüttern, weshalb der Ansicht von Dr. J. nicht gefolgt werden kann. Dies gilt auch für die von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vertretene Ansicht. Zwar geht Prof. Dr. W. davon aus, dass die Klägerin dauernd nur mit großer Anstrengung außerhalb des Rollstuhls mobil sei. Er berücksichtigt dabei, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung ein erhöhter Energieumsatz zur Bewältigung der Gehstrecke nötig und die Rekompensationszeit deutlich verlängert sei. Daraus lässt sich jedoch nicht schon ableiten, dass bei der Klägerin eine bereits mit den ersten Schritten auftretende große Anstrengung besteht. Dagegen spricht vielmehr, wovon auch Prof. Dr. W. ausgeht, dass die Klägerin Wegstrecken von 500 bis 800 m ohne Hilfsmittel bewältigen kann, die Klägerin hinreichend mobil ist und im Übrigen auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann, weshalb seiner Ansicht ebenfalls nicht gefolgt werden kann. Ihren Angaben bei der Untersuchung durch Dr. S. zufolge treten eine Erschöpfung und schmerzende Glieder erst nach "längerem Laufen (ca. 1 km)" auf. Dies spricht dagegen, dass bereits nach wenigen Schritten längere Pausen zur Rekompensation (zu Pausen als Indiz für Erschöpfung, vgl. BSG Urt. vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R -, Behindertenrecht 2008, 138, juris) nötig sind, da ansonsten Wegstrecken von 800 bis 1000 m nicht ohne Hilfsmittel zurückgelegt würden. Auch Dr. M. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 09.10.2008 wegen des von ihm genannten unsicheren Gangs der Klägerin und mühsamer Bewegung das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" nicht bejaht, sondern angegeben, hierzu keine Aussagen machen zu können.
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Bewertung. Soweit sich die Klägerin auf den eingetretenen Gesundheitszustand im Anschluss an eine Ende des Jahres 2009 erfolgte Operation beruft, ist hierüber im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu entscheiden, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage das Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2008 ist. Nachfolgende Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin/ihres Gehvermögens sind von ihr vielmehr im Rahmen eines Neufeststellungsantrages wegen Verschlimmerung geltend zu machen. Deswegen kommt auch dem Vorschlag des Versorgungsarztes K. in seiner Stellungnahme vom 05.03.2010, im Hinblick auf die im Jahr 2009 geplante Operation die Merkzeichen "aG" und "B" bis zur Beendigung der geplanten Therapie beizubehalten, keine streitentscheidende Bedeutung zu.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei ihr sei keine dauerhafte wesentliche Verbesserung ihres Gehvermögens eingetreten. Nach den vorliegenden Befundberichten sowie den Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte hat sich bei der Klägerin vielmehr nach der Operationen im September 2005 ihre Gehvermögen sehr positiv entwickelt (Bericht des Klinikums S. - O.hospital - vom 30.04.2007 und 29.04.2008). Nach den Angaben von Prof. Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 23.11.2009 hatte sich bei der Klägerin bei der letzten Operation im September 2006 ein stabiles Gangbild eingestellt. Entgegen ihrer Ansicht ist bei der Klägerin danach von einer dauerhaften wesentlichen Besserung ihres Gehvermögens auszugehen.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die funktionalen Auswirkungen beim Gehen (Überlastung der Füße) berufen. Das von der Klägerin genannte Urteil des BSG (vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R -) rechtfertigt - entgegen ihrer Ansicht - einen Anspruch auf Belassung des Merkzeichens "aG" nicht. Zwar hat das BSG in diesem Urteil entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen schon die akute Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung eines progredienten Leidens für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ausreicht, auch wenn die funktionelle Einschränkung des Gehvermögens noch nicht derjenigen des oben genannten Personenkreises gleichsteht. Als ausreichend hat das BSG angesehen, wenn der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten (Verzicht auf jedes überflüssige Gehen) zeitlich hinausgezögert werden kann. Danach hat der Schwerbehinderte bereits dann Anspruch auf das Merkzeichen "aG", wenn die dadurch gebotenen Erleichterungen im Straßenverkehr prophylaktisch ins Gewicht fallen. Das BSG hat in diesem Urteil jedoch klargestellt, dass dies nicht anzunehmen ist, solange der Behinderte noch entsprechende Wegstrecken im häuslichen Bereich oder bei sonstiger Gelegenheit zurückzulegen pflegt und - trotz Vorliegen eines progredienten Leidens - unter medizinischen Gesichtspunkten auch zurücklegen darf oder gar soll. Letzteres trifft jedoch bei der Klägerin zu. Dass die Klägerin unter medizinischen Gesichtspunkten zur Vermeidung überflüssiger Wegstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, lässt sich - entgegen ihrem Vorbringen - weder den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen, noch den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere auch nicht der Aussage von Prof. Dr. W. vom 23.11.2009, wie auch dem Gutachten von Dr. S. vom 12.06.2009 entnehmen. Die Klägerin vermeidet selbst auch keine überflüssigen Wegstrecken durch Benutzung eines Rollstuhls. Vielmehr benützte die Klägerin den Rollstuhl nur fakultativ, d.h. abhängig von der Entfernung und der zu erwartenden Belastung.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere wirft der vorliegende Rechtsstreit keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf, die Anlass für die Zulassung der Revision geben könnten.
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