Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 R 596/07)
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 83/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der 1951 geborene Kläger schloss am 20. August 1969 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Wasserbautechnik erfolgreich ab. Anschließend arbeitete er bis zum 31. Dezember 1977 als Facharbeiter für Wasserbautechnik, Apparatereiniger, Baggerfahrer und Baumaschinist, unterbrochen durch den Dienst bei der Nationalen Volksarmee vom 1. Oktober 1969 bis zum 30. September 1972. Am 24. Juni 1978 erwarb er die Qualifikation als Meister nach einer Ausbildung in der Fachrichtung Tiefbau. Vom 1. Juni 1978 bis zum 30. August 1990 war er als Lehr- bzw. Lehrobermeister beschäftigt. Danach war er vom 1. September 1990 bis zum 30. September 2003 als selbständiger Fahrlehrer tätig. Diesbezüglich befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22. April 2002 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. April 2006 war er als angestellter Fahrlehrer beschäftigt. Seit dem 22. Juli 2005 war er arbeitsunfähig erkrankt.
Vom 22. August 2005 bis zum 9. September 2005 führte er im Anschluss an die Anlage eines künstlichen Darmausgangs am 26. Juli 2005 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Median-Klinik I. B. B. durch. Im Entlassungsbericht vom 29. September 2005 sind folgende Diagnosen genannt:
Mechanische Störung der Darmpassage infolge Darmverschluss.
Zustand nach Anlage eines künstlichen Darmausgangs.
Erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut.
Übergewicht.
Des Weiteren ist dort ausgeführt, die Entlassung erfolge wie bei Aufnahme als arbeitsunfähig (bis etwa Rückverlegung des Stomas im Januar 2006). Die Heilungsbewährung sei abzuwarten. Danach könne der Kläger seinen Beruf als Fahrlehrer wieder vollschichtig ausüben. Eine Rückverlegung des Stomas ist allerdings zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Ein vom 17. Oktober 2005 bis zum 1. Dezember 2005 mit täglich zwei Stunden durchgeführter Wiedereingliederungsversuch scheiterte. In einem Befundbericht vom 12. Mai 2006 für die Taunus BKK führte die behandelnde Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. H. aus, der Kläger wünsche keine Rückverlegung des künstlichen Darmausgangs. Dann könne er aber seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Denn aufgrund des Colon-Beutels sei längeres Stehen und Sitzen erschwert. Außerdem könne der Kläger keinen Sicherheitsgurt tragen. Auch Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt gelangte in seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2006 zu der Einschätzung, dass der Kläger nicht mehr vollschichtig als Fahrlehrer arbeiten könne. Es sei auch nicht damit zu rechnen, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder vollschichtig leistungsfähig werde.
Am 2. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab zur Begründung an, aufgrund eines künstlichen Darmausgangs sei ihm kein langes Stehen und Sitzen möglich. Die Beklagte veranlasste aufgrund des Rentenantrages ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie Dr. D ... Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 21. November 2006 nach Untersuchung des Klägers am 20. November 2006 zu der Einschätzung, dieser könne leichte körperliche Arbeiten ohne erhöhte Aufmerksamkeitsanforderungen zeitweise im Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Gehen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Eine Tätigkeit als Fahrschullehrer verbiete sich aufgrund der vom Kläger geschilderten Tagesmüdigkeit, die möglicherweise ursächlich auf eine obstruktive Schlafapnoe zurückzuführen sei. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 8. Januar 2007 mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche regelmäßig ausüben. Er sei zudem in der Lage, in der ihm zumutbaren Tätigkeit als Automobilverkäufer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dagegen legte der Kläger am 19. Januar 2007 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren gelangte die beratende Ärztin der Beklagten, Dr. G., in ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 2007 nach Einholung eines weiteren Befundberichtes von Dipl.-Med. H. vom 4. Juni 2007 zu der Einschätzung, aufgrund des künstlichen Darmausgangs seien arbeitsmarktunübliche Pausen notwendig. Sodann wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007 zurück. Die Ermittlungen im Widerspruchsverfahren hätten ergeben, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 22. Juli 2005 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 18. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. November 2007 an das Sozialgericht Magdeburg (SG) verwiesen hat. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, aufgrund der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im September 2005 seien eine Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und eine Stabilisierung der psychischen Gesamtsituation eingetreten und ein sechsstündiges Leistungsvermögen gegeben gewesen. Mit Bescheid vom 8. Januar 2007 habe die Beklagte selbst festgestellt, dass noch keine Erwerbsunfähigkeit vorliege. Seit ca. Januar 2007 habe sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Es sei davon auszugehen, dass in der Folge ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen mit arbeitsmarktunüblichen Pausen vorgelegen habe. Bei einem derartigen Leistungsfall seien auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Das SG hat Befundberichte von Dipl.-Med. H. vom 4. Mai 2009 und von Dipl.-Psych. G. vom 8. Mai 2009 eingeholt sowie das Gutachten nach Aktenlage der Frau W. von der Agentur für Arbeit D.-R. vom 25. April 2007 beigezogen. Dipl.-Med. H. hat ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen seit der Operation im Juli 2005 eingeschätzt. Dipl.-Psych. G. hat mitgeteilt, die psychische Symptomatik habe sich auf die Krankheitsbewältigung bezogen; eine Relevanz für die Erwerbsfähigkeit habe nicht bestanden. Frau W. hat gemeint, der Kläger könne noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Gehen, Stehen und Sitzen ohne Nachtschicht, extreme Hitzearbeiten, schweres Heben und Tragen sowie Arbeiten im Bücken und ohne erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit verrichten.
Mit Urteil vom 19. Februar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 wegen der Notwendigkeit arbeitsmarktunüblicher Pausen eingetreten sei. Ausgehend davon seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger könne auch keine Beiträge mehr nachzahlen.
Gegen das am 4. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. März 2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, eine Erwerbsminderung habe nicht bereits durch die Anlage eine künstlichen Darmausgangs bestanden. Insbesondere nach der Rehabilitationsmaßnahme im August/September 2005 sei das Leistungsvermögen erheblich verbessert gewesen und er sei zeitweise arbeiten gegangen. Nach anfänglichen Problemen sei er mit dem künstlichen Darmausgang und dem Beutelwechsel gut zurechtgekommen. Insbesondere während der Wiedereingliederungsmaßnahme im vierten Quartal 2005 seien der künstliche Darmausgang und der Beutelwechsel nicht hinderlich gewesen. Erst Ende 2006/Anfang 2007 seien wieder erhebliche gesundheitliche Verschlechterungen eingetreten, die zur vollen Erwerbsminderung geführt hätten.
Am 28. Mai 2010 hat der Kläger einen erneuten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt, da er zwischenzeitlich an Nierenkrebs erkrankt sei. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2010 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei bereits seit dem 22. Juli 2005 dauerhaft erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Widerspruch erhoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Februar 2010 zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Auszüge aus der Akte des beim Landesverwaltungsamt angesiedelten Versorgungsamtes sowie eine ergänzende Stellungnahme der beratenden Ärztin der Beklagten, Dr. G., vom 8. November 2010 beigezogen. Außerdem hat der Senat am 8. März 2011 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten durchgeführt und in der öffentlichen Sitzung am 22. September 2011 Frank Eifler, den Inhaber der Fahrschule in der der Wiedereingliederungsversuch im vierten Quartal 2005 stattfand, als Zeugen vernommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2010 ist nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil diesem ein neuer Tatsachenstoff, nämlich der Nierenkrebs, zugrunde lag. Der Kläger hat mit seinem neuen Rentenantrag vom 28. Mai 2010 einen anderen Leistungsfall geltend gemacht. Somit unterscheidet sich jener Streitstoff von dem hier zugrunde liegenden. Eine entsprechende Anwendung des § 96 SGG ist seit der Neufassung mit Wirkung ab 1. April 2008 ausgeschlossen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008).
Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 eingetreten. Ausgehend davon sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger kann auch keine Beiträge mehr nachzahlen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich zu Eigen macht (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Auch die Zeugeneinvernahme des Herrn E. in der öffentlichen Sitzung des Senats am 22. September 2011 ließ nicht den Schluss zu, dass der Kläger während der Wiedereingliederung im vierten Quartal 2005 wieder mindestens sechs Stunden täglich unter betriebsüblichen Bedingungen einsatzfähig war. Zwar hat der Zeuge bekundet, dass der Kläger während der Wiedereingliederung für den gesamten Betrieb der Fahrschule zuständig gewesen sei und sogar Fahrunterricht erteilt habe. Andererseits hat er aber auch ausgesagt, dass der Kläger in der Fahrschule nur stundenweise gearbeitet habe. Selbst wenn das darauf zurückzuführen wäre, dass die Anzahl der Fahrschüler für eine Vollzeitbeschäftigung nicht ausgereicht hat, ist jedenfalls nicht erwiesen, dass der Kläger auch einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit hätte nachgehen können.
Letztlich haben den Senat die umfangreichen Ausführungen der beratenden Ärztin der Beklagten, Dr. G., vom 8. November 2010 überzeugt. Sie hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, dass der Kläger wegen des notwendigen Beutelwechsels arbeitsmarktunübliche Pausen benötigt. Bei ihm kamen nach ihren Erläuterungen mehrere ungünstige Faktoren zusammen: ein sehr tief angelegter Anus praeter, lokale Entzündungsreaktionen um den Darmausgang selbst und erhebliches Übergewicht mit daraus resultierender erschwerter Inaugenscheinnahme des Anus praeter-Ausgangs. Die beschriebenen Entzündungsreaktionen wirken sich wegen der damit möglicherweise verbundenen Schmerzen bei der vor der Beutelneuanlage notwendigen Reinigung unter Umständen zusätzlich negativ auf die Zeitdauer des Beutelwechsels aus. Hinzu kommt, dass eine Verschmutzungsgefahr mit einzukalkulieren ist, wenn ein Beutel nicht ordnungsgemäß "geklebt" wurde. Das würde dann noch längere Reinigungsprozeduren nach sich ziehen. Eine vergleichbare Situation hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 8. März 2011 geschildert. Dort hat er eingeräumt, dass sich der Beutel durch unsachgemäßes Ankleben auch einmal während des Unterrichts in der Fahrschule gelöst habe.
Zwar hat der Kläger in diesem Termin auch erklärt, dass er seine Stoma-Versorgung während der Wiedereingliederung zweimal täglich, morgens und abends, habe wechseln müssen. Dies würde sich unter Umständen noch mit einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen vereinbaren lassen. Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch die Gefahr außerplanmäßig erforderlicher Beutelwechsel. Angesichts dessen konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger während der Wiedereingliederung noch mindestens sechs Stunden unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen hätte tätig sein können. Hinzu kommt, dass die von ihm angegebene Zeitdauer pro Beutelwechsel – 10 bis 15 Minuten – nur für den komplikationslosen Fall gelten dürfte. Im Falle einer nicht ausgeschlossenen zusätzlichen Verschmutzung bei einem nicht planmäßigen Beutelwechsel, z.B. weil sich der Beutel wegen eines nicht sachgemäßen Anklebens vorzeitig gelöst hat, wären selbst 15 Minuten nicht ausreichend. Vor diesem Hintergrund musste der Senat die Notwendigkeit arbeitsmarktunüblicher Pausen bejahen, mit der Folge, dass der Leistungsfall – wie von der Beklagten und vom SG angenommen – bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 eingetreten war. Deshalb scheitert der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung an den in diesem Zeitpunkt nicht erfüllten und später nicht mehr erfüllbaren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der 1951 geborene Kläger schloss am 20. August 1969 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Wasserbautechnik erfolgreich ab. Anschließend arbeitete er bis zum 31. Dezember 1977 als Facharbeiter für Wasserbautechnik, Apparatereiniger, Baggerfahrer und Baumaschinist, unterbrochen durch den Dienst bei der Nationalen Volksarmee vom 1. Oktober 1969 bis zum 30. September 1972. Am 24. Juni 1978 erwarb er die Qualifikation als Meister nach einer Ausbildung in der Fachrichtung Tiefbau. Vom 1. Juni 1978 bis zum 30. August 1990 war er als Lehr- bzw. Lehrobermeister beschäftigt. Danach war er vom 1. September 1990 bis zum 30. September 2003 als selbständiger Fahrlehrer tätig. Diesbezüglich befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22. April 2002 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige. Vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. April 2006 war er als angestellter Fahrlehrer beschäftigt. Seit dem 22. Juli 2005 war er arbeitsunfähig erkrankt.
Vom 22. August 2005 bis zum 9. September 2005 führte er im Anschluss an die Anlage eines künstlichen Darmausgangs am 26. Juli 2005 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Median-Klinik I. B. B. durch. Im Entlassungsbericht vom 29. September 2005 sind folgende Diagnosen genannt:
Mechanische Störung der Darmpassage infolge Darmverschluss.
Zustand nach Anlage eines künstlichen Darmausgangs.
Erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut.
Übergewicht.
Des Weiteren ist dort ausgeführt, die Entlassung erfolge wie bei Aufnahme als arbeitsunfähig (bis etwa Rückverlegung des Stomas im Januar 2006). Die Heilungsbewährung sei abzuwarten. Danach könne der Kläger seinen Beruf als Fahrlehrer wieder vollschichtig ausüben. Eine Rückverlegung des Stomas ist allerdings zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Ein vom 17. Oktober 2005 bis zum 1. Dezember 2005 mit täglich zwei Stunden durchgeführter Wiedereingliederungsversuch scheiterte. In einem Befundbericht vom 12. Mai 2006 für die Taunus BKK führte die behandelnde Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. H. aus, der Kläger wünsche keine Rückverlegung des künstlichen Darmausgangs. Dann könne er aber seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Denn aufgrund des Colon-Beutels sei längeres Stehen und Sitzen erschwert. Außerdem könne der Kläger keinen Sicherheitsgurt tragen. Auch Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt gelangte in seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2006 zu der Einschätzung, dass der Kläger nicht mehr vollschichtig als Fahrlehrer arbeiten könne. Es sei auch nicht damit zu rechnen, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder vollschichtig leistungsfähig werde.
Am 2. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab zur Begründung an, aufgrund eines künstlichen Darmausgangs sei ihm kein langes Stehen und Sitzen möglich. Die Beklagte veranlasste aufgrund des Rentenantrages ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie Dr. D ... Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 21. November 2006 nach Untersuchung des Klägers am 20. November 2006 zu der Einschätzung, dieser könne leichte körperliche Arbeiten ohne erhöhte Aufmerksamkeitsanforderungen zeitweise im Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Gehen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Eine Tätigkeit als Fahrschullehrer verbiete sich aufgrund der vom Kläger geschilderten Tagesmüdigkeit, die möglicherweise ursächlich auf eine obstruktive Schlafapnoe zurückzuführen sei. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 8. Januar 2007 mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche regelmäßig ausüben. Er sei zudem in der Lage, in der ihm zumutbaren Tätigkeit als Automobilverkäufer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dagegen legte der Kläger am 19. Januar 2007 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren gelangte die beratende Ärztin der Beklagten, Dr. G., in ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 2007 nach Einholung eines weiteren Befundberichtes von Dipl.-Med. H. vom 4. Juni 2007 zu der Einschätzung, aufgrund des künstlichen Darmausgangs seien arbeitsmarktunübliche Pausen notwendig. Sodann wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007 zurück. Die Ermittlungen im Widerspruchsverfahren hätten ergeben, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 22. Juli 2005 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 18. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. November 2007 an das Sozialgericht Magdeburg (SG) verwiesen hat. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, aufgrund der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im September 2005 seien eine Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und eine Stabilisierung der psychischen Gesamtsituation eingetreten und ein sechsstündiges Leistungsvermögen gegeben gewesen. Mit Bescheid vom 8. Januar 2007 habe die Beklagte selbst festgestellt, dass noch keine Erwerbsunfähigkeit vorliege. Seit ca. Januar 2007 habe sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Es sei davon auszugehen, dass in der Folge ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen mit arbeitsmarktunüblichen Pausen vorgelegen habe. Bei einem derartigen Leistungsfall seien auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Das SG hat Befundberichte von Dipl.-Med. H. vom 4. Mai 2009 und von Dipl.-Psych. G. vom 8. Mai 2009 eingeholt sowie das Gutachten nach Aktenlage der Frau W. von der Agentur für Arbeit D.-R. vom 25. April 2007 beigezogen. Dipl.-Med. H. hat ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen seit der Operation im Juli 2005 eingeschätzt. Dipl.-Psych. G. hat mitgeteilt, die psychische Symptomatik habe sich auf die Krankheitsbewältigung bezogen; eine Relevanz für die Erwerbsfähigkeit habe nicht bestanden. Frau W. hat gemeint, der Kläger könne noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Gehen, Stehen und Sitzen ohne Nachtschicht, extreme Hitzearbeiten, schweres Heben und Tragen sowie Arbeiten im Bücken und ohne erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit verrichten.
Mit Urteil vom 19. Februar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 wegen der Notwendigkeit arbeitsmarktunüblicher Pausen eingetreten sei. Ausgehend davon seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger könne auch keine Beiträge mehr nachzahlen.
Gegen das am 4. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. März 2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, eine Erwerbsminderung habe nicht bereits durch die Anlage eine künstlichen Darmausgangs bestanden. Insbesondere nach der Rehabilitationsmaßnahme im August/September 2005 sei das Leistungsvermögen erheblich verbessert gewesen und er sei zeitweise arbeiten gegangen. Nach anfänglichen Problemen sei er mit dem künstlichen Darmausgang und dem Beutelwechsel gut zurechtgekommen. Insbesondere während der Wiedereingliederungsmaßnahme im vierten Quartal 2005 seien der künstliche Darmausgang und der Beutelwechsel nicht hinderlich gewesen. Erst Ende 2006/Anfang 2007 seien wieder erhebliche gesundheitliche Verschlechterungen eingetreten, die zur vollen Erwerbsminderung geführt hätten.
Am 28. Mai 2010 hat der Kläger einen erneuten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt, da er zwischenzeitlich an Nierenkrebs erkrankt sei. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2010 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei bereits seit dem 22. Juli 2005 dauerhaft erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Widerspruch erhoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Februar 2010 zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Auszüge aus der Akte des beim Landesverwaltungsamt angesiedelten Versorgungsamtes sowie eine ergänzende Stellungnahme der beratenden Ärztin der Beklagten, Dr. G., vom 8. November 2010 beigezogen. Außerdem hat der Senat am 8. März 2011 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten durchgeführt und in der öffentlichen Sitzung am 22. September 2011 Frank Eifler, den Inhaber der Fahrschule in der der Wiedereingliederungsversuch im vierten Quartal 2005 stattfand, als Zeugen vernommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2010 ist nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil diesem ein neuer Tatsachenstoff, nämlich der Nierenkrebs, zugrunde lag. Der Kläger hat mit seinem neuen Rentenantrag vom 28. Mai 2010 einen anderen Leistungsfall geltend gemacht. Somit unterscheidet sich jener Streitstoff von dem hier zugrunde liegenden. Eine entsprechende Anwendung des § 96 SGG ist seit der Neufassung mit Wirkung ab 1. April 2008 ausgeschlossen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008).
Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 eingetreten. Ausgehend davon sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger kann auch keine Beiträge mehr nachzahlen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich zu Eigen macht (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Auch die Zeugeneinvernahme des Herrn E. in der öffentlichen Sitzung des Senats am 22. September 2011 ließ nicht den Schluss zu, dass der Kläger während der Wiedereingliederung im vierten Quartal 2005 wieder mindestens sechs Stunden täglich unter betriebsüblichen Bedingungen einsatzfähig war. Zwar hat der Zeuge bekundet, dass der Kläger während der Wiedereingliederung für den gesamten Betrieb der Fahrschule zuständig gewesen sei und sogar Fahrunterricht erteilt habe. Andererseits hat er aber auch ausgesagt, dass der Kläger in der Fahrschule nur stundenweise gearbeitet habe. Selbst wenn das darauf zurückzuführen wäre, dass die Anzahl der Fahrschüler für eine Vollzeitbeschäftigung nicht ausgereicht hat, ist jedenfalls nicht erwiesen, dass der Kläger auch einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit hätte nachgehen können.
Letztlich haben den Senat die umfangreichen Ausführungen der beratenden Ärztin der Beklagten, Dr. G., vom 8. November 2010 überzeugt. Sie hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, dass der Kläger wegen des notwendigen Beutelwechsels arbeitsmarktunübliche Pausen benötigt. Bei ihm kamen nach ihren Erläuterungen mehrere ungünstige Faktoren zusammen: ein sehr tief angelegter Anus praeter, lokale Entzündungsreaktionen um den Darmausgang selbst und erhebliches Übergewicht mit daraus resultierender erschwerter Inaugenscheinnahme des Anus praeter-Ausgangs. Die beschriebenen Entzündungsreaktionen wirken sich wegen der damit möglicherweise verbundenen Schmerzen bei der vor der Beutelneuanlage notwendigen Reinigung unter Umständen zusätzlich negativ auf die Zeitdauer des Beutelwechsels aus. Hinzu kommt, dass eine Verschmutzungsgefahr mit einzukalkulieren ist, wenn ein Beutel nicht ordnungsgemäß "geklebt" wurde. Das würde dann noch längere Reinigungsprozeduren nach sich ziehen. Eine vergleichbare Situation hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 8. März 2011 geschildert. Dort hat er eingeräumt, dass sich der Beutel durch unsachgemäßes Ankleben auch einmal während des Unterrichts in der Fahrschule gelöst habe.
Zwar hat der Kläger in diesem Termin auch erklärt, dass er seine Stoma-Versorgung während der Wiedereingliederung zweimal täglich, morgens und abends, habe wechseln müssen. Dies würde sich unter Umständen noch mit einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen vereinbaren lassen. Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch die Gefahr außerplanmäßig erforderlicher Beutelwechsel. Angesichts dessen konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger während der Wiedereingliederung noch mindestens sechs Stunden unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen hätte tätig sein können. Hinzu kommt, dass die von ihm angegebene Zeitdauer pro Beutelwechsel – 10 bis 15 Minuten – nur für den komplikationslosen Fall gelten dürfte. Im Falle einer nicht ausgeschlossenen zusätzlichen Verschmutzung bei einem nicht planmäßigen Beutelwechsel, z.B. weil sich der Beutel wegen eines nicht sachgemäßen Anklebens vorzeitig gelöst hat, wären selbst 15 Minuten nicht ausreichend. Vor diesem Hintergrund musste der Senat die Notwendigkeit arbeitsmarktunüblicher Pausen bejahen, mit der Folge, dass der Leistungsfall – wie von der Beklagten und vom SG angenommen – bereits mit der Anlage des künstlichen Darmausgangs im Juli 2005 eingetreten war. Deshalb scheitert der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung an den in diesem Zeitpunkt nicht erfüllten und später nicht mehr erfüllbaren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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