Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 113/10 B
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 SF 89/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 1. September 2011 gegen den Richter am Sozialgericht F. wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Entziehung einer vorläufigen Entschädigung für die Folgen eines Arbeitsunfalls und die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2010 entzog die Beklagte dem Antragsteller die wegen der Folgen aus einem Arbeitsunfall vom 1. September 2007 bewilligte vorläufige Entschädigung ab dem 1. August 2010 und lehnte es ab, ihm eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit zu bewilligen. Grundlage dieser Entscheidung war das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 14. Juni 2010, wobei die Beklagte dem Vorschlag des Gutachters hinsichtlich der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht folgte. Sie führte im Bescheid aus, nach den medizinischen Befunden und der herrschenden Literatur und insbesondere den Empfehlungen/Erfahrungswerten zur Feststellung einer MdE sei die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos.
Mit der am 14. September 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Antragsteller sein Begehren weiter verfolgt und unter anderem ausgeführt, § 62 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) stelle keine Rechtsgrundlage für den Entzug der Rente dar. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren werde die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Allein diese Tatsache sei Regelungsinhalt des § 62 Abs. 2 SGB VII. Da die Rente auf unbestimmte Zeit mit zu beachtenden Fristen geleistet werde, könne der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden. Der Entzug werde von § 62 Abs. 2 SGB VII nicht erfasst. § 62 SGB VII sei auch keine Rechtsgrundlage für die FeststeIlung der Rente auf unbestimmte Zeit; Anspruchsgrundlage sei § 56 Abs. 1 SGB VII. Im Übrigen sei die Beklagte an das Ergebnis des Gutachters zur MdE gebunden. Soweit die Beklagte meine, diese Einschätzung sei anhand der erhobenen und beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar, hätte sie eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. W. einholen müssen und keine pauschale Einschätzung anhand von Literaturhinweisen vornehmen dürfen, die mit der Beurteilung des Einzelfalls nichts zu tun haben könne.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 hat der abgelehnte Richter den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auf Nachfolgendes hingewiesen: Seine rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII lägen "leider völlig neben der Sache". Gleiches gelte für seine Einschätzungen zur Verwertbarkeit von Einschätzungen von Gutachten. Wäre seine Auffassung richtig, wären auch die Gerichte nur ‚Ausführungsorgan" der ärztlichen Einschätzung. Dass dies nicht sein könne, dürfte auf der Hand liegen.
Gleichzeitig mit der Verfügung, das Schreiben vom 21. Juli 2011 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu versenden, hat der abgelehnte Richter verfügt, diesem die Vordrucke SGV 11, 11a zuzuschicken. Bei diesen Vordrucken handelt es sich um einen Erhebungsbogen zur Mitgliedschaft in Krankenkassen und zu Behandlungen und Untersuchungen sowie um die Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.
Diese Vordrucke hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, von diesem ausgefüllt und am 8. August 2011 unterzeichnet, am 10. August 2011 an das Gericht zurückgeschickt (Posteingang am 11. August 2011).
Am 2. September 2011 hat der Antragsteller den Richter am Sozialgericht F. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die richterliche Äußerung, die rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII sowie die hiesige Einschätzung zur Verwertbarkeit von Einschätzungen von Gutachten lägen "völlig neben der Sache", stellten einen Grund dar, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen. Der abgelehnte Richter äußere sich mit einer solchen Formulierung abwertend und festgelegt im Sinne der Beklagten, ohne sich mit seinen Argumenten auseinandergesetzt zu haben. Diese Formulierung werde nicht von besonnenen Richtern verwandt, die zur Objektivität und Neutralität verpflichtet seien. Zu den rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII verweise er auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. März 2010 (B 2 U 2/09 R). Seine rechtlichen Ausführungen und seine Einschätzung zur Verwertbarkeit von Gutachten seien weder falsch noch verfehlt. Wäre die Einschätzung zur Verwertbarkeit von Gutachten verfehlt, hätte das Gericht keine Schweigepflichtentbindungserklärung einholen müssen, um ärztliche Gutachten und Stellungnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung beizuziehen.
Unter dem 10. Oktober 2011 hat sich der abgelehnte Richter dahingehend geäußert, er habe zu der Höhe der MdE zur Feststellung der Verletztenrente auf unbestimmte Zeit richterliche Hinweise – auch zu § 62 SGB VII im Sinne seiner Rechtsauffassung – gegeben. Die dabei geäußerte Vokabel "völlig neben der Sache" sei im juristischen Sprachgebrauch im Übrigen häufig benutzt. Der Vorwurf, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, sei für sich nicht nachvollziehbar. Denn selbstverständlich sei es Aufgabe eines Gerichts, das Ergebnis eines Gutachtens, das nur einen Vorschlag darstelle, einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Letztlich unverständlich bleibe die Kritik unter Bezugnahme auf die vom Gericht eingeholte Schweigepflichtsentbindungserklärung. Denn diese diene nur als Grundlage für die medizinische Sachermittlung. Insofern habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Sachverhalt medizinisch ermitteln und damit – wie vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gefordert – die Tatschen feststellen wolle.
Zu der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters hat der Antragsteller unter dem 1. November 2011 ausgeführt, die Einlassung des Richters belege seine Befangenheit. Auch die Äußerung des abgelehnten Richters, der Vorwurf das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, sei für sich nicht nachvollziehbar belege die Befangenheit. Denn zum einen habe er keinen "Vorwurf" formuliert und zum anderen habe er nie behauptet, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten.
Die Beklagte hat zu dem Ablehnungsgesuch nicht Stellung genommen.
Bei der Entscheidung haben die Streitakten des Sozialgerichts vorgelegen.
II
Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist nach § 60 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Landessozialgericht zuständig.
Das zulässige Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob von dem Standpunkt des Betroffenen aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Juli 1986 – 1 BvR 713/83 – BVerfGE 73, 330, 335; BVerfG, Beschluss vom 5. April 1990 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 82, 30, 37).
Der Antragsteller kann die Besorgnis der Befangenheit nicht mehr auf den Inhalt des gerichtlichen Schreibens vom 21. Juli 2011 stützen. Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 43 ZPO steht einer Partei das Recht, einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, nicht mehr zu, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, einen Beteiligten, der an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, zu zwingen, dies alsbald kund zu tun (Bayrisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 21. Februar 2002 – L 5 AR 187/01 KR – juris). Er soll sich sofort nach Kenntnis eines möglichen Ablehnungsgrundes entscheiden, ob er sich auf diesen berufen will oder nicht (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, § 43 ZPO RdNr. 1). Ein Einlassen in eine Verhandlung im Sinne des § 43 ZPO ist jedes prozessuale, der Erledigung eines Streitpunkts dienende Handeln der Partei unter Mitwirkung des Richters, das der weiteren Sachbearbeitung und Streiterledigung dient (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Februar 2008 – VIII ZB 56/07 – NJW-RR, 2008; 800 mit weiteren Nachweisen; Zöller-Vollkommer, 28. Auflage 2010, § 43 ZPO, RdNr. 4; Musielak-Heinrich, 8. Auflage 2011, § 43 ZPO RdNr. 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage § 60 SGG RdNr. 11a).
Mit der Rückgabe der Vordrucke 11 und 11a an das Gericht am 11. August 2011 hat sich der Antragsteller in diesem Sinne auf eine Verhandlung vor dem abgelehnten Richter eingelassen. Die Vordrucke 11 und 11a dienten der weiteren Sachbearbeitung des Rechtsstreits durch den abgelehnten Richter. Mit diesen Vordrucken war der abgelehnte Richter in der Lage, Befundberichte einzuholen, mit dem Ziel, den Rechtsstreit zu erledigen. Damit hat sich der Antragsteller auf eine Verhandlung vor dem abgelehnten Richter eingelassen. Zu diesem Zeitpunkt war ihm auch der Ablehnungsgrund bekannt. Denn zeitgleich mit dem Schreiben vom 21. Juli 2011 hatte die Geschäftsstelle der 8. Kammer des Sozialgerichts laut Aktenvermerk die Vordrucke an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers versandt.
Soweit der Antragsteller in seiner Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters vom 1. November 2011 einen weiteren Beleg für die Befangenheit sieht, handelt es sich nicht um ein neues Befangenheitsgesuch. Denn ein Beleg stellt kein neues Gesuch dar, sondern dient nur als Nachweis der in einem Verfahren aufgestellten Behauptungen. Eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zur Stellungnahme des Antragstellers war insoweit nicht einzuholen.
Letztlich begründet aber auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters nicht die Besorgnis der Befangenheit. Soweit der Antragsteller die Besorgnis der Befangenheit damit belegt, der abgelehnte Richter habe das Wort "Vorwurf" benutzt, obgleich er keinen "Vorwurf" erhoben habe, kann hierin eine Besorgnis der Befangenheit nicht gesehen werden. Denn auch ein unbefangener Betrachter kann die Begründung des Befangenheitsgesuchs, der abgelehnte Richter äußere "sich mit einer solchen Formulierung erstens abwertend und zweitens festgelegt" durchaus als "Vorwurf" verstehen. Soweit der Antragsteller darauf abstellt, er habe nicht behauptet, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, lässt auch die insoweit getätigte Äußerung des abgelehnten Richters keine Zweifel an der Unparteilichkeit erkennen. Soweit es sich um ein Missverständnis handelt, ist dieses nicht geeignet, derartige Zweifel zu begründen.
Nach alledem war dem Antrag nicht stattzugeben.
Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Entziehung einer vorläufigen Entschädigung für die Folgen eines Arbeitsunfalls und die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2010 entzog die Beklagte dem Antragsteller die wegen der Folgen aus einem Arbeitsunfall vom 1. September 2007 bewilligte vorläufige Entschädigung ab dem 1. August 2010 und lehnte es ab, ihm eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit zu bewilligen. Grundlage dieser Entscheidung war das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 14. Juni 2010, wobei die Beklagte dem Vorschlag des Gutachters hinsichtlich der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht folgte. Sie führte im Bescheid aus, nach den medizinischen Befunden und der herrschenden Literatur und insbesondere den Empfehlungen/Erfahrungswerten zur Feststellung einer MdE sei die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos.
Mit der am 14. September 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Antragsteller sein Begehren weiter verfolgt und unter anderem ausgeführt, § 62 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) stelle keine Rechtsgrundlage für den Entzug der Rente dar. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren werde die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Allein diese Tatsache sei Regelungsinhalt des § 62 Abs. 2 SGB VII. Da die Rente auf unbestimmte Zeit mit zu beachtenden Fristen geleistet werde, könne der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden. Der Entzug werde von § 62 Abs. 2 SGB VII nicht erfasst. § 62 SGB VII sei auch keine Rechtsgrundlage für die FeststeIlung der Rente auf unbestimmte Zeit; Anspruchsgrundlage sei § 56 Abs. 1 SGB VII. Im Übrigen sei die Beklagte an das Ergebnis des Gutachters zur MdE gebunden. Soweit die Beklagte meine, diese Einschätzung sei anhand der erhobenen und beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar, hätte sie eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. W. einholen müssen und keine pauschale Einschätzung anhand von Literaturhinweisen vornehmen dürfen, die mit der Beurteilung des Einzelfalls nichts zu tun haben könne.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 hat der abgelehnte Richter den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auf Nachfolgendes hingewiesen: Seine rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII lägen "leider völlig neben der Sache". Gleiches gelte für seine Einschätzungen zur Verwertbarkeit von Einschätzungen von Gutachten. Wäre seine Auffassung richtig, wären auch die Gerichte nur ‚Ausführungsorgan" der ärztlichen Einschätzung. Dass dies nicht sein könne, dürfte auf der Hand liegen.
Gleichzeitig mit der Verfügung, das Schreiben vom 21. Juli 2011 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu versenden, hat der abgelehnte Richter verfügt, diesem die Vordrucke SGV 11, 11a zuzuschicken. Bei diesen Vordrucken handelt es sich um einen Erhebungsbogen zur Mitgliedschaft in Krankenkassen und zu Behandlungen und Untersuchungen sowie um die Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.
Diese Vordrucke hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, von diesem ausgefüllt und am 8. August 2011 unterzeichnet, am 10. August 2011 an das Gericht zurückgeschickt (Posteingang am 11. August 2011).
Am 2. September 2011 hat der Antragsteller den Richter am Sozialgericht F. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die richterliche Äußerung, die rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII sowie die hiesige Einschätzung zur Verwertbarkeit von Einschätzungen von Gutachten lägen "völlig neben der Sache", stellten einen Grund dar, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen. Der abgelehnte Richter äußere sich mit einer solchen Formulierung abwertend und festgelegt im Sinne der Beklagten, ohne sich mit seinen Argumenten auseinandergesetzt zu haben. Diese Formulierung werde nicht von besonnenen Richtern verwandt, die zur Objektivität und Neutralität verpflichtet seien. Zu den rechtlichen Ausführungen zu § 62 SGB VII verweise er auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. März 2010 (B 2 U 2/09 R). Seine rechtlichen Ausführungen und seine Einschätzung zur Verwertbarkeit von Gutachten seien weder falsch noch verfehlt. Wäre die Einschätzung zur Verwertbarkeit von Gutachten verfehlt, hätte das Gericht keine Schweigepflichtentbindungserklärung einholen müssen, um ärztliche Gutachten und Stellungnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung beizuziehen.
Unter dem 10. Oktober 2011 hat sich der abgelehnte Richter dahingehend geäußert, er habe zu der Höhe der MdE zur Feststellung der Verletztenrente auf unbestimmte Zeit richterliche Hinweise – auch zu § 62 SGB VII im Sinne seiner Rechtsauffassung – gegeben. Die dabei geäußerte Vokabel "völlig neben der Sache" sei im juristischen Sprachgebrauch im Übrigen häufig benutzt. Der Vorwurf, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, sei für sich nicht nachvollziehbar. Denn selbstverständlich sei es Aufgabe eines Gerichts, das Ergebnis eines Gutachtens, das nur einen Vorschlag darstelle, einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Letztlich unverständlich bleibe die Kritik unter Bezugnahme auf die vom Gericht eingeholte Schweigepflichtsentbindungserklärung. Denn diese diene nur als Grundlage für die medizinische Sachermittlung. Insofern habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Sachverhalt medizinisch ermitteln und damit – wie vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gefordert – die Tatschen feststellen wolle.
Zu der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters hat der Antragsteller unter dem 1. November 2011 ausgeführt, die Einlassung des Richters belege seine Befangenheit. Auch die Äußerung des abgelehnten Richters, der Vorwurf das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, sei für sich nicht nachvollziehbar belege die Befangenheit. Denn zum einen habe er keinen "Vorwurf" formuliert und zum anderen habe er nie behauptet, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten.
Die Beklagte hat zu dem Ablehnungsgesuch nicht Stellung genommen.
Bei der Entscheidung haben die Streitakten des Sozialgerichts vorgelegen.
II
Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist nach § 60 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Landessozialgericht zuständig.
Das zulässige Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob von dem Standpunkt des Betroffenen aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Juli 1986 – 1 BvR 713/83 – BVerfGE 73, 330, 335; BVerfG, Beschluss vom 5. April 1990 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 82, 30, 37).
Der Antragsteller kann die Besorgnis der Befangenheit nicht mehr auf den Inhalt des gerichtlichen Schreibens vom 21. Juli 2011 stützen. Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 43 ZPO steht einer Partei das Recht, einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, nicht mehr zu, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, einen Beteiligten, der an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, zu zwingen, dies alsbald kund zu tun (Bayrisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 21. Februar 2002 – L 5 AR 187/01 KR – juris). Er soll sich sofort nach Kenntnis eines möglichen Ablehnungsgrundes entscheiden, ob er sich auf diesen berufen will oder nicht (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, § 43 ZPO RdNr. 1). Ein Einlassen in eine Verhandlung im Sinne des § 43 ZPO ist jedes prozessuale, der Erledigung eines Streitpunkts dienende Handeln der Partei unter Mitwirkung des Richters, das der weiteren Sachbearbeitung und Streiterledigung dient (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Februar 2008 – VIII ZB 56/07 – NJW-RR, 2008; 800 mit weiteren Nachweisen; Zöller-Vollkommer, 28. Auflage 2010, § 43 ZPO, RdNr. 4; Musielak-Heinrich, 8. Auflage 2011, § 43 ZPO RdNr. 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage § 60 SGG RdNr. 11a).
Mit der Rückgabe der Vordrucke 11 und 11a an das Gericht am 11. August 2011 hat sich der Antragsteller in diesem Sinne auf eine Verhandlung vor dem abgelehnten Richter eingelassen. Die Vordrucke 11 und 11a dienten der weiteren Sachbearbeitung des Rechtsstreits durch den abgelehnten Richter. Mit diesen Vordrucken war der abgelehnte Richter in der Lage, Befundberichte einzuholen, mit dem Ziel, den Rechtsstreit zu erledigen. Damit hat sich der Antragsteller auf eine Verhandlung vor dem abgelehnten Richter eingelassen. Zu diesem Zeitpunkt war ihm auch der Ablehnungsgrund bekannt. Denn zeitgleich mit dem Schreiben vom 21. Juli 2011 hatte die Geschäftsstelle der 8. Kammer des Sozialgerichts laut Aktenvermerk die Vordrucke an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers versandt.
Soweit der Antragsteller in seiner Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters vom 1. November 2011 einen weiteren Beleg für die Befangenheit sieht, handelt es sich nicht um ein neues Befangenheitsgesuch. Denn ein Beleg stellt kein neues Gesuch dar, sondern dient nur als Nachweis der in einem Verfahren aufgestellten Behauptungen. Eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zur Stellungnahme des Antragstellers war insoweit nicht einzuholen.
Letztlich begründet aber auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters nicht die Besorgnis der Befangenheit. Soweit der Antragsteller die Besorgnis der Befangenheit damit belegt, der abgelehnte Richter habe das Wort "Vorwurf" benutzt, obgleich er keinen "Vorwurf" erhoben habe, kann hierin eine Besorgnis der Befangenheit nicht gesehen werden. Denn auch ein unbefangener Betrachter kann die Begründung des Befangenheitsgesuchs, der abgelehnte Richter äußere "sich mit einer solchen Formulierung erstens abwertend und zweitens festgelegt" durchaus als "Vorwurf" verstehen. Soweit der Antragsteller darauf abstellt, er habe nicht behauptet, das Gericht dürfe medizinische Gutachten nicht werten, lässt auch die insoweit getätigte Äußerung des abgelehnten Richters keine Zweifel an der Unparteilichkeit erkennen. Soweit es sich um ein Missverständnis handelt, ist dieses nicht geeignet, derartige Zweifel zu begründen.
Nach alledem war dem Antrag nicht stattzugeben.
Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
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