L 22 R 444/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 R 2656/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 444/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Tragung des hälftigen Pflegeversicherungsbeitrags über den 31. März 2004 hinaus verlangen kann.

Die 1943 geborene Klägerin bezog seit dem 01. Februar 2003 (Bescheid vom 16. Dezember 2002) Altersrente für schwerbehinderte Menschen und bezieht mittlerweile eine Regelaltersrente. Sie ist in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert und Mitglied der T K Pflegeversicherung. Von ihrer Rente wurde die Hälfte der an die Pflegeversicherung zu zahlenden Beiträge einbehalten. Die anderen Beitragshälften trug die Beklagte und führte die Gesamtbeiträge ab.

Mit Bescheid vom 08. März 2004 teilte die Beklagte der Klägerin u. a. mit, dass ab dem 01. April 2004 aus der Rente die Beiträge zur Pflegeversicherung nach dem Beitragssatz von 1,7 Prozent nicht mehr nur zur Hälfte, sondern in voller Höhe von den Rentnerinnen und Rentnern allein zu tragen und aus der Rente einzubehalten seien. Sie setzte für die Zeit ab 01. April 2004 unter Berücksichtigung der Bruttorente von 607,78 Euro den von der Klägerin zu tragenden Pflegeversicherungsbeitrag auf 10,33 Euro fest. Der monatliche Zahlbetrag der Rente betrug 555,82 Euro.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Kürzung ihrer Rente durch Reduzierung der Zuschüsse zur Pflegeversicherung wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2009 zurück. In der Rechtsbehelfsbelehrung ("Ihr Recht") heißt es:

"Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe bei dem für Sie zuständigen Sozialgericht schriftlich Klage erheben "

Am 17. Mai 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und sich weiter gegen ihre Belastung mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, dies sei verfassungswidrig. Die Mehrbelastung verletze Art. 14 Grundgesetz (GG); daher sei das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 3 GG verletzt und das Gesetz nichtig. Die Rente sei eine Lohnersatzleistung, mit der sie nicht schlechter gestellt werden dürfe als die Bezieher von Arbeitseinkommen. Die Vorgehensweise widerspreche dem Vertrauensgrundsatz und habe eine verfassungswidrige rückwirkende Gesetzesänderung zur Folge. Die Klage sei im Übrigen auszusetzen, bis die Bundesrepublik Deutschland wieder ein Rechtsstaat und mit ordentlichen "Staatsgerichten" besetzt sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt, was übersetzt bedeute, dass die Bundesrepublik Deutschland kein wirksamer Rechtsstaat sei. Es handele sich mithin bei den Sozialgerichten in der Bundesrepublik Deutschland um "Privatgerichte", bei denen sie ihre Ansprüche anmelde, um deren Verjährung zu verhindern. Weiterhin hätte sie gerne eine eidesstattliche Versicherung darüber, dass das Gericht ein "Staatsgericht" sei und mit "gesetzlichen Richtern" besetzt sei.

Die Beklagte hat auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides verwiesen und keine Gründe gesehen, die zu einer Änderung ihrer Rechtsauffassung führen könnten.

Durch Gerichtsbescheid vom 30. März 2011 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist ausgeführt, dass die Klage zulässig sei, insbesondere wegen der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2009 nach § 66 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht erhoben worden sei. Die Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten, § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB Elftes Buch Sozialgesetbuch (XI), verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG), wie das Bundesssozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 29. November 2006 (B 12 RJ 4/05 R) und das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 07. Oktober 2008 (1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07) festgestellt hätten. Soweit die Klägerin bei der Änderung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI den Verstoß gegen das Zitiergebot des Grundgesetzes sehe, sei dies nicht der Fall. Satz 2 des Art. 19 Abs. 1 Grundgesetz knüpfe an die in Satz 1 umschriebene Voraussetzung an, dass "ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann". Für diesen Fall werde bestimmt, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. In der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung sei aus dieser Regelung in ihrem Zusammenhang hergeleitet worden, das Zitiergebot diene zur Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über dem Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten. In dem das Gebot den Gesetzgeber zwinge, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, wolle es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgten; auch solle sich der Gesetzgeber über die Auswirkung seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben (unter Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04. Mai 1983, 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80, BVerfGE 64, 72 bis 86). Von derartigen Grundrechtseinschränkungen würden in der Rechtsprechung andersartige grundrechtsrelevante Regelungen unterschieden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenzeihungen vornehme. Hier erscheine die Warn- und Besinnungsfunktion des Zitiergebots von geringerem Gewicht, weil dem Gesetzgeber in der Regel ohnehin bewusst sei, dass er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewege. Durch eine Erstreckung des Gebots auf solche Regelungen würde es zu einer die Gesetzgebung unnötig behindernden leeren Förmlichkeit kommen. Nach den genannten Grundsätzen gelte das Zitiergebot damit weder für die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG noch für eine die allenfalls zu erwägende Inhalts- und Schrankenbestimmung in Bezug auf Art. 14 GG. Für Art. 3 Abs. 1 GG gelte das Zitiergebot ohnehin nicht, weil es sich hierbei um kein Grundrecht handele, das durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden könne.

