L 2 U 226/11 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 221/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 226/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Ablehnung des ärztlichen Sachverständigen
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der ZPO anzuwenden.
Dies gilt insbesondere auch für die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom
10. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. D. besteht.
Der 1960 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut wegen seines Arbeitsunfalls vom 08.05.2008 die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die gesetzlichen Leistungen hieraus. Mit Bescheid vom 27.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2009 wurden als Folgen des Versicherungsfalls lediglich eine Fußprellung rechts und Gehirnerschütterung anerkannt. Behandlungsbedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit sei ab dem 30.05.2008 nicht mehr gegeben.
Das Sozialgericht hat mit Beweisanordnung vom 30.08.2010 den Neurologen Prof.
Dr. D. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 25.03.2011 zum Ergebnis, dass die beim Kläger auftretenden Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet unabhängig vom Unfall vom 08.05.2008 seien. Das Gutachten wurde mit Schreiben vom 30.03.2011 an den Bevollmächtigten des Klägers zur Kenntnis und Stellungnahme binnen vier Wochen übersandt.
Mit Schreiben vom 28.04.2011, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, beantragte der Bevollmächtigte des Bf die Frist zur Stellungnahme bis 09.05.2011 zu verlängern. Diese Fristverlängerung wurde gewährt. Mit Schreiben vom 09.05.2011, eingegangen per Fax am gleichen Tag, lehnte der Bevollmächtigte des Bf den Sachverständigen Prof.
Dr. D. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die Bewertung des Gutachters sei widersprüchlich und beinhalte rechtliche Schlussfolgerungen, die diesem nicht zustünden. Der Gutachter beziehe sich auf Unterlagen der Signal Iduna Krankenversicherung und habe die Richtigkeit des Vortrags des Bf nicht einmal "in Erwägung" gezogen.
Das Sozialgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 10.05.2011 zurückgewiesen. Es lägen keine Gründe vor, die bei einem nüchtern denkenden Beteiligten die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige habe sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf darauf hingewiesen, dass eine Äußerung des Sachverständigen zu dem von ihm geltend gemachten Ablehnungsgrund nicht eingeholt worden sei. Der Senat hat daraufhin eine Stellungnahme des Sachverständigen erbeten. Mit Schreiben vom 16.08.2011 hat Prof. Dr. D. darauf hingewiesen, dass er sein Gutachten unparteilich und unabhängig erstellt habe.
Die Beklagte wurde angehört.

II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9).
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1, § 411 Abs. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder bei dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe benennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Zweck dieser Regelung ist die Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Das Gutachten des Prof. Dr. D. wurde mit Schreiben vom 30.03.2011 zur Kenntnis und Stellungnahme binnen vier Wochen übersandt. Auf seinen Antrag vom 28.04.2011 wurde dem Bf Fristverlängerung zur Äußerung bis 09.05.2011 gewährt. Damit ist der am 09.05.2011 eingegangene Ablehnungsantrag fristgemäß.
Der Bf hat zur Begründung seiner Beschwerde auf den Befangenheitsantrag vom 09.05.2011 und das Schreiben der Betreuerin des Bf am 16.04.2011 verwiesen. Eine weitere Begründung ist nicht erfolgt. Die dienstliche Äußerung des Sachverständigen kann im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden und stellt deshalb allein keinen Ablehnungsgrund dar.
Das Sozialgericht Landshut hat sich in seinem Beschluss vom 10.05.2011 eingehend mit den Argumenten befasst, die der Bf zur Begründung seines Befangenheitsantrags vorgebracht hat. Deshalb wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Begründung des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 10.05.2011 verwiesen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige laut Beweisanordnung vom 30.08.2010 zu der Frage Stellung nehmen musste, ob beim Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles unfallunabhängige Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestanden. Falls er dies bejahte, hatte er nach der Beweisanordnung den Auftrag, zum Zusammenhang mit der Entwicklung der neurologisch-psychiatrischen Erkrankung nach dem Unfall Stellung zu nehmen. Der Sachverständige hat sich deshalb in seinem Gutachten an seinen Auftrag gehalten.
Des weiteren ist der Sachverständige nach der Beweisanordnung verpflichtet, sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen auszuwerten und in seine Bewertung mit ein zu beziehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Gutachter sich ausschließlich auf Unterlagen oder Diagnosen bezogen hat, die zu einem für den Bf ungünstigen Gutachtensergebnis geführt haben. Es ist die Aufgabe des Sachverständigen, Ausführungen zur Kausalität der Gesundheitsstörungen zu machen. Als Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat er hierbei die Pflicht, die Biografie des Bf wertend einzubeziehen. Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit ergeben sich hieraus nicht.
Eventuelle Unzulänglichkeiten des Gutachtens inhaltlicher Art treffen - wie das Sozialgericht zutreffend ausführte - beide Parteien und können lediglich dazu führen,, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. D. zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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