L 1 R 103/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 111/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 103/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Bereits seit dem 1. Oktober 2004 bezieht er ausweislich eines Bescheides vom 18. Juni 2004 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem auf 0,892 verminderten Zugangsfaktor.

Der am 25. September 1944 geborene Kläger legte nach dem Schulabschluss mit der 10. Klasse von September 1961 bis August 1964 eine Lehre zum Funkmechaniker zurück und blieb in diesem Beruf noch bis zum 10. Oktober 1964 beschäftigt. Sodann war er vom 3. November 1964 bis zum 27. Oktober 1967 bei der Nationalen Volksarmee als Radartechniker beschäftigt. Seit dem 1. November 1967 war er Lehrausbilder beim VEB Funk- und Fernmelde-Anlagenbau B., Betrieb M ... Seit 1976 war er dort als Ingenieurpädagoge beschäftigt und verlor diese Tätigkeit mit Ablauf des Juni 1978. Dazu stellte das Regierungspräsidium M. mit Bescheid vom 20. März 2003 die Eigenschaft des Klägers als Verfolgter, die Verfolgungszeit vom 1. Juli 1978 bis zum 2. Oktober 1990 und eine fiktive Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 2 des Bereichs 7 der Anlage 14 zum SGB VI fest. Tatsächlich war der Kläger seit 1978 als selbständiger Gastwirt tätig und nahm vom 6. Juni 1988 bis zum 31. August 1989 wiederum eine abhängige Beschäftigung als Gruppenleiter für Steuertechnik beim VEB (K) Stadtbeleuchtung/Stadttechnik M. auf. Danach war er zunächst familienversichert und seit dem 9. Februar 1990 arbeitslos. Von Oktober 1990 bis Oktober 1991 absolvierte der Kläger einen Ausbildungslehrgang zum EDV-Organisator mit Erfolg. In der Zeit vom 1. Oktober 1993 bis zum 30. Juni 1995 legte er eine Umschulung zum Bauzeichner (Hochbau) zurück. Zwischen Mai 1996 und Mai 1997 nahm er an einer Anpassungsfortbildung für Hoch- und Fachschulabsolventen Sozialmanagement teil. 1998 war der Kläger in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Projektleiter bei der Verwaltungsgemeinschaft F.-F. beschäftigt und seit dem 15. Mai 2001 in einer weiteren Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als sozialpädagogischer Betreuer von Teilnehmern an einer Qualifizierungs-ABM. Seit dem 31. Mai 2001 war er arbeitsunfähig erkrankt und kündigte die Tätigkeit zum 15. Juni 2001.

Bereits am 25. Mai 2001 hatte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gestellt. Dazu gab er an, die Grundlage der Erwerbsminderung sehe er in Körperfunktionsbeschwerden, mangelnder Selbstkontrollfähigkeit, Schwindelgefühlen und Schlaflosigkeit. Eine Ingenieurtätigkeit würde er sich noch fünf Stunden täglich zutrauen.

Die Beklagte holte ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 27. August 2001 ein, die keine Einschränkungen der Leistungsfähigkeit aus neurologisch-psychiatrischer Sicht fand. Als psychischen Befund erhob die Gutachterin. Bewusstseinsklarheit und allseitige Orientierung ohne inhaltliche oder formale Denkstörungen, keine Stimmungsauffälligkeiten, auch in der Vergangenheit keine Hinweise auf durchgemachte psychiatrische Erkrankungen. Die Beklagte holte weiterhin ein Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. M. vom 11. Oktober 2001 ein, die auch von internistischer Seite her keine Leistungseinschränkung seitens des Herzens oder der Nierenfunktion fand. Ein Bluthochdruck sei gut therapiert. Sie führte aus, die vom Kläger geschilderten Beschwerden könnten nur sehr schwer in den internistisch-organischen Bereich eingeordnet werden, sondern fielen eher in den neurovegetativen Bereich. Ergometrisch sei eine Belastung bis 100 Watt möglich gewesen, bevor der Abbruch wegen körperlicher Erschöpfung habe erfolgen müssen. Die rechte Niere sei als Schrumpfniere funktionslos; der Kreatininwert habe jedoch im Normbereich gelegen.

