L 5 KR 10/11

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 1 KR 34/10
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 10/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Beihilfeberechtigung nach beamtenrechtlichen Vorschriften führt in der Regel nicht zu einem Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V.
2. Auch bei gewillkürter Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten von Zahnkronen nur, wenn die Versorgung vor Beginn der Behandlung von der Krankenkasse genehmigt wurde.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 25.11.2010 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V den Festzuschuss für Zahnersatz.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert und gleichzeitig über ihren Ehemann im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung analog den rheinland-pfälzischen beamtenrechtlichen Vorschriften beihilfeberechtigt. Sie hat mit Wirkung vom 1.9.2008 Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gewählt. Hierzu wurde ihr von der Beklagten ein Merkblatt überreicht, das u.a. folgenden Hinweis enthält: "Bitte beachten Sie, dass sogenannte Antragsleistungen (z.B. Zahnersatz ) im Vorfeld der Inanspruchnahme zu beantragen sind, um deren grundsätzliche Kostentragung sicherzustellen." Für eine vom 26.2.2009 bis 4.3.2009 durchgeführte zahnärztliche Versorgung mit Zahnkronen stellte der behandelnde Zahnarzt der Klägerin insgesamt 2.920,49 EUR in Rechnung. Hiervon erstattete die Beihilfestelle 1.744,77 EUR. Nach Vorlage der Rechnung bei der Beklagten lehnte diese mit Bescheid vom 1.10.2009 und Widerspruchsbescheid vom 15.2.2010 eine Kostenerstattung ab, weil die Klägerin die Leistung nicht vor deren Inanspruchnahme bei ihr unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans beantragt habe und eine vorherige Genehmigung der Leistung nicht erfolgt sei. Die hiergegen am 15.3.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier mit Urteil vom 25.11.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten. Zwar habe sie rechtswirksam Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe aber nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Für die bei der Klägerin durchgeführte Zahnersatzversorgung bestehe nach § 55 SGB V bei medizinischer Notwendigkeit ein Anspruch auf Festzuschuss. Voraussetzung sei, dass vor Beginn der Behandlung der vorzulegende Heil- und Kosten-plan von der Krankenkasse genehmigt worden sei. Ein solcher Heil- und Kostenplan sei vor Beginn der Behandlung von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, da die Beklagte ihren Beratungspflichten gegenüber der Klägerin durch Aushändigung des Merkblatts zur Kostenerstattung nachgekommen sei. Eine eventuelle Falschinformation des behandelnden Zahnarztes zur Erforderlichkeit der vorherigen Genehmigung sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Ob die Falschinformation Einfluss auf den Vergütungsanspruch des Zahnarztes gegenüber der Klägerin habe, könne vorliegend offen bleiben. Davon ausgehend, dass die verbliebene Kostenbelastung der Klägerin nur noch 427,96 EUR betrage, hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 14.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.1.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Wahl von Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V führe dazu, dass ihr Verhältnis zur Beklagten nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sei. Die Beklagte könne sich nicht auf das Merkblatt berufen. Der darin enthaltene Hinweis auf die Antragspflicht sei nicht hinreichend klar als Ausschlusstatbestand formuliert. Er könne dahin ver-standen werden, dass der Versicherte lediglich das Risiko einer Leistungsablehnung zu tragen habe. Jedenfalls sei die Berufung auf den Ausschluss im Erstattungsverfahren treuwidrig und rechtsmissbräuchlich. Er belaste den Versicherten übermäßig und unbillig. Im Erstattungsverfahren könne die vorherige Prüfung kein Ersatz für die fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Vertragszahnärzten sein, weil der behandelnde Zahnarzt nicht als Vertragszahnarzt tätig werde. Zudem könne die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in diesen Fällen problemlos nachträglich durchgeführt werden. Da die erfolgte Behandlung ohnehin hätte genehmigt werden müssen, handle die Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Kostenerstattung unter Berufung auf das formale Erfordernis einer vorherigen Antragstellung verweigere. Soweit die Beklagte geltend mache, die Antragspflicht solle eine Begutachtung vor Durchführung der Versorgung ermöglichen, sei zu berücksichtigen, dass eine solche Begutachtung schon aus Kostengründen nur ausnahmsweise bei begründeten Zweifeln an der vorgesehenen Versorgung durchgeführt werde. Die Beklagte habe die Angemessenheit der durchgeführten Behandlung auch zu keinem Zeitpunkt bezweifelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 25.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2010 auf-zuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr zu den Kosten der vom 26.2. bis 4.3.2009 durchgeführten Zahnersatzversorgung einen Festzuschuss zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung sei gerechtfertigt, da sich die Notwendigkeit der Versorgung mit Zahnersatz nur vor Durchführung der Behandlung beurteilen lasse. Wenn Zahnkronen bereits eingegliedert seien, könne im nachhinein nicht mehr festgestellt werden, ob eine Versorgung mit Füllungen ausreichend und somit wirtschaftlich gewesen wäre.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe:
Unabhängig davon, ob der der Klägerin zustehende Festzuschuss den in § 145 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz für den Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmten Betrag von 750 EUR übersteigen würde, ist die Berufung jedenfalls auf Grund der Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen An-spruch auf Erstattung von Kosten der durchgeführten Versorgung mit Zahnkronen.
Die Klage war nicht bereits deshalb abzuweisen, weil der Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Beklagten wegen eines Anspruchs auf Beihilfe nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V geruht hätte. Nach dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte nach dienstrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Heilfürsorge haben. Es kann dahinstehen, ob von dieser Bestimmung der Anspruch auf Beihilfe überhaupt erfasst wird (so wohl Blöcher, in JurisPK-SGB V § 16 Rn. 33) oder ob nur der Anspruch auf "freie Heilfürsorge" im engeren Sinne, wie er z.T. Soldaten und Polizeivollzugsbeamten, z.B. nach § 70 Abs. 2 BBesG, zusteht, erfasst wird (so Wagner, in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 16 SGB V Rn. 12). Ebenso kann dahinstehen, ob die im vorliegenden Fall vereinbarte analoge Anwendung beihilferechtlicher Vorschriften unter diese Bestimmung fällt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch der Beihilfeanspruch - auch unabhängig von seiner tatsächlichen Erfüllung (so Blöcher a.a.O.) - erfasst würde, ist zu berücksichtigen, dass dieser nach dem hier maßgeblichen rheinland-pfälzischen Recht gegenüber dem Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachrangig ist, insbesondere die Aufwendungen für Zahnersatz und Zahnkronen um den höchstmöglichen Festzuschuss der gesetzlichen Krankenkasse zu kürzen sind (vgl. § 9 Abs. 3 Beihilfenverordnung Rheinland-Pfalz; ebenso § 8 Abs. 4, § 9 Abs. 1 und 2 Bundesbeihilfeverordnung). Da die Beihilfestelle der Klägerin nur einen Teil der Kosten, der jedenfalls nicht über den höchstmöglichen Festzuschuss nach § 55 SGB V hinausging, erstattet hat und davon auszugehen ist, dass die Klägerin einen weitergehenden Beihilfeanspruch nicht hat, führt die Beihilfeberechtigung der Klägerin jedenfalls nicht zum Ruhen eines Anspruchs gegen die Beklagte (vgl. BSG 31.8.1994 - 4 RK 2/93, juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg 12.11.2010 - L 1 KR 428/07, juris Rn. 20).
Das Sozialgericht hat die Klageabweisung jedoch zu Recht darauf gestützt, dass die Klägerin vor Beginn der Behandlung nicht unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans die Genehmigung der Beklagten eingeholt hat. Hierzu verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Insbesondere führt die Wahl von Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht dazu, dass das Rechtsverhältnis der Klägerin zur Beklagten nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen wäre. Hierzu hat das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass die Wahl von Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V kein pri-vatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse begründet. Vielmehr richtet sich dieses Rechtsverhältnis weiterhin nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs.
Ebenfalls ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 13 Abs. 2 SGB V ein Anspruch auf Erstattung der Kosten von Zahnkronen nur besteht, wenn die Vorsorgung vor Beginn der Behandlung von der Krankenkasse genehmigt wurde. Diese Anspruchsvoraussetzung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 55 SGB V, sie folgt jedoch aus § 87 Abs. 1a Satz 2 bis 6 SGB V sowie Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der Regelung. Nach § 87 Abs. 1a Satz 2 bis 6 SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen Heil- und Kostenplan zu erstellen. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 und 2 SGB V entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund. Die-se Bestimmungen regeln nicht nur die Beziehungen zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer, sondern gestalten auch das Leistungsrecht. Die vor-herige Genehmigung der Krankenkasse ist daher auch Voraussetzung für den Anspruch des Versicherten auf Leistungen wegen Zahnersatz (zum Ganzen BSG 30.6.2009 - B 1 KR 19/08 R, juris Rn. 12 ff. m.w.N.). Das Erfordernis der Vorab-Genehmigung rechtfertigt sich daraus, dass einerseits die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Zahnersatzversorgung anhand von Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen (Vitalitätsprüfung, Parodontosezustand usw.) gut vorab beurteilt werden kann, andererseits eine nachträgliche Prüfung nach Eingliederung des fertigen Zahnersatzes auf besondere Schwierigkeiten stößt (BSG a.a.O. Rn. 15). Der Krankenkasse soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu prüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen - auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können (BSG a.a.O. Rn. 18).
Da ein Anspruch auf die Sachleistung nicht bestehen würde, besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V. Denn auch der gewillkürte Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbst beschaffte Leistungen zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG 8.9.2009 - B 1 KR 1/09 R, Rn. 12 m.w.N.). Da die vorherige Genehmigung der Leistung als Anspruchsvoraussetzung des Sachleistungsanspruchs ausgestaltet ist, gilt dies auch im Rahmen der gewillkürten Kostenerstattung.
Wie bereits das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen unterlassener Beratung über das Antragserfordernis. In dem Merkblatt zur Kostenerstattung, dessen Erhalt die Klägerin zugestanden hat, wird hinreichend deutlich und bestimmt darauf hingewiesen, dass sogenannte Antragsleistungen, u.a. Zahnersatz, im Vorfeld der Inanspruchnahme zu beantragen sind, um deren grundsätzliche Kostentragung sicherzustellen. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, eventuell bei ihr verbliebene Zweifelsfragen vorab mit der Beklagten zu klären.
Die Berufung auf das Erfordernis der Vorab-Genehmigung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, da es sich nicht um ein rein formales Erfordernis handelt, auf das die Beklagte ohne Weiteres verzichten könnte. Wie ausgeführt, ist die die Vorab-Genehmigung tatbestandliche Anspruchsvoraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen bei der Versorgung mit Zahnersatz. Die Beklagte ist nach den oben zitierten Bestimmungen verpflichtet, die Vorab-Prüfung durchzuführen. Eine Leistungsgewährung entgegen dem geltendem Recht kann nach § 12 Abs. 3 SGB V haftungsrechtliche Folgen haben.
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte Anlass für die Durchführung einer Begutachtung gehabt hätte und ob die Notwendigkeit des Zahnersatzes im vorliegenden Fall auch nachträglich hätte beurteilt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved