L 7 SO 2594/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 3556/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2594/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. April 2010 abgeändert.

Der Bescheid vom 20. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für dessen Umzug unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Umzugskosten in Höhe von 1.500,00. EUR.

Der im August 1933 geborene Kläger ist französischer Staatsbürger und bezieht neben einer Rente aus der französischen Sozialversicherung Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Er wohnte vom 1. Oktober 2004 bis 31. März 2008 in einer Wohnung in Fr. (Landkreis Tu.) und erhielt vom Sozialamt des Landkreises Tu. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Wohnung in Fr. wurde zum 31. März 2008 zwangsgeräumt. Der Kläger bemühte sich um eine Wohnung in W. (Zollernalbkreis) und lagerte sein Umzugsgut (nach eigenen Angaben 85 bis 90 Kartons und gebrauchte Schränke) in dieser Wohnung ein. Mit dem Eigentümer der Wohnung in W. kam es danach zu Unstimmigkeiten hinsichtlich des Bestehens eines Mietvertrages. Der Einzug des Klägers wurde verweigert. Die eingelagerten Gegenstände wurden zunächst nicht herausgegeben. Einen Antrag auf Wohnungsbeschaffungs- bzw. Umzugskosten stellte der Kläger beim Sozialamt des Landkreises Tu. nicht. Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 teilte der Kläger dem Sozialamt des Landkreises Tu. vielmehr mit, dass er Fr. mit Wirkung vom 1. April 2008 verlassen habe. Der Landkreis stellte daraufhin die Zahlung von Grundsicherungsleistungen ein. Der Kläger zahlte die für die Monate April und Mai 2008 erhaltenen Leistungen an den Landkreis Tu. zurück.

Der Kläger war in der Folgezeit obdachlos. Seinen Aufenthaltsort während der Zeit der Obdachlosigkeit gab er beim Beklagten im Zuge des Verwaltungsverfahrens nicht an.

Ohne vorab an den Beklagten heranzutreten, mietete der Kläger zum 15. August 2008 ein kleines Haus mit einer Wohnfläche von 60 qm in Balingen. Die Bruttokaltmiete belief sich auf 350,- EUR monatlich. Der Energieversorger legte den Abschlag für Heizenergie (Gas) auf 185,- EUR monatlich und für Wasser und Abwasser auf monatlich 25,- EUR fest. Auf Antrag vom 19. August 2008 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009 unter Anrechnung der dem Kläger zufließenden Renten. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden dabei nur in Höhe der vom Beklagten für angemessen angesehenen Beträge berücksichtigt (229,50 EUR Kaltmiete zzgl. 51,75 EUR für Nebenkosten und 60,40 für Heizkosten monatlich). Wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung ist vor dem Senat ein weiteres Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 7 SO 2924/09 anhängig, das der Kläger betreibt, nachdem das SG Reutlingen (SG) mit Urteil vom 23. April 2009 seine Klage insoweit abgewiesen hatte (S 14 SO 4307/08).

Mit anwaltlicher Hilfe erreichte der Kläger im Juli 2009 die Herausgabe seiner in der Wohnung in W. befindlichen persönlichen Habe. Für die Abholung wurde ihm als Termin der 17. Juli 2009 genannt (anwaltliches Schreiben vom 3. Juli 2009). Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 (Eingang beim Beklagten am 7. Juli 2009) beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für den Transport seiner Hausratsgegenstände von W. nach Balingen. Bisher verfüge er in der neuen Wohnung in Balingen nur über geliehene Gegenstände (Bett, Schrank, etc.). Mit weiterem Schreiben vom 13. Juli 2009 legte er einen Kostenvoranschlag der Spedition J. vom 11. Juli 2009 in Höhe von 1.646,96 EUR vor, der als Auftraggeberin von Frau E. W. (E.W.) unterschrieben war. Hierzu gab der Kläger an, dass er aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit seine Bekannte um vorläufige Bezahlung der Umzugskosten gebeten habe. Für den Transport wurden von der Spedition letztlich 1.500,00 EUR abgerechnet (Rechnung vom 3. August 2009) und von Frau Elfriede Walz (E.W.) in Vorleistung für den Kläger bar beglichen.

Mit Bescheid vom 20. August 2009 lehnte der Beklagte die Übernahme der Umzugskosten ab. Ein Umzug müsse vorher abgestimmt sein. Der Beklagte habe weder vom Umzug nach W. noch vom Umzug nach Balingen Kenntnis gehabt. Der Kläger wohne bereits über ein Jahr in Balingen. Der durchgeführte Transport stehe nicht mehr in einem Zusammenhang mit seinem Umzug dorthin. Da E.W. die Rechnung bezahlt habe, bestünde kein sozialhilferechtlicher Bedarf.

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2009) hat der Kläger am 30. Oktober 2009 Klage erhoben. Mit Urteil vom 15. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, es könne wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs nicht mehr von Umzugskosten, sondern nur noch von Transportkosten gesprochen werden. Ein Umzug sei ein zeitlich regelmäßig eng umgrenztes Ereignis, das u.a. durch die gleichzeitige Verlagerung des Aufenthalts der Person und des ihm gehörigen Hausrats gekennzeichnet sei. Reine Transportkosten, die in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Begründung des neuen Wohnsitzes stünden, würden vom Regelungsbereich des § 29 SGB XII nicht mehr umfasst. Der Kläger sei für ein knappes Jahr in der Lage gewesen, ohne die eingelagerten Gegenstände auszukommen. Dies dokumentiere hinreichend, dass es sich nicht um Gegenstände gehandelt habe, die für die tägliche Lebensführung unabdingbar gewesen seien. Der Kläger habe eine Liste seines Hausrats vorgelegt. Neben einigen sinnvollen, für die Lebensführung grundsätzlich nötigen Gegenständen, ergebe sich daraus, dass es sich überwiegend um nicht existen- ziell notwendige Gegenstände handele, die teilweise gar nicht mehr benutzbar gewesen seien.

Gegen dieses ihm am 29. April 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die am 26. Mai 2010 beim SG eingegangen ist. Der Umzug sei notwendig gewesen, weil ein rechtskräftiges Räumungsurteil gegen ihn vorgelegen habe. Wenn im Urteil die Rede davon sei, dass es sich bei der Beförderung der Hausratsgegenstände um keinen Umzug, sondern um einen "Transport" gehandelt habe, dann dürfe wohl von Rassendiskriminierung gesprochen werden, was einer Verletzung des Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention entspreche. Der Beklagte habe auf den rechtzeitig gestellten Antrag auf Übernahme von Umzugskosten zunächst nicht reagiert. Erst auf ein Erinnerungsschreiben sei er tätig geworden. Das Bestehen einer Gesetzesvorschrift, aus der eine Fristbegrenzung im Hinblick auf die Durchführung eines Transports von Hausratsgegenständen hervorginge, vermöge er nicht zu erkennen. Der Hausbesitzer in W. sei zur Herausgabe des Hausrats zunächst nicht bereit gewesen. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Rechtsanwaltes des Hausbesitzers vom 3. Juli 2009. In Ansehung des Faktums, dass die Umzugskosten (einstweilen) seitens eines Dritten beglichen worden seien und dieselben bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erstattet worden seien, sei er bis zur Kostenerstattung als Schuldner anzusehen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. April 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2009 zu verurteilen, ihm Umzugskosten in Höhe von 1.500,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die beantragte Übernahme der Transportkosten für den Hausrat habe in keinem Zusammenhang mit dem aus dem Landkreis Tu. nach Balingen erfolgten Umzug gestanden. Folglich habe nach über einem Jahr kein Anspruch mehr darauf bestanden, dass solche Kosten übernommen würden. Die Auftraggeberin des Transports der Hausratsgegenstände habe nicht als Nothelferin gehandelt. Ebenso wenig habe ein Eilfall vorgelegen. Die Vorschrift des § 25 SGB XII komme nicht zum Tragen. Insbesondere zeige der Hinweis, dass teilweise beschädigte Möbelstücke transportiert worden seien und der Kauf neuer Möbelstücke mangels Leistungsfähigkeit nicht erfolgt sei, dass der Berufungskläger die Einrichtungsgegenstände offensichtlich nicht benötigt habe, da auch für die beschädigten Möbel eine Ersatzbeschaffung nicht erfolgt sei, obwohl dem Berufungskläger die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden hätten, da diese zumindest für Ersatzbeschaffungen im Regelsatz enthalten seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Dabei hat er - anders als das SG - das Klagebegehren so ausgelegt, dass der Kläger die Erstattung der von E.W. übernommenen Umzugskosten an sich selbst begehrt, weil er im Innenverhältnis zum Ausgleich verpflichtet ist. Nach § 123 SGG ist das Gericht nicht an die Fassung der Anträge gebunden, sondern entscheidet über die "vom Kläger erhobenen Ansprüche". Maßgeblich ist das erkennbare Klagebegehren. Bei der Auslegung sind das gesamte Vorbringen und alle bekannten Umstände zu berücksichtigen; es ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Es ist derjenige Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt als eingelegt anzusehen, der nach Lage der Sache in Betracht kommt (Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 92 Nr. 2; Bolay in Hk-SGG, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 5 m.w.N.). Die Auslegung ergibt sich hier aus dem einheitlichen Vorbringen des Klägers im Verwaltungs- Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren. Darin macht er deutlich, dass E.W. wegen Eilbedürftigkeit für ihn in Vorleistung getreten sei. Dass originäre Rechte der E.W. gemäß § 25 SGB XII geltend gemacht würden, ist wegen des Fehlens einer Abtretung bzw. Abtretungserklärung nicht anzunehmen. Auch für eine gewillkürte Prozessstandschaft finden sich keine Anhaltspunkte.

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Der Kläger begehrt die Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 1.500,00 EUR. Statthafte Klageart ist daher die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG.

Die Berufung ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Streitgegenstand ist dabei allein die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Transports der Haushaltsgegenstände des Klägers von W. nach Balingen zu tragen. Hierüber ist in dem angefochtenen Bescheid vom 20. August 2009 eine isolierte Regelung getroffen worden (zur Zulässigkeit einer solchen isolierten Entscheidung vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R - (juris)). Die Frage, in welcher Höhe dem Kläger im Übrigen Leistungen zur Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zustehen, ist hiervon nicht berührt. Der Anspruch auf Übernahme von Umzugskosten hängt allerdings grundsätzlich davon ab, dass dem Kläger überhaupt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zustehen. Dies ist ausweislich der Bescheide des Beklagten vom 18. September 2008 und 23. Juli 2009, mit denen dem Kläger diese Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009 bzw. vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 zuerkannt wurden, der Fall.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch sind über § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII die §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des SGB XII-Änderungsgesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2670 - im Folgenden: a.F.). Danach können Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Der Senat geht anders als das SG tatbestandlich von einem Umzug des Klägers und damit von der Entstehung von Umzugskosten aus. Der Umstand, dass der Kläger erst ca. ein Jahr nach Einzug in das Haus in Balingen seine Haushaltsgegenstände nachgeholt hat, steht einem Anspruch auf Gewährung von Umzugskosten nicht entgegen. Grundsätzlich ist es einem Hilfeempfänger nicht verwehrt, persönliche Gegenstände und angemessenen Hausrat in einem zusätzlichen Lagerraum unterzubringen, wenn diese bei einem Umzug nicht bzw. nicht vollständig mitgenommen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 1/08 R - (juris); Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2010 - L 7 AS 340/10 B ER - (juris)). Die verspätete Abholung der Gegenstände beruht - wie der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat - auf den Auseinandersetzungen mit dem Eigentümer der Liegenschaft in W ... Dieser hatte offenbar auf der Grundlage eines Vermieterpfandrechts die Gegenstände nicht sofort wieder freigegeben, so dass der Kläger anwaltliche Hilfe zum Wiedererlangen seines Eigentumes nutzen musste. Das Abholen der in W. gelagerten Gegenstände diente damit der Vervollständigung des Umzugs des Klägers nach Balingen.

Der Anspruch des Klägers scheitert nicht bereits daran, dass vor der Durchführung des Transports der Haushaltsgegenstände keine Zustimmung des Beklagten zu den Umzugskosten vorlag (§ 29 Abs.1 Satz 7 SGBXII a.F.). Die Zusicherung ist Anspruchsvoraussetzung (BSG, a.a.O.; Link in jurisPK-SGB XII, § 29 SGB XII in der Fassung vom 2. Dezember 2006, Rdnr.96; Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 22 Rdnr. 157). Eine vorherige Zustimmung zu den Umzugskosten ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine fristgerecht mögliche Entscheidung vom Verwaltungsträger treuwidrig verzögert worden ist (vgl. BSG, a.a.O.; Berlit in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 29, Rdnr. 63) oder bei akutem Handlungsbedarf (Berlit, a.a.O.). So liegen die Verhältnisse hier. Dem Kläger war mit Schreiben vom 3. Juli 2009 mitgeteilt worden, dass er seinen Hausrat am 17. Juli 2009 abholen könne bzw. müsse (Bl.163c der Verwaltungsakte). Daraufhin stellte er unverzüglich den Antrag auf Übernahme der Umzugskosten (Schreiben vom 6. Juli 2009; Eingang beim Beklagten am 7. Juli 2009). Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 (Eingang beim Beklagten am 14. Juli 2009) legte der Kläger den Kostenvoranschlag vor, erinnerte an die Bearbeitung seines Antrages und wies auf die Dringlichkeit hin. Der Beklagte reagierte auf den Antrag mit einer schriftlichen Nachfrage vom 10. Juli 2009, die am 13. Juli 2009 abgesandt wurde. Von vornherein war offensichtlich nicht beabsichtigt, vor dem Transporttermin am 17. Juli 2009 eine Entscheidung zu treffen, denn in dem Schreiben vom 10. Juli 2009 wurde der Kläger zur Übergabe von Unterlagen bis zum 3. August 2009 aufgefordert. Der Kläger hat damit alles getan, um die Zustimmung vor dem Zeitpunkt einzuholen, zu dem die ersetzbaren Kosten entstanden sind bzw. in rechtlich relevanter Weise begründet wurden. Daher ist die Antragstellung hier nicht als verspätet anzusehen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Februar 2011 - L 19 AS 1930/10 B (juris)).

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten gemäß § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII a.F., weil der konkrete Umzug nicht vom Beklagten "veranlasst" wurde oder aus "anderen Gründen notwendig" war. § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII a.F. bestimmt, dass die Zustimmung erteilt werden soll, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Hieraus ergibt sich für den Regelfall eine Pflicht des Trägers, eine Zustimmung zu erteilen. Der Anspruch des Hilfebedürftigen geht dabei auf die "angemessenen" Kosten des Umzugs im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. (vgl. BSG, a.a.O.). Könnte der Umzug des Klägers hier also im Sinne der Norm des § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII a.F. als vom Sozialhilfeträger veranlasst oder aus anderen Gründen als notwendig betrachtet werden, so stünden dem Kläger gemäß § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB II die angemessenen Umzugskosten zu.

Dass der Einzug des Klägers in die Wohnung in Balingen nicht im Sinne des § 29 Abs.1 Satz 8 SGB XII a.F. vom Träger veranlasst worden ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Denn der Kläger hat die Wohnung in Balingen aus der bestehenden Obdachlosigkeit heraus angemietet, ohne dabei zuvor mit dem Beklagten oder dem früheren Sozialhilfeträger (Landkreis Tu.) Kontakt aufgenommen zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Auszug (Zwangsräumung) aus der Wohnung in Fr. durch die nur in reduzierter Höhe durch den Landkreis Tu. gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. Schreiben des Landkreises Tu. vom 21. Oktober 2008 - Bl. 134 der Verwaltungsakte -) bewirkt worden wäre, liegen nicht vor. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass der Mietrückstand letztlich durch Einbehaltung der Miete für einen Autoabstellplatz entstanden sei.

Der Umzug gerade in die Wohnung nach Balingen wäre auch nicht als "aus anderen Gründen notwendig" "zustimmungsfähig" im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII a.F. gewesen, wenn der Beklagte rechtzeitig über den Antrag des Klägers entschieden hätte. Zwar bestanden besondere Bedeutung und Dringlichkeit für die Begründung einer neuen Unterkunft für den Kläger, weil er seit April 2008 obdachlos war. Gleichwohl war der Kläger nicht berechtigt, irgendeine (etwa auch exorbitant teure) Unterkunft anzumieten. Notwendig und damit zusicherungsfähig ist ein Umzug nämlich nur dann, wenn nicht nur der Auszug aus der bisherigen Wohnung erforderlich geworden ist, sondern auch der Bezug einer neuen angemessenen Wohnung erfolgt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 29 SGB XII, Rdnr. 64). Anderenfalls müsste der Leistungsträger die Umzugskosten tragen und gleichzeitig den Leistungsempfänger aber wegen der Unangemessenheit der neuen Unterkunft zu einem erneuten Umzug auffordern. Auch diese Kosten wären dann gemäß § 29 Abs.1 Satz 8 SGB XII a.F. zu übernehmen, sodass die öffentliche Hand doppelt in Anspruch genommen werden könnte.

Die Kosten der Unterkunft und Heizung in dem ab 15. August 2008 angemieteten Haus übersteigen den angemessenen Bedarf. Der Bedarf für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB XII a.F. wird in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 24/08 R - (juris)). Dabei ist zur Angemessenheit der Unterkunftskosten die zu § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ergangene Rechtsprechung des BSG auf das SGB XII übertragbar (BSG, Urteil vom 23. März 2010, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 29 SGB XII, Rdnr. 26). In welcher Höhe die Kosten der Unterkunft als angemessen zu bewerten sind, muss danach auf der Basis eines Mietspiegels oder eines vom Beklagten erstellten schlüssigen Konzepts zur Ermittlung des Mietniveaus bewertet werden (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R -, vom 20. August 2009 - B 14 AS 65/08 R -, vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R - und vom 17. Dezember 2009 - B AS 50/09 R - (jeweils juris)). Liegen weder Mietspiegel noch ein schlüssiges Konzept des Leistungsträgers zur Ermittlung der Miete vor, kann zur Ermittlung der Leistungen für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 des Wohngeldgesetz (WoGG) in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung zurückgegriffen werden (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -, vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R -, vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R - und vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 132/10 R - (jeweils juris)). Dabei führt der Rückgriff auf § 8 WoGG nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft, sondern beinhaltet nur eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a.a.O.), gegebenenfalls zuzüglich eines sogenannten Sicherheitszuschlages zu den Tabellenwerten (BSG, Urteile vom 7. November 2006, vom 22. September 2009 und vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R, jeweils a.a.O.).

Ein Mietspiegel existiert in Balingen nicht (vgl. im Internet: www.mietspiegeltabellen.de). Ob der Beklagte über ein schlüssiges Konzept zur Feststellung des Mietniveaus verfügt, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn selbst wenn man dies zugunsten des Klägers verneint (vgl. BSG, Urteile vom 22. September 2009 und vom 17. Dezember 2009, jeweils a.a.O, zu den erheblichen Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an ein solches Konzept stellt) und daher einen Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG a.F. vornimmt, ist ersichtlich, dass die dem Kläger in der Wohnung in Balingen entstehenden Kosten der Unterkunft die obere Angemessenheitsgrenze überschreiten. Für Balingen galt bis einschließlich 2008 die Mietenstufe II (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 4 der Wohngeldverordnung - BGBl. I 2001, S. 2727 -). Nach der Tabelle zu § 8 WoGG (rechte Spalte) ergibt sich ein monatlicher Betrag für die Bruttokaltmiete in Höhe von 280,00 EUR. Zuzüglich eines Sicherheitszuschlages, den der Senat mit 10 v.H. für angemessen, aber auch ausreichend erachtet, beläuft sich die Höchstgrenze damit auf 308,00 EUR monatlich für die Bruttokaltmiete. Dem Kläger entstehen aber für die Bruttokaltmiete monatliche Aufwendungen von 375,00 EUR (inklusive Wasser und Abwasser). Er überschreitet damit die obere Angemessenheitsgrenze, wie sie von der BSG-Rechtsprechung anhand der Anwendung der Wohngeldtabelle bestimmt ist.

Der Senat geht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht davon aus, dass die Anmietung des Hauses in Balingen für den Kläger die einzige Möglichkeit war, zeitnah seine Obdachlosigkeit zu beseitigen. Daher kann offenbleiben, ob bei einer solchen Konstellation der Beklagte ausnahmsweise verpflichtet (gewesen) wäre, einem Einzug in die den Kostenrahmen der Angemessenheit sprengende Wohnung zuzustimmen (vgl. Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., § 22 Rdnr. 131). Der Kläger hat zwar im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er mit 65 Hausbesitzern bzw. Vermietern Kontakt gehabt habe, ehe er die Wohnung in Balingen gefunden habe (Schreiben vom 18. August 2008 - Bl.102 der Verwaltungsakte -) und mit Schreiben vom 18. Oktober 2008 neun Wohnungsbewerbungen mit Ortsname, Telefonnummer und Miethöhe aufgeführt (Bl. 133 der Verwaltungsakte), doch sind die angegebenen Wohnungen bereits vom Ansatz her zu teuer. Zudem ist nicht ersichtlich, welche Größe, Bauart und Zustand die genannten Wohnungen hatten. Der Kläger war überdies nicht gezwungen, in Balingen eine Wohnung anzumieten. Gründe, weshalb der Kläger bei bestehender Obdachlosigkeit regional besonders gebunden gewesen sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Da es sich mithin nicht um einen vom Sozialhilfeträger veranlassten oder aus anderen Gründen notwendigen Umzug im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII a.F. handelte, greift zugunsten des Klägers lediglich die Auffangnorm des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII a.F. ein, die grundsätzlich für den Fall des nicht notwendigen bzw. veranlassten Umzugs einschlägig ist (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, a.a.O.). Die Norm räumt dem Leistungsträger bei der Übernahme der Umzugskosten Ermessen ein (vgl. Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., § 29 Rdnr. 62). Das Ermessen betrifft sowohl das "ob" der Übernahme der Umzugskosten als auch die Höhe der Umzugskosten. Dies folgt aus der Verwendung des Wortes "können", das sich nach dem Wortlaut der Norm sowohl auf das "ob" als auch auf die Höhe der Bewilligung der Umzugskosten bezieht. Der Beklagte hat eine solche Ermessensentscheidung bislang nicht getroffen. Weder im angefochtenen Bescheid vom 20. August 2009 noch im Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2009 sind entsprechende Ausführungen enthalten. Da der Anspruch auf eine ermessensgerechte Neubescheidung vom Klagebegehren mit umfasst ist, ist die Beklagte daher zu verpflichten, eine entsprechende Entscheidung nachzuholen (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Der Beklagte ist für die entsprechende Entscheidung auch örtlich zuständig. Zwar fehlt im Gegensatz zum SGB II in § 29 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB XII a.F. eine Regelung, welcher Träger für die Erteilung der Zustimmung bzw. die Übernahme der Umzugskosten örtlich zuständig ist, doch ist nach der allgemeinen Regelung des § 98 Abs.1 Satz 2 SGB XII der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten liegt. Grundsätzlich folgt daraus, dass (wie in § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausdrücklich geregelt) der Träger örtlich zuständig ist, der bis zum Umzug zuständig war (vgl. Link, a.a.O., § 29 Rdnr. 108). Letzter Leistungsträger vor dem Einzug des Klägers in Balingen war der Landkreis Tu. gewesen. Vorliegend hatte der Kläger allerdings bereits zum 15. August 2008 seinen Aufenthaltsort in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten verlegt, so dass für den im Juli 2009 entstandenen Bedarf an Umzugskosten gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII der Träger zuständig ist, der zu diesem Zeitpunkt bereits Leistungen der Grundsicherung erbrachte, also der Beklagte. Auf den Aufenthaltsort des Hilfebedürftigen kommt es maßgeblich an (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. März 1998 - 5 C 12/97 - (juris)). Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass Hintergrund des Antrages des Klägers letztlich das Begehren ist, den Umzug aus Fr. mit dem Herbeischaffen der in W. eingelagerten Gegenstände zu vervollständigen. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lässt eine Zuordnung der Zuständigkeit zu dem früher zuständigen Träger (Landkreis Tu.) nicht zu. Zudem liegt auch W. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

Dass es sich bei den von W. nach Balingen transportierten Gegenständen um Hausrat und persönliche Habe des Klägers handelte, steht für das Gericht fest aufgrund der dezidierten Aufstellung der einzelnen Gegenstände, die der Kläger in der "Liste seines Hausrats" angegeben hat (Schreiben vom 29. Juli 2009 - Bl. 175 ff. der Verwaltungsakte -). Auch wenn eine gewisse Anzahl der Gegenstände objektiv keinen oder nur noch einen geringen Gebrauchswert hat, handelt es sich gleichwohl um persönliches Eigentum des Klägers. Deshalb war er berechtigt (und nach der Vereinbarung mit dem Eigentümer der Liegenschaft in W. auch verpflichtet), diese Gegenstände wieder in seinen Haushalt zu integrieren. Soweit das SG ausführt, ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf ergebe sich nur, wenn es um den Transport von existenziell notwendigen Gegenständen gehe, findet dies im Gesetz keine Stütze. Vielmehr hat der Hilfebedürftige Anspruch darauf, dass bei einem Umzug seine sämtlichen persönlichen Gegenstände in den neuen Haushalt gelangen, wobei freilich die Umzugskosten in angemessenem Rahmen bleiben müssen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, a.a.O.). Bei seiner Ermessensentscheidung wird dies der Beklagte zu berücksichtigen haben ebenso wie den Umstand, dass der Kläger zum streitgegenständlichen Zeitpunkt (17. Juli 2009) bereits annähernd 76 Jahre alt war und damit aus Altersgründen zu einer Durchführung eines Umzugs in Eigenleistung kaum in der Lage gewesen sein dürfte.

Schließlich spricht der Umstand, dass E.W. für den Kläger in Vorleistung getreten ist, nicht gegen den erhobenen Anspruch. Insoweit handelt es sich nach dem für den Senat nachvollziehbaren Vorbringen des Klägers lediglich um eine vorübergehende Bedarfsdeckung, welche den Anspruch nicht beseitigt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2006 - L 15 SO 141/06 - (juris); BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 204/10 R -, bisher nur im Terminbericht vorliegend). Die Zahlung eines Dritten kann dem Hilfeempfänger nicht als bedarfsdeckendes Einkommen entgegengehalten werden, wenn die hilfesuchende Person ihren unaufschiebbaren Bedarf nach Eingang des Leistungsantrages, aber vor dessen Bescheidung, vorläufig von einem Dritten erhält (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 96/92 - (juris); Beschluss vom 18. April 1996 - 5 B 10/96 - (juris); Armborst/Brühl in LPK-SGB XII, a.a.O., § 2, Rdnr. 13). Nach dem Vorbringen des Klägers muss davon ausgegangen werden, dass die durch E.W. erfolgte Zahlung der Umzugskosten lediglich vorläufig erfolgte, weil eine Kostenzusage des Beklagten noch nicht vorlag (vgl. insbesondere Schreiben vom 13. Juli 2009 - Bl. 165 der Verwaltungsakte - und Seite 5 des Schreibens vom 8. September 2009 - Bl. 184 der Verwaltungsakte -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger zu einem wesentlichen Teil, nicht jedoch in vollem Umfang, mit seinem Klagebegehren durchgedrungen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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