Mit Bescheid vom 13. November 2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte aus, der Kläger könne in seinem bisherigen Beruf als Sozialpädagoge mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Mit seinem Widerspruch vom 16. November 2001 machte der Kläger geltend, sein Beruf sei nicht Sozialpädagoge, sondern Diplom-Ingenieur (FH) Fachrichtung Nachrichtentechnik. Zu den Blutdruckschwankungen kämen psychosomatische Beschwerden, ein Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit sowie Depressionen. Die Beklagte holte einen Befundbericht des Allgemeinmediziners OMR Dr. N. vom 21. Dezember 2001 ein und wies den Widerspruch sodann mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2002 zurück. Sie führte insbesondere aus, der Kläger könne seinen Beruf als Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Dagegen erhob der Kläger am 29. April 2002 beim Sozialgericht Stendal (SG) Klage (S 6 RA 52/02). Das SG holte Befundberichte von Dr. M. vom 20. Juni 2002, von Dr. N. vom 19. Juni 2002, von Prof. Dr. K. vom 3. Dezember 2002, von Dr. R. vom 20. Januar 2003 und von Dr. B. von der Urologischen Universitätsklinik M. vom 15. Januar 2003 ein. Dr. R. berichtete über die Entfernung eines gutartigen Tumors vor dem rechten Ohr, von dem Dr. M. vor der Entfernung die Auffassung vertreten hatte, aus der Erkrankung folgten keine funktionellen Einschränkungen. Prof. Dr. K. erklärte, aus nierenfachärztlicher Sicht seien leichte Arbeiten bei Einstellung des Blutdrucks möglich. Eine Tätigkeit im Mehrschichtdienst sei zu vermeiden. Der Blutdruck habe sich unter Behandlung auf 155/95 gebessert. Dr. B. von der Urologischen Universitätsklinik M. vertrat die Auffassung, bei dem Kläger stehe die subjektive Beeinträchtigung im Vordergrund. Er habe dem Kläger die Entfernung der rechten Niere empfohlen. Bei funktioneller Einnierigkeit könnten schwere Tätigkeiten auch objektiv nicht verrichtet werden. Dr. N. berichtete über Blutdruckwerte von bis zu 165/105, einen diätetisch eingestellten Diabetes mellitus Typ II und ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits. Er vertrat die Auffassung, der Kläger könne Bürotätigkeiten oder ähnliche Tätigkeiten ohne großen Publikumsverkehr vollschichtig verrichten. Das SG zog weiterhin einen Bericht des TÜV-Bildungswerkes mbH vom 11. Juli 2002 bei.

Mit Urteil vom 30. April 2003 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, der Kläger könne mit seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch in seinem erlernten Beruf als Ingenieur oder im Umschulungsberuf eines EDV-Organisators oder eines Sozialarbeiters tätig sein.

Gegen das ihm am 21. Mai 2003 zugestellte Urteil legte der Kläger am 16. Juni 2003 Berufung ein (L 1 RA 117/03). Er trug vor, sein Hauptberuf sei derjenige eines Ingenieurpädagogen. Er halte es für eine falsche Vorgehensweise, zuerst zu einer neurologischen Begutachtung geschickt worden zu sein, bei der das organische Krankheitsbild nicht vollständig bekannt gewesen sei und dann erst zu einer internistischen Begutachtung, bei der Auswirkungen psychischer Belastungen im Hinblick auf das Ergebnis des neurologischen Gutachtens keine Berücksichtigung mehr gefunden hätten. Die Gutachten seien auch in sich widersprüchlich und verharmlosend. Eine konkrete Verweisungstätigkeit im Rechtssinne sei ihm nicht benannt worden. Als EDV-Organisator habe er zudem nie gearbeitet. Für eine Tätigkeit als Techniker in der Konstruktion oder Fertigung benötige er mehr als drei Monate Einarbeitungszeit. Zudem seien seine Krankheiten nicht vollständig erfasst. Ihm stehe jedenfalls wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.

Der Senat holte einen Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 1. Februar 2005 ein, die die hausärztliche Behandlung des Klägers übernommen und diesen letztmals am 18. Dezember 2003 behandelt hatte. Danach war der beim Kläger vorliegende Diabetes mellitus jetzt medikamentös geführt. Der Blutdruckwert lag zuletzt bei 140/80. Die Dipl.-Psychologin L., bei der der Kläger von August 2003 bis Mai 2004 in psychotherapeutischer Behandlung war, lehnte mit Schreiben vom 10. Februar 2005 die Erstellung eines Befundberichtes ab und erklärte sich auf Grund einer aufgetretenen Gegenübertragung für befangen. In einer weiteren Auskunft vom 24. November 2005 teilte sie mit, der Kläger habe zwar bei seiner ersten Vorstellung bei ihr eine Überweisung zur Hirnleistungsdiagnostik erwähnt, sie aber nicht vorgelegt. Sie habe lediglich eine psychodynamische Diagnostik, nicht aber eine Hirnleistungsdiagnostik durchgeführt.

Der Senat holte sodann ein Gutachten des Facharztes. für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 14. Mai 2005 ein. Der Sachverständige gelangte im Wesentlichen zu dem Ergebnis, der Kläger könne nur noch unter sechs Stunden arbeitstäglich, gegenwärtig nur noch stundenweise erwerbstätig sein. Maßgeblich dafür seien die kombinierten Auswirkungen einer psychoorganischen Beeinträchtigung und eines organisch bedingten depressiven Syndroms. Weiterhin liege bei ihm von der Primärpersönlichkeit her eine paranoide Persönlichkeitsstörung vor. Grundsätzlich sei von einer graduellen Zunahme der Leistungsminderung seit der Rentenantragstellung auszugehen. Schon die Persönlichkeitsstörung habe glaubhaft zum Abbruch des letzten Arbeitsversuches geführt, mit dem er infolge der vorliegenden krankhaften Störungen völlig überfordert gewesen sei. Frau Dr. G. habe aber gutachterlich weder eine psychoorganische noch eine depressive Beeinträchtigung finden können, die jetzt deutlich sei. Im Rahmen einer Schätzung sei von einem bis Ende 2003 noch vierstündigen, danach nur noch unter vierstündigen und seit Anfang 2005 nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögen täglich auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005, korrigiert durch Schriftsatz vom 21. Juni 2005, unterbreitete die Beklagte ein Vergleichsangebot dahingehend, auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 30. Juni 2003 bis zum Beginn der Altersrente (1. Oktober 2004) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer beginnend ab Juli 2003 sowie Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 1. Januar 2004 zu gewähren. Diesen Vorschlag nahm der Kläger nicht an.

Sodann holte der Senat Befundberichte von Dr. B. vom 11. August 2005, von Dr. F. vom 19. August 2005 und von Dr. G. vom 7. September 2005 ein. Dr. G. teilte darin mit, der Kläger sei nur am 7. Juli 2003 bei ihr zur Untersuchung gewesen, sodann noch am 14. Juli 2003 zur Besprechung eines CT, dessen schriftliche Befundauswertung sie beifügte. Sie übersandte weiterhin ihre Epikrise vom 8. Juli 2003, in der sie mitteilte, neurologisch hätten sich keine Auffälligkeiten gefunden; es ergebe sich kein Anhalt für ein Nervenleiden.

Mit Urteil vom 14. Dezember 2005 wies der Senat die Berufung zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe für den Zeitraum vor Beginn seiner Altersrente keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, weil vor diesem Zeitraum kein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden je Arbeitstag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festzustellen sei. Ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden habe schon der Sachverständige Dr. G. selbst erst für einen Zeitraum ab Anfang 2005 für gegeben erachtet; insoweit fehle es an einem Beweismittel für einen früheren Eintritt einer Leistungsminderung dieses Ausmaßes. Die Einschätzung des Sachverständigen sei insoweit auch nachvollziehbar, weil er ein fortschreitendes Krankheitsbild beschrieben habe, über dessen Voranschreiten Befunde nicht vorlägen. Aus dem gleichen Grunde lasse sich aber auch – entgegen der Einschätzung des Sachverständigen – kein weniger als sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen feststellen. Bei der einzigen Untersuchung im Juli 2003 durch Dr. G. habe sich kein Anhalt für ein Nervenleiden gefunden. Die Behauptung des Klägers, diese Aussage könne nur aus dem nach seiner Auffassung fehlerhaften Gutachten von Dr. G. aus dem Jahr 2001 stammen, begründe keine Verbesserung seiner Beweislage; eine andere Bewertung sei mangels entsprechender Behandlung zwischen der Gutachtenerstattung durch Dr. G. und dem Gutachten des Sachverständigen. Dr. G. nicht abgegeben worden. Allein die Überweisung zur Hirnleistungsdiagnostik ersetze eine entsprechende ärztliche Feststellung nicht. Denn zum Einen fehle das Ergebnis einer solchen Untersuchung, weil – wie der Kläger bestätigt habe – eine solche Hirnleistungsdiagnostik gerade nicht durchgeführt worden sei; zum Anderen rechtfertige schon die bloße Möglichkeit einer Hirnleistungsminderung die Überweisung, die aber nicht mit dem bewiesenen Vorliegen gleichgesetzt werden könne. Eine zuvor bereits länger andauernde Erkrankung ergebe sich auch nicht aus dem am 11. Juli 2003 erhobenen Computertomogramm. Die nach dem Bericht der Röntgenpraxis nur geringgradigen Hirnatrophiezeichen habe auch der Sachverständige nicht für einen Hinweis auf die von ihm gesehene Leistungsminderung gehalten. Denn er habe die Ergebnisse der psychologischen Tests als Hinweise auf eine solche Leistungsminderung mit einem "jedoch" der Auswertung der Computertomographie gegenüber gestellt, indem er deren Befunde als "zwar" geringgradig geschildert habe. Mit Recht habe die Beklagte darauf verwiesen, dass die vom Sachverständigen. Dr. G. bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung gesehene Verminderung des zeitlichen Leistungsvermögens nicht überzeugend dargelegt sei. Die vom Sachverständigen beschriebenen und für das Leistungsvermögen für entscheidend erachteten organischen Hirnleistungsstörungen seien für diese Zeit nicht belegt. Dr. G. habe sie in ihrem Gutachten ausdrücklich verneint. Der Sachverständige habe auch selbst eingeräumt, die im Juni 2001 in der letzten Beschäftigung des Klägers aufgetretenen Probleme hätten sich vorwiegend aus seiner Primärpersönlichkeit ergeben. Weshalb diese ihn im Jahre 2001, nicht aber vorher an einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit gehindert haben sollten, werde nicht deutlich. Für die dafür vorauszusetzende Verschlechterung des Krankheitsbildes der paranoiden Persönlichkeitsstörung noch vor ersten Belegen für die daneben bestehende organische Hirnerkrankung fehlten objektive Hinweise.

Soweit sich der Kläger gegen die Verwertung des Gutachtens von Dr. G. gewendet habe, griffen die Gründe nicht durch. Dr. G. habe schon aus dem ihr mit Schreiben vom 3. August 2005 zugeleiteten Anschreiben entnehmen können, dass dem Senat sowohl das für die Beklagte erstattete Gutachten als auch die Behandlung bei Dipl.-Psychologin L. bekannt gewesen seien; für eine erneute Erwähnung habe insoweit für sie kein Anlass bestanden. Auf ihren in der Schwerbehindertenangelegenheit übersandten Befundbericht vom 21. Januar 2002 habe Dr. G. nicht hinweisen müssen, da er sich durch eine Verwechslung auf eine andere Person bezogen habe. Dies ergebe sich aus der vom Sachverständigen ausdrücklich vorgenommenen Klärung. Zudem sei aber auch die im Bericht vom 21. Januar 2002 allein beschriebene Diagnose eines Muskelschwundes weder Gegenstand von Beschwerdeäußerungen des Klägers noch von Befundberichten im Rahmen seines gesamten Rentenverfahrens gewesen. So habe auch der Sachverständige Dr. G. bei seiner neurologischen Untersuchung keinerlei Befunde erheben können, die auf eine solche Erkrankung hingewiesen hätten.

Auch aus der Behandlung bei Dipl.-Psychologin L. ließen sich keine Erkenntnisse zu Gunsten des Klägers gewinnen. Denn Angaben über die bei ihr durchgeführte Psychotherapie würden keinen Aufschluss über die Hirnleistungsminderung liefern, die der Sachverständige Dr. G. überzeugend für die Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Untersuchung vorliegenden Erwerbsminderung gehalten habe. Denn Art und Umfang einer Hirnleistungsminderung seien gerade nicht Gegenstand der bei Dipl.-Psychologin L. vorgenommenen Behandlung gewesen.

Die übrigen beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder begründeten keine volle Erwerbsminderung, weil sie einer sechsstündigen Tätigkeit arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegenstünden. Der Senat schließe sich insoweit dem Gutachten der Internistin Dipl.-Med. M. vom 11. Oktober 2001 an, die den Kläger auf dem Hintergrund eines gut eingestellten Bluthochdrucks, einer Schrumpfniere rechts und einer Zystenniere links sowie eines diätpflichtigen Diabetes mellitus für ausreichend leistungsfähig gehalten habe. Dazu habe sie auf der Grundlage der von ihr gemessenen Bluthochdruckwerte auf dessen gute Einstellung und bezüglich der Nierenerkrankung auf einen Kreatininwert im Normbereich hingewiesen. Dr. N. habe bei ähnlichen Blutdruck- und Blutzuckerwerten diese Einschätzung für Bürotätigkeiten oder ähnliche Tätigkeiten ohne großen Publikumsverkehr bestätigt. Prof. Dr. K. habe in ihrem Befundbericht eine normale Nierenfunktion bestätigt. Dr. B. habe bei funktioneller Einnierigkeit eine Einschränkung nur für schwere Tätigkeiten gesehen. Aus dem Entlassungsbericht der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde M. vom 17. Oktober 2002 hätten sich keine Komplikationen bei der Entfernung des Parotisadenoms ergeben. Dazu habe der Facharzt Dr. M. schon in seinem Bericht vom 20. Juni 2002 mitgeteilt, aus dem Adenom folgten keine funktionellen Einschränkungen. Allein Dr. N. habe schließlich im Zeitraum ab Rentenantragstellung über ein Schulter-Arm-Syndrom beiderseits berichtet, zu dem er nähere Befunde nicht mitgeteilt habe. Eine fachärztliche Behandlung habe vor Einsetzen der Altersrente nicht stattgefunden. Insoweit gehe der Senat von der Einschätzung Dr. N.s aus, der Kläger könne Bürotätigkeiten oder ähnliche Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten. Die spätere Hausärztin Dipl.-Med. B. habe weiterhin die Schrumpfniere rechts, den Diabetes mellitus mit medikamentöser Führung, den Bluthochdruck Stadium II WHO und einen Zustand nach Operation des Parotisadenoms erwähnt. Sie habe dazu ausgeführt, die Blutdruck- und Blutzuckerwerte seien relativ gut eingestellt. Dies stehe im Einklang damit, dass diese Werte sich gegenüber vorangehenden Berichten insgesamt gering gebessert hätten.

Der Kläger habe für den Zeitraum ab Oktober 2004 schon deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller (und erst recht nicht wegen teilweiser) Erwerbsminderung, weil gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 7 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) die Zahlung der gleich hohen Altersrente den Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausschließe. Der Kläger habe Anspruch auf eine Altersrente, die mindestens die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung erreiche, weil die Rente nach der gleichen Rentenformel der §§ 64, 254b SGB VI errechnet werde und der Rentenartfaktor nach § 67 Nr. 1, 3 SGB VI gleich sei. Schließlich unterliege auch der Zugangsfaktor einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI vor Vollendung des 63. Lebensjahres dem gleichen Abschlag, wie gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) SGB VI die vom Kläger bezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die er gemäß § 236a Abs. 2 SGB VI i.V.m. Anlage 22 zum SGB VI ebenfalls vor Vollendung des 63. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehme. Ein späterer Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung sei für den Kläger gegenüber dem Bezug der Altersrente nicht vorteilhaft, weil der abgesenkte Zugangsfaktor der Altersrente gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI auch für die Rente wegen voller Erwerbminderung maßgeblich bleiben würde und weitere berücksichtigungsfähige Zeiten durch die Zahlung der Altersrente nicht anfallen würden.

Der Kläger habe schließlich keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1, 2 SGB VI. Auch insoweit sei nicht ersichtlich, dass die Beeinträchtigung der Erwerbsminderung schon vor dem Bezug der Altersrente eingetreten sei. Bisheriger Beruf des Klägers, der gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für die Beurteilung der Berufsfähigkeit maßgeblich sei, sei der Beruf des Ingenieurpädagogen, wegen dessen Verlust der Kläger beruflich rehabilitiert worden sei. Nach Ablauf der Verfolgungszeit sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in keinem Beruf mehr tätig gewesen; die verschiedenen Tätigkeiten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zählten nicht dazu. Aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme folgten keine medizinischen Hindernisse gegenüber der Tätigkeit als Lehringenieur von Funkmechanikern mindestens sechs Stunden arbeitstäglich. Eine Lehrtätigkeit sei weder als schwer einzuschätzen noch erfordere sie über längere Zeit bestimmte Arbeitshaltungen. Auch die psychischen Voraussetzungen für die Ausübung einer solchen Tätigkeit seien beim Kläger für den maßgeblichen Zeitraum nicht erkennbar eingeschränkt. Insbesondere lasse das Scheitern der letzten Tätigkeit als sozialpädagogischer Betreuer von Teilnehmern an einer Qualifizierung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einen anderen Schluss nicht zu. Dazu habe die Maßnahmeträgerin unter dem 11. Juli 2002 mitgeteilt, nach der Beobachtung ihrer Mitarbeiter habe der Kläger sich nicht mit der Aufgabenstellung identifizieren können. Der Kläger selbst habe gegenüber dem Sachverständigen. Dr. G. dementsprechend situationsbedingte Probleme bei der Durchführung der Maßnahme geschildert und sei damit von dem angegebenen Kündigungsgrund, er sei der Aufgabe nicht gewachsen, abgerückt.

Eine gegen dieses Urteil beim Bundessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 13 R 34/06 B) nahm der Kläger am 17. Februar 2006 zurück.

Am 16. Februar 2006 stellte er einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Er beantrage rückwirkend eine Rente wegen Erwerbsminderung analog dem Vergleichsangebot der Beklagten aus dem Jahre 2005. Gemäß inzwischen vorliegender Gutachten bestehe die Erwerbsminderung bereits seit 2001. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2006 ab und verwies auf das Urteil des Senats vom 14. Dezember 2005. Das Vergleichsangebot aus dem Jahr 2005 sei kein Bescheid; es sei durch die Nichtannahme hinfällig geworden und könne nicht wieder aufleben. Selbst die Wertung seines Überprüfungsantrages als Neuantrag würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung könnten nach § 99 SGB VI frühestens mit dem Beginn des Antragsmonats erfüllt werden. Gemäß § 34 Abs. 4 SGB VI sei ein Wechsel von einer Altersrente in eine Rente wegen Erwerbsminderung gesetzlich nicht zulässig.

Dagegen legte der Kläger am 5. Mai 2006 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, Grundlage des Ausgangsbescheides vom 13. November 2001 seien zwei sich im Ergebnis als unrichtig bzw. unglaubwürdig erweisende Gutachten. Das Urteil des Senats vom 14. Dezember 2005 schließe den Eintritt der Erwerbsminderung bzw. eine Berufsunfähigkeit schon zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht grundsätzlich aus. Im Übrigen verweise er auf eine fehlerhafte Beratung. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006 mit derselben Begründung zurück wie im Bescheid vom 10. April 2006.

Dagegen hat der Kläger am 18. Juli 2006 erneut Klage beim SG erhoben (S 6 R 111/06) und sich insbesondere auf das Gutachten des Dr. G. berufen. Durch dieses sei mit größter Nachhaltigkeit die Annahme einer schon im Jahre 2003 eingetretenen Erwerbsminderung gerechtfertigt. Das SG hat die auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Zeitraum von Oktober 2003 bis Oktober 2007 bezogene Klage mit Urteil vom 30. Januar 2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger begehre mit seiner erneuten Klage eine Änderung der Beweiswürdigung (des erkennenden Senats), ohne neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorzubringen. Gemäß § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sehe das Gericht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des Senats im Urteil vom 14. Dezember 2005 in jeder Hinsicht folge. Ein zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2008 gestelltes Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer hat die Kammer noch vor dem Sachbericht zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde (L 1 B 7/08 R) hat der Kläger am 10. April 2008 für erledigt erklärt.

Gegen das am 23. Februar 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. März 2008 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Mit Schreiben vom 29. Juli 2008 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG in Betracht komme. Der Kläger habe gegenüber dem Verfahren L 1 RA 117/03 keine neuen Beweismittel vorgelegt. Solche seien auch nicht erkennbar. Es lägen auch keine Gesichtspunkte vor, aus denen sich ein Grund für eine andere Bewertung als im Urteil des Senats vom 14. Dezember 2005 ergeben könnte. Hierzu hat der Kläger mitgeteilt, es sei eine neue Beweiswürdigung erforderlich. Entgegen der Entscheidungsfindung des vorangegangenen Berufungsverfahrens sei eine Entscheidung bei eigenständiger Beweiswürdigung jedes einzelnen Senatsmitglieds wünschenswert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 30. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2002 sowie Abänderung des Altersrentenbescheides vom 18. Juni 2004

ab Juli 2001 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, ersatzweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,

ab Juni 2004 eine volle Erwerbsminderungsrente und

die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne verminderten Zugangsfaktor

zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 30. Januar 2008 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er kann daher nicht die Rücknahme des Bescheides der Beklagten vom 13. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2002 gemäß § 44 SGB X beanspruchen. Die Beklagte hat bei Erlass dieses Bescheides das Recht richtig angewandt und ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Deshalb ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 10. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2006 nicht zu beanstanden. Der Senat hält nach erneuter Überprüfung an der Beweiswürdigung im Urteil vom 14. Dezember 2005 fest und verweist gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG vom 30. Januar 2008, dass sich seinerseits auf die hier ausführlich wiedergegebene Begründung des Senats im Urteil vom 14. Dezember 2005 bezogen hat. Wie bereits in der gerichtlichen Anhörungsmitteilung vom 29. Juli 2008 ausgeführt, hat der Kläger gegenüber dem Verfahren L 1 RA 117/03 keine neuen Beweismittel vorgelegt. Solche sind auch nicht erkennbar. Es liegen auch keine Gesichtspunkte vor, aus denen sich ein Grund für eine andere Bewertung als im Urteil des Senats vom 14. Dezember 2005 ergeben könnte.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Frage der Höhe des Zugangsfaktors der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sein kann, da die Beklagte hierüber nicht in den Bescheiden vom 13. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2002 sowie vom 10. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2006 entschieden hat und der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim SG am 30. Januar 2008 auch keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. Es fehlt daher an einer durch die Berufungsinstanz überprüfbaren Entscheidung des SG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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