Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 173/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für die Zeit von Januar bis November 2011 nach dem 4. Kapitel des SGB XII erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin N. U. N. in Höhe von 4.205,54 EUR zu erstatten. Es wird fest-gestellt, dass die Beklagte auch weiterhin für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin zuständig ist, solange diese auch Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 9.205,54 EUR festgestellt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Leistungsträger ab 01.01.2011 für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) an die Hilfeempfängerin (HE) N.U.N. – sachlich und örtlich – zuständig ist. Die Klägerin, die ab 01.01.2011 die GSi-Leistungen erbringt, begehrt die Erstattung ihrer Aufwendungen, die sich bis einschließlich November 2011 auf 4.205,54 EUR belaufen.
Die am 00.00.0000 geborene HE ist schwerbehindert nach einem Grad der Behinderung von 90 (Merkzeichen G, RF, B). Sie ist seit 24.09.2001 dauerhaft voll erwerbsgemindert und erhält deshalb seit August 2002 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Rentenbescheid der LVA Rheinprovinz – heute: DRV Rheinland – vom 22.01.2004). Sie steht unter gerichtlich bestellter Betreuung des Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) e.V ... Seit Dezember 1998 bezog die HE Sozialhilfe, zuletzt in Form von Leistungen der GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich sie bis 27.01.2010 wohnte. Zudem erhielt die HE bis Januar 2010 von dem Beigeladenen Sozialhilfe in Form von Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII durch Fachleistungsstunden (FLS) im Rahmen ambulant betreuten Wohnens.
Am 28.01.2010 zog die HE in das Rheinische Blindenheim in Düren um, wo sie bis 31.12.2010 wohnte. Die Kosten dieser stationären Heimunterbringung trug der Beigeladene.
Zum 01.01.2011 bezog die HE eine eigene Wohnung in Düren; Vermieter ist das Deutsche Katholische Blindenwerk e.V., ein anerkannter Anbieter des Betreuten Wohnens. In diesem Zusammenhang erhält die HE seit Januar 2011 wieder vom Beigeladenen Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII, u.a. regelmäßig 4,5 FLS wöchentlich im Rahmen ambulant betreuten Wohnens (Bewilligungsbescheid des Beigeladenen vom 16.05.2011).
Am 15.11.2010 beantragte die HE bei der Klägerin GSi-Leistungen für die Zeit ab 01.01.2011 unter Beifügung einer Mietbescheinigung und Hinweis, dass kein Vermögen vorhanden sei. Mit Schreiben vom 22.11.2010 leitete die Klägerin den GSi-Antrag der HE "zuständigkeitshalber" unter Hinweis auf die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII an die Beklagte weiter. Diese sandte die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 25.11.2010 wieder an die Klägerin zurück; sie vertrat die Auffassung, eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII liege nicht vor, da die neue Wohnung der HE keine ambulant betreute Wohnform im Sinne dieser Vorschrift darstelle; für die Gewährung der GSi-Leistung sei deshalb gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII die Klägerin zuständig. Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2010 mit, dass sie der HE ab 01.01.2011 vorläufig GSi-Leistungen gewähren werde; zugleich meldete sie für diese Leistungen einen Kostenerstattungsanspruch an und erklärte, die Höhe werde sie später beziffern.
Am 30.12.2010 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, ihre örtliche Zuständigkeit für die an die HE "ab dem 01.01.2011 zu erbringenden Leistungen nach dem SGB XII anzuerkennen und die von ihr erbrachten Aufwendungen zu erstatten".
Durch Bescheid vom 03.01.2011 hat die Klägerin der HE GSi-Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2011, durch weiteren Bescheid vom 15.06.2011 für die Zeit von Juli 2011 bis Juni 2012 bewilligt. Die HE erhielt von der Klägerin bisher - für Januar 2011 138,49 EUR, - für Februar bis Juni 2011 monatlich 408,86 EUR 2.044,30 EUR, - für Juli bis November 2011 monatlich 404,55 EUR 2.022,75 EUR insgesamt 4.205,54 EUR.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei den vom Beigeladenen erbrachten FLS handele es sich um Leistungen im Rahmen einer ambulant betreuten Wohnform. Soweit die HE vor Beginn dieser Leistung in einem Blindenheim gelebt und der Beigeladene dafür die Kosten getragen habe, komme dieser als zuständiger Leistungsträger für die hier streitbefangenen GSi-Leistungen nicht in Betracht, weil es dafür an dessen sachlicher Zuständigkeit fehle. § 98 Abs. 5 SGB XII beziehe sich nicht nur auf GSi-Leistungen, sondern auf sämtliche Leistungen nach dem SGB XII; deshalb sei hinsichtlich der Feststellung einer fiktiven bisherigen Zuständigkeit nicht ausschließlich auf die konkret in Rede stehende Sozialhilfeleistung abzustellen. Da die HE vor Beginn des ambulant betreuten Wohnens in einer stationären Einrichtung gelebt habe, sei hierfür die Beklagte örtlich zuständig gewesen, wenn nicht eine sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen bestanden hätte. Hiervon ausgehend sei die Beklagte auch für die GSi-Leistungen ab 01.01.2011 weiterhin örtlich zuständig.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die Zeit von Januar bis November 2011 nach dem 4. Kapitel des SGB XII erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin N.U.N. in Höhe von 4.205,54 EUR zu erstatten, 2. festzustellen, dass die Beklagte auch weiterhin für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin zuständig ist, solange diese auch Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie geht, nachdem sie zunächst die gegenteilige Ansicht vertreten hat, inzwischen ebenfalls davon aus, dass es sich bei der Wohnform der HE ab 01.01.2011 um eine solche des ambulant betreuten Wohnens handelt und die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII einschlägig ist. Anknüpfungspunkt dieser Norm sei aber die Zuständigkeit vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnform; diese Zuständigkeit habe beim Beigeladenen gelegen, da dieser davor Sozialhilfe geleistet habe; deshalb bestehe allenfalls ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII gelte gleichermaßen für örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger und treffe nicht nur eine örtliche, sondern desgleichen eine sachliche Zuständigkeitsregelung.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Auch er geht davon aus, dass die HE ab 01.01.2011 eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit nutzt. Eine solche liege dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, den Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dies treffe im Fall der HE durch die gewährten FLS seit 01.01.2011 zu. Für die hier streitbefangenen GSi-Leistungen komme eine sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen nicht in Betracht; § 98 Abs. 5 SGB XII regele ausschließlich die örtliche Zuständigkeit. Anknüpfungspunkt sei die örtliche Zuständigkeit vor dem Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die HE betreffenden Verwaltungsakten der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Leistungs- und Feststellungsklage zulässig. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da die Beteiligten zwar keine "Versicherungsträger der Sozialversicherung", wohl aber Sozialleistungsträger sind; unabhängig davon ergibt sich die Zulässigkeit des Feststellungsantrags aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; das berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung ergibt sich daraus, dass sie Leistungen in erheblicher Höhe vorläufig geleistet hat und weiter leistet.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin erbringt die GSi-Leistungen an die HE seit 01.01.2011 als unzuständiger Leistungsträger. Ihr Erstattungsanspruch ergibt sich nicht aus § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Voraussetzungen nach § 102 SGB X vorliegen. Da die HE seit 01.01.2011 einen Anspruch auf GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat und insbesondere zwischen der Klägerin und der Beklagten streitig war und ist, wer von ihnen zur Leistung verpflichtet ist, erbringt die Klägerin die Sozialhilfe gem. § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als zuerst angegangener Leistungsträger vorläufig. Zur Leistung verpflichtet – und deshalb gem. § 102 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin erstattungspflichtig – ist jedoch die Beklagte. Denn sie ist die für die GSi der HE sachlich und örtlich zuständige Leistungsträgerin.
Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten als kreisfreier Stadt folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII. Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Eine von diesem Grundsatz abweichende sachliche Zuständigkeit im Sinne des § 97 Abs. 1, 2. Halbsatz SGB XII ("soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist") besteht vorliegend nicht. Eine solche folgt – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn diese Regelung betrifft ausschließlich die örtliche Zuständigkeit; die sachliche Zuständigkeit des örtlichen bzw. überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird durch § 98 Abs. 5 SGB XII nicht berührt (so ausdrücklich: BR-Drucksache 617/06, S. 21 zur Änderung des § 98 Abs. 5 Satz 1).
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 98 SGB XII. Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift trifft die allgemeine Regelung, dass für Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten liegt. Allein hiernach wäre die Klägerin örtlich zuständig, da die HE ab 01.01.2011 im Bereich der Klägerin eine Wohnung bezogen hat und seitdem dort ständig – nicht nur vorübergehend – lebt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 18 des "Gesetz zur Änderung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2670) trifft jedoch eine von dem Grundsatz des Abs. 1 Satz 2 abweichende Zuständigkeitsregelung: "Für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre."
Die Formulierung "Leistungen nach diesem Buch" verdeutlicht, dass mit der Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an die vorhergehende örtliche Zuständigkeit alle Leistungen nach dem SGB XII betroffen sind (BR-Drucksache 617/06, S. 21). Von der Sonderregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII sind nur ambulante Fälle erfasst, in denen die Hilfeempfänger Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ("Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel") tatsächlich erhalten. Der Begriff der "ambulant betreuten Wohnmöglichkeit" ist im Gesetz nicht definiert. Beim betreuten Wohnen ist weniger auf die Wohnform als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen abzustellen. Eine betreute Wohnmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; vielmehr müssen diese in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein muss. Unter diesen Voraussetzungen liegt eine betreute Wohnmöglichkeit auch dann vor, wenn Einzelpersonen in einer selbst angemieteten Wohnung leben. Die möglichen Hilfeleistungen, die das erforderliche Merkmal der Betreuung erfüllen, umfassen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurecht zu finden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interesse zu artikulieren und adäquat zu erledigen. Auch die Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen kann z.B. den Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolgt, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen kann (LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 15/09 – m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die HE lebt seit 01.01.2011 in einer selbst angemieteten Wohnung. Vermieter ist das Deutsche Katholische Blindenwerk e.V., ein anerkannter Anbieter des Betreuten Wohnens. Die HE erhält vom Beigeladenen seit Januar 2011 Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII in Form von FLS, regelmäßig 4,5 Stunden pro Woche. Es handelt sich bei diesen FLS – darin stimmen inzwischen alle Beteiligten überein – um Leistungen des ambulant betreuten Wohnens.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte zuletzt vor Eintritt der HE in diese Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die hier in Rede stehenden GSi-Leistungen – örtlich – zwar nicht zuständig war, aber zuständig gewesen wäre. Die HE hat zuletzt vor dem 01.01.2011 – nämlich vom 28.01. bis 31.12.2010 – im Bereich der Klägerin gelebt. Dies war in einer Einrichtung (Blindenheim), in der die HE stationäre Leistungen der Sozialhilfe ausschließlich vom Beigeladenen erhalten hat. Eine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war") für GSi-Leistungen bestand nicht, weil solche während der Heimunterbringung nicht erbracht wurden. Jedoch bestand eine fiktive örtliche Zuständigkeit der Beklagten ("zuständig gewesen wäre") für GSi-Leistungen, wenn solche in der Zeit vom 28.01. bis 31.12.2010 zu erbringen gewesen wären. Dies folgt aus § 98 Abs. 2 Satz 1 und § 109 SGB XII (die im Hinweisschreiben des Kammervorsitzenden vom 05.10.2011 nicht bedacht worden sind). § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass für stationäre Leistungen in einer Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Bei der Aufnahme in das Blindenheim bzw. in den zwei Monaten davor hatte die HE ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten. Sie lebte bis 27.01.2010 in Köln und erhielt bis dahin von der Beklagten Leistungen der GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Mithin wäre sie auch im Sinne des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII für die anschließende Zeit der Heimunterbringung vom 28.01. bis 31.12.2010 für GSi-Leistungen an die Klägerin zuständig gewesen, falls solche zu erbringen gewesen wären. Dies steht nicht in Widerspruch zu der Grundsatzregelung des § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach für GSi-Leistungen der Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts örtlich zuständig ist; denn § 109 SGB XII bestimmt, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des 12. Kapitels, zu dem § 98 SGB XII gehört, nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 gilt.
War somit bis 27.01.2010 die Beklagte für die GSi-Leistungen der HE zuständig und wäre sie auch für die Zeit der Unterbringung der HE in der stationären Einrichtung vom 28.01. bis 31.12.2010 für GSi-Leistungen zuständig gewesen, so ist sie dies gem. § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII auch ab 01.01.2011 geblieben, da die HE seitdem Leistungen nach dem 6. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Und diese – sachliche und örtliche – Zuständigkeit der Beklagten bleibt auch weiterhin bestehen, solange die HE Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Dementsprechend war die Beklagte zur Erstattung der von der Klägerin vom 01.01.2011 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten GSi-Aufwendungen – dies sind 4.205,54 EUR – zu verurteilen und die weiterhin bestehende Leistungszuständigkeit der Beklagten festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert des Erstattungsantrags ergibt sich aus dem Wert der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten Aufwendungen, das waren 4.205,54 EUR. Der Klägerin ging es jedoch nicht nur um die Erstattung der in der Vergangenheit erbrachten Aufwendungen, sondern um die grundsätzliche Feststellung der Leistungszuständigkeit auch für die Zukunft. Da nicht absehbar ist, wie lange diese Leistungen noch zu erbringen sein werden, und die Leistungen für ein Jahr knapp 5.000,00 EUR betragen, hält es die Kammer für angemessen, für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens den Regelstreitwert von 5.000,00 EUR gem. § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen. Die Werte des Erstattungsstreitwerts und des Feststellungsstreitwerts zusammengerechnet (vgl. § 39 Abs. 1 GKG) ergeben den Gesamtstreitwert von 9.205,54 EUR.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Leistungsträger ab 01.01.2011 für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) an die Hilfeempfängerin (HE) N.U.N. – sachlich und örtlich – zuständig ist. Die Klägerin, die ab 01.01.2011 die GSi-Leistungen erbringt, begehrt die Erstattung ihrer Aufwendungen, die sich bis einschließlich November 2011 auf 4.205,54 EUR belaufen.
Die am 00.00.0000 geborene HE ist schwerbehindert nach einem Grad der Behinderung von 90 (Merkzeichen G, RF, B). Sie ist seit 24.09.2001 dauerhaft voll erwerbsgemindert und erhält deshalb seit August 2002 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Rentenbescheid der LVA Rheinprovinz – heute: DRV Rheinland – vom 22.01.2004). Sie steht unter gerichtlich bestellter Betreuung des Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) e.V ... Seit Dezember 1998 bezog die HE Sozialhilfe, zuletzt in Form von Leistungen der GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich sie bis 27.01.2010 wohnte. Zudem erhielt die HE bis Januar 2010 von dem Beigeladenen Sozialhilfe in Form von Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII durch Fachleistungsstunden (FLS) im Rahmen ambulant betreuten Wohnens.
Am 28.01.2010 zog die HE in das Rheinische Blindenheim in Düren um, wo sie bis 31.12.2010 wohnte. Die Kosten dieser stationären Heimunterbringung trug der Beigeladene.
Zum 01.01.2011 bezog die HE eine eigene Wohnung in Düren; Vermieter ist das Deutsche Katholische Blindenwerk e.V., ein anerkannter Anbieter des Betreuten Wohnens. In diesem Zusammenhang erhält die HE seit Januar 2011 wieder vom Beigeladenen Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII, u.a. regelmäßig 4,5 FLS wöchentlich im Rahmen ambulant betreuten Wohnens (Bewilligungsbescheid des Beigeladenen vom 16.05.2011).
Am 15.11.2010 beantragte die HE bei der Klägerin GSi-Leistungen für die Zeit ab 01.01.2011 unter Beifügung einer Mietbescheinigung und Hinweis, dass kein Vermögen vorhanden sei. Mit Schreiben vom 22.11.2010 leitete die Klägerin den GSi-Antrag der HE "zuständigkeitshalber" unter Hinweis auf die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII an die Beklagte weiter. Diese sandte die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 25.11.2010 wieder an die Klägerin zurück; sie vertrat die Auffassung, eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII liege nicht vor, da die neue Wohnung der HE keine ambulant betreute Wohnform im Sinne dieser Vorschrift darstelle; für die Gewährung der GSi-Leistung sei deshalb gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII die Klägerin zuständig. Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2010 mit, dass sie der HE ab 01.01.2011 vorläufig GSi-Leistungen gewähren werde; zugleich meldete sie für diese Leistungen einen Kostenerstattungsanspruch an und erklärte, die Höhe werde sie später beziffern.
Am 30.12.2010 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, ihre örtliche Zuständigkeit für die an die HE "ab dem 01.01.2011 zu erbringenden Leistungen nach dem SGB XII anzuerkennen und die von ihr erbrachten Aufwendungen zu erstatten".
Durch Bescheid vom 03.01.2011 hat die Klägerin der HE GSi-Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2011, durch weiteren Bescheid vom 15.06.2011 für die Zeit von Juli 2011 bis Juni 2012 bewilligt. Die HE erhielt von der Klägerin bisher - für Januar 2011 138,49 EUR, - für Februar bis Juni 2011 monatlich 408,86 EUR 2.044,30 EUR, - für Juli bis November 2011 monatlich 404,55 EUR 2.022,75 EUR insgesamt 4.205,54 EUR.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei den vom Beigeladenen erbrachten FLS handele es sich um Leistungen im Rahmen einer ambulant betreuten Wohnform. Soweit die HE vor Beginn dieser Leistung in einem Blindenheim gelebt und der Beigeladene dafür die Kosten getragen habe, komme dieser als zuständiger Leistungsträger für die hier streitbefangenen GSi-Leistungen nicht in Betracht, weil es dafür an dessen sachlicher Zuständigkeit fehle. § 98 Abs. 5 SGB XII beziehe sich nicht nur auf GSi-Leistungen, sondern auf sämtliche Leistungen nach dem SGB XII; deshalb sei hinsichtlich der Feststellung einer fiktiven bisherigen Zuständigkeit nicht ausschließlich auf die konkret in Rede stehende Sozialhilfeleistung abzustellen. Da die HE vor Beginn des ambulant betreuten Wohnens in einer stationären Einrichtung gelebt habe, sei hierfür die Beklagte örtlich zuständig gewesen, wenn nicht eine sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen bestanden hätte. Hiervon ausgehend sei die Beklagte auch für die GSi-Leistungen ab 01.01.2011 weiterhin örtlich zuständig.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die Zeit von Januar bis November 2011 nach dem 4. Kapitel des SGB XII erbrachten Aufwendungen für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin N.U.N. in Höhe von 4.205,54 EUR zu erstatten, 2. festzustellen, dass die Beklagte auch weiterhin für die Grundsicherung der Hilfeempfängerin zuständig ist, solange diese auch Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel des SGB XII im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie geht, nachdem sie zunächst die gegenteilige Ansicht vertreten hat, inzwischen ebenfalls davon aus, dass es sich bei der Wohnform der HE ab 01.01.2011 um eine solche des ambulant betreuten Wohnens handelt und die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII einschlägig ist. Anknüpfungspunkt dieser Norm sei aber die Zuständigkeit vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnform; diese Zuständigkeit habe beim Beigeladenen gelegen, da dieser davor Sozialhilfe geleistet habe; deshalb bestehe allenfalls ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII gelte gleichermaßen für örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger und treffe nicht nur eine örtliche, sondern desgleichen eine sachliche Zuständigkeitsregelung.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Auch er geht davon aus, dass die HE ab 01.01.2011 eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit nutzt. Eine solche liege dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, den Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dies treffe im Fall der HE durch die gewährten FLS seit 01.01.2011 zu. Für die hier streitbefangenen GSi-Leistungen komme eine sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen nicht in Betracht; § 98 Abs. 5 SGB XII regele ausschließlich die örtliche Zuständigkeit. Anknüpfungspunkt sei die örtliche Zuständigkeit vor dem Eintritt in die Wohnform des ambulant betreuten Wohnens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die HE betreffenden Verwaltungsakten der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Leistungs- und Feststellungsklage zulässig. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da die Beteiligten zwar keine "Versicherungsträger der Sozialversicherung", wohl aber Sozialleistungsträger sind; unabhängig davon ergibt sich die Zulässigkeit des Feststellungsantrags aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; das berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung ergibt sich daraus, dass sie Leistungen in erheblicher Höhe vorläufig geleistet hat und weiter leistet.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin erbringt die GSi-Leistungen an die HE seit 01.01.2011 als unzuständiger Leistungsträger. Ihr Erstattungsanspruch ergibt sich nicht aus § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Voraussetzungen nach § 102 SGB X vorliegen. Da die HE seit 01.01.2011 einen Anspruch auf GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat und insbesondere zwischen der Klägerin und der Beklagten streitig war und ist, wer von ihnen zur Leistung verpflichtet ist, erbringt die Klägerin die Sozialhilfe gem. § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als zuerst angegangener Leistungsträger vorläufig. Zur Leistung verpflichtet – und deshalb gem. § 102 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin erstattungspflichtig – ist jedoch die Beklagte. Denn sie ist die für die GSi der HE sachlich und örtlich zuständige Leistungsträgerin.
Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten als kreisfreier Stadt folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII. Danach sind für die Sozialhilfe grundsätzlich die örtlichen Träger der Sozialhilfe, das sind die kreisfreien Städte und Kreise (§ 3 Abs. 2 SGB XII), sachlich zuständig. Eine von diesem Grundsatz abweichende sachliche Zuständigkeit im Sinne des § 97 Abs. 1, 2. Halbsatz SGB XII ("soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist") besteