L 3 U 588/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 331/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 588/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Der 1984 geborene Kläger war seit September 2005 als Auszubildender zum Einzel-handelskaufmann in der vom Zeugen W gepachteten T-Tankstelle A B tätig. Seine Aufgabe bestand im nächtlichen Verkauf im Tankstellengeschäft und im Sauberhalten des gesamten Tankstellengeländes.

Am 19. August 2007 rief der Kläger während seiner von 0.00 bis 8.00 Uhr laufenden Schicht auf der Tankstelle die Polizei und erstattete Strafanzeige wegen Körperverlet-zung gegen unbekannt. Laut Polizeibericht vom 19. August 2007 bestanden beim Kläger eine Beule und Hautabschürfungen. Der Kläger gab zu Protokoll, dass er zur Tatzeit von einem unbekannten Täter von hinten angegriffen worden sei und hierbei einen Schlag gegen den Kopf bekommen habe. Zur Tatzeit – gegen 2.45 Uhr - habe er den rückwärtigen Bereich des Tankstellengeländes gefegt. Nachdem er den Schlag gegen den Kopf bekommen gehabt habe, sei er in den vorderen Bereich der Tankstel-le gerannt. Danach habe er noch erkennen können, wie eine Person, die er nicht be-schreiben könne, durch einen niedergetretenen Zaun auf das Nachbargrundstück ge-rannt sei und sich dann vom Tatort in unbekannte Richtung entfernt habe. Der Tatort sei nicht videoüberwacht.

Am 19. August 2007 stellte sich der Kläger nach Schichtende gegen 8.20 Uhr dem Durchgangsarzt vor und gab an, bei einem Überfall auf der Tankstelle gegen 3.00 Uhr mit einem unbekanntem Gegenstand einen Schlag auf den Kopf erhalten und deswe-gen Anzeige erstattet zu haben. Der Durchgangsarzt befundete dezenten Kopf-schmerz frontal links, etwas Schwindel, frontal rechts ein zwei Mal zwei Zentimeter großes Hämatom, diagnostizierte Schädelprellung und Hämatom und entließ den Klä-ger arbeitsfähig. Der Kläger begab sich am 20. August 2007 in ärztliche Behandlung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. Laut ihrem Bericht vom 25. September 2007 gab der Kläger an, bei einem Überfall auf der Tankstelle mit einem unbekannten Gegenstand einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen zu haben. Sie stellte die Di-agnose Contusio cerebri, reaktive Depression und Angststörung. Der Kläger wurde ab dem 20. August 2007 arbeitsunfähig geschrieben und begab sich in der Folgezeit in psychotherapeutische Behandlung beim Dipl.-Psych. W, welcher beim Kläger infolge des Ereignisses am 19. August 2007 Ängste, sich aufdrängende Erinnerungen und Belastbarkeitsstörungen befundete sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostizierte, vgl. psychischen Befundbericht vom 03. September 2007.

Auf Veranlassung der Beklagten fertigte der Zeuge W unter dem 31. August 2007 eine Unfallanzeige, wonach er am Morgen des 19. August 2007 etwa um 4.30 Uhr einen Anruf bekommen habe, dass der Kläger nicht mehr ins Gebäude der Tankstelle kom-me. Als der Zeuge W deshalb zur Tankstelle gefahren sei, sei der Kläger bereits wie-der - zusammen mit einer weiteren damals nicht diensthabenden Mitarbeiterin (der Zeugin F) - im Tankstellengebäude gewesen. Von einem Raubüberfall sei dem Zeu-gen W nichts bekannt. Seit dem 20. August 2007 sei der Kläger arbeitsunfähig. Die Beklagte befragte den Kläger schriftlich, welcher hieraufhin unter dem 17. September 2007 angab, dass er gegen 3.00 Uhr beim Fegen der unbeleuchteten Müllecke Schrit-te auf ihn zukommen gehört, sich dann umgedreht und einen Schlag auf den Kopf bekommen habe. Zum Eigenschutz sei er zurück ins Gebäude gegangen. Er habe dann seine Stationsleiterin angerufen und sie über den Vorfall informiert. Anschlie-ßend habe er die Polizei angerufen, die etwa 20 Minuten später eingetroffen sei. Er und die Stationsleiterin hätten dann den Chef angerufen, ihm vom Überfall erzählt und gefragt, ob er einen Zweitschlüssel habe, weil sie sich mittlerweile ausgesperrten hät-ten. Der Chef habe keinen gefunden und sich auf den Weg zur Tankstelle gemacht. Mittlerweile habe er durch ein Fenster auf der Rückseite ins Tankstellengebäude ge-langen können. Als der Chef eingetroffen sei, hätten sie ihm das Geschehen geschil-dert, bevor er zwischen 4.00 und 5.00 Uhr die Tankstelle wieder verlassen habe.

Die Beklagte befragte die Zeugin F schriftlich, welche unter dem 26. September 2007 angab, am 19. August 2007 gegen 3.00 Uhr beim Kläger "auf der linken Stirnseite, aus meiner Sicht, eine große Beule" gesehen zu haben. Die Beklagte führte am 14. November 2007 mit dem Zeugen W auf der Tankstelle ein persönliches Gespräch durch, dessen Ergebnis sie unter anderem dahingehend festhielt, dass nach Angaben des Zeugen W die Arbeitsanweisung bestehe, dass die in der Nachtschicht eingesetz-ten Mitarbeiter den Tankstellenshop nicht verlassen dürften. Eine Anweisung, dass die in der Nachtschicht eingesetzten Mitarbeiter in der Nacht das Tankstellengelände zu säubern haben, existiere nicht. Vielmehr sei es so vorgesehen, dass dies bei Schicht-wechsel morgens um 7.30 Uhr zu geschehen habe. Der Mitarbeiter der Tagschicht übernehme dann und der Mitarbeiter der Nachtschicht habe dann u.a. die Waschhalle und die Müllecke zu reinigen. Diese Zeit sei extra dafür vorgesehen, da dann zwei Mitarbeiter an der Tankstelle seien. Nachts mache eine solche Reinigungstätigkeit keinen Sinn, da dann nicht gewährleistet wäre, dass Kunden im Shop bedient würden. Von dem Ereignis vom 19. August 2007 habe der Zeuge W durch einen Anruf der Zeugin F erfahren. Sie habe ihn gebeten, zur Tankstelle zu kommen, da sie und der Kläger sich an der Tankstelle ausgesperrt hätten. Von einem Überfall bzw. einem kör-perlichen Übergriff sei in diesem Telefonat gegenüber dem Zeugen W nichts erwähnt worden. Als der Zeuge W kurze Zeit später an der Tankstelle eingetroffen sei, habe er den Kläger und die Zeugin F im Shop der Tankstelle beim Kaffeetrinken und Bröt-chenessen vorgefunden. Der Kläger habe erklärt, dass er durch ein Fenster an der Rückseite des Tankstellengebäudes wieder hineingelangt sei und somit die Tankstelle auch wieder habe öffnen können. Er habe erzählt, dass er beim Fegen auf dem hinte-ren Tankstellengelände plötzlich gemerkt habe, wie sich ihm jemand genähert habe. Als er sich umgedreht habe, habe er einen Schlag auf den Kopf bekommen. Er habe jedoch angegeben, dass die Person oder Personen danach Richtung Waschhalle ge-flüchtet seien. Der Zeuge W habe zu diesem Zeitpunkt nur eine leichte Druckstelle an der vorderen Stirn erkennen können. Da der Zeuge W bereits zu diesem Zeitpunkt erhebliche Zweifel an der Schilderung gehabt habe, habe er sich kurze Zeit später die Kameraauswertung der Nacht an der Tankstelle angesehen. Die Tankstelle verfüge auf dem Gelände insgesamt über 13 Kameras, die durchgehend eingeschaltet seien. Die Aufnahmen würden für drei bis fünf Tage auf einer Festplatte gespeichert und, wenn keine besonderen Vorkommnisse seien, automatisch gelöscht. Mit den Kameras sei nahezu das gesamte Tankstellengelände zu überwachen. Lediglich ein kleiner Be-reich im hinteren Teil des Geländes, wo sich das Fenster, in das der Kläger wieder eingestiegen sein wolle, und die Müllecke befänden, werde von den Kameras nicht bzw. nur teilweise erfasst. Auf den gesamten Aufnahmen der Nacht des 19. August 2007 seien jedoch laut glaubhafter Aussage des Zeugen W keinerlei Vorkommnisse, wie vom Kläger geschildert, erkennbar. Auch wenn das Ereignis im Bereich der Müll-ecke geschehen sein solle, die nicht von der Kamera überwacht werde, hätte man erkennen müssen, dass der oder die Täter über das Tankstellengelände geflüchtet seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Bedauerlicherweise habe der Zeuge W die Auf-nahmen nicht gesichert. Er sei davon ausgegangen, da nichts von einem Überfall, körperlichen Übergriff oder irgendwelchen Tätern auf den Aufnahmen zu sehen gewe-sen sei, dies auch nicht tun zu müssen. Erklärend habe der Zeuge W angegeben, dass die Zeugin F die Lebensgefährtin des Klägers sei. Sie sei zum 01. September 2007 fristlos entlassen worden, da ihr Diebstähle und über einen längeren Zeitraum private Telefonate von der Tankstelle mit dem Kläger für monatlich 90,00 EUR hätten nachgewiesen werden können. Hier sehe der Zeuge W auch den eigentlichen Grund für das jetzige Verhalten des Klägers. Weiterhin habe der Zeuge W erklärt, dass die Zeugin F und der Kläger zum Zeitpunkt des o.g. Ereignisses eigentlich gemeinsam in Urlaub hätten fahren wollen. Aus betrieblichen Gründen habe er jedoch dem Kläger den Urlaub nicht genehmigen können, da es ansonsten einen Personalengpass ge-geben hätte. Er glaube, dass sich die beiden die Geschichte nur ausgedacht hätten, um durch die Krankschreibung dann doch gemeinsam verreisen zu können. Diese Information bitte er jedoch vertraulich zu behandeln, da sie nur spekulativ sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. November 2007 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Ein solcher sei nicht mit Gewissheit bewiesen. Eine Weisung, nachts das Tankstellengelände zu säubern, bestehe nicht. Das vom Kläger geschil-derte Unfallgeschehen werde durch die vom Zeugen W ausgewertete Kameraerfas-sung nicht bestätigt. Der Kläger erhob am 12. Dezember 2007 Widerspruch. Er führte zur Begründung aus, dass der Arbeitgeber des Klägers lediglich Vermutungen geäu-ßert habe. Dessen Wut auf den Kläger rühre wohl von der Arbeitsrechtsstreitigkeit mit der Freundin des Klägers, der Zeugin F her. Sehr wohl habe die Anweisung bestan-den, die Müllrunde vorzunehmen, was von den übrigen Mitarbeitern bestätigt werden könne. Die Beklagte wies nach Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakten den Wi-derspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2008 zurück.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 25. März 2008 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat behauptet, am 19. August 2007 gegen 3.00 Uhr, als er wie üblich auf dem Gelände seines Ausbildungsbetriebs die Müllecke ge-fegt und sich umgedreht habe, einen Schlag auf den Kopf erhalten und sich hierbei eine Beule auf der Stirn zugezogen zu haben. Nach Vernehmung des Zeugen W und persönlicher Anhörung des Klägers, welcher eine Skizze zum Unfallort und ein von ihm geführtes Berichtsheft vorgelegt hat, hat das SG die Klage mit Urteil vom 18. Au-gust 2008 abgewiesen. Es fehle am Vollbeweis des vom Kläger geschilderten Unfall-hergangs, zumal sich nicht erschließe, weshalb bei den Angaben des Klägers eine Aufzeichnung des Täters durch eine der Überwachungskameras nicht erfolgt sei, oh-ne dass Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen W oder Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Zeuge W Täteraufnahmen wider besseres Wissen gelöscht habe. Schließlich leuchte es auch nicht unbedingt ein, weshalb der Kläger gegen drei Uhr nachts sich veranlasst gesehen habe, die Müllecke zu reinigen. Plausibel seien hingegen die Angaben des Zeugen W, dass eine Reinigung erst bei Schichtwechsel am nächsten Morgen durch einen der beiden dann anwesenden Tankstellenmitarbei-ter erfolgen sollte, um den Tankstellenshop in den Nachtstunden nicht ohne perma-nente Aufsicht zu lassen, zumal auch das vom Kläger vorgelegte Berichtsheft einen entsprechenden Vorgang für den 19. August 2007 nicht dokumentiere.

Der Kläger hat gegen das ihm am 26. August 2008 zugestellte Urteil am 23. Septem-ber 2008 Berufung eingelegt, an seinem bisherigen Vorbringen festgehalten und Be-weis unter Benennung der Zeugen F und B angetreten. Der Kläger hat den Tauglich-keitsfeststellungsbescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom 17. September 2008 und ein Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Diensts der Agentur für Arbeit Berlin Süd vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Er-eignis vom 19. August 2007 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Berichterstatter hat die Zeugen W und F im Erörterungstermin am 14. März 2011 uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sit-zungsniederschrift verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Der vom Kläger be-nannte Zeuge B konnte nicht ermittelt werden. Der Senat hat ferner ärztliche Unterla-gen der Bundesagentur für Arbeit (nervenärztliches Gutachten der Ärztin der Neurolo-gie und Psychiatrie Dr. L vom 09. November 2009, psychiatrisch-neurologisches Fachgutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. H vom 21. November 2008, Bericht des Psychologischen Psychotherapeuten W vom 10. September 2007, Attest des Arz-tes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 11. August 2008) und aus dem Zivil-dienstvorgang des Klägers (Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 15. August 2008, Gutachten des beauftragten Arztes des Bundesamts für den Zivildienst Dr. D vom 31. Juli 2008) beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ver-wiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis vom 19. August 2007 ein Arbeitsunfall war.

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Ar-beitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der Formulie-rung "infolge" in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphä-re bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzuste-hen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines recht-lich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Be-dingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zu-rechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwi-schen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufs-krankheit, 8. Auflage 2010, 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hin-reichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Der innere bezie-hungsweise sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätig-keit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem unter-sucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächli-chen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Be-weis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden kön-nen. Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (etwa BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 35/03 R -, zitiert nach juris Rn. 14).

Hiervon ausgehend lag zwar eine versicherte Tätigkeit vor, als das vom Kläger be-hauptete Ereignis vorgefallen sein soll. Es lässt sich jedoch das vom Kläger behaupte-te Unfallereignis während einer konkreten, versicherten Tätigkeit nach dem Ergebnis sämtlicher Ermittlungen einschließlich der gerichtlichen Beweisaufnahme nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebotenen Maße voll zur Überzeugung des Senats beweisen.

Der hier allein in Betracht zu ziehende Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ist vorliegend wohl erfüllt, wonach kraft Gesetzes Lernende während der be-ruflichen Ausbildung in Betriebsstätten kraft Gesetzes versichert sind. Vorliegend war der Kläger zum Zeitpunkt des behaupteten Unfallereignisses im Rahmen seiner Be-rufsausbildung im Ausbildungsbetrieb des Zeugen W in der Nachtschicht eingesetzt.

Es fehlt indes jedenfalls am Vollbeweis eines Unfallereignisses sowohl in Bezug auf eine konkrete versicherte Verrichtung als auch auf das Ereignis als solches.

Zunächst schildert der Kläger zwar in allen Vernehmungen bzw. Anhörungen, sich auf einer so genannten Müllrunde befunden zu haben. Jedoch beschreibt er das behaup-tete Unfallgeschehen im Kern nicht gleich bleibend, ohne dass sich dies angesichts der Überschaubarkeit des behaupteten Kerngeschehens erklären lässt. Die Angaben widersprechen sich zunächst, soweit der Kläger gegenüber der unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall herbeigerufenen Polizei ausweislich des Polizeiprotokolls angab, von hinten angegriffen worden zu sein, während er der Beklagten unter dem 13. Sep-tember 2007 den Vorfall schriftlich dahingehend schilderte, zunächst Schritte auf sich zukommen gehört zu haben, woraufhin er sich umdrehte und dann den Schlag erhielt. Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 14. März 2011 wiederum hat der Kläger vorgetragen, Schritte durch den Rasen, genau genommen eher ein Rascheln oder ein Geräusch, welches durch das Niedertreten von Blättern verursacht sein könnte, gehört zu haben. Während er ferner ausweislich des Polizeiprotokolls angab, nach dem Schlag noch erkannt zu haben, wie eine Person, die er nicht beschreiben konnte, durch einen niedergetretenen Zaun auf das Nachbargrundstück rannte und sich dann vom Tatort in unbekannte Richtung entfernte, gab er der Beklagten gegen-über unter dem 13. September 2007 schon nicht mehr an, Personen weglaufen gese-hen zu haben. In der persönlichen Anhörung durch den Berichterstatter im Erörte-rungstermin vom 14. März 2011 hat er wiederum vorgetragen, nach dem Schlag auf den Kopf sofort zusammen gesackt zu sein, ohne jemanden zu hören oder zu sehen. Diese Angaben widersprechen zudem den früheren Angaben des Klägers insoweit, als er damals weder der Polizei noch der Beklagten gegenüber angab, zusammenge-sackt zu sein. Wiederum anders schildert der Kläger den Vorfall anlässlich der von der Agentur für Arbeit Berlin-Süd veranlassten Begutachtung durch die Ärztin für Neurolo-gie und Psychiatrie Dr. L, welcher gegenüber er ausweislich der Anamnese des ner-venärztlichen Gutachtens vom 09. November 2009 angab, in der Tankstelle in der Nachtschicht mit einer Eisenstange zusammengeschlagen worden zu sein. Das Ereignis lässt sich im Übrigen nicht durch die zu Gebote stehenden Beweismittel beweisen. Die Aussagen der Zeugen F und W reichen nicht aus.

Zunächst vermitteln die Aussagen der Zeugen Zweifel an deren Glaubwürdigkeit. Der Zeuge W erging sich gegenüber der Beklagten mit deutlicher, gegen den Kläger und die Zeugin F gerichteter Belastungstendenz in Spekulationen über die Gründe, wel-che den Kläger zur vom Zeugen W als unwahr angesehenen Behauptung eines nächtlichen Überfalls bewogen haben mögen. Gleichsam vermag der Zeuge, welcher sich in den gerichtlichen Zeugenvernehmungen deutlich zurückhaltender gab als bei seiner Einlassung gegenüber der Beklagten, seinen Ärger über den vom Kläger ge-schilderten Arbeitsanfall nicht zu verhehlen. Der Zeugin F kommt ebenfalls keine ge-steigerte Glaubwürdigkeit zu. Sie war die Lebensgefährtin des Klägers, ist mittlerweile nach ihren Angaben im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter vom 14. März 2011 seine Verlobte und steht so eindeutig im Lager des Klägers, ohne sich in ihrem Aussageverhalten von ihm erkennbar distanziert zu haben. Vielmehr befand sie sich bereits kurz nach dem behaupteten Ereignis – unstreitig - mit dem Zeugen Win einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung, welche sie anlässlich ihrer Vernehmung durch den Berichterstatter unter anderem damit erklärte, für den Kläger gegenüber dem Zeugen WPartei ergriffen zu haben.

Davon abgesehen stimmen die Aussagen der Zeugen W und F zwar betreffend die tatsächlichen baulichen Verhältnisse der Tankstelle und den wesentlichen zeitlichen Ablauf im Anschluss an das vom Kläger behauptete Geschehen im Kern noch überein und erscheinen so ansatzweise glaubhaft. Jedoch sind sie im Hinblick auf die klägeri-sche Behauptung, während einer so genannten Müllrunde einem Überfall zum Opfer gefallen zu sein, nicht hinreichend ergiebig bzw. aussagekräftig. Sie beweisen das vom Kläger behauptete Kerngeschehen zum Unfallereignis nicht. Die Zeugen W und F sind Zeugen vom Hörensagen, mit der Folge, dass deren Angaben von vornherein kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Den vom Kläger behaupteten Vorfall beobach-tete keiner der Zeugen selbst. Beide Zeugen erfuhren vom angeblichen Vorfall erst durch den Kläger. Soweit sich mithin aufgrund unmittelbarer Zeugen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder beweisen lässt, dass der Kläger im Zeitpunkt des behaupteten Vorfalls tatsächlich Reinigungsarbeiten als einer betriebsbezogenen Verrichtung nachging, noch, dass er hierbei einen Schlag auf den Kopf erhielt, liegen insofern auch keine tragfähigen Indizien vor, welche einen anderen als den vom Klä-ger behaupteten Geschehensablauf vernünftigerweise ausgeschlossen erscheinen lassen. Dies gilt zunächst für die konkrete Verrichtung. Dass der Kläger selbst von einer üblichen Vorgehensweise, nämlich die Müllrunde nachts vor dem morgendlichen Kundenandrang zu erledigen, spricht und dies von der Zeugin F bestätigt wird, ver-mag für sich genommen kein hinreichendes Indiz dafür zu bieten, dass der Kläger dies eben auch im Zeitpunkt des behaupteten Vorfalls tat, zumal der Zeuge W nach-vollziehbar angegeben hat, dass seine Mitarbeiter die Weisung hatten, erst zum Schichtwechsel hin die außerhalb des Tankstellengeschäfts anfallenden Arbeiten zu verrichten, weil dann gleichzeitig auch das Tankstellengeschäft besetzt war. Hinzu-kommt, dass sich die Zeugenaussagen hinsichtlich der beim Kläger festgestellten Ver-letzung widersprechen und sich jedenfalls so aus der Art der Verletzung kein zwin-gender Rückschluss auf ein bestimmtes Unfallgeschehen ziehen oder ausschließen lässt, dass der Kläger sich die Kopfverletzung vielleicht auch schon früher zugezogen hatte. Während der Zeuge W kurz, nachdem er nach dem behaupteten Unfall den Kläger zu Gesicht bekommen hatte, lediglich eine gerötete Stelle auf dessen Stirn ge-sehen haben will, schilderte die Zeugin F in ihrer der Beklagten unter dem 26. Sep-tember 2007 erteilten Auskunft – hier zudem etwas relativierend - "auf der linken Stirnseite, aus meiner Sicht, eine große Beule", bei der Vernehmung durch den Be-richterstatter, "dass das so ein richtiger Bucker war, rotumlaufen und nicht aufge-platzt". Im Durchgangsarztbericht vom 19. August 2007 ist demgegenüber ohne weite-re Beschreibung von einem Hämatom auf der rechten Seite die Rede.

Die späteren Psychopharmaka- und Psychotherapien bzw. Berichte der den Kläger begutachtenden oder behandelnden Ärzte bzw. Therapeuten lassen ebenso wenig zwingende Rückschlüsse auf das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen zu wie die spätere Feststellung der fehlenden Zivildienstfähigkeit infolge einer psychischen Er-krankung, sondern werfen, wie oben gezeigt, eher weitere Zweifel an der klägerischen Behauptung auf.

Die Kostenentscheidung folgt dem Ausgang des Verfahrens selbst und beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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