S 20 SO 123/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 123/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 641/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme von Krankenbehandlungskosten (für ärztliche Leistungen, Arzneimittel, Helmittel u.a.m.), die die Private Krankenversicherung (PKV) dem Kläger seit 01.04.2009 im Rahmen des Basistarifs nicht erstattet hat, aus Mitteln der Sozialhilfe; streitbefangen sind Kosten über 750,00 EUR.

Der 0000 geborene Kläger ist von Beruf Arzt. Er bezieht seit 1989 Sozialhilfe, seit 2003 in Form von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, zunächst nach dem Grundsicherungsgesetz, seit 2005 nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Er ist bei der "Allianz Private Krankenversicherung AG" (im Folgenden: Allianz) privat kranken- und pflegeversichert. Die Beklagte übernahm aus Mitteln der Sozialhilfe die Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) bezüglich der KV-Selbstbeteiligungskosten. Die Beiträge betrugen im März 2009 zur KV 443,13 EUR, zur PV 52,62 EUR, insgesamt 495,75 EUR. Am 02.12.2008 forderte die Beklagte den Kläger auf, bei der PKV den durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ermöglichten Basistarif zu beantragen. Auf Antrag des Klägers vom 11.12.2008 stellte die Allianz dessen private KV und PV ab dem 01.04.2009 auf den so genannten Basistarif (ohne Selbstbeteiligung mit halbiertem Beitrag wegen Sozialhilfebedürftigkeit) um. Die Beitragshöhe zur KV und PV insgesamt betrug - ab 01.04.2009 monatlich 320,65 EUR, - ab 01.01.2010 monatlich 327,19 EUR, - ab 01.07.2010 monatlich 331,58 EUR und beträgt - ab 01.01.2011 monatlich 323,92 EUR. Seit 01.04.2009 übernimmt die Beklagte die KV und PV-Beiträge nur noch in Höhe des jeweiligen Basistarifs. Die Leistungen des Basistarifs entsprechen den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter Berücksichtigung der vom privat Versicherten zu leistenden Zuzahlungen (Praxisgebühr, Eigenanteile), wie sie auch ein gesetzlich Versicherter zu zahlen hat. Bei Überschreiten der Zuzahlungsbelastungsgrenze ist eine Zuzahlungsbefreiung möglich. Da der Kläger ab 01.04.2009 Zuzahlungen zu leisten hatte, aber auch ärztliche Leistungen, Arzneimittel, Heilmittel u.a.m. in Anspruch nahm, die nicht voll vom Basistarif gedeckt waren, blieben in den Abrechnungen der Allianz, die diese auf die eingereichten Erstattungsanträge des Klägers hin vornahm, beginnend mit der Abrechnung Nr. 210, Kostenanteile unbezahlt. Am 25.07.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Kosten in Höhe von 435,30 EUR, die gemäß den Allianz-Abrechnung Nrn. 210, 211, 213 und 214 nicht gedeckt waren. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.08.2009 erkannte die Beklagte 262,95 EUR als "übernahmefähig" an und erstattete ? nach Abzug einer vom Kläger zu tragenden Zuzahlung von 43,08 EUR ? 219,87 EUR.

Am 07.01.2010 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten die gemäß den Allianz-Abrechnungen Nrn. 215 bis 221 in Höhe von 280,37 EUR nicht gedeckt waren. Die Beklagte erkannte durch (bestandskräftigen) Bescheid vom 11.01.2010 92,00 EUR für Zuzahlungen als "übernahmefähig" an und erstattete diese; 29,04 EUR für zahnärztliche Behandlung und 124,00 EUR für Heilmittel lehnte sie als nicht übernahmefähig ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 09.06.2010 zurück. Die dagegen erhobene Klage (SG Aachen ? S 19 SO 82/10) nahm der Kläger nach einem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2010 zurück.

Am 12.03.2010 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten, die gemäß den Allianz-Abrechnungen Nrn. 222 und 223 nicht gedeckt waren.

Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom 22.03.2010 20,00 EUR für Zuzahlungen als "übernahmefähig" an und erstattete diese; 918,30 EUR lehnte sie als nicht übernahmefähig ab.

Dagegen erhob der Kläger am 06.04.2010 Widerspruch.

Am 15.07.2010 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten, die gemäß den Allianz-Abrechnungen Nrn. 224 bis 226 nicht gedeckt waren.

Durch Bescheid vom 21.07.2010 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme gänzlich ab. Zur Begründung führte sie aus, bei Überschreiten der Zuzahlungsbelastungsgrenze könne bei der PKV die Zuzahlungsbefreiung beantragt werden; die weiteren von der Allianz nicht übernommenen Kosten beruhten auf höheren als den tariflichen Leistungen; diese könnten sozialhilferechtlich nicht berücksichtigt werden, da die Krankenhilfe den Leistungen der GKV entspreche.

Dagegen erhob der Kläger am 09.08.2010 Klage (SG Aachen ? S 19 SO 98/10). Nach einem Hinweis des Gerichts auf den fehlenden Abschluss des Widerspruchsverfahrens bezüglich der Bescheide vom 22.03. und 21.07.2010 und einer Verpflichtung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2010, sie werde über die Widersprüche gegen diese Bescheide entscheiden, erklärte der Kläger in Erwartung der Entscheidung der Beklagten das Klageverfahren für erledigt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21.06.2010 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 22.03. und 21.07.2010 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 25.07.2011 Klage erhoben. Nach seinem Vorbringen möchte er am liebsten die Wiederherstellung seiner vollen PKV, wie sie bis März 2009 bestanden hat; falls dies nicht möglich ist, begehrt er die Erstattung sämtlicher von der Allianz seit April 2009 nicht übernommenen Krankheitskosten abzüglich einer von ihm zu leistenden Zuzahlung von 43,08 EUR pro Jahr.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 22.03. und 21.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2011 zu verurteilen, ihm die von der Allianz gemäß den Abrechnungen Nr. 222 bis 226 nicht übernommenen Krankheitskosten abzüglich 43,08 EUR pro Jahr zu erstatten, 2. auch die früheren seit April 2009 entstandenen und von der Allianz gemäß den Abrechnungen Nr. 210, 211, 213 bis 221 nicht übernommenen Krankheitskosten abzüglich 43,08 EUR pro Jahr zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der Sozialgerichtsakten S 19 SO 82/10, S 19 SO 98/10 und S 15 KR 221/10, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teils zulässig (Klageantrag 1.), teils unzulässig (Klageantrag 2.), insgesamt aber unbegründet.

Klageantrag 1.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide vom 22.03. und 21.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2011 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie ihn nicht rechtswidrig belasten.

Als dauerhaft erwerbsgeminderte Person gehört der Kläger zum Kreis der Berechtigten, die Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung haben (§ 41 Abs. 1 SGB XII), soweit sie sozialhilfebedürftig sind (§ 19 Abs. 2 SGB XII). Gemäß § 48 Satz 1 SGB XII werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem 3. Kapitel, 5. Abschnitt, 1. Titel des Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII). § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass u.a. die Hilfe bei Krankheit gemäß § 48 SGB XII den Leistungen der GKV entspricht. Aus diesen Regelungen folgt, dass Sozialhilfeempfänger ? wie der Kläger ? keinen über die Leistungen der GKV hinausgehenden sozialhilferechtlichen Anspruch auf Krankenhilfe haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sozialhilfeempfänger gesetzlich oder privat krankenversichert sind. Die seit 01.04.2009 bestehende PKV des Klägers ist die des so genannten Basistarifs. Die Leistungen des Basistarifs in der PKV entsprechen den Leistungen der GKV. Aus der Begrenzung des Krankenhilfeanspruchs auf den Leistungsumfang der GKV ? und damit des Basistarifs in der PKV ? folgt, dass Eigenanteile, die von den Patienten zu leisten sind, wie z.B. die Praxisgebühr, nicht zu Lasten der Sozialhilfe beansprucht werden können. Gleiches gilt für Eigenanteile zu Arzneimitteln und Heilmitteln (vgl. §§ 31 Abs. 3, 32 Abs. 2 SGB V). Die Leistungen der GKV sind auf das Maß des Notwendigen beschränkt. Wünschen Patienten Leistungen, die dieses Maß überschreiten, haben sie Mehrkosten selbst zu tragen. Dies ergibt sich ausdrücklich für die Zahnersatzversorgung aus § 56 Abs. 4 SGB V und für Hilfsmittelversorgung aus § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V. Gleiches gilt im Rahmen des Basistarifs der PKV. Die Zuzahlungen sind bis zur Belastungsgrenze (vgl. § 61 SGB V) aus dem Regelsatz zu leisten. Übersteigt die Zuzahlung die Belastungsgrenze, wird der gesetzlich ebenso wie der privat Versicherte auf Antrag von der Zuzahlung befreit. Der Zuzahlungsbefreiungsantrag fällt in die Obliegenheit des Versicherten und Sozialhilfeempfängers. Ein Anspruch auf Übernahme von Zuzahlungsbeträgen oberhalb der Belastungsgrenze aus Mitteln der Sozialhilfe besteht nicht.

Soweit der Kläger ärztliche Leistungen, Heilmittel u.a.m. privatärztlich in Anspruch genommen hat, obwohl diese vom Leistungskatalog des PKV-Basistarifs, der dem der GKV entspricht, nicht erfasst sind, besteht kein Sozialhilfeanspruch auf Übernahme dieser von der PKV ungedeckten Krankheitskosten. Denn der Krankenhilfeanspruch nach § 48 SGB XII reicht ? wie oben dargelegt ? nicht weiter als der entsprechende Anspruch aus der GKV; dieser aber wird gerade durch den Basistarif der PKV gedeckt.

Klageantrag 2.

Der Antrag, auch die früheren seit April 2009 entstandenen und von der Allianz gemäß den Abrechnungen Nrn. 210, 211, 213 bis 221 nicht übernommenen Krankheitskosten abzüglich 43,08 EUR pro Jahr zur erstatten, ist unzulässig. Denn hierüber ist bereits durch bestandskräftige Bescheide vom 18.08.2009 und 11.01.2010 entschieden worden. Gegen den Bescheid vom 18.08.2009, der die Allianz-Abrechnungen Nrn. 210, 211, 213 und 214 betrifft, hat der Kläger keine Rechtsmittel eingelegt. Und der Bescheid vom 11.01.2010 betreffend die Allianz-Abrechnungen Nrn. 215-221 ist bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage (S 19 SO 82/10) am 22.10.2010 zurückgenommen hat.

Im Übrigen ist der Klageantrag zu 2. auch aus den vorstehenden Gründen zur Abweisung des Klageantrages 1. unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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