Gegen die am 02. April 2011 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 24. April 2011 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung ist über das im Widerspruchs- und Klageverfahren bereits Vorgetragene hinaus die Auffassung vertreten worden, dass das Urteil schon deshalb zu beanstanden sei, weil auf der zugestellten Ausfertigung keine eigenhändige Unterschrift des Richters vorhanden sei. Des Weiteren sei die Ausfertigung des Gerichtsbescheides offenbar von einer Justizbeschäftigten und nicht von einem Beamten oder einer Beamtin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erfolgt. Eine Verkündung des Urteils sei auch nicht vermerkt und damit nicht dokumentiert. Damit sei die erste Instanz nicht ordnungsgemäß abgeschlossen. Dem Landessozialgericht werde im Übrigen aufgegeben darzulegen, auf welcher Rechtsgrundlage es seine Tätigkeit ausübe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2009 insoweit aufzuheben, als ab 1.4.2004 der Einbehalt des vollen Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung aus der Rente geregelt worden ist

und des Weiteren, über die Anträge aus dem Schriftsatz vom 27.10.2011 zu entscheiden, die wie folgt lauten: 1. Das Gericht wird gebeten, schriftlich mitzuteilen, im Namen welchen Volkes es Recht spricht: a. Bundesrepublik Deutschland, b. Deutschland, c. vereintes Deutschland (bestehend aus Bundesrepublik Deutschland, DDR und Berlin, oder andere, 2. Das Gericht wird gebeten, den schriftlichen Nachweis zu erbringen, dass es ein Staatsgericht ist und mit gesetzlichen Richtern besetzt ist. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, so wird hilfsweise beantragt, die Klage auszusetzen bis Deutschland wieder ein Rechtsstaat ist und mit ordentlichen Staatsgerichten und gesetzlichen Richtern besetzt ist, Feststellung des § 245 ZPO (Art. 25 GG) Stillstand der Rechtspflege durch Verlust des Art. 100, 101 GG im Rahmen des Völkerrechts. Die Konsequenzen auf die laufende Rechtsprechung sind, dass die Gesetze wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit ungültig und nichtig sind (BVerwGE 17, 192=DVBl 1964, 147). Für den Stillstand der Rechtspflege ist kein Krieg erforderlich, es reicht das Fehlen der ordentlichen Staatsgerichte. Im Übrigen befindet sich Deutschland immer noch im Kriegszustand mit 42 Staaten. 3. Der Deutschen Rentenversicherung wird aufgegeben, weiterhin den halben Pflegesatz ab 01.04.2004 an die Klägerin monatlich zu übernehmen. 4. Der zur Zeit von der Klägerin bezahlte halbe Beitrag wird ab Klagebeginn mit 5 % über dem Basiszinssatz verzinst und dies auch weiterhin zu zahlen, wenn der Klage nicht abgeholfen wird. 5. Die Kosten dieses Rechtsstreits zu übernehmen. 6. Es wird gebeten, dass alle Anträge, die abgelehnt werden, unter Angabe der Gesetzesparagraphen einzeln zu begründen zur Vermeidung einer Gehörsrüge. Sofern das Gericht sich nicht als Staatsgericht mit gesetzlichen Richtern ausgibt, wird von der Klägerin das Gericht wegen Befangenheit abgelehnt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form – und fristgerecht eingelegt worden und gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthaft, mithin zulässig.

Über die Berufung hat in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG das aufgrund des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 mit Wirkung ab 01. Juli 2005 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden (GVBl Berlin 2004, 380, GVBl Brandenburg 2004, 281) und der nach der gültigen Geschäftsverteilung zuständige 22. Senat zu erkennen.

Der Rechtsstreit war auch nicht gemäß § 245 Zivilprozessordnung (ZPO) durch einen Stillstand der Rechtspflege in Deutschland unterbrochen, wie die Klägerin vorbringt. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 08. Juni 2006 – 75529/01 (Sürmeli/Deutschland) bezieht, ist dem nichts Derartiges zu entnehmen. Die Klägerin verkennt den Inhalt dieser Entscheidung des EGMR, wenn sie meint, der erkennende Senat dürfe hier deswegen nicht entscheiden, weil nach dem genannten Urteil die Bundesrepublik Deutschland so anzusehen sei, als ob es sich bei ihr nicht um einen Rechtsstaat handele. Denn in diesem Urteil hat der EGMR lediglich entschieden, dass die in der bundesdeutschen Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe einem Beschwerdeführer kein wirksames Mittel gäben, sich wegen der Dauer eines anhängigen zivilgerichtlichen Verfahrens zu beschweren, und deswegen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht genügten. Dass deshalb das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland als Ganzes nicht mehr die Gewähr der Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze gebe, ist dem genannten Urteil des EGMR nicht zu entnehmen. Da es sich insoweit allein um eine nicht nachvollziehbare rechtliche Bewertung der Klägerin handelt, kann das genannte Urteil auch nicht dazu herangezogen werden, das von der Klägerin behauptete Vorliegen eines Stillstands der Rechtspflege im Sinne von § 245 Zivilprozessordnung (ZPO) zu begründen, zumal diese Vorschrift lediglich den Fall der tatsächlichen Lahmlegung der Gerichtsorganisation im Sinne eines geordneten Justizbetriebes durch Krieg, Unruhen, Epidemien, Überschwemmungen, atomare Katastrophen, Lawinenunglücke, terroristische Anschläge, Justizbeamtenstreiks und dergleichen regelt (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Auflage 2005, § 245 Rdnr. 1). Die Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgerin des Deutschen Reiches befindet sich auch – anders als die Klägerin meint – spätestens mit dem Inkrafttreten des Zwei-Plus-Vier-Vertrages vom 12.09.1990 (BGBl II, S. 1318) am 15.03.1991 (BGBl II, S. 58) nicht mehr in einem als Folge des zweiten Weltkriegs resultierenden Kriegszustand. Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag hat einen Friedensvertrag ersetzt (so im Zusammenhang mit Entschädigungsverfahren, u. a.: OLG Stuttgart 12. Zivilsenat, Urteil vom 20.06.2000, 12 U 37/00, veröffentlicht in juris; bestätigt durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2003, III ZR 245/98, ebenfalls veröffentlicht in juris).

Aussetzungsgründe nach den §§ 246, 247 ZPO, die gemäß § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gelten, sind von der Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage war zulässig. Insbesondere hat die Klägerin die Klagefrist eingehalten, die hier gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ein Jahr betragen hat wegen der in der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2009 unzutreffend angegebenen Klagefrist von einem Jahr statt einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) und des Fehlens des Namens und der Adresse des für die Klage zuständigen Sozialgerichts. Diese Klagefrist war am 17. Mai 2010, zum Zeitpunkt der Klageerhebung, noch nicht abgelaufen.

Das Verfahren erster Instanz ist entgegen der Ansicht der Klägerin abgeschlossen. Denn der ihr am 02. April 2011 zugestellte Gerichtsbescheid ist nicht deshalb unwirksam, weil ihm die nach Meinung der Klägerin notwendige eigenhändige Unterschrift des Kammervorsitzenden fehlt. Nach § 134 Abs. 1 SGG ist das Urteil - entsprechend auch ein Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) - vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Dies ist hier geschehen. Der Kammervorsitzende Dr. B hat ausweislich des in den Gerichtsakten befindlichen Original-Gerichtsbescheides die vollständige Entscheidung (§ 136 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 SGG) unterschrieben, was der Klägerin auch bereits mitgeteilt worden ist (Schreiben des SG vom 07. April 2011).

Der Klägerin ist auch gemäß §§ 135, 137 SGG eine Ausfertigung des Urteils zugestellt worden. Ausweislich der von ihr übersandten Kopie des Ausfertigungsvermerks hat sie eine Ausfertigung des Gerichtsbescheides mit der maschinengeschriebenen Unterschrift des Vorsitzenden Dr. B ausgefertigt von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle B erhalten. Weitere Anforderungen an die Ausfertigung sind nicht zu stellen. Die Justizangestellte B, die die Ausfertigung des Gerichtsbescheides als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin unterschrieben hat, hat nicht wie die Klägerin meint, eine "Täuschung im Rechtsverkehr" begangen, indem sie den Ausfertigungsvermerk als "Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle" und das gesonderte Begleitschreiben, mit dem die Entscheidung zugestellt worden ist, als "Justizangestellte" unterschrieben hat. Dies beruht darauf, dass die Justizangestellte bei der Ausfertigung des Gerichtsbescheides in ihrer Funktion als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle tätig geworden ist, was von ihrem Beschäftigungsstatus als Justizangestellte – als solche unterschreibt die Justizangestelle im sonstigen Geschäftsverkehr des Gerichts wie hier in dem Begleitschreiben – zu unterscheiden ist.

Soweit die Klägerin rügt, dass die Entscheidung des SG, durch Gerichtsbescheid zu erkennen, rechtswidrig gewesen sei und sie hiermit nicht einverstanden gewesen sei, handelt es sich nicht um einen Verfahrensfehler des SG. Denn die Entscheidung des SG, durch Gerichtsbescheid zu erkennen ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zugrunde liegen (BSG, Urteil vom 16. März 2006, B 4 RA 59/04 R, veröffentlicht in juris). Dies ist hier nicht der Fall. Das SG hat ohne Ermessensfehler zu Recht die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides als gegeben erachtet. Sowohl – war und – ist der Sachverhalt übersichtlich als auch die Rechtslage geklärt, so dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG vorlagen. Die Beteiligten sind auch ordnungsgemäß nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGG angehört worden.

Auch in der Sache selbst hat das SG zutreffend entschieden. Der angefochtenen Bescheid vom 08. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2009 ist rechtmäßig.

Die für die Zeit ab 01. April 2004 getroffene Regelung über die Tragung des vollen Pflegeversicherungsbeitrages beruht auf § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der Fassung des Art. 6 Nr. 1 des Zweiten SGB VI-Änderungsgesetzes vom 27. Dezember 2003 (mit Wirkung vom 01. April 2004, BGBl 1 3013). Danach haben die Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01. April 2004 die mit der Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung verbundene Beitragslast allein zu tragen. Für die Klägerin werden die Beiträge aus der Rente nach dem vollen Beitragssatz des § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in Höhe von 1,7 v. H. bemessen. Gegen die rechnerische Ermittlung der Höhe des Beitrages aus der von der Beklagten zugrunde gelegten Rente in Anwendung dieser Vorschriften hat die Klägerin keine Einwände erhoben; dafür, dass dies der Fall sein könnte, ist nichts ersichtlich. Die Klägerin beanstandet lediglich die Anwendung der Regelung über die alleinige Beitragstragung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Die Vorschrift führt faktisch zu einer Verdopplung der versicherungspflichtigen Renten aus der Rente zu tragenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung. Denn nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung i. V. m. § 249 a SGB V trugen versicherungspflichtige Rentner und die Träger der Rentenversicherung die aus der Rente zu bemessenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte.

Die Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der ab 01. April 2011 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig.

Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Urteilen (vom 29. November 2006, B 12 RJ 4/05 R, vom 21. Januar 2009, B 12 R 11/06 R, beide veröffentlicht in juris) festgestellt. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung hat das BSG in seinem Urteil vom 21. Januar 2009 (a.a.O., Rz. 15, zitiert nach juris), das zur Aussetzung der Rentenanpassung im Jahre 2004 ergangen ist, ausgeführt:

" In seiner Entscheidung vom 29.11.2006 (B 12 RJ 4/05 R, BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr. 1) hat der Senat ausgeführt, dass er die ab 01. April 2004 geltende Regelung nicht für verfassungswidrig hält. Er hat dabei offen gelassen, ob bei Personen, deren Erwerbsphase erst nach Einführung der Pflegeversicherung endete und die deshalb mit ihrem während der Erwerbsphase entrichteten Rentenversicherungsbeiträge an die Finanzierung der Pflegeversicherungslasten noch beteiligt waren, die Änderung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI überhaupt in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eingreift. Auch für diesen wurde jedoch eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung angenommen und eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG auch unter Vertrauensschutzerwägungen – wie der Kläger sie geltend macht – verneint. Von einer – hier vom Kläger ebenfalls geltend gemachten – Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG war der Senat auch nicht überzeugt. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Oktober 2008, 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07). Es hat u. a. ausgeführt, die hälftige Beitragstragung durch den Rentenversicherungsträger unterfalle nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Soweit es sich um nur kurze Zeiträume handele, in denen der Rentner während seiner Erwerbstätigkeit durch die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen auch zur Finanzierung der Pflegeversicherung für Rentner beigetragen habe, fehle es für die Anerkennung einer dem Eigentumsschutz unterfallenden Leistung an einer erheblichen Eigenleistung. Zudem setze die Einbeziehung sozialversicherungsrechtlicher Positionen in den Eigentumsschutz voraus, dass diese für den Berechtigten von solcher Bedeutung seien, dass ihr Fortfall oder ihre Einschränkung die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühre. Bei den zusätzlich zu tragenden Beiträgen handele es sich um Beträge, welche für die existenzielle Sicherung des Einzelnen nicht von Bedeutung seien und nicht zur wesentlichen Einschränkung in der privaten Lebensführung zwängen. Die Abschaffung der hälftigen Beitragstragung durch den Rentenversicherungsträger sei von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt gewesen, einem Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Rentenversicherung entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber habe in Ansehung des erzielten dauerhaften Euroeinspareffektes unter Ausschöpfung des ihm bei der Gestaltung des Sozialrechts zukommenden Spielraums die angegriffene Maßnahme als geeignet und erforderlich ansehen dürfen. Auch Art. 2 GG sei deshalb nicht verletzt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Anwendung der Vorschriften über die Beitragstragung auf den Kläger zu einem anderen Ergebnis führt. Der Kläger bezieht seit dem Jahr 1993 eine Altersrente und hat damit zu keinem Zeitpunkt über seine Beiträge zur Rentenversicherung einen Pflegeversicherungsschutz von Rentnern mitfinanziert ..."

Dem schließt sich der Senat an und stellt fest, dass dies auch für die Klägerin im vorliegenden Fall gilt. Auch wenn die Klägerin noch bis zum 31. Januar 2003 Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung seit deren Einführung mit Wirkung zum 01. Januar 1995 gezahlt haben sollte, ist ihr Fall mit dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen im Nichtannahmebeschluss vom 07. Oktober 2008 (1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07, veröffentlicht in juris) vergleichbar. Dort hatten die jeweiligen Beschwerdeführer seit dem 01. Januar 2001 bzw. seit dem 01. Mai 1999 Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen, hatten also in einem Zeitraum von 6 Jahren bzw. 4 Jahren und 5 Monaten (im Vergleich hierzu die Klägerin: 9 Jahre und 2 Monate) Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung gezahlt. Das Bundesverfassungsgericht hat im eine Fall bei einer Bruttorente von 1.606,51 Euro die zusätzliche Beitragsleistung in Höhe von 13,65 Euro (0,84 v. H. der Bruttorente), im anderen Fall bei einer Bruttorente von 935,71 Euro eine zusätzliche Beitragsleistung von rund 8 Euro (0,85 v.H. der Bruttorente) für Beträge gehalten, "welche für die existenzielle Sicherung des Einzelnen nicht von Bedeutung sind und nicht zu wesentlichen Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung zwingen" (Bundesverfassungsgericht, a.a.O., Rz. 19, zitiert nach juris). Dies liegt durchaus auch in dem Bereich der Klägerin, die bei einer monatlichen Bruttorente von 607,78 Euro nunmehr zusätzlich 5,17 Euro (10,33 Euro: 2), also 0,85 v.H. der Bruttorente, als Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung tragen muss.

Soweit die Klägerin Aufklärung über die Formulierung der Urteilsüberschrift "Im Namen des Volkes" und deren Geltungsgrund begehrt, wird auf Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verwiesen. Die Formel entspricht dem in diesem Artikel enthaltenen Verfassungsgrundsatz, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Das "Volk" im Sinne des Art 20 Abs. 2 GG umfasst alle deutschen Staatsangehörigen und die ihnen nach Art 116 Abs.1 GG gleichgestellten Personen; die Zugehörigkeit zum Staatsvolk der Bundesrepublik wird also grundsätzlich durch die Staatsangehörigkeit vermittelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 31.10.1990, 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89, veröffentlicht in juris, dort Rz. 54).

Das Urteil muss gemäß § 311 Abs. 1 ZPO die Überschrift "Im Namen des Volkes" enthalten, um dadurch auf den Träger der Gerichtshoheit zu verweisen (Musielak, ZPO 8. Auflage 2011, § 311 Rz. 1).

Soweit die Klägerin beantragt hat, "das Gericht wegen Befangenheit abzulehnen, sofern das Gericht sich nicht als Staatsgericht mit gesetzlichen Richtern ausgibt", ist ein damit geäußertes Gesuch der Ablehnung des Senates wegen Besorgnis der Befangenheit schon deshalb abzulehnen, weil es unzulässig mit einer Bedingung verknüpft ist. Prozessuale Erklärungen sind aus Gründen der Rechtssicherheit bedingungsfeindlich. Dessen ungeachtet wies das Landessozialgericht mit der in dessen Räumen durchgeführten mündlichen Verhandlung die erkennenden Richter sichtbar aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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