Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 4662/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5291/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III, wonach u.a. Studenten einer Hochschule nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können, hat ein Student im ersten Hochschulsemester für die Zeit zwischen seiner Immatrikulation und dem tatsächlichen Beginn des Vorlesungsbetriebes widerlegt, wenn er in diesem Zeitraum noch keine studienbedingten Verpflichtungen zu erfüllen hat. 2. Auch würde eine von einem Studenten in diesem Zeitraum ausgeübte Vollzeittätigkeit nicht dem Werkstudenten-Privileg des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III unterfallen, da das Studium erst mit der Aufnahme des Unterrichts- und Vorlesungsbetriebs den Status des Studierenden prägen kann.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2009 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26. August 2008 und vom 04. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Arbeitslosengeld im Streit.
Der 1983 geborene Kläger war als Maschineneinrichter in der Zeit vom 11. September 2000 bis zum 30. September 2007 bei der Firma D. C. AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde beendet, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Fachhochschulreife zu erlangen und ein Fachhochschulstudium durchzuführen. In der Zeit vom 10. September 2007 bis zum 11. Juli 2008 besuchte der Kläger die K.-B.-Schule G. und erlangte dort die Fachhochschulreife.
Der Kläger meldete sich am 10. Juli 2008 mit Wirkung zum 12. Juli 2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Oktober 2007 bis 23. Dezember 2007 fest (Bescheid vom 12. August 2008).
Der Kläger wurde am 01. September 2008 an der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft als Student immatrikuliert. Der Vorlesungsbetrieb der Hochschule begann am 01. Oktober 2008; ab diesem Zeitpunkt war die Anwesenheit der Studierenden erforderlich. Über die geplante Aufnahme des Studiums hatte der Kläger die Beklagte vorab informiert.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 12. Juli bis zum 31. August 2008 Arbeitslosengeld (täglicher Leistungsbetrag 40,21 EUR) (Bescheid vom 26. August 2008 und Änderungsbescheid vom 04. September 2008). Dagegen legte der Kläger am 02. Oktober 2008 Widerspruch ein, mit dem er Arbeitslosengeld für September 2008 begehrt. Er habe dem Arbeitsmarkt im September noch zur Verfügung gestanden, da der Unterricht bzw. die Vorlesungen erst ab 01. Oktober 2008 begonnen haben. Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) könne er erst mit Beginn der Vorlesungen beziehen. Die Beklagte wies den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2008). Bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätten werde gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III vermutet, dass diese nur versicherungsfreie Beschäftigungen (§ 27 Abs. 4 SGB III) ausüben könnten. Der Studentenstatus liege ab der Immatrikulation vor.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Vermutung in § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB III könne widerlegt werden, wenn der Schüler oder Student darlege oder nachweise, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Vorliegend beginne die erste Vorlesung am 01. Oktober 2008. Dies bedeute, dass der Kläger ohne Beeinträchtigung seiner ordnungsgemäßen Ausbildung in der Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 eine wöchentlich mehr als 15-stündige versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2009 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld im Monat September 2008. Arbeitslosigkeit setze u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Voraussetzung für ein solches "zur Verfügung stehen" sei nach § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III u.a., dass der Arbeitnehmer eine zumutbare, versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ausüben könne und dürfe. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III werde bei Studenten - zu denen der Kläger im streitigen Zeitraum aufgrund der zum 01. September 2008 wirksam gewordenen Immatrikulation zähle - vermutet, dass diese nur versicherungsfreie Tätigkeiten ausüben könnten. Die Vermutung sei nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III widerlegt, wenn der Student den Nachweis führe, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Prüfungs- und Ausbildungsbestimmungen niedergelegten Anforderungen zulasse. Hierfür sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, dass sowohl die konkrete Studiumsgestaltung als auch die Regelung der Studien- und Prüfungsordnungen einer solchen Arbeitstätigkeit nicht entgegen stünden und das Studium hinsichtlich der Gesamtbelastung hinter der Arbeitnehmertätigkeit zurücktrete (unter Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 103a Nr. 2). Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass ihm eine versicherungspflichtige Tätigkeit auch während der Vorlesungszeit bzw. des Semesters möglich sei. Die Beteiligten gingen übereinstimmend und rechtlich zutreffend davon aus, dass der Status des Klägers als Student in Folge seiner Immatrikulation ab dem 01. September 2008 bestanden habe. Für die streitentscheidende Einstufung des Klägers komme es darauf an, ob die Frage einer Verfügbarkeit des Studenten entweder abstrakt für den Studiengang insgesamt oder aber konkret für einzelne Zeitabschnitte des Studiums - hier September 2008 - zu beurteilen sei. Die Kammer gehe bei ihrer Entscheidung davon aus, dass eine Parzellierung des Studiums in einzelne Zeitabschnitte insoweit nicht in Betracht komme. Ausschlaggebend sei hierfür zunächst der Wortlaut des § 120 Abs. 2 Satz 3 SGB III, der vom "Ausbildungsgang" spreche und hiermit die gesamte Ausbildung/das gesamte Studium und nicht lediglich Teilabschnitte desselben in Bezug nehme. In dieser Rechtsauffassung sehe sich die Kammer ferner durch das Werkstudentenprivileg des § 27 Abs. 4 SGB III bestätigt, das Werkstudenten auch dann von der Versicherungspflicht ausnehme, wenn diese - etwa in den Semesterferien - vollständig erwerbstätig seien, solange das Studium das Erscheinungsbild des Beschäftigten präge. Wenn und soweit im Rahmen der Freistellung von der Versicherungspflicht auf den Studiengang insgesamt und nicht auf einzelne Zeitabschnitte von zum Beispiel monatlicher Dauer abzustellen sei, erscheine es der Kammer im Ergebnis nur konsequent, auch im Rahmen des § 120 Abs. 2 SGB III eine entsprechende Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Aus den genannten Gründen verbiete sich die vom Kläger vorgenommene isolierte Betrachtung des Monats September 2009.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 16. Oktober 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. November 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger verweist zur Begründung auf die Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. Februar 2007 (L 3 AL 822/03), wonach die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, dass der Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen habe. Jedenfalls für diese Zeit wäre eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium nicht so untergeordnet gewesen, dass das Erscheinungsbild des Klägers nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten bzw. Werkstudenten gewesen wäre. Auch sei zu berücksichtigen, dass nach § 15 Abs. 1 BAföG die Ausbildung erst ab der Aufnahme des Studiums gefördert werde, d.h. erst nach Aufnahme der tatsächlichen Vorlesungszeit. Insofern stelle auch die BAföG-Förderung nicht auf die Immatrikulation ab. Infolge dessen sei der Kläger im September 2008 ohne Einkünfte gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26. August 2008 und vom 04. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2008 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend führt sie aus, dass die Eigenschaft als Student im Sinne des § 120 Abs. 2 SGB III auch während der unterrichts- und vorlesungsfreien Zeiten innerhalb eines Ausbildungsabschnittes bestehe. Eine Erwerbstätigkeit ausschließlich während der Sommerferien sei unabhängig vom Umfang der Tätigkeit regelmäßig nicht versicherungspflichtig. Versicherungsfreiheit bestehe auch, wenn eine Beschäftigung lediglich in der vorlesungsfreien Zeit auf mehr als 20 Stunden wöchentlich ausgeweitet werde. Die Vermutung nach § 120 Abs. 2 SGB III sei nur dann widerlegt, wenn der Schüler oder Student nachweise, dass der Ausbildungsgang insgesamt eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Die Beklagte sei mit dem SG der Auffassung, dass eine isolierte Betrachtung vorlesungsfreier Zeiten nicht möglich sei, unabhängig davon, ob diese gleich zu Beginn des Studiums oder später anfallen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist begründet, denn der Kläger hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2009 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a. bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, (1.) der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht u.a. zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III).
Nachdem sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte, ist vorliegend allein streitig, ob der Kläger im September 2008 trotz seiner Immatrikulation als Student an der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft - arbeitslos war. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III wird bei Studenten einer Hochschule vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn der Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Hintergrund für diese Regelung bildet das sogenannte WerkstudentenPrivileg des § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III, wonach Personen, die während ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben, versicherungsfrei sind. Vorliegend findet die Vermutungsregelung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III Anwendung, nachdem der Kläger zum 01. September 2008 an der Hochschule K. immatrikuliert wurde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist im Rahmen der Regelung von Massenerscheinungen im Interesse einer effizienten Verwaltung zulässigen Typisierung und Pauschalierung davon auszugehen, dass durch die Immatrikulation zwischen den Studenten und der Hochschule ein Rechtsverhältnis entsteht, das die Vermutung begründet, der Student könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen (Urteile vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 R -; vom 24. Juli 1997 - 11 RAr 99/96 -; zustimmend Coseriu/Jakob in Beck`scher Online-Kommentar, § 120 SGB III Rdnr. 10; Lauer in NK-SGB III, 3, Aufl. 2008, § 120 Rdnr. 28; Lüdtke in LPK - SGB III, 2008, § 120 Rdnr. 7; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 120 Rdnr. 23; a.A. Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 120 Rdnr. 8; Steinmeyer in Gagel, § 120 Rdnr. 83 ff., die auf den tatsächlichen Beginn des Studiums abstellen). Mithin ist für den Beginn der Vermutung nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III der Status des Studenten, der durch die Immatrikulation begründet wird, entscheidend (vgl. Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, 3. Aufl., § 120 Rdnr. 32; Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 120 Rdnr. 4). Semesterferien und vorlesungsfreie Zeiten haben keinen Einfluss auf den Status als Student (Rokita, a.a.O. Rdnr. 34). Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich schon oder noch eine entsprechende Ausbildung absolviert wird (Söhngen, a.a.O. Rdnr. 46).
Jedoch hat der Kläger dargelegt und nachgewiesen, dass sein Ausbildungsgang an der Hochschule K. die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen bis zum 30. September 2008 zugelassen hat (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Zur Widerlegung dieser Tatsachenvermutung, nur versicherungsfreie Beschäftigung ausüben zu können, muss der Student zunächst darlegen und nachweisen, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt und sodann darlegen und nachweisen, dass die konkrete Ausgestaltung des Studiums eine Beschäftigung ermöglicht, die nicht unter das Werkstudenten-Privileg des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III fällt, diese mithin versicherungspflichtig wäre, würde der Student sie aufnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1994 - 11 RAr 67/93 -; Urteil vom 14. März 1996 -7 RAr 18/94 -; Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 120 Rdnr. 10; Coseriu/Jakob in Beck`scher Online-Kommentar, § 120 SGB III Rdnr. 14 ff.; Steinmeyer in Gagel, § 120 SGB III Rdnr. 104 f.). Ausweislich der Bestätigung der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft - hat der Vorlesungsbetrieb am 01. Oktober 2008 um 8.00 Uhr begonnen und es war ab diesem Zeitpunkt eine Anwesenheit der Studierenden erforderlich. Mithin unterlag der Kläger, der erst am 01. Oktober 2008 sein Studium im ersten Semester tatsächlich aufgenommen hat, im September 2008 noch nicht den in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen und hatte keine studienbedingten Verpflichtungen zu erfüllen (so auch Thüringer LSG; Urteil vom 22. Februar 2007 - L 3 AL 822/03 -; Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III. § 120 Rdnr. 50: Widerlegung der Vermutung wird bis zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn unschwer gelingen; zum gleichen Ergebnis gelangen Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 120 Rdnr. 8 sowie Steinmeyer in Gagel, § 120 Rdnr. 83 ff., die bei der Anwendung der Vermutungsregelung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III auf den tatsächlichen Beginn des Studiums abstellen). Auch wäre eine vom Kläger im September 2009 ausgeübte Vollzeittätigkeit nicht dem Werkstudenten-Privileg des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III unterfallen. Nach der Rechtsprechung des BSG (bspw. Urteile vom 11. November 2003 - B 12 KR 24/03 R -; vom 10. Dezember 1998 - B 12 KR 22/97 R - m.w.N.; vgl. auch Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 27 Rdnr. 23; Scheidt in NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 27 Rdnr. 84; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 Rdnr. 112 f.) genügt für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudenten-Privilegs nicht das formale Kriterium, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handelt. Die Versicherungsfreiheit verlangt vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten (Immatrikulation), dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Gesetzliches Leitbild des Werkstudenten-Privilegs sind demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung ist demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie "neben" dem Studium ausgeübt wird, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache ist. Vorliegend konnte das Studium vor dem tatsächlichen Beginn des ersten Semesters am 1. Oktober 2008 mit Aufnahme des Unterrichts- und Vorlesungsbetriebes nicht Zeit und Arbeitskraft des Klägers überwiegend in Anspruch nehmen. Bei Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung im Zeitraum zwischen der Immatrikulation und dem Beginn des Vorlesungsbetriebs wäre der Kläger dem Erscheinungsbild nach nicht (versicherungsfreier) Studierender bzw. Werkstudent gewesen. Das am 01. Oktober 2008 aufgenommene Studium konnte dem Status des Klägers in der Zeit davor kein Gepräge geben. Erst nach tatsächlicher Aufnahme des Studiums im ersten Hochschulsemester kann prognostisch beurteilt werden, ob das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache ist. Daher unterscheidet sich die Situation des Klägers entscheidend von einem Studierenden, der nach tatsächlicher Aufnahme seines Studiums in der vorlesungsfreien Zeit oder in den Semesterferien eine Beschäftigung ausübt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Arbeitslosengeld im Streit.
Der 1983 geborene Kläger war als Maschineneinrichter in der Zeit vom 11. September 2000 bis zum 30. September 2007 bei der Firma D. C. AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde beendet, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Fachhochschulreife zu erlangen und ein Fachhochschulstudium durchzuführen. In der Zeit vom 10. September 2007 bis zum 11. Juli 2008 besuchte der Kläger die K.-B.-Schule G. und erlangte dort die Fachhochschulreife.
Der Kläger meldete sich am 10. Juli 2008 mit Wirkung zum 12. Juli 2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Oktober 2007 bis 23. Dezember 2007 fest (Bescheid vom 12. August 2008).
Der Kläger wurde am 01. September 2008 an der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft als Student immatrikuliert. Der Vorlesungsbetrieb der Hochschule begann am 01. Oktober 2008; ab diesem Zeitpunkt war die Anwesenheit der Studierenden erforderlich. Über die geplante Aufnahme des Studiums hatte der Kläger die Beklagte vorab informiert.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 12. Juli bis zum 31. August 2008 Arbeitslosengeld (täglicher Leistungsbetrag 40,21 EUR) (Bescheid vom 26. August 2008 und Änderungsbescheid vom 04. September 2008). Dagegen legte der Kläger am 02. Oktober 2008 Widerspruch ein, mit dem er Arbeitslosengeld für September 2008 begehrt. Er habe dem Arbeitsmarkt im September noch zur Verfügung gestanden, da der Unterricht bzw. die Vorlesungen erst ab 01. Oktober 2008 begonnen haben. Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) könne er erst mit Beginn der Vorlesungen beziehen. Die Beklagte wies den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2008). Bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätten werde gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III vermutet, dass diese nur versicherungsfreie Beschäftigungen (§ 27 Abs. 4 SGB III) ausüben könnten. Der Studentenstatus liege ab der Immatrikulation vor.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Vermutung in § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB III könne widerlegt werden, wenn der Schüler oder Student darlege oder nachweise, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Vorliegend beginne die erste Vorlesung am 01. Oktober 2008. Dies bedeute, dass der Kläger ohne Beeinträchtigung seiner ordnungsgemäßen Ausbildung in der Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 eine wöchentlich mehr als 15-stündige versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2009 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld im Monat September 2008. Arbeitslosigkeit setze u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Voraussetzung für ein solches "zur Verfügung stehen" sei nach § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III u.a., dass der Arbeitnehmer eine zumutbare, versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ausüben könne und dürfe. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III werde bei Studenten - zu denen der Kläger im streitigen Zeitraum aufgrund der zum 01. September 2008 wirksam gewordenen Immatrikulation zähle - vermutet, dass diese nur versicherungsfreie Tätigkeiten ausüben könnten. Die Vermutung sei nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III widerlegt, wenn der Student den Nachweis führe, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Prüfungs- und Ausbildungsbestimmungen niedergelegten Anforderungen zulasse. Hierfür sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, dass sowohl die konkrete Studiumsgestaltung als auch die Regelung der Studien- und Prüfungsordnungen einer solchen Arbeitstätigkeit nicht entgegen stünden und das Studium hinsichtlich der Gesamtbelastung hinter der Arbeitnehmertätigkeit zurücktrete (unter Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 103a Nr. 2). Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass ihm eine versicherungspflichtige Tätigkeit auch während der Vorlesungszeit bzw. des Semesters möglich sei. Die Beteiligten gingen übereinstimmend und rechtlich zutreffend davon aus, dass der Status des Klägers als Student in Folge seiner Immatrikulation ab dem 01. September 2008 bestanden habe. Für die streitentscheidende Einstufung des Klägers komme es darauf an, ob die Frage einer Verfügbarkeit des Studenten entweder abstrakt für den Studiengang insgesamt oder aber konkret für einzelne Zeitabschnitte des Studiums - hier September 2008 - zu beurteilen sei. Die Kammer gehe bei ihrer Entscheidung davon aus, dass eine Parzellierung des Studiums in einzelne Zeitabschnitte insoweit nicht in Betracht komme. Ausschlaggebend sei hierfür zunächst der Wortlaut des § 120 Abs. 2 Satz 3 SGB III, der vom "Ausbildungsgang" spreche und hiermit die gesamte Ausbildung/das gesamte Studium und nicht lediglich Teilabschnitte desselben in Bezug nehme. In dieser Rechtsauffassung sehe sich die Kammer ferner durch das Werkstudentenprivileg des § 27 Abs. 4 SGB III bestätigt, das Werkstudenten auch dann von der Versicherungspflicht ausnehme, wenn diese - etwa in den Semesterferien - vollständig erwerbstätig seien, solange das Studium das Erscheinungsbild des Beschäftigten präge. Wenn und soweit im Rahmen der Freistellung von der Versicherungspflicht auf den Studiengang insgesamt und nicht auf einzelne Zeitabschnitte von zum Beispiel monatlicher Dauer abzustellen sei, erscheine es der Kammer im Ergebnis nur konsequent, auch im Rahmen des § 120 Abs. 2 SGB III eine entsprechende Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Aus den genannten Gründen verbiete sich die vom Kläger vorgenommene isolierte Betrachtung des Monats September 2009.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 16. Oktober 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. November 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger verweist zur Begründung auf die Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. Februar 2007 (L 3 AL 822/03), wonach die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, dass der Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen habe. Jedenfalls für diese Zeit wäre eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium nicht so untergeordnet gewesen, dass das Erscheinungsbild des Klägers nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten bzw. Werkstudenten gewesen wäre. Auch sei zu berücksichtigen, dass nach § 15 Abs. 1 BAföG die Ausbildung erst ab der Aufnahme des Studiums gefördert werde, d.h. erst nach Aufnahme der tatsächlichen Vorlesungszeit. Insofern stelle auch die BAföG-Förderung nicht auf die Immatrikulation ab. Infolge dessen sei der Kläger im September 2008 ohne Einkünfte gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26. August 2008 und vom 04. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2008 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend führt sie aus, dass die Eigenschaft als Student im Sinne des § 120 Abs. 2 SGB III auch während der unterrichts- und vorlesungsfreien Zeiten innerhalb eines Ausbildungsabschnittes bestehe. Eine Erwerbstätigkeit ausschließlich während der Sommerferien sei unabhängig vom Umfang der Tätigkeit regelmäßig nicht versicherungspflichtig. Versicherungsfreiheit bestehe auch, wenn eine Beschäftigung lediglich in der vorlesungsfreien Zeit auf mehr als 20 Stunden wöchentlich ausgeweitet werde. Die Vermutung nach § 120 Abs. 2 SGB III sei nur dann widerlegt, wenn der Schüler oder Student nachweise, dass der Ausbildungsgang insgesamt eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Die Beklagte sei mit dem SG der Auffassung, dass eine isolierte Betrachtung vorlesungsfreier Zeiten nicht möglich sei, unabhängig davon, ob diese gleich zu Beginn des Studiums oder später anfallen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist begründet, denn der Kläger hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2009 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a. bei Arbeitslosigkeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, (1.) der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht u.a. zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III).
Nachdem sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte, ist vorliegend allein streitig, ob der Kläger im September 2008 trotz seiner Immatrikulation als Student an der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft - arbeitslos war. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III wird bei Studenten einer Hochschule vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn der Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Hintergrund für diese Regelung bildet das sogenannte WerkstudentenPrivileg des § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III, wonach Personen, die während ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben, versicherungsfrei sind. Vorliegend findet die Vermutungsregelung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III Anwendung, nachdem der Kläger zum 01. September 2008 an der Hochschule K. immatrikuliert wurde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist im Rahmen der Regelung von Massenerscheinungen im Interesse einer effizienten Verwaltung zulässigen Typisierung und Pauschalierung davon auszugehen, dass durch die Immatrikulation zwischen den Studenten und der Hochschule ein Rechtsverhältnis entsteht, das die Vermutung begründet, der Student könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen (Urteile vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 R -; vom 24. Juli 1997 - 11 RAr 99/96 -; zustimmend Coseriu/Jakob in Beck`scher Online-Kommentar, § 120 SGB III Rdnr. 10; Lauer in NK-SGB III, 3, Aufl. 2008, § 120 Rdnr. 28; Lüdtke in LPK - SGB III, 2008, § 120 Rdnr. 7; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 120 Rdnr. 23; a.A. Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 120 Rdnr. 8; Steinmeyer in Gagel, § 120 Rdnr. 83 ff., die auf den tatsächlichen Beginn des Studiums abstellen). Mithin ist für den Beginn der Vermutung nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III der Status des Studenten, der durch die Immatrikulation begründet wird, entscheidend (vgl. Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, 3. Aufl., § 120 Rdnr. 32; Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 120 Rdnr. 4). Semesterferien und vorlesungsfreie Zeiten haben keinen Einfluss auf den Status als Student (Rokita, a.a.O. Rdnr. 34). Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich schon oder noch eine entsprechende Ausbildung absolviert wird (Söhngen, a.a.O. Rdnr. 46).
Jedoch hat der Kläger dargelegt und nachgewiesen, dass sein Ausbildungsgang an der Hochschule K. die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen bis zum 30. September 2008 zugelassen hat (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Zur Widerlegung dieser Tatsachenvermutung, nur versicherungsfreie Beschäftigung ausüben zu können, muss der Student zunächst darlegen und nachweisen, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt und sodann darlegen und nachweisen, dass die konkrete Ausgestaltung des Studiums eine Beschäftigung ermöglicht, die nicht unter das Werkstudenten-Privileg des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III fällt, diese mithin versicherungspflichtig wäre, würde der Student sie aufnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1994 - 11 RAr 67/93 -; Urteil vom 14. März 1996 -7 RAr 18/94 -; Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 120 Rdnr. 10; Coseriu/Jakob in Beck`scher Online-Kommentar, § 120 SGB III Rdnr. 14 ff.; Steinmeyer in Gagel, § 120 SGB III Rdnr. 104 f.). Ausweislich der Bestätigung der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft - hat der Vorlesungsbetrieb am 01. Oktober 2008 um 8.00 Uhr begonnen und es war ab diesem Zeitpunkt eine Anwesenheit der Studierenden erforderlich. Mithin unterlag der Kläger, der erst am 01. Oktober 2008 sein Studium im ersten Semester tatsächlich aufgenommen hat, im September 2008 noch nicht den in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen und hatte keine studienbedingten Verpflichtungen zu erfüllen (so auch Thüringer LSG; Urteil vom 22. Februar 2007 - L 3 AL 822/03 -; Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III. § 120 Rdnr. 50: Widerlegung der Vermutung wird bis zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn unschwer gelingen; zum gleichen Ergebnis gelangen Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 120 Rdnr. 8 sowie Steinmeyer in Gagel, § 120 Rdnr. 83 ff., die bei der Anwendung der Vermutungsregelung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III auf den tatsächlichen Beginn des Studiums abstellen). Auch wäre eine vom Kläger im September 2009 ausgeübte Vollzeittätigkeit nicht dem Werkstudenten-Privileg des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III unterfallen. Nach der Rechtsprechung des BSG (bspw. Urteile vom 11. November 2003 - B 12 KR 24/03 R -; vom 10. Dezember 1998 - B 12 KR 22/97 R - m.w.N.; vgl. auch Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 27 Rdnr. 23; Scheidt in NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 27 Rdnr. 84; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 Rdnr. 112 f.) genügt für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudenten-Privilegs nicht das formale Kriterium, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handelt. Die Versicherungsfreiheit verlangt vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten (Immatrikulation), dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Gesetzliches Leitbild des Werkstudenten-Privilegs sind demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung ist demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie "neben" dem Studium ausgeübt wird, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache ist. Vorliegend konnte das Studium vor dem tatsächlichen Beginn des ersten Semesters am 1. Oktober 2008 mit Aufnahme des Unterrichts- und Vorlesungsbetriebes nicht Zeit und Arbeitskraft des Klägers überwiegend in Anspruch nehmen. Bei Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung im Zeitraum zwischen der Immatrikulation und dem Beginn des Vorlesungsbetriebs wäre der Kläger dem Erscheinungsbild nach nicht (versicherungsfreier) Studierender bzw. Werkstudent gewesen. Das am 01. Oktober 2008 aufgenommene Studium konnte dem Status des Klägers in der Zeit davor kein Gepräge geben. Erst nach tatsächlicher Aufnahme des Studiums im ersten Hochschulsemester kann prognostisch beurteilt werden, ob das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache ist. Daher unterscheidet sich die Situation des Klägers entscheidend von einem Studierenden, der nach tatsächlicher Aufnahme seines Studiums in der vorlesungsfreien Zeit oder in den Semesterferien eine Beschäftigung ausübt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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