L 4 R 5264/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 18/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5264/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. September 2010 aufgehoben.

Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der am 1948 geborene Kläger hat seit September 1963 in der DDR durchgängig rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt. Er ist Ende Januar 1987 ins alte Bundesgebiet übergesiedelt. Nach einem Vormerkungsverfahren (Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2009, Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009) führt er beim Sozialgericht Mannheim (SG) gegen die Beklagte das Klageverfahren S 14 R 18/10. Auf stichwortartige Fragen bezüglich der Bewertung rentenrechtlicher Zeiten (Schriftsatz vom 15. März 2010) nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 06. April 2010 Stellung und fügte die Rentenauskunft vom 30. März 2010 bei. Der Kläger äußerte sich mit Schriftsatz vom 11. Juni 2010 ergänzend zu mehreren streitigen Gesichtspunkten. Das SG bestimmte mit Beschluss vom 20. August 2010 Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf Donnerstag, 09. September 2010, 11:00 Uhr und ordnete das persönliche Erscheinen des Klägers an. Die Terminsbestimmung ging dem Kläger am 26. August 2010 zu. Der Kläger erschien pünktlich zum Termin, während ein Vertreter der Beklagten zunächst nicht anwesend war. Ein solcher wurde herbeigerufen und erschien um 11:45 Uhr. Laut Niederschrift habe der Kläger zu Beginn des Termins erklärt, er habe um 13:00 Uhr noch Termine und sei nicht bereit zu warten. Der Richter erörterte mit dem Vertreter der Beklagten noch einzelne der streitigen Fragen. Sodann verkündete der Richter Beschluss, gegen den ordnungsgemäß geladenen und nicht mehr erschienenen Kläger werde ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 200,00 verhängt. Der Termin endete um 11:51 Uhr.

Zur Begründung des mit 29. September 2010 datierten Beschlusses führte das SG aus, die Verhängung eines Ordnungsgeldes sei hierfür zwingend erforderlich zu halten, da das gesamte Verhalten des Klägers darauf hindeute, dass es ihm nicht bewusst sei, dass ein gerichtliches Verfahren nicht nur Rechtsschutz gewähre, sondern auch mit Pflichten verbunden sei. Der Kläger habe sich vorsätzlich vom Termin entfernt, da er nicht bereit gewesen sei, auf den Vertreter der Beklagten zu warten. Damit habe der Kläger auch seine Missachtung des Gerichts zum Ausdruck gebracht. Es sei nunmehr eine erneute Befassung mit einer aussichtslosen Klage erforderlich, obwohl der Kläger im Termin hätte aufgeklärt werden können, dass er letztlich gegen den falschen Bescheid klage. Bei der Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes seien die finanziellen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigt worden.

Gegen den am 09. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 03. November 2010 beim SG Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe darauf hingewiesen, er sei Außendienstmitarbeiter und habe für 13:00 Uhr einen Termin, der nicht ohne Weiteres zu verschieben gewesen sein. Der Termin sei nach Eintreffen eines Vertreters der Beklagten erst nahezu eine Stunde später begonnen worden. Im Übrigen liege es in der Verantwortung der Beklagten, Unterlagen aus der Zeit in der DDR beizuziehen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. September 2010 aufzuheben.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig. Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind nicht gegeben.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

Nach §§ 111, 202 SGG i. V. mit § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Diese Regelung gilt - wie hier - für einen vorbereitenden Erörterungstermin nach § 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG entsprechend. Nach §§ 202 SGG, 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist. Liegt ein solcher Ausschlusstatbestand nicht vor, ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob ein Ordnungsgeld festgesetzt werden soll. Das Gericht sollte dabei zurückhaltend verfahren; wesentliches Kriterium ist, ob das persönliche Erscheinen des Beteiligten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich war (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Januar 2009 - L 13 AS 5633/08 B -, in juris).

Der Kläger war zu dem vom SG anberaumten Erörterungstermin pünktlich erschienen. Dass er bei der Fortsetzung des Termins um 11.45 Uhr nach dem verspäteten Erscheinen des Bevollmächtigten der Beklagten nicht mehr anwesend war, rechtfertigt nicht, dies als pflichtwidriges unterbliebenes Erscheinen anzusehen. Denn der Kläger hat sinngemäß einen Vertagungsantrag gestellt, über den das SG nach dem Inhalt der vorliegenden Akten nicht entschieden hat. Nach der Niederschrift über den Erörterungstermin hatte der Kläger erklärt, dass er um 13:00 Uhr Termine habe und nicht bereit sei, zu warten. Dies stellt sinngemäß einen Vertagungsantrag des Klägers dar. Über diesen entschied das SG nicht, jedenfalls gibt es in den vorliegenden Akten weder einen Beschluss noch eine Verfügung über die Ablehnung des Vertagungsantrags. Wenn ein Verfahrensbeteiligter anderweitige Termine hat, ist dies grundsätzlich ein erheblicher Grund (vgl. §§ 202 SGG, 227 ZPO) für eine Vertagung. Falls das SG Zweifel an der Behauptung des Klägers, er habe um 13:00 Uhr weitere Termine, hatte, hätte es darauf hinwirken müssen, dass der Kläger seine Behauptung belegt oder präzisiert (z.B. Zeitaufwand für die Anreise zu dem behaupteten weiteren Termin), um dann zu entscheiden, ob ein Beginn des Termins erst nach Erscheinen dem Kläger zumutbar gewesen wäre.

Da die Beschwerde erfolgreich war, bedurfte es einer Kostengrundentscheidung, auch wenn die Klägerin nicht anwaltlich vertreten ist (vgl. etwa Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2009 - L 2 B 400/08 AS - in Juris).

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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