L 12 AS 3381/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 4684/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3381/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten stehen die Versagung der Kosten für eine Einzugsrenovierung und die Gewährung von Leistungen für eine "Einzugsrenovierung" in Gestalt von Reparaturkosten für eine Heizungsanlage im Streit.

Der 1950 geborene erwerbsfähige Kläger, der über kein Einkommen und Vermögen verfügte, bezog mit seiner Ehefrau seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch den Beklagten, seit Januar 2007 vom Jobcenter R ... Wegen des Bezugs einer Altersrente erhält er seit Juni 2010 keine Leistungen mehr.

Mit Schreiben vom 21. August und 12. September 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Umzugskosten und bat um Mitteilung, in welcher Höhe die Umzugskosten übernommen werden können. Daraufhin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 29. September und 15. November 2006 den Kläger auf, den neuen, noch nicht unterschriebenen Mietvertrag und eine Bestätigung der zuständigen Arbeitsgemeinschaft, ob die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind, vorzulegen und wies auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Klägers und die Folgen deren Verletzung hin. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach (Schreiben vom 24. November 2006).

Am 06. Dezember 2006 verzogen die Eheleute in das zuvor von der Ehefrau des Klägers durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom 18. Oktober 2006 erworbene Anwesen Hotel T. in 56596 F.-H., Aschenplatz 2 und 2a (Fläche 5580 m²). Eine Eigentumsübertragung ist mangels Zahlungen auf den Kaufpreis von 140.000 EUR (davon 14.000,- EUR für das Inventar) nicht erfolgt. In dem notariellen Grundstückskaufvertrag, der nach Besichtigung (auch durch den Kläger) des Grundstücks sowie der darauf befindlichen Hotelanlage geschlossen wurde, ist die Mängelgewährleistung ausgeschlossen. Mittlerweile wohnen die Eheleute nach einer Zwangsräumung in einer Obdachlosenunterkunft.

Mit Schreiben vom 24. November 2006 und 02. Januar 2007 beantragte der Kläger u.a. die Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung. Der Beklagte forderte erneut die Vorlage eines Mietvertrages und die Bestätigung der zuständigen Arbeitsgemeinschaft hinsichtlich der Angemessenheit der Unterkunft und wies auf die Mitwirkungsobliegenheiten und die Folgen deren Verletzung hin (Schreiben vom 24. Mai 2007). Der Beklagte versagte mit Bescheid vom 12. Juli 2007 die Gewährung von Leistungen für Umzug, Einzugs- und Auszugsrenovierung, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei und die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert habe. Die Anspruchsvoraussetzungen könnten deshalb nicht überprüft werden. Grundlage für diese Entscheidung seien die §§ 60 und 66 SGB I. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 14. Juli 2007) mit der Behauptung, er habe das Schreiben des Beklagten vom 24. Mai 2007 nicht erhalten. Ein Mietvertrag könne nicht vorgelegt werden, da das Objekt gekauft worden sei. Daraufhin übersandte der Beklagte dem Kläger das Schreiben vom 24. Mai 2007 und forderte nun die Vorlage des Grundstückskaufvertrages anstatt des Mietvertrages unter Fristsetzung bis zum 08. August 2007. Durch Widerspruchsbescheid vom 06. September 2007 wies er den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe keinerlei Nachweise über die Höhe der geltend gemachten Kosten vorgelegt. Davon abgesehen sei der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I nicht nachgekommen und habe die erforderlichen Nachweise und Unterlagen nicht vorgelegt. Der Kläger sei auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hingewiesen worden. Somit lägen die Voraussetzungen für eine Versagung der beantragten Leistungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I vor. Die Versagung stehe im pflichtgemäßem Ermessen des Beklagten. Bei der Ausübung des Ermessens seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Im Falle des Klägers erscheine eine Versagung der beantragten Leistung als angemessen. Wegen seines Verhaltens sei nicht feststellbar, ob die neue Wohnung als angemessen zu betrachten und Umzugskosten zu übernehmen seien. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kläger an einer Vorlage der Nachweise gehindert gewesen sei. Bei diesem Sachverhalt überwiege das öffentliche Interesse, steuerfinanzierte Sozialleistungen nur bei nachgewiesenem Vorliegen der Voraussetzungen zu zahlen, gegenüber dem Interesse des Klägers, die Leistung zu erhalten.

Dagegen hat der Kläger am 24. September 2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der Beklagte sei aufgrund der Förderung des Umzugs von B. nach F. eingebunden gewesen. Nach seiner Rechtsauffassung stehe dem Beklagten lediglich der Nachweis über die Angemessenheit der Wohnung in dem gekauften Objekt zu, nicht aber der Kaufvertrag. Um diesen Nachweis der Angemessenheit sei die hiesige Arbeitsgemeinschaft R. inzwischen gebeten worden. Der Kläger legte eine Rechnung der Firma H. vom 21. Dezember 2006 hinsichtlich Arbeiten an der Heizungsanlage in Höhe von 1014,96 EUR vor. Dazu erklärte der Kläger, dass dieser Betrag notwendig gewesen sei, um die Heizung und die Wasserversorgung im Gebäude verfügbar zu machen. Andere Einzugskosten hätten sich nicht ergeben.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 09. Juni 2009 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf die Übernahme der Kosten für Reparaturarbeiten an der Heizungs- und Wasserversorgungsanlage in dem von ihm bewohnten Anwesen in F ... Bei den geltend gemachten Kosten handele es sich nicht um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Derartige Kosten seien allenfalls als einmalige Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB I von dem hierfür zuständigen Träger, vorliegend der ARGE Rastatt, zu übernehmen. Darüber hinaus lägen ungeachtet der fehlenden Zuständigkeit des Beklagten die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht vor.

Gegen das ihm am 16. Juli 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Juli 2009 eingelegte Berufung des Klägers, die er nicht weiter begründet hat.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09. Juni 2009 aufzuheben, 2. den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2007 aufzuheben, 3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1014,96 EUR als weitere Unterkunftskosten zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da Berufungsausschlussgründe (vgl. § 144 Abs. 1 SGG) nicht vorliegen. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid vom 12. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2007, mit dem der Beklagte u.a. den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung versagt hat. Gegen diesen Versagungsbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage gegeben (bspw. BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 - B 1 KR 4/02 R -). Wendet sich der Bürger - wie vorliegend - gegen die Versagung einer Sozialleistung mangels Mitwirkung, so hat er über die Aufhebung des Versagungsbescheids hinaus regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung. Streitgegenstand eines solchen Rechtsstreits ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Die Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Entscheidung über den ursprünglichen Antrag ergibt sich bei der Aufhebung des Versagungsbescheids von selbst. Nach dieser Rechtsprechung kann die Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid grundsätzlich nicht zulässig mit einer Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG) verknüpft werden, so dass die Leistungsklage gem. Klagantrag Ziff. 3 bereits unzulässig ist.

2. Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid ist unbegründet. Ermächtigungsgrundlage bildet § 66 Abs. 1 SGB I. Danach kann der Leistungsträger eine beantragte Sozialleistung ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise bis zur Nachholung von Mitwirkungshandlungen versagen, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und er hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Die Versagung ist ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen unabhängig von der fehlenden Mitwirkung nachgewiesen sind.

Die Voraussetzungen für eine Versagung sind im Falle des Klägers erfüllt. Der Kläger hat entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I auf Verlangen des Beklagten Beweisurkunden nicht vorgelegt, in dem er die Vorlage des ihm zugänglichen notariellen Kaufvertrages über das Anwesen Hotel T. in F. verweigert hat. Die Vorlage des notariellen Kaufvertrages ist für die Frage, ob der SGB II-Träger die geltend gemachten Kosten einer "Einzugsrenovierung" als Kosten der Unterkunft i.S. des § 22 Abs. 1 SGB II übernehmen kann (vgl. dazu und zur Abgrenzung der Kosten einer Einzugsrenovierung zu den Aufwendungen für Reparatur und Instandhaltung einer Wohnung, die grundsätzlich aus der Regelleistung zu erbringen sind, nur BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R -), erheblich.

Die sich aus § 60 Abs. 1 SGB I ergebende Verpflichtung des Klägers, den vom Beklagten angeforderten notariellen Kaufvertrag vorzulegen, wird durch die in § 65 SGB I gezogene allgemeine Grenze der Mitwirkungspflicht nicht beeinträchtigt. Zu Gunsten des Klägers lässt sich weder einwenden, dass die geforderten Angaben in keinem angemessenen Verhältnis zu den in Anspruch genommenen Leistungen nach dem SGB II im Umfang von 1014,96 EUR stehen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), noch, dass dem Kläger aus einem wichtigen Grund die Angaben nicht zugemutet werden können (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Auch war der Kläger in der Lage, den Grundstückskaufvertrag dem Beklagten in Kopie zuzuleiten, er brauchte sich diesen also nicht erst zu verschaffen (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I).

Der Kläger ist also seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Hierdurch wurde die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Die fehlende Vorlage des Grundstückskaufvertrags hatte zur Folge, dass zweifelhaft bleiben musste, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für eine "Einzugsrenovierung" hat. Der Versagung steht auch nicht § 66 Abs. 3 SGB III entgegen, nachdem der Kläger auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung mit Schreiben des Beklagten vom 24. Juli 2007, dem das Schreiben vom 24. Mai 2007 beigefügt war, schriftlich und unmissverständlich hingewiesen worden und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb der ihm bis zum 08. August 2007 gesetzten Frist nachgekommen ist.

Ermessensfehler liegen nicht vor. Solche sind auch vom Kläger nicht gerügt worden. § 66 Abs. 1 SGB I räumt nach seinem Wortlaut der Behörde einen Ermessenspielraum ein. Insbesondere hat der Beklagte erkannt, dass die Versagung in seinem Ermessen steht (kein Ermessensnichtgebrauch), und im Widerspruchsbescheid vom 06. September 2007 die nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X vorgeschriebene Ermessensbegründung gegeben.

Nachdem sich der Versagungsbescheid des Beklagten als rechtmäßig erwiesen hat, besteht kein Anlass für die Prüfung eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Klägers auf Übernahme der Reparaturkosten für die Heizungsanlage in dem in Besitz genommenen Hotelanwesen "Hotel T." in F., der im Übrigen auch nicht ersichtlich ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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