Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 5839/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4113/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Mit Neufeststellungsbescheid vom 04.12.2000 stellte das Versorgungsamt S. bei dem 1953 geborenen Kläger einen GdB von 40 seit 01.06.2000 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Polyarthrose und eine Periarthropathie rechte Schulter, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und eine Allergie berücksichtigt.
Am 19.10.2004 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und gab hierzu an, seine bislang berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich verschlimmert und ein depressiv-phobisches Syndrom, eine Prellung im Bereich des rechten Fußes und eine Lärmschwerhörigkeit seien hinzugekommen. Der Kläger legte das nervenärztliche Attest von Dr. D. vom 12.11.2004, wonach das depressiv-phobische Syndrom wegen der Schwere der Ausprägung einen GdB von 50 bedinge, und den HNO-ärztlichen Befundbericht von Dr. M. vom 17.11.2004 (Diagnose: Mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits; Verdacht auf Lärmschwerhörigkeit nach zwanzigjähriger Lärmberufstätigkeit) vor. Das Landratsamt B. (LRA) holte von Dr. M. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin B. Befundberichte ein. In der gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt:
1. Polyarthrose GdB 20 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule GdB 20 3. Allergie GdB 20 4. Seelische Störung GdB 30 5. Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen GdB 20
Insgesamt sei ein GdB von 50 anzunehmen. Eine Prellung des rechten Fußes sei nicht belegt. Mit Neufeststellungsbescheid vom 20.07.2005 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 19.10.2004 fest.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.08.2005 Widerspruch ein und machte einen GdB von mindestens 60 geltend. Er brachte vor, es treffe nicht zu, dass die Schwere der Prellung des rechten Fußes einen GdB von weniger als 10 bedinge. Ferner seien die Beeinträchtigungen an der linken und rechten Hand nicht berücksichtigt. Der Kläger legt das Attest des Chirurgen Dr. S. vom 04.11.2003 vor. Daraus geht hervor, dass der Kläger am 16.09.2003 einen Unfall erlitten hat, wegen dem am 30.10.2003 eine Operation (im Bereich der linken Hand) notwendig wurde. Das LRA ließ sich von dem Chirurgen Da. und der Hausärztin B. die vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Untersuchungsberichte der Nervenärztin K. vom 14.11.2004 und Chirurg Da. vom 13.10.2005 bzw. Kurzmitteilungen der Praxis Dr. G. vom 19.02.2004 und 14.04.2004) übersenden. Ferner holte es von dem Nervenarzt Dr. D. (Befund: Ein- und Durchschlafstörungen, Angst vor dem Tod, Angst um seine Gesundheit, Depressivität, Kopfschmerz, vermehrtes Schwitzen) und dem Chirurgen Dr. S. Befundberichte ein. Dieser gab am 15.05.2006 an, aufgrund einer posttraumatischen Verletzung bestehe eine eingeschränkte Beweglichkeit im linken Handgelenk mit Druckschmerz über dem Os naviculare. Die versorgungsärztliche Auswertung der im Widerspruchsverfahren aktenkundig gewordenen ärztlichen Unterlagen führte zu keiner Änderung der Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers. Der Gesamt-GdB sei insgesamt eher sehr großzügig als kleinlich bemessen. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 03.08.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen GdB von 60 geltend machte. Er brachte vor, die Beeinträchtigung aufgrund der Folgen der Prellung des rechten Fußes bedingten entgegen der Auffassung des Beklagten einen GdB von 10 bzw. von mehr als 10. Ferner habe er seit einer Nierensteinoperation Schmerzen im linken Bereich sowie starke Kopfschmerzen. Zudem sei ihm empfohlen worden, sich einer Meniskusoperation an beiden Knien zu unterziehen, wogegen er sich aber, nachdem eine Garantie, dass anschließend sich die Beschwerden besserten, nicht habe übernommen werden können, ausgesprochen habe. Die Polyarthrose sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Außerdem leide er inzwischen an einer Lumboischialgie, so dass die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem höheren GdB als 20 zu bewerten sei. Hinzu käme, dass ihm im Herbst 2006 anlässlich einer Nierensteinoperation eine Spritze im Bereich der Wirbelsäule verabreicht worden sei und seither dort ein dunkelblauer Fleck existiere und er Rücken- und Kopfschmerzen habe. Insoweit sei von einem GdB von 20 auszugehen. Unberücksichtigt seien auch die Folgen einer Verletzung des linken Handgelenks mit inzwischen eingetretener starker Verdickung geblieben. Er könne die linke Hand seitdem nicht mehr drehen. Insoweit sei ein GdB von 10 anzusetzen.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Funktionsstörungen des Klägers, zu denen auch eine Gebrauchseinschränkung der linken Hand (GdB 10) zu zählen sei, bedinge keinen höheren GdB als 50. Hierzu legte er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Gö. vom 13.09.2007 und 02.07.2008 vor.
Das SG hörte Dr. D. , Dr. M. , die Hausärztin B. und den Chirurgen Da. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. D. teilte in seiner Aussage vom 20.04.2007 eine gemischte Angst- und depressive Störung mit und gab an, die Einschränkung hierdurch sei mittelgradig. Es bestünden beim Kläger Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Antriebs. Es lägen ein mangelndes Durchhaltevermögen und eine verminderte psychische Belastbarkeit bei Stress vor, was sich im Bereich der sozialen Integration am Arbeitsplatz manifestiere. Dr. M. berichtete am 17.04.2007 unter Vorlage der Audiogramme vom 13.02.2004 und 17.11.2004 über die Behandlung des Klägers im Jahre 2004 und gab an, es handle sich beim Kläger um eine leicht- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit mit stark störenden Ohrgeräuschen. Der Hörverlust liege bei beiden Ohren bei ca. 30%, sei also geringgradig. Hinzu komme noch der vom Kläger angegebene sehr lästige Tinnitus. Die Hausärztin B. teilte am 11.05.2007 unter Beifügung von Facharztberichten mit, der Kläger sei seit 1987 bei ihr in Behandlung. Sie verwies auf ihre Angaben gegenüber der 19. Kammer des SG vom 13.01.2006 und gab an, Ende April 2007 sei der Kläger wegen einem Innenmeniskusschaden links operiert worden. Der Verlauf sei ihr noch nicht bekannt. Sie sehe erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen der beim Kläger bestehenden psychischen Störung. Der Beurteilung der Höhe des GdB durch den Ärztlichen Dienst des Beklagten stimme sie zu. In seinem Bericht vom 23.05.2007 beschrieb der Chirurg Da. den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit Februar 2004 und stimmte der Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule durch den Beklagten zu. Das linke Handgelenk sah er nach einer Fraktur mit posttraumatischer Arthrose durch belastungsabhängige zunehmende Beschwerden jedoch stärker eingeschränkt als der Ärztliche Dienst des Beklagten.
Anschließend holte das SG von Dr. D. , Klinik für Unfallchirurgie am M. Hospital S. , ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers diagnostizierte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.03.2008 vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule und bewertete diese Funktionsstörungen mit einem GdB von 20. Ferner bestehe eine endgradig eingeschränkte Beugefähigkeit in beiden Kniegelenken (GdB 10), aufgrund einer Arthrose im linken Handgelenk eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit des linken Unterarms sowie endgradige Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk und aufgehobener Beugung im linken Daumengrundgelenk (GdB 10). Unter Einbeziehung der fachfremden Funktionsstörungen schätze er den Gesamt-GdB auf 50 seit Oktober 2004.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60. Der eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers, insbesondere in psychischer Hinsicht, habe der Beklagte mit der Feststellung eines GdB von 50 ausreichend Rechnung getragen. Die beim Kläger vorliegende depressive Störung und Ängste bedingten einen GdB von 30 und die leichte Innenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche einen GdB von 20. Hinzu kämen die mit einem GdB von 20 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und die Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand und des linken Unterarms, die mit einem GdB von 10 zu bewerten seien. Ferner bestehe eine leichtgradige chronische Bronchitis ohne Einschränkung der Lungenfunktion, für die ein GdB von 10 anzusetzen sei. Die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. D. habe im Bereich des rechten Fußes eine freie Beweglichkeit ergeben, so dass insoweit keine Funktionseinschränkung anzunehmen sei. Insgesamt bedingten die Funktionsstörungen des Klägers einen GdB von 50. Ein GdB von 60 sei nicht gerechtfertigt.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.08.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.09.2008 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er weiterhin einen GdB von 60 geltend macht. Er bringt vor, die Folgen der am 13.02.2004 erlittenen Prellung des rechten Fußes seien im orthopädischen Gutachten vom 17.03.2008 nicht berücksichtigt worden. Zu Unrecht ebenfalls nicht berücksichtigt worden seien die Folgen der am 04.09.2006 erfolgten Anästhesie durch Verabreichung einer Spritze in die Lendenwirbelsäule. In deren unteren Bereich liege heute noch eine ca. 3 x 3 cm große Verfärbung vor. Ferner bestünden seither immer wieder auftretende Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindelanfälle. Die Schwellung auf dem Handrücken habe inzwischen ebenfalls zugenommen. Seine linke Hand sei nicht mehr für leichte Arbeiten einsetzbar, da sie bei jeder Bewegung schmerze. Der Kläger verweist insoweit auf das beim Landgericht Stuttgart (LG) anhängig gewesene Beweissicherungsverfahren (15 OH 2/09), in dem seine im Zusammenhang mit der Anästhesie stehenden Beschwerden durch ein Gutachten geklärt worden seien. In diesem Gutachten würden seine weiteren Funktionsstörungen bestätigt, auch wenn der Sachverständige nicht zu dem Ergebnis komme, dass diese auf eine mangelhafte Operation zurückzuführen seien. Mit Schriftsatz vom 15.01.2011 macht der Kläger noch geltend, dass er aufgrund Beschwerden im Bereich der Knie sich nicht mehr bücken und keine größeren Strecken mehr zu Fuß zurücklegen könne.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 60 ab 19. Oktober 2004 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf das von Dr. D. eingeholte orthopädische Gutachten, mit dem die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen abgeklärt worden seien.
Mit Beschluss vom 30.11.2009 ist auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden, das der Kläger am 27.08.2010 wieder angerufen hat.
Der Senat hat vom LG die Akten 15 OH 2/09 beigezogen und Kopien des urologischen Gutachtens von Prof. Dr. H. vom 19.06.2009 und des anästhesiologischen Gutachtens von Prof. Dr. P. vom 02.05.2010, beide Universitätsklinik U. , zu den Akten genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 20.07.2005 (Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006), mit dem der Beklagte wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers den GdB von bisher 40 auf 50 erhöht, eine weitergehende Erhöhung jedoch abgelehnt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 60 gerechtfertigt sei.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers ab 19.10.2004 keinen höheren GdB als 50 bedingen. Der Senat kommt nach eigener Würdigung des medizinischen Sachverhalts zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen keinen höheren GdB als 50. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. D. vom 17.03.2008, die Angaben der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte und die im Berufungsverfahren beigezogenen fachärztlichen Gutachten vom 19.06.2009 und 02.05.2010.
Eine Würdigung der bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens aktenkundig gewordenen ärztlichen Unterlagen durch den Senat ergibt, dass die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist. Die einzelnen Funktionsstörungen des Klägers, die im angefochtenen Gerichtsbescheid mit einem GdB von 30 (psychische Störung), 20 (leichte Innenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche), 20 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule), 10 (Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand und des linken Unterarms) und 10 (chronische Bronchitis) bewertet worden sind, bedingen keinen höheren GdB. Auch die Bildung des Gesamt-GdB durch das SG hält der Senat für zutreffend. Die diesbezüglichen ausführlichen und überzeugenden Darlegungen in der erstinstanzlichen Entscheidung macht sich der Senat zu eigen; er nimmt insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Ergänzend sowie im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die vom Senat beigezogenen Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. P. vom 19.06.2009 und 02.05.2010 ist noch Folgendes auszuführen: Eine Verschlimmerung der Funktionsstörungen des Klägers, die eine Erhöhung des GdB von 40 auf 60 rechtfertigt, ist nicht eingetreten. Der eingetretenen Verschlimmerung hat der Beklagte mit der Erhöhung des GdB von 40 auf 50 ausreichend Rechnung getragen.
Die Folgen der am 13.02.2004 erlittenen Prellung des rechten Fußes sind vom Beklagten und dem erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. D. zu Recht nicht als Funktionsbeeinträchtigung berücksichtigt worden. Soweit der Kläger dies im Berufungsverfahren unter Hinweis auf seinen Schriftsatz vom 11.08.2008 an das SG weiter beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. D. bei seiner Untersuchung keine krankhaften Befunde am rechten Fuß des Klägers erhoben hat. Dies ist ohne Weiteres damit zu erklären, dass eine Prellung in aller Regel wieder abklingt und keine dauernden Folgen hinterlässt. Die Polyarthrose ist vom Beklagten bei der Beurteilung des Gesamt-GdB mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt worden. Dass sie von Dr. D. in seinem Gutachten nicht (mehr) eigenständig bewertet, sondern in die Bewertung der Gelenkveränderungen einbezogen worden ist (vgl. S. 14 des Gutachtens), ändert am Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung nichts.
Die 3 x 3 cm große Verfärbung im Bereich der Lendenwirbelsäule, die nach Ansicht des Klägers auf die Anästhesie am 04.09.2006 zurückzuführen ist, stellt keine Funktionsstörung dar. Die im Rahmen des beim LG anhängig gewesenen Beweissicherungsverfahrens 15 OH 2/09 eingeholten fachärztlichen Gutachten (urologisches Gutachten vom 19.06.2009 und anästhesiologisches Gutachten vom 02.05.2010) belegen, dass die vorliegenden Hautveränderungen im Lendenwirbelbereich nicht mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sind. Ihnen ist vom Sachverständigen Prof. Dr. P. allenfalls kosmetische Bedeutung beigemessen worden (vgl. S. 14 des Gutachtens). Dass - wie vom Kläger vorgebracht - die am 04.09.2006 durchgeführte Anästhesie seither zu immer wieder auftretenden Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindelanfällen geführt habe, ist ärztlich nicht belegt. Das postspinale Kopfschmerzsyndrom und die postspinalen Rückenschmerzen waren jedenfalls nach dem Gutachten von Prof. Dr. P. bereits am 09.09.2006 wieder vollständig abgeklungen. Ohnehin kommt es im Schwerbehindertenrecht nicht auf die Ursache der Funktionsstörungen an. Die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden sind zwanglos mit den bereits berücksichtigten und auch angemessen bewerteten Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule und der Psyche zu erklären.
Was die Beeinträchtigung der linken Hand des Klägers betrifft, hat der Sachverständige Dr. D. aufgrund einer Arthrose im linken Handgelenk eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit des linken Unterarms sowie endgradige Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk und eine aufgehobene Beugung im linken Daumengrundgelenk diagnostiziert und hierfür einen GdB von 10 angenommen. Diese Bewertung hält der Senat für angemessen. Ein höherer GdB als 10 lässt sich mit den nur endgradigen Beweglichkeitseinschränkungen im Bereich des linken Unterarms und des linken Handgelenks sowie der aufgehobenen Beugung allein im Daumengrundgelenk nicht rechtfertigen.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 50. Bei lediglich einem Teil-GdB von 30 (seelische Störung) und weiteren Teil-GdB-Werten von 20 bzw. 10, die vielfach nicht bzw. in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, wäre ein GdB von 60 überhöht.
Der medizinische Sachverhalt ist geklärt. Weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines neurologischen Gutachtens, sind nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Mit Neufeststellungsbescheid vom 04.12.2000 stellte das Versorgungsamt S. bei dem 1953 geborenen Kläger einen GdB von 40 seit 01.06.2000 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Polyarthrose und eine Periarthropathie rechte Schulter, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und eine Allergie berücksichtigt.
Am 19.10.2004 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und gab hierzu an, seine bislang berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich verschlimmert und ein depressiv-phobisches Syndrom, eine Prellung im Bereich des rechten Fußes und eine Lärmschwerhörigkeit seien hinzugekommen. Der Kläger legte das nervenärztliche Attest von Dr. D. vom 12.11.2004, wonach das depressiv-phobische Syndrom wegen der Schwere der Ausprägung einen GdB von 50 bedinge, und den HNO-ärztlichen Befundbericht von Dr. M. vom 17.11.2004 (Diagnose: Mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits; Verdacht auf Lärmschwerhörigkeit nach zwanzigjähriger Lärmberufstätigkeit) vor. Das Landratsamt B. (LRA) holte von Dr. M. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin B. Befundberichte ein. In der gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt:
1. Polyarthrose GdB 20 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule GdB 20 3. Allergie GdB 20 4. Seelische Störung GdB 30 5. Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen GdB 20
Insgesamt sei ein GdB von 50 anzunehmen. Eine Prellung des rechten Fußes sei nicht belegt. Mit Neufeststellungsbescheid vom 20.07.2005 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 19.10.2004 fest.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.08.2005 Widerspruch ein und machte einen GdB von mindestens 60 geltend. Er brachte vor, es treffe nicht zu, dass die Schwere der Prellung des rechten Fußes einen GdB von weniger als 10 bedinge. Ferner seien die Beeinträchtigungen an der linken und rechten Hand nicht berücksichtigt. Der Kläger legt das Attest des Chirurgen Dr. S. vom 04.11.2003 vor. Daraus geht hervor, dass der Kläger am 16.09.2003 einen Unfall erlitten hat, wegen dem am 30.10.2003 eine Operation (im Bereich der linken Hand) notwendig wurde. Das LRA ließ sich von dem Chirurgen Da. und der Hausärztin B. die vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Untersuchungsberichte der Nervenärztin K. vom 14.11.2004 und Chirurg Da. vom 13.10.2005 bzw. Kurzmitteilungen der Praxis Dr. G. vom 19.02.2004 und 14.04.2004) übersenden. Ferner holte es von dem Nervenarzt Dr. D. (Befund: Ein- und Durchschlafstörungen, Angst vor dem Tod, Angst um seine Gesundheit, Depressivität, Kopfschmerz, vermehrtes Schwitzen) und dem Chirurgen Dr. S. Befundberichte ein. Dieser gab am 15.05.2006 an, aufgrund einer posttraumatischen Verletzung bestehe eine eingeschränkte Beweglichkeit im linken Handgelenk mit Druckschmerz über dem Os naviculare. Die versorgungsärztliche Auswertung der im Widerspruchsverfahren aktenkundig gewordenen ärztlichen Unterlagen führte zu keiner Änderung der Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers. Der Gesamt-GdB sei insgesamt eher sehr großzügig als kleinlich bemessen. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 03.08.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen GdB von 60 geltend machte. Er brachte vor, die Beeinträchtigung aufgrund der Folgen der Prellung des rechten Fußes bedingten entgegen der Auffassung des Beklagten einen GdB von 10 bzw. von mehr als 10. Ferner habe er seit einer Nierensteinoperation Schmerzen im linken Bereich sowie starke Kopfschmerzen. Zudem sei ihm empfohlen worden, sich einer Meniskusoperation an beiden Knien zu unterziehen, wogegen er sich aber, nachdem eine Garantie, dass anschließend sich die Beschwerden besserten, nicht habe übernommen werden können, ausgesprochen habe. Die Polyarthrose sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Außerdem leide er inzwischen an einer Lumboischialgie, so dass die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem höheren GdB als 20 zu bewerten sei. Hinzu käme, dass ihm im Herbst 2006 anlässlich einer Nierensteinoperation eine Spritze im Bereich der Wirbelsäule verabreicht worden sei und seither dort ein dunkelblauer Fleck existiere und er Rücken- und Kopfschmerzen habe. Insoweit sei von einem GdB von 20 auszugehen. Unberücksichtigt seien auch die Folgen einer Verletzung des linken Handgelenks mit inzwischen eingetretener starker Verdickung geblieben. Er könne die linke Hand seitdem nicht mehr drehen. Insoweit sei ein GdB von 10 anzusetzen.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Funktionsstörungen des Klägers, zu denen auch eine Gebrauchseinschränkung der linken Hand (GdB 10) zu zählen sei, bedinge keinen höheren GdB als 50. Hierzu legte er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Gö. vom 13.09.2007 und 02.07.2008 vor.
Das SG hörte Dr. D. , Dr. M. , die Hausärztin B. und den Chirurgen Da. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. D. teilte in seiner Aussage vom 20.04.2007 eine gemischte Angst- und depressive Störung mit und gab an, die Einschränkung hierdurch sei mittelgradig. Es bestünden beim Kläger Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Antriebs. Es lägen ein mangelndes Durchhaltevermögen und eine verminderte psychische Belastbarkeit bei Stress vor, was sich im Bereich der sozialen Integration am Arbeitsplatz manifestiere. Dr. M. berichtete am 17.04.2007 unter Vorlage der Audiogramme vom 13.02.2004 und 17.11.2004 über die Behandlung des Klägers im Jahre 2004 und gab an, es handle sich beim Kläger um eine leicht- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit mit stark störenden Ohrgeräuschen. Der Hörverlust liege bei beiden Ohren bei ca. 30%, sei also geringgradig. Hinzu komme noch der vom Kläger angegebene sehr lästige Tinnitus. Die Hausärztin B. teilte am 11.05.2007 unter Beifügung von Facharztberichten mit, der Kläger sei seit 1987 bei ihr in Behandlung. Sie verwies auf ihre Angaben gegenüber der 19. Kammer des SG vom 13.01.2006 und gab an, Ende April 2007 sei der Kläger wegen einem Innenmeniskusschaden links operiert worden. Der Verlauf sei ihr noch nicht bekannt. Sie sehe erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen der beim Kläger bestehenden psychischen Störung. Der Beurteilung der Höhe des GdB durch den Ärztlichen Dienst des Beklagten stimme sie zu. In seinem Bericht vom 23.05.2007 beschrieb der Chirurg Da. den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit Februar 2004 und stimmte der Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule durch den Beklagten zu. Das linke Handgelenk sah er nach einer Fraktur mit posttraumatischer Arthrose durch belastungsabhängige zunehmende Beschwerden jedoch stärker eingeschränkt als der Ärztliche Dienst des Beklagten.
Anschließend holte das SG von Dr. D. , Klinik für Unfallchirurgie am M. Hospital S. , ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers diagnostizierte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.03.2008 vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule und bewertete diese Funktionsstörungen mit einem GdB von 20. Ferner bestehe eine endgradig eingeschränkte Beugefähigkeit in beiden Kniegelenken (GdB 10), aufgrund einer Arthrose im linken Handgelenk eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit des linken Unterarms sowie endgradige Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk und aufgehobener Beugung im linken Daumengrundgelenk (GdB 10). Unter Einbeziehung der fachfremden Funktionsstörungen schätze er den Gesamt-GdB auf 50 seit Oktober 2004.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60. Der eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers, insbesondere in psychischer Hinsicht, habe der Beklagte mit der Feststellung eines GdB von 50 ausreichend Rechnung getragen. Die beim Kläger vorliegende depressive Störung und Ängste bedingten einen GdB von 30 und die leichte Innenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche einen GdB von 20. Hinzu kämen die mit einem GdB von 20 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und die Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand und des linken Unterarms, die mit einem GdB von 10 zu bewerten seien. Ferner bestehe eine leichtgradige chronische Bronchitis ohne Einschränkung der Lungenfunktion, für die ein GdB von 10 anzusetzen sei. Die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. D. habe im Bereich des rechten Fußes eine freie Beweglichkeit ergeben, so dass insoweit keine Funktionseinschränkung anzunehmen sei. Insgesamt bedingten die Funktionsstörungen des Klägers einen GdB von 50. Ein GdB von 60 sei nicht gerechtfertigt.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.08.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.09.2008 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er weiterhin einen GdB von 60 geltend macht. Er bringt vor, die Folgen der am 13.02.2004 erlittenen Prellung des rechten Fußes seien im orthopädischen Gutachten vom 17.03.2008 nicht berücksichtigt worden. Zu Unrecht ebenfalls nicht berücksichtigt worden seien die Folgen der am 04.09.2006 erfolgten Anästhesie durch Verabreichung einer Spritze in die Lendenwirbelsäule. In deren unteren Bereich liege heute noch eine ca. 3 x 3 cm große Verfärbung vor. Ferner bestünden seither immer wieder auftretende Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindelanfälle. Die Schwellung auf dem Handrücken habe inzwischen ebenfalls zugenommen. Seine linke Hand sei nicht mehr für leichte Arbeiten einsetzbar, da sie bei jeder Bewegung schmerze. Der Kläger verweist insoweit auf das beim Landgericht Stuttgart (LG) anhängig gewesene Beweissicherungsverfahren (15 OH 2/09), in dem seine im Zusammenhang mit der Anästhesie stehenden Beschwerden durch ein Gutachten geklärt worden seien. In diesem Gutachten würden seine weiteren Funktionsstörungen bestätigt, auch wenn der Sachverständige nicht zu dem Ergebnis komme, dass diese auf eine mangelhafte Operation zurückzuführen seien. Mit Schriftsatz vom 15.01.2011 macht der Kläger noch geltend, dass er aufgrund Beschwerden im Bereich der Knie sich nicht mehr bücken und keine größeren Strecken mehr zu Fuß zurücklegen könne.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 60 ab 19. Oktober 2004 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf das von Dr. D. eingeholte orthopädische Gutachten, mit dem die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen abgeklärt worden seien.
Mit Beschluss vom 30.11.2009 ist auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden, das der Kläger am 27.08.2010 wieder angerufen hat.
Der Senat hat vom LG die Akten 15 OH 2/09 beigezogen und Kopien des urologischen Gutachtens von Prof. Dr. H. vom 19.06.2009 und des anästhesiologischen Gutachtens von Prof. Dr. P. vom 02.05.2010, beide Universitätsklinik U. , zu den Akten genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 20.07.2005 (Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006), mit dem der Beklagte wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers den GdB von bisher 40 auf 50 erhöht, eine weitergehende Erhöhung jedoch abgelehnt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 60 gerechtfertigt sei.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers ab 19.10.2004 keinen höheren GdB als 50 bedingen. Der Senat kommt nach eigener Würdigung des medizinischen Sachverhalts zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen keinen höheren GdB als 50. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. D. vom 17.03.2008, die Angaben der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte und die im Berufungsverfahren beigezogenen fachärztlichen Gutachten vom 19.06.2009 und 02.05.2010.
Eine Würdigung der bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens aktenkundig gewordenen ärztlichen Unterlagen durch den Senat ergibt, dass die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist. Die einzelnen Funktionsstörungen des Klägers, die im angefochtenen Gerichtsbescheid mit einem GdB von 30 (psychische Störung), 20 (leichte Innenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche), 20 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule), 10 (Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand und des linken Unterarms) und 10 (chronische Bronchitis) bewertet worden sind, bedingen keinen höheren GdB. Auch die Bildung des Gesamt-GdB durch das SG hält der Senat für zutreffend. Die diesbezüglichen ausführlichen und überzeugenden Darlegungen in der erstinstanzlichen Entscheidung macht sich der Senat zu eigen; er nimmt insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Ergänzend sowie im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die vom Senat beigezogenen Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. P. vom 19.06.2009 und 02.05.2010 ist noch Folgendes auszuführen: Eine Verschlimmerung der Funktionsstörungen des Klägers, die eine Erhöhung des GdB von 40 auf 60 rechtfertigt, ist nicht eingetreten. Der eingetretenen Verschlimmerung hat der Beklagte mit der Erhöhung des GdB von 40 auf 50 ausreichend Rechnung getragen.
Die Folgen der am 13.02.2004 erlittenen Prellung des rechten Fußes sind vom Beklagten und dem erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. D. zu Recht nicht als Funktionsbeeinträchtigung berücksichtigt worden. Soweit der Kläger dies im Berufungsverfahren unter Hinweis auf seinen Schriftsatz vom 11.08.2008 an das SG weiter beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. D. bei seiner Untersuchung keine krankhaften Befunde am rechten Fuß des Klägers erhoben hat. Dies ist ohne Weiteres damit zu erklären, dass eine Prellung in aller Regel wieder abklingt und keine dauernden Folgen hinterlässt. Die Polyarthrose ist vom Beklagten bei der Beurteilung des Gesamt-GdB mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt worden. Dass sie von Dr. D. in seinem Gutachten nicht (mehr) eigenständig bewertet, sondern in die Bewertung der Gelenkveränderungen einbezogen worden ist (vgl. S. 14 des Gutachtens), ändert am Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung nichts.
Die 3 x 3 cm große Verfärbung im Bereich der Lendenwirbelsäule, die nach Ansicht des Klägers auf die Anästhesie am 04.09.2006 zurückzuführen ist, stellt keine Funktionsstörung dar. Die im Rahmen des beim LG anhängig gewesenen Beweissicherungsverfahrens 15 OH 2/09 eingeholten fachärztlichen Gutachten (urologisches Gutachten vom 19.06.2009 und anästhesiologisches Gutachten vom 02.05.2010) belegen, dass die vorliegenden Hautveränderungen im Lendenwirbelbereich nicht mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sind. Ihnen ist vom Sachverständigen Prof. Dr. P. allenfalls kosmetische Bedeutung beigemessen worden (vgl. S. 14 des Gutachtens). Dass - wie vom Kläger vorgebracht - die am 04.09.2006 durchgeführte Anästhesie seither zu immer wieder auftretenden Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindelanfällen geführt habe, ist ärztlich nicht belegt. Das postspinale Kopfschmerzsyndrom und die postspinalen Rückenschmerzen waren jedenfalls nach dem Gutachten von Prof. Dr. P. bereits am 09.09.2006 wieder vollständig abgeklungen. Ohnehin kommt es im Schwerbehindertenrecht nicht auf die Ursache der Funktionsstörungen an. Die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden sind zwanglos mit den bereits berücksichtigten und auch angemessen bewerteten Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule und der Psyche zu erklären.
Was die Beeinträchtigung der linken Hand des Klägers betrifft, hat der Sachverständige Dr. D. aufgrund einer Arthrose im linken Handgelenk eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit des linken Unterarms sowie endgradige Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk und eine aufgehobene Beugung im linken Daumengrundgelenk diagnostiziert und hierfür einen GdB von 10 angenommen. Diese Bewertung hält der Senat für angemessen. Ein höherer GdB als 10 lässt sich mit den nur endgradigen Beweglichkeitseinschränkungen im Bereich des linken Unterarms und des linken Handgelenks sowie der aufgehobenen Beugung allein im Daumengrundgelenk nicht rechtfertigen.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 50. Bei lediglich einem Teil-GdB von 30 (seelische Störung) und weiteren Teil-GdB-Werten von 20 bzw. 10, die vielfach nicht bzw. in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, wäre ein GdB von 60 überhöht.
Der medizinische Sachverhalt ist geklärt. Weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines neurologischen Gutachtens, sind nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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