L 5 R 3693/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1248/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3693/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.4.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1964 geborene Klägerin beantragte am 22.11.2004 Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, seit einem Mexikoaufenthalt im November 2000 leide sie unter ständigem Fieber, Rheumaschmerzen, Durchfall, Schlaflosigkeit, Müdigkeit u.a.

Die Beklagte zog (umfangreiche) Arztunterlagen bei, u.a. den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik T., Bad M., vom 29.10.2004, wo die Klägerin vom 5.10. bis 26.10.2004 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung absolviert hatte (Verwaltungsakte S. 144, 189). Diagnostiziert worden waren eine unklare Erkrankung seit Mexikoaufenthalt 11/2000 mit B-Symptomatik, intermittierender Leberwerterhöhung und Arthritis sowie Nikotinabusus. Die Ärzte der Rehabilitationsklinik hielten die Klägerin für imstande, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten 6 Stunden täglich und mehr sowie mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten. Bislang seien alle erdenklichen Untersuchungen durchgeführt worden (u. a. auch im Tropeninstitut, Tübingen), um die von der Klägerin angegebene Beschwerdesymptomatik zu eruieren. Allerdings habe keine Diagnose gestellt werden können, die die beschriebene Symptomatik erklären könnte. Nach Durchsicht der Akten sowie einer Krankheitsepisode während des stationären Aufenthaltes, bei der die Klägerin nach subfebrilen Temperaturen am nächsten Tag eine mittelgradige Erhöhung der Transaminasen sowie eine leichte CRP-Erhöhung geboten habe, vertrete man die Auffassung, dass auch der Verdacht auf ein cholangitisches Geschehen nahe liege. Empfohlen werde die Durchführung einer erneuten ERCP, unbedingt mit Zytologie-Gewinnung. Ansonsten hätten die erfassten Laborparameter im Normbereich gelegen.

Mit Bescheid vom 7.1.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. In medizinischer Hinsicht seien eine im Abklingen befindliche Symptomatik mit intermittierender Leberwerterhöhung und Arthritis sowie Nikotinabusus festgestellt worden. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich regelmäßig ausüben, was die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ausschließe.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, aktuell zeige sich eine weitere Chronifizierung, wenn nicht gar Progredienz wegen unerträglicher Darmbeschwerden mit ständiger Durchfallneigung, weshalb erneut eine Darmspiegelung anberaumt worden sei. An mindestens drei Tagen in der Woche sei die Körpertemperatur erhöht. Außerdem liege Schlaflosigkeit vor.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 11.7.2005 (Verwaltungsakte S. 230). Darin ist ausgeführt, die Klägerin leide nach eigenen Angaben etwa alle vier Tage drei Tage lang unter Fieber über 39 ° C ohne Schüttelfrost, jedoch mit Nachtschweiß, Schlappheit und Müdigkeitsgefühl. Den Haushalt erledige sie selbst, wobei erleichternd zu berücksichtigen sei, dass sie keine Kinder habe. Dies sei an guten Tagen, allerdings sehr langsam, möglich. An schlechten Tagen leide sie außerdem unter Durchfall, viermal am Tag. Sie sei froh, wenn sie zwei gute Tage hintereinander habe. Der Gutachter diagnostizierte rezidivierendes Fieber und Durchfälle unklarer Ätiologie sowie Diarrhoe. Eine spezifische symptomatische Behandlung habe noch nicht stattfinden können, weil man trotz ambulanter und stationärer Aufenthalte und maximaler Diagnostik eine Ursache der Beschwerden nicht gefunden habe. Der neurologische und psychiatrische Untersuchungsbefund sei bis auf eine leichte Reduktion des Antriebs und eine Reduktion der Belastbarkeit unbeeinträchtigt. Auf Grund der Angaben der Klägerin sei eine Belastbarkeit von mehr als 3 Stunden täglich momentan nicht gewährleistet. An der Glaubwürdigkeit der Klägerin habe er keine Zweifel. Die hauptsächliche gutachterliche Stellungnahme hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit müsse auf internistisch-gastroenterologischem Fachgebiet vorgenommen werden.

Die Beklagte erhob daraufhin das Gutachten des Internisten und Gastroenterologen Dr. K. vom 2.10.2005 (Verwaltungsakte S. 243). Dieser diagnostizierte eine chronische cholestatische Hepatitis unklarer Genese, ein Reizdarmsyndrom vom Diarrhoetyp, anamnestisch Fieberschübe unklarer Genese, nephritisches Sediment, Hypercholesterinämie und Nikotinabusus. Seit ihrem Mexikoaufenthalt leide die Klägerin an rezidivierenden Fieberschüben und Nachtschweiß sowie Gewichtsverlust unklarer Genese. Umfangreiche ambulante und stationäre (auch invasive) Untersuchungen (einschließlich ERCP, laparoskopische Leberbiopsie, Ileo-Coloskopie, ÖGD, Beckenkammbiopsie) seien durchgeführt worden; eine Beschwerdeursache habe nicht festgestellt werden können. Der klinische Untersuchungsbefund sei in jeder Hinsicht regelrecht und diskrepant zur Beschwerdesymptomatik. Der angegebene Gewichtsverlust könne nicht nachvollzogen werden, da die Klägerin das gleiche Gewicht wie bei der stationären Rehabilitationsbehandlung oder bei vorangegangenen Untersuchungen aufgewiesen habe. Der Gutachter stellte die Frage, ob die Fieberschübe jemals objektiviert worden seien. Aus internistisch-gastroenterologischer Sicht könne die Klägerin als kaufmännische Angestellte 6 Stunden täglich arbeiten. Ein psychiatrisches Gutachten werde für sinnvoll erachtet.

Nachdem die Klägerin Mängel bzw. Ungereimtheiten des Gutachtens des Dr. K. geltend gemacht und dieser dazu Stellung genommen hatte (Verwaltungsakte S. 261, 291), wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7.3.2006 zurück.

Am 17.3.2006 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob die Gutachten des Internisten und Arbeitsmediziners Dr. B. vom 19.12.2006 und des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 5.3.2007.

Die Internistin und Rheumatologin Dr. M.-E. konnte keine Leistungseinschätzung abgeben; die Klägerin habe immer wieder erhöhte Temperaturen bis 38,6 ° C angegeben (Bericht vom 20.6.2006; letzte Behandlung am 4.8.2005). Der Internist Dr. M. vertrat die Auffassung, die Klägerin könne nicht mehr 6 Stunden täglich arbeiten (Bericht vom 28.7.2006).

Dr. B. führte aus, die Klägerin habe (u. a.) angegeben, bei der Arbeit trete Fieber auf. Die Fieberzustände hätten keine Systematik. Die maximale Temperatur liege bei bis zu 39,6 ° C. Die Temperatur könne innerhalb von ein bis zwei Stunden ansteigen, dann für zwei bis drei Tage anhalten und langsam wieder abfallen. Dann sei eventuell ein bis zwei Tage, manchmal auch länger Ruhe, bis es wieder zu einem Fieberanstieg komme. Die Tage mit Fieber seien häufiger. In psychiatrischer Behandlung befinde sie sich nicht. Sie habe Lebensfreude und leide nicht unter Depressionen.

Bei der Klägerin sei eine umfangreiche Diagnostik ohne Ergebnis durchgeführt worden. Auch die probatorisch durchgeführten Therapien seien ohne Erfolg geblieben. Dr. M.-E. habe mittlerweile die Diagnose eines myofaszialen Schmerzsyndroms im Übergang in ein Fibromyalgiesyndrom gestellt, was jedoch nicht richtig sein dürfte, da die Kriterien dieses Krankheitsbildes bei der Klägerin nicht vorlägen. Im Vordergrund stünden nicht Gelenkbeschwerden, sondern Fieberschübe und Durchfallsymptome. Die beiden gravierenden Symptome seien die Fieberschübe und die Durchfallerscheinungen. Bei beiden Symptomkomplexen handele es sich um subjektiv angegebene Beschwerden, deren Verifizierung mit vertretbarem Aufwand nicht gelinge. Daher sei man auf die anamnestischen Angaben der Klägerin angewiesen. Stuhlfrequenzen der angegebenen Art, die nicht täglich aufträten, dürften bei einem entsprechenden ortsfesten Arbeitsplatz keine Bedeutung haben. Schwierig gestalte sich die Bewertung der Fieberschübe, die bislang nicht, beispielsweise mit einem Temperaturprotokoll, analysiert worden seien. Es könne nicht bewiesen werden, ob die Angaben der Klägerin nachvollziehbar seien. Falls Sie häufiger, wie behauptet, unter deutlich erhöhter Temperatur leide, wäre das Leistungsvermögen hochgradig beeinträchtigt und die Klägerin wäre außerstande, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Subfebrile Temperaturen (bis 38,5 ° C) bzw. nur gelegentlich auftretende fiebrige Temperaturerhöhungen wären dagegen kein Grund, von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. In diesem Fall käme es allerdings eventuell zu häufigen ambulanten Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten. Temperaturprotokolle dürften während stationärer Behandlungen angefertigt worden sein; gegebenenfalls müssten entsprechende Krankenakten eingesehen werden. Die von der Klägerin berichteten arthritischen Beschwerden hätten im Untersuchungszeitpunkt nicht vorgelegen; sie spielten unter Berücksichtigung der anderen Symptome eine untergeordnete Rolle, bedingten jedoch bedeutsame qualitative Einschränkung.

Auf internistischem Fachgebiet hätten im Untersuchungszeitpunkt keine akuten krankhaften Befunde vorgelegen. Weder sei eine erhöhte Temperatur gemessen worden, noch habe eine Durchfallsymptomatik festgestellt werden können. Der Allgemeinzustand der Klägerin sei recht gut. Bei Begutachtung habe es keine gravierende Beeinträchtigung des Leistungsvermögens gegeben. Die Beurteilung der quantitativen Leistungsfähigkeit hänge davon ab, wie ausgeprägt die angegebenen Temperaturerhöhungen seien. Falls die Klägerin häufiger, also an mehr als 50 Prozent aller Tage, an Fieber leide, läge das Leistungsvermögen unter 3 Stunden täglich. Vollschichtiges Leistungsvermögen wäre anzunehmen, wenn das Fieber nur etwa einmal im Monat für wenige Tage auftrete.

Dr. H. führte aus, die Klägerin habe (u. a.) angegeben, als Tante habe sie viele Neffen und Nichten, mit denen sie immer etwas unternehme, wie Radtouren, Schwimmbadbesuche, Besuche im Vergnügungspark, Einkaufen und Kochen. Als Hobbys habe sie Handarbeiten, Stricken und die Anfertigung von Schmuck. Sie lese auch gerne Krimis. Über Weihnachten habe sie einen einwöchigen Urlaub auf G. C. verbracht. Ihr großer Traum sei eine Reise nach A. zur ältesten Tochter ihrer Schwester; vielleicht werde man diese Reise in diesem Jahr unternehmen.

Der Gutachter legte dar, die Klägerin habe affektiv durchaus schwingungsfähig gewirkt und sei nicht depressiv herabgestimmt. Es bleibe die Diskrepanz, dass sie einerseits verbal darüber klage, es gehe ihr gar nicht gut und sie habe immer wieder Rheumaschübe, Darmprobleme und Fieber, dass dies andererseits aber affektiv gar nicht spürbar sei; sie erzähle alles in gleich lebhaftem Ton wie den Bericht über ihren Urlaub in G. C. und lächle mitunter kokett. Die Klägerin klage einmal darüber, dass sie nach dem Heruntertragen des Mülls schon im ersten OG eine Pause einlegen und sich hinsetzen und sich sodann wieder die Treppe weiter hoch schleppen müsse, wonach sie total geschafft sei. Außerdem könne sie wegen ihrer Rheumabeschwerden nicht einmal mehr um den Block herumgehen und traue sich wegen rezidivierender Durchfälle kaum aus dem Haus. Als Gegenstück berichte sie von einem einwöchigen Urlaub auf G. C. mit Standspaziergängen, Restaurantbesuchen, Fahrten in die Berge, ohne mit einer Silbe zu erwähnen, dass sie durch irgendwelche Beschwerden oder Symptome beeinträchtigt gewesen wäre. Sie leide an einer nicht definierbaren Erkrankung, ohne dass dieses Leiden so ausgeprägt wäre, dass das ganze Leben - wie teilweise geschildert - nachhaltig beeinträchtigt würde. Die psychische Symptomatik sei eher grenzwertig bis leicht ausgeprägt, sodass man es der Klägerin überlassen könne, ob sie psychotherapeutische Hilfe beanspruche oder nicht. Im Hinblick auf die hier fragliche Rentengewährung sei aber zu prüfen, ob wirklich alle ambulanten und stationären Maßnahmen ausgeschöpft seien. Das sei zu verneinen. Vielmehr liege ein ausgeprägtes Behandlungsdefizit vor.

Der Gutachter diagnostizierte eine grenzwertig bis leicht ausgeprägte Somatisierungsstörung (mit Reizdarmsyndrom). Durch die Somatisierungsstörung sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht zusätzlich beeinträchtigt. Sie könne als kaufmännische Angestellte vollschichtig arbeiten. Die von Dr. K. im Gutachten vom 11.7.2005 festgestellte Antriebsminderung habe sich bei der jetzigen Untersuchung nicht gezeigt.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.9.2007 gab das Sozialgericht der (anwesenden) Klägerin auf, ab 21.9.2007 zwei Monate lang täglich früh und abends die Körpertemperatur zu messen und zu dokumentieren. Sofern Fieber auftrete (über 38,5 ° C), solle sie zur Objektivierung den Hausarzt aufsuchen.

Hierzu trug die Klägerin vor, der Hausarzt könne die Objektivierung nicht durchführen, zumal der Weg zu seiner Praxis mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eine Stunde betrage. Deswegen habe eine andere Patientin des Hausarztes, Frau G., sich bereit erklärt, die Messungen bei ihr durchzuführen und zu dokumentieren, worüber eine notarielle Urkunde vom 28.11.2007 angefertigt worden sei. Außerdem habe sie eine eigene Fieberdokumentation erstellt (SG-Akte S. 107).

In der notariellen Urkunde vom 28.11.2007 ist ausgeführt, Frau G. habe die Richtigkeit der beigefügten Liste mit Körpertemperaturmessungen bei der Klägerin an Eides statt versichert.

Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin H. vom 7.2.2008 vor. Darin ist ausgeführt, die Wertigkeit der vorgelegten Dokumentationen müsse das Sozialgericht würdigen. Mit der dokumentierten Frequenz hinsichtlich der Diarrhoe werde bei Versicherten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung üblicherweise keine Leistungsminderung im rentenrechtlichen Sinn anerkannt, weil auch bei vollschichtiger Arbeitszeit Toilettenbesuche problemlos mit der persönlichen Verteilzeit möglich seien. Die Angaben zu Nachtschweiß und Schlafanzugwechsel sowie Inkontinenz beruhten ausschließlich auf subjektiven Mitteilungen der Klägerin; die Inkontinenz habe bislang nicht objektiviert werden können und wäre ohnehin zunächst zu therapieren. Die Rheuma- und Gelenkschmerzen würden konstant als stark bezeichnet. Insoweit sei auffällig, dass bei dieser Ausprägung über einen zweimonatigen Zeitraum keinerlei Änderungen, Erweiterungen oder Ergänzungen der Medikation erfolgt, vielmehr die Standarddosierung für die Dauerbehandlung beibehalten worden sei. Außerdem sei keine schmerz- oder psychotherapeutische Mitbehandlung zur besseren Bewältigung eingeleitet worden. Hinsichtlich der Temperaturmessungen gebe die Klägerin an 24 der 62 Tage des Erfassungszeitraums Temperaturen über 38,5 ° C an. Für zwölf Tage liege eine Bestätigung durch Frau G. vor. Die vom Sozialgericht vorgeschlagene Objektivierung durch den Hausarzt wäre akzeptabel; die praktizierte Variante erscheine demgegenüber äußerst fragwürdig.

Mit Urteil vom 10.4.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das Leistungsvermögen der Klägerin sei nicht in rentenberechtigendem Maße gemindert, da sie leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Das gehe aus den Gutachten der Dres. K., H. und B. überzeugend hervor, während der Auffassung des Dr. K. nicht gefolgt werden könne. Der Auflage, die behaupteten Fieberschübe und Durchfälle zu objektivieren, sei die Klägerin nur unzureichend nachgekommen. Ärztliche Bestätigungen habe sie nicht eingereicht. Selbst wenn man die Angaben der Frau G. zugrundelege, ergebe sich, dass nur an 17 von insgesamt 62 Tagen Temperaturen über 38,5 ° C vorgelegen hätten. Das von Dr. B. für quantitative Leistungsminderungen geforderte Ausmaß (50 Prozent der Tage) sei damit nicht nachgewiesen. Die persönlichen Angaben der Klägerin könnten mangels Objektivierung und im Hinblick auf die von Dr. H. in seinem Gutachten geschilderten Diskrepanzen in ihrem Vorbringen einen Rentenanspruch nicht begründen.

Auf das ihr am 1.7.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1.8.2008 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Sozialgericht kategorisch fordere, die erhobenen Fieberdaten durch den Hausarzt zu objektivieren. Vielmehr müsse ausreichen, wenn eine dritte Person die Messdaten in Form einer eidesstattlichen Versicherung bestätige. Außerdem hätte Dr. B. zu den Dokumentationen ergänzend Stellung nehmen sollen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.4.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.3.2006 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. B. vom 19.12.2008 eingeholt. Darin ist ausgeführt, die Protokollierung des Temperaturverlaufs wäre an sich schon aus diagnostischen und therapeutischen Gründen bereits deutlich früher notwendig gewesen; erstaunlich sei, dass die behandelnden Ärzte dies nicht veranlasst hätten. Ausreichend wäre eine Aufzeichnung über einen Zeitraum von zwei Wochen. Freilich hätten im Vorfeld unbedingt die Messbedingungen (Messort, Messgerät, genauer Zeitpunkt der Messung usw.) geklärt werden müssen. Außerdem hätten die Messwerte in Beziehung gesetzt werden müssen zu Angaben des Allgemeinzustandes bzw. der Alltagstätigkeit. So wäre es etwa interessant gewesen, ob es mit den am 4.11.2007 gemessenen 38,7 ° C Einschränkungen am Geburtstag der Klägerin gegeben habe. Die gleich bleibende Aussage, die Klägerin habe starke Schmerzen, sei unzureichend. Die angeblichen 16 Nachmessungen der Frau G. seien nicht nachvollziehbar, zumal auch hier die Messbedingungen nicht geklärt seien. Es bestehe die Vermutung, dass die Temperaturwerte in der Liste der Frau G. von der Klägerin eingetragen worden seien, da es sich um die gleiche Handschrift handle und die aufgeführten Werte exakt den Werten im Protokoll der Klägerin selbst entsprächen.

Entgegen den Angaben der Klägerin liege bei ihr keine Inkontinenz vor; die Durchfall-symptomatik bewirke keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens. Außerdem frage sich, wie die Klägerin entsprechende Vorsorge während ihrer aktiv gestalteten Freizeit oder eines mehrstündigen Fluges treffe. Hinsichtlich des Fiebers hänge die Erwerbsfähigkeit nicht allein von der physikalisch exakten Messung ab. Maßgeblich sei vielmehr, wie der Allgemeinzustand und das Allgemeinbefinden der Klägerin während der Zeit mit erhöhter Temperatur einzuschätzen sei. Hierüber gebe es keine verlässlichen Angaben. Daher könnten die Temperaturmessungen nicht als Indiz für eine Leistungsminderung herangezogen werden. Außerdem hätten die morgens gemessenen Werte im Allgemeinen im Normbereich gelegen, während die abendlichen Werte etwa zur Hälfte erhöht gewesen seien. Daher liege ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor.

Grundsätzlich werde das Temperaturprotokoll aber ohnehin für unzureichend erachtet. Vorgeschlagen werde, etwa vorhandene Krankenakten früherer Krankenhausaufenthalte dahingehend zu überprüfen, ob dort erhöhte Temperaturen dokumentierten worden seien. Nach den Ausführungen in den jeweiligen Entlassungsberichten und anderen Befundberichten (in den Verwaltungsakten der Beklagten) könnten die Angaben der Klägerin und ihre Fieberprotokollwerte nicht bestätigt werden. So habe etwa Dr. M.-E. mitgeteilt, die Klägerin habe nach eigenen Angaben immer wieder Temperaturen bis 38,6 ° C angegeben. Auch der Hausarzt könnte gegebenenfalls befragt werden. Bei dem jahrelangen Krankheitsverlauf sei nicht vorstellbar, dass dieser nicht wenigstens gelegentlich wegen der Fieberwerte konsultiert worden sei. Unerklärlich sei zudem, warum die Klägerin keine fiebersenkenden Medikamente verwende; insoweit gebe es ausreichend wirksame Präparate. Außerdem werde auf die von Dr. H. geschilderten Diskrepanzen verwiesen. Fraglich sei etwa, ob die Klägerin während ihrer Fernreisen die häufigen abendlichen Temperaturerhöhungen ohne Verlust von Urlaubsfreuden und ohne Medikamente bewältigt habe oder etwa am Urlaubsort Ärzte habe konsultieren müssen. Im Ergebnis begründeten die vorgelegten Fieberprotokolle keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens.

Die Klägerin hat hierzu (u. a.) vorgetragen, nunmehr habe sie sich auch in psychologische Behandlung begeben. Außerdem nehme sie zweimal täglich Ibuprofen ein, ein Schmerzmittel, das auch fiebersenkend wirke. Die Angaben zur Freizeitgestaltung (Gutachten Dr. H.) hätten sich auf die Zeit vor Eintritt der den Rentenantrag auslösenden Beschwerden nach dem Urlaubsaufenthalt in Mexiko bezogen.

Der Senat hat sodann den Bericht des Hausarztes der Klägerin, Dr. M., vom 31.7.2009 eingeholt. Darin ist ausgeführt, nach Durchsicht aller Unterlagen sei in seiner Praxis eine einzige Temperaturmessung erfolgt; am 5.10.2007 seien 36,8 ° C gemessen worden.

Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist sodann das Gutachten des Prof. Dr. P. (Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin IV – Rheumatologie und Klinische Immunologie – der Universitätsklinik F.) vom 23.4.2010 erhoben worden. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe über chronische Schmerzen im Bereich der Knie, der Oberschenkel, der Ellenbogen, der Oberarme, der Schlüsselbeine sowie im Nacken berichtet; es bestehe eine Art "Muskelkater" am ganzen Körper. Sie fühle sich unbeweglich. Die Schmerzen seien auch in Ruhe vorhanden. Außerdem sei ein Reizdarmsyndrom mit chronischer Diarrhoe und zeitweiser Stuhlinkontinenz angegeben worden. Etwa zweimal täglich komme es nach Angaben der Klägerin zu Durchfällen, wobei sie innerhalb weniger Sekunden eine Toilette erreichen müsse. Unter der regelmäßigen Einnahme von Ibuprofen sei seit einem Jahr kein Fieber mehr aufgetreten. Bereits kleine Anstrengungen führten - so die Klägerin – zu "totaler Erschöpfung". In größeren Zeitabständen (zuletzt 11/09) stelle sie sich bei einer Rheumatologin vor. Regelmäßige Physiotherapie sei nie verordnet worden. Für die vom Hausarzt empfohlene psychologische Unterstützung habe die Klägerin keinen geeigneten Therapeuten gefunden. Derzeit arbeite die Klägerin einen halben Tag in der Woche - vor allem zur Ablenkung - als Aushilfe in einem Kinderkleiderladen einer Freundin.

Einen festen Tagesablauf habe die Klägerin nach eigenen Angaben nicht. Sie marschiere morgens 15 bis 20 Minuten oder mache eine kleine Runde mit dem Fahrrad. Anstrengende Haushaltstätigkeiten (wie Fenster putzen, Betten beziehen, Einkauf im Supermarkt) übernehme der Ehemann. Abspülen und Staubsaugen erledige die Klägerin. Zeitweise gehe sie bis zu 1 Stunde (mit Pausen) mit dem Hund spazieren. Sie müsse sich zu jeder Aktivität überwinden und sei immer sehr müde und schlafe regelmäßig mittags (mit Buch) 30 bis 45 Minuten. Unternehmungen seien schwierig, auch weil immer eine Toilette in Reichweite sein müsse. An schlechten Tagen halte sie sich auf dem Sofa auf oder nehme ein heißes Bad. Die Klägerin lese gerne und brauche Ablenkung. Der letzte Urlaub sei 2008 auf G. C. verbracht worden.

Der Gutachter hat folgende Diagnosen gestellt: ein Fibromyalgiesyndrom (ED 8/05) bei 16/18 positiven Tenderpoints, ein Reizdarmsyndrom mit chronischer Diarrhoe seit ca. 2003 (Zustand nach mehrfacher Koloskopie zuletzt 4/05 ohne Hinweis für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung), eine depressive Stimmungslage, Schlafstörungen, eine grenzwertig bis leicht ausgeprägte Somatisierungsstörung, eine unklare Entzündungskonstellation (ED 11/2000) mit Leukozytose, Thromobzytose, geringgradiger CRP-Erhöhung, Gamma-GT-, Leber-AP- und CK-Erhöhung, rezidivierendem Fieber, B-Symptomen, rezidivierenden Arthralgien und Arthritiden (initial Sprunggelenke betroffen), latenten Eisenmangel (ED 1/10) mit Transferrinsättigung 15%, keine Anämie, fortgeführten Nikotinkonsum (ca. 15 py), eine kortikale Nierenzyste rechts (Durchmesser 2 cm), Sigmadivertikulose sowie Z. n. Ulcus gastrica und Appendektomie im Jugendalter.

Bedeutsam erscheine vor allem die Diagnose des Fibromyalgiesyndroms. Bei dieser Erkrankung sei zunächst von einer vollschichtigen Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten auszugehen, die sich jedoch auf ein halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen vermindern könne, wenn in mehreren Dimensionen (Bewegungsapparat, funktionelle Beschwerden, Depressivität und Angst) erhebliche Beeinträchtigungen festzustellen seien. Nur im extremen Fall könne bei der Fibromyalgie die Bewertung der Krankheitsfolgen, insbesondere bei zusätzlich misslungener Krankheits- und Schmerzbewältigung ("catastrophizing") zur Attestierung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führen. Da das Krankheitsbild nicht heilbar, jedoch durch körperliches Training günstig zu beeinflussen sei, bestehe das Therapieziel darin, mit der Krankheit leben zu lernen; dabei gelte regelmäßige Arbeit als wichtiges therapeutisches Element, das eine feste Tagesstrukturierung biete. Zeitrenten seien daher eher kontraproduktiv und führten eher zu einer Chronifizierung.

Die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms führe nicht per se zu einer Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Beurteilung müsse zusätzlich von so genannten Konvergenzfaktoren abhängig gemacht werden, bei der Klägerin von der Müdigkeit als Folge der Schlafstörungen und den rezidivierenden Diarrhoen. Zudem bestehe im Rahmen des Fibromyalgiesyndroms eine vermehrte Erschöpfbarkeit, weshalb der Klägerin mehr Zeit für Regeneration zugestanden werden müsse. Auf Grund der rezidivierenden Diarrhoen solle zudem eine Toilette jederzeit zur Verfügung stehen und die Tätigkeit für einen Toilettengang unterbrochen werden können. Leichte Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten und ohne Zwangshaltungen seien (unter qualitativen Einschränkungen: kein Akkord, Arbeit auf Leitern oder Gerüsten und an laufenden Maschinen sowie in Schicht- und Nachtarbeit ungünstig, keine Arbeit in Kälte oder Nässe, im Freien unter Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Stäuben, Gasen, Dämpfen, unter starker Beanspruchung des Gehörs oder des Sehvermögens) am besten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen möglich. Eine vollschichtige Tätigkeit sei allerdings auf Grund der verlängerten Regenerationszeit nach Belastungen bei Fibromyalgie nicht zumutbar. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin 4 Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben. Die Klägerin habe die lange erste Vorstellung in der Ambulanz mit einer kurzen Pause über die Mittagszeit sehr gut meistern und stets konzentriert und umfassend Auskunft geben können. Wegen der Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit bei Fibromyalgiesyndrom müssen auf regelmäßige Pausen geachtet werden. Auch seien längere Erholungsphasen erforderlich; eine längere Pause nach der Hälfte der Arbeitszeit wäre günstig. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Unter analgetischer, antiphlogistischer und antipyretischer Therapie bestünden seit etwa einem Jahr kein Fieber und keine Gelenkschwellungen mehr.

Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die derzeitige Symptomatik irreversibel sei. Sicherlich seien langfristige, intensive, multimodale Therapieverfahren erforderlich; eine Besserung der Symptomatik mit Verbesserung der Leistungsfähigkeit, einhergehend mit einer Verlängerung der täglichen Arbeitszeit sei dann durchaus möglich. Der Einfluss therapeutischer Maßnahmen sei nicht vorhersehbar. Die therapeutischen Maßnahmen bei der Klägerin seien derzeit unzureichend und nicht ausgeschöpft. Bislang sei nur einmal eine Rehabilitationsmaßnahme (10/2004) durchgeführt worden. Regelmäßige und intensive physiotherapeutische Maßnahmen seien trotz der langen Krankheitsdauer bisher nie verordnet worden. Letztere wären mindestens zweimal wöchentlich dringend indiziert. Auch kontinuierlich und langsam zu steigernder Ausdauersport sei nicht konsequent angewendet worden. Die Wiederholung einer Rehabilitationsmaßnahme werde (bei entsprechender Bereitschaft der Klägerin) empfohlen. Auch Medikamente (Amitryptilin) sollten regelmäßig und in ausreichender Dosierung eingenommen werden. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme könne den Beginn einer positiven Beeinflussung des Krankheitsbildes darstellen. In den Vorgutachten sei das Fibromyalgiesyndrom nicht ausreichend bzw. gar nicht gewürdigt worden. Rezidivierende Fieberschübe bestünden aktuell nicht mehr.

Die Beklagte hat zum Gutachten des Prof. Dr. P. die beratungsärztliche Stellungnahme der Dipl.-Med. G. vom 2.6.2010 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, der Leistungseinschätzung des Prof. Dr. P. könne nicht gefolgt werden. Es bestehe ein eindeutiger Widerspruch zwischen den geklagten Beschwerden (Schmerzen, Morgensteifigkeit, Durchfall, Erschöpfung) und den erhobenen klinischen, laborchemischen und röntgenologischen Befunden und dem daraus abgeleiteten Leistungsvermögen. Seit einem Jahr trete kein Fieber mehr auf. Schwerwiegende funktionelle Defizite am Stütz- und Bewegungsapparat lägen nicht vor. Der Gelenkstatus zeige keine geschwollene, gerötete oder überwärmte Gelenke. Klinisch im Vordergrund stünden 16 von 18 möglichen positiven Tenderpoints. Die laborchemischen Befunde seien nicht diagnoseweisend. Sonografisch bestehe außer einer Nierenzyste rechts ein unauffälliger Befund. In der Lungenfunktionsdiagnostik finde sich eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung. Der Tagesablauf und das Hobby- und Freizeitverhalten seien nicht wesentlich eingeschränkt. Aus den Fragebögen zur Selbsteinschätzung werde neben einer depressiven Stimmungslage auch eine grenzwertig bis leicht ausgeprägte Somatisierungsstörung abgeleitet. Das stelle jedoch eine fachübergreifende Bewertung hinsichtlich des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets dar. Langfristige, intensive, multimodale Therapieverfahren einschließlich einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Schmerztherapie/Psychotherapie seien noch nicht angewendet worden. Auch eine antidepressive Begleitmedikation erfolge nicht. In Kenntnis der Befunde sei aus sozialmedizinischer Sicht ein global über 6-stündiges Leistungsvermögen vorhanden.

Auf Anregung des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten ist abschließend das nervenärztliche Gutachten des PD Dr. Dr. B. (Zentrum für Seelische Gesundheit, Klinikum St.) erhoben worden (ohne Datum, Eingang bei Gericht am 23.8.2011). Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, seit einem Jahr komme es durch Einnahme von Ibuprofen nicht mehr zu Fieberschüben. Seit sie die Diagnose der Fibromyalgie kenne, mache sie gezielt physiotherapeutische Übungen, die ihr helfen würden. Sie habe einen festen Tagesablauf, mache morgens Spaziergänge und fahre Rad, oft in das Nachbardorf, dort gehe sie oft im Hallenbad Schwimmen, einfachere Hausarbeit übernehme sie, körperlich anstrengende Tätigkeiten erledige der Ehemann. Sie habe viele Freunde und viele Hobbies und lese viel. Früher habe sie oft Reisen unternommen, was derzeit nicht mehr der Fall sei, da ihr die Darminkontinenzprobleme etwas zu schaffen machten. Täglich habe sie 2-mal wässrigen Stuhlgang und müsse bei Stuhldrang schnell eine Toilette aufsuchen. Ihr Antrieb sei gut, die Stimmung nicht depressiv, eher gelöst und heiter; sie fühle sich nicht psychisch krank.

Der Gutachter hat einen guten Allgemeinzustand und aus psychiatrischer Sicht keinen als pathologisch zu wertenden Befund gefunden. Ein Anhalt für eine Depression bestehe nicht. Das Fibromyalgiesyndrom könne unter die somatoformen Schmerzstörungen eingeordnet werden; für diese habe man bei der Untersuchung der Klägerin aber nur unzureichend Anhaltspunkte gefunden. Da eine seelische Erkrankung nicht vorliege, gebe es auf nervenärztlichem Fachgebiet auch keine beruflichen Leistungseinschränkungen. Die geschilderte Schmerzsymptomatik sehe man im Rahmen des Fibromyalgiesyndroms und ordne sie nicht im Sinne einer Somatisierungsstörung ein.

Die Beklagte hat hierzu die Auffassung vertreten, von nervenärztlicher Seite werde keine quantitative Leistungsminderung gesehen. Die Schlafstörungen hätten sich unter mildem Antidepressivum gebessert. Die Schmerzmedikation liege mit 3 x 600 mg Ibuprofen im unteren Bereich möglicher Schmerztherapie. Der Tagesablauf der Klägerin sei ausgefüllt, unter anderem auch mit körperlichen Aktivitäten. Sie habe breit gestreute Interessen, denen sie auch nachgehe, die Symptomatik der Schmerzerkrankung bestimme keinesfalls ihr Leben.

Von Seiten der Klägerin wurde abschließend das Schreiben der Psychotherapeutin Dr. L. vom 14.11.11 vorgelegt. Danach sei die Klägerin seit November 2011 (gemeint wohl 2010) bei ihr in Behandlung. Nach ihrer diagnostischen Erhebung weise sei eine Anpassungsstörung mit länger anhaltender depressiver Reaktion auf. Begleitsymptome dieser Störung bildeten soziale Isolation, Antriebslosigkeit, Grübelzwang sowie vegetative Erschöpfungszustände. Nach Durchführung von 25 Therapiesitzungen habe sich der physische und psychische Zustand der Klägerin leicht verbessert, sei jedoch unverändert instabil. Hauptgrund hierfür seien die weiterbestehende Fibromyalgie und die Reizdarmsyptomatik. Antrieb und Affektlage seien noch stark vermindert. Eine tägliche mehrstündige Beschäftigung sei nach dem derzeitigen Stand der Therapie nicht denkbar, dies würde bei der Klägerin einen enormen Stress auslösen, der zu einer Verschlimmerung der Köpersymptome führen würde. Aus ihrer Sicht sei eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nicht zumutbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren; die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ist ergänzend anzumerken:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts 6 Stunden täglich verrichten kann, was die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ausschließt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den Gutachten der Dres. K., H. und B. und des PD Dr. Dr. B. hervor. Die Auffassung des Prof. Dr. P. kann demgegenüber nicht überzeugen.

Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt eine Erkrankung nicht vor. Das hat PD Dr. Dr. B. in seinem Gutachten festgestellt. Die Klägerin macht Leistungseinschränkungen etwa wegen einer (hinreichend) schwergradigen Depressionserkrankung auch nicht (mehr) geltend. Vielmehr hat sie bei der Begutachtung durch PD Dr. Dr. B. bei gutem Antrieb und gelöster und heiterer Stimmung selbst angegeben, sich nicht psychisch krank zu fühlen; auch bei Dr. B. (Gutachten vom 19.12.2006 hatte die Klägerin Depressionen verneint. Der von PD Dr. Dr. B. eruierte Tagesablauf unterstreicht das. Danach hat die Klägerin einen festen Tagesablauf, macht morgens Spaziergänge und fährt Rad, oft in das Nachbardorf, geht oft im Hallenbad zum Schwimmen und erledigt die Hausarbeit mit Ausnahme körperlich anstrengender Tätigkeiten, die der Ehemann übernimmt. Sie hat viele Freunde und viele Hobbies und liest viel. Reisen unternimmt sei nur deshalb nicht mehr wie früher, weil ihr die Darminkontinenzprobleme etwas zu schaffen machen. Damit hat sich die Richtigkeit der Auffassung des Dr. H. (Gutachten vom 5.3.2007) bestätigt, der auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet rentenrechtlich beachtliche Leistungseinschränkungen ebenfalls nicht finden konnte. Das Gutachten des Dr. K. vom 11.7.2005 (dessen Überzeugungskraft dahingestellt) ist (jedenfalls) überholt.

Auf internistischem Fachgebiet standen lange Zeit von der Klägerin behauptete Fieberschübe im Vordergrund. Dazu kommt es nach Angaben der Klägerin seit über einem Jahr nicht mehr. Der Senat kann deshalb offen lassen, wie das Vorbringen zu Fieberschüben in sozialmedizinischer Hinsicht zu werten gewesen wäre; sollten damit rentenrechtlich beachtliche Leistungseinschränkungen verbunden gewesen sein, liegen diese jedenfalls nicht mehr vor.

Wegen des Reizdarmsyndroms vom Diarrhoetyp sind rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen ebenfalls nicht festzustellen. Dazu sind die Auswirkungen dieser Erkrankung auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ersichtlich nicht schwerwiegend genug.

So erhob schon der Gastroenterologe Dr. K. im Gutachten vom 2.10.2005 einen regelrechten, zur Beschwerdesymptomatik diskrepanten klinischen Untersuchungsbefund. Den behaupteten Gewichtsverlust konnte er nicht bestätigen, da das Gewicht der Klägerin verglichen mit Voruntersuchungen konstant geblieben war. Dr. B. stellte im Gutachten vom 19.12.2006 bei der in gutem Allgemeinzustand befindlichen Klägerin eine Durchfallsymptomatik nicht fest und fand auf internistischem Fachgebiet (ebenfalls) keine krankhaften Befunde. Zuvor war die Klägerin aus der im Oktober 2004 absolvierten Rehabilitationsbehandlung in der Klinik T. mit 6-stündigem Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten entlassen worden (Bericht vom 29.10.2004), obgleich die maßgeblichen Beschwerden - die nach einem Mexikoaufenthalt im Jahr 2000 aufgetreten seien - seinerzeit ebenfalls vorhanden gewesen sein mussten.

Die Angaben der Klägerin zu ihrem Freizeitverhalten und Alltagsleben unterstreichen, dass sozialmedizinisch beachtliche Leistungseinschränkungen wegen des Reizdarmsyndroms nicht bestehen. So teilte sie etwa bei der Begutachtung durch Dr. H. (Gutachten vom 5.3.2007) mit, sie habe viele Neffen und Nichten, mit denen sie immer etwas unternehme, wie Radtouren, Schwimmbadbesuche, Besuche im Vergnügungspark oder Einkaufen. Bei der Begutachtung durch PD Dr. Dr. B. im Berufungsverfahren berichtete sie über ihren festen Tagesablauf mit morgendlichen Spaziergängen, Fahrradfahrten, oft in das Nachbardorf und Schwimmbadbesuchen. Ähnlich Angaben finden sich bei der Begutachtung durch Prof. Dr. P. (Gutachten vom 19.1.2010). Auch Urlaubsreisen mit mehrstündigen Flügen sind - im Jahr 2006 (Weihnachten) und 2008 nach G. C. (Weihnachten 2006 mit Strandspaziergängen, Restaurantbesuchen und Fahrten in die Berge - Gutachten Dr. H. vom 5.3.2007) durchgeführt bzw. als Fernreise für das Jahr 2007 nach A. geplant worden (ebenfalls Gutachten Dr. H. vom 5.3.2007). Das Vorbringen der Klägerin, die Angaben bei Dr. H. hätten sich auf die Zeit vor dem Mexikoaufenthalt, also auf die Zeit vor November 2000 bezogen, stellt eine Schutzbehauptung dar, mit der ein Rentenanspruch nicht zu erwirken ist.

Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, weswegen Darmprobleme die Klägerin an der Ausübung leichter Tätigkeiten über 6 Stunden täglich hindern sollten, zumal sie bei PD Dr. Dr. B. auch (nur) davon gesprochen hat, die Darminkontinenzprobleme machten ihr etwas zu schaffen, weswegen man Reisen nicht mehr wie früher unternehme. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben lediglich zweimal täglich wässrige Durchfälle und mit der Notwendigkeit, bei Stuhldrang schnell eine Toilette aufsuchen zu müssen (Gutachten Prof. Dr. P ... vom 23.4.2010, Gutachten PD Dr. Dr. B.). Dem ist, wie die Ärztin H. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7.2.2008 zutreffend dargelegt hat, mit den persönlichen Verteilzeiten (dazu Senatsbeschluss vom 26.10.2010, - L 5 R 2916/10 -) Rechnung zu tragen; zur Berentung führt das nicht. Davon abgesehen ist auch das Vorbringen der Klägerin zur Durchfallsymptomatik (nicht anders als zuvor die Behauptungen zu Fieberschüben) nicht objektiviert und es bestehen hieran im Hinblick auf die beschriebenen Freizeitaktivitäten nicht unerhebliche Zweifel. Insoweit sei auch darauf verwiesen, dass die Klägerin (u.a) ihre Darmprobleme ohne affektive Beteiligung geschildert hat (Gutachten Dr. H. vom 5.3.2007), was den Verdacht wecken muss, das sie zumindest im behaupteten Ausmaß so nicht vorliegen. Das Vorliegen von Inkontinenz hat Dr. B. in der ergänzenden Stellungnahme vom 19.12.2008 verneint. Eine etwaige Inkontinenzsymptomatik wäre zudem behandelbar und zu behandeln und führte nicht unbesehen zur Berentung; auch hierauf hat die Ärztin H. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7.2.2008 zu Recht hingewiesen.

Der Auffassung des Prof. Dr. P. in dessen auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 23.4.2010 kann sich der Senat nicht anschließen. Der Gutachter stellt für seine Auffassung (Leistungsvermögen 4 Stunden täglich) auf eine von ihm diagnostizierte Fibromyalgieerkrankung ab. Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind freilich nicht diagnostische Kategorien, sondern sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Leistungseinschränkungen maßgeblich. Insoweit hat aber Prof. Dr. P. selbst (zu Recht) dargelegt, dass das mit dem Begriff der Fibromyalgie gekennzeichnete Krankheitsbild der vollschichtigen Ausübung leichter Tätigkeiten nicht entgegensteht, regelmäßige Arbeit (und körperliches) Training (langsam zu steigernder Ausdauersport) sich vielmehr günstig auswirken. Nur wenn sich - so Prof. Dr. P. - in extremen Fällen ein mehrdimensionales Krankheitsgeschehen mit hinreichend schwerwiegenden Folgewirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit herausbildet, kann das gesundheitliche (Rest-)Leistungsvermögen in rentenberechtigendem Maße vermindert sein. Zu diesem mehrdimensionalen Geschehen zählen, wie Prof. Dr. P. dargelegt hat, u.a. Depressivität und Angsterkrankungen. Davon kann bei der Klägerin freilich keine Rede sein. Wie dargelegt liegt namentlich auf psychiatrischem Fachgebiet eine Erkrankung nicht vor. Auch die geklagte Schmerzsymptomatik ist in ihrem behaupteten Ausmaß nicht nachvollziehbar dokumentiert. So sind gewichtigere Auswirkungen auf das seelische Wohlbefinden der Klägerin und deren Fähigkeit zur Gestaltung des Alltags- und Freizeitlebens nicht ersichtlich (so auch Dipl.-Med. G. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2.6.2010). Entsprechende funktionelle Defizite am Stütz- und Bewegungsapparat fehlen, der Gelenkstatus ist unauffällig; hierauf hat Dipl.-Med. G. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2.6.2010 ebenfalls hingewiesen. Demzufolge findet auch eine adäquate, nach Auffassung des Prof. Dr. P. angezeigte und erfolgversprechende, Therapie nicht statt. Die Klägerin absolviert wohl krankengymnastische Übungen, von einer bei höhergradigen Schmerzerkrankungen indizierten, regelmäßig multimodalen Schmerztherapie ist aber ebenso wenig die Rede wie von einer begleitenden psychiatrischen, psychopharmakologischen oder psychotherapeutischen Begleitbehandlung zur Schmerzbewältigung (beratungsärztliche Stellungnahmen der Ärztin H. und der Dipl.-Med. G. vom 7.2.2008 bzw. 2.6.2010). Auf das Scheitern der Schmerzbewältigung (im Rahmen eines Prozesses der Krankheitskatastrophierung) hat aber Prof. Dr. P. für das Vorliegen rentenberechtigender Leistungsminderungen bei Fibromyalgie mit abgestellt. Er hat seine Auffassung - was für eine fundierte sozialmedizinische Beurteilung nicht genügt - im Kern auf die Beschwerdeangaben der Klägerin gestützt, die wie dargelegt, kritisch gewürdigt werden müssten, und sich davon ausgehend für die Annahme eines auf 4 Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögens wesentlich auf Müdigkeit wegen Schlafstörungen und Diarrhoen bzw. pauschal auf eine verlängerte Regenerationszeit berufen. Dass die Durchfallsymptomatik rentenrechtlich nicht von hinreichendem Gewicht ist, wurde bereits dargelegt. Müdigkeit, zumal in Ausmaß, Ausprägungsgrad und Folgewirkung auf Berufs- und Alltagsleben nicht weiter spezifiziert und dokumentiert, begründet keinen Rentenanspruch, nachdem die Klägerin außerdem in ihrem weitgehend ungestörten Freizeitverhalten deswegen ersichtlich nicht beeinträchtigt ist.

Auch das von der Klägerin zuletzt vorgelegte Attest ihrer behandelnden Psychotherapeutin Dr. L. vermag nicht zu einer anderen Einschätzung des Leistungsvermögens zu führen. Für den unverändert instabilen Gesundheitszustand macht sie eine Fibromyalgie sowie eine Reizdarmsymptomatik verantwortlich und damit Krankheitszustände außerhalb ihres Fachgebiets. Insoweit kommen den oben dargestellten ärztlichen Beurteilungen der Vorrang zu, zumal insoweit von Dr. L. auch keine konkreten Befunde mitgeteilt werden. Zu der von ihr geäußerten Befürchtung erheblicher Nachteile bei Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit passt nicht, dass die Klägerin aktuell einmal in der Woche 4 Stunden arbeitet (Bl. 133 LSG-Akte) und dabei offenbar keinen Schaden nimmt. Auch die von ihr hervorgehobene Notwendigkeit weiterer psychotherapeutischer Begleitung steht der Verrichtung beruflicher Arbeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht im Wege. In psychiatrischer Hinsicht werden über die Anfangsdiagnosen hinaus keine weiteren Befunde mitgeteilt. Soweit sie der Auffassung ist, die physischen Symptome der Klägerin legten den Verdacht nahe, dass ein frühkindliches traumatisierendes Erlebnis die Ursache für ihre Leiden darstellen könnte, bleiben ihre Ausführungen vage, zumal es ihr in bisher 25 Sitzungen offensichtlich nicht gelungen ist, an die diesbezüglichen psychodynamischen Wurzeln zu gelangen. Insgesamt ist dieses Attest nicht geeignet, die zeitgleich getroffenen gutachterlichen Feststellungen von Prof. Dr. B., denen eine umfangreiche Anamneseerhebung und Untersuchung am 25.5.2011 zu Grunde lag, in Frage zu stellen.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztunterlagen weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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