L 15 SO 244/11 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 1017/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 244/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2011 aufgehoben. Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet, die des Antragstellers dagegen unbegründet.

Ist – wie hier – eine begehrte Leistung (noch) nicht zuerkannt worden, setzt eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung im Regelfall voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V. mit §§ 920 Abs. 2, 916 ZPO; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit feststellbar sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund).

Bereits ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.

Der 1945 geborene Antragsteller gehört wegen seines Alters zum Personenkreis derer, die dem Grunde nach Anspruch auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Vierten Buchs des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) haben, § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Weder für das Gericht steht dabei infrage noch ist zwischen den Beteiligten streitig, dass die Altersrente des Antragstellers aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem monatlichen Zahlbetrag von ca. 290,- EUR nicht ausreicht, um auch nur den notwendigen Lebensunterhalt in Höhe der für den Antragsteller maßgeblichen Regelbedarfsstufe 1 (364,- EUR, Anlage 1 zu § 28 SGB XII) zu bestreiten.

Die tatsächlichen Kosten für die von ihm gemietete Wohnung stellen jedoch keinen Bedarf dar, der anspruchsbegründend zu berücksichtigen ist. Gemäß § 42 Nr. 4 i.V. mit § 35 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (§ 35 Abs. 1 SGB XII). Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind so lange als Bedarf unter anderem der leistungsberechtigten Person zu berücksichtigen, als es ihr nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB XII).

Von vornherein keine "Unterkunft" sind Räumlichkeiten, die nicht zu Wohnzwecken dienen, sondern beruflich genutzt werden; dazu gehören auch Ateliers und Aufbewahrungsflächen (s. BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R – im Anschluss an das Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 RSozR 4-4200 § 16 Nr. 1 zur insoweit gleichartigen Rechtslage nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches [SGB II]). Bei der Besichtigung durch den Antragsgegner vom 13. April 2010 befanden sich jedenfalls in zwei Zimmern der Wohnung des Antragstellers – nämlich dem zum Wintergarten hin gelegenen und dem Nachbarzimmer – mit Ausnahme zweier Sitzgelegenheiten nur Arbeitsmaterial einschließlich einer Staffelei und bereits fertiggestellte Bilder. Dass sie einem anderen Zweck dienen als dem berufsmäßigen künstlerischen Schaffen des Antragstellers, ist angesichts dessen nicht ersichtlich; nach Lage der Akten stellte der Antragsteller dies auch nicht infrage.

Ausweislich des in der Verwaltungsakte vorhandenen maßstabgerechten Wohnungsgrundrisses beträgt die Grundfläche des einen Zimmers ca. 5 x 3,7 = 18,5 m², die des anderen 3,5 x 3,7 = 12,95 m², zusammen also abgerundet 31 m². Bereits dies würde dazu führen, dass von der Gesamtmiete des Antragstellers für die insgesamt annähernd 71 m² große Wohnung nur ca. 55% (entsprechend ca. 312,- EUR) rechtlich Kosten der Unterkunft darstellen können. Dieser Betrag ist von dem vom Antragsgegner als Kosten der Unterkunft berücksichtigten Bedarf offenkundig abgedeckt.

Soweit das JobCenter als Leistungsträger nach dem SGB II augenscheinlich die Mietkosten in vollem Umfang als Kosten der Unterkunft berücksichtigt hat, kann dies wenigstens im Ergebnis darauf beruhen, dass im Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitssuchende die Kosten für beruflich genutzte Räumlichkeiten Rechte auf Leistungen zur beruflichen Eingliederung auslösen können (s. vor allem BSG SozR 4-4200 § 16 Nr. 1). Identische oder wenigstens gleichartige Rechtsgrundlagen enthält das SGB XII nicht. Angesichts dessen hat auch keine Bedeutung, ob der Antragsteller weiterhin beabsichtigt, Einkünfte durch eine Tätigkeit als Künstler zu erzielen.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Beschluss des Senats vom 14. Dezember 2010 – L 15 SO 191/10 B ER -: Dort stand von vornherein außer Frage, dass der Mietanteil für das Atelier des – ebenfalls wegen Alters dem Grunde nach grundsicherungsberechtigten – Antragstellers keinen sozialhilferechtlichen Bedarf begründet; streitig war vielmehr, ob bzw. in welcher Höhe Einkünfte bedarfsmindernd zu berücksichtigen waren (im Gegensatz zum hiesigen Antragsteller erzielte der dortige wenigstens gelegentlich Einnahmen aus dem Verkauf seiner Kunstwerke; außer Frage stand im Übrigen auch, dass die Miete für die Atelierräume gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII von den Einkünften abzusetzen war).

Nicht entscheidungserheblich ist angesichts dessen, zu welchen Folgen die vom Antragsteller ausgesprochene Kostensenkungsaufforderung vom 21. Juli 2010 führt (s. insoweit BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11 b AS 41/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 7) und unter welchen Umständen dem Antragsteller möglicherweise ein Umzug zur Senkung der Unterkunftskosten nicht zuzumuten sein könnte (s. insoweit etwa BSG, Urteil vom 23. März 2010 – B 8 SO 24/08 R – SozR 4-3500 § 29 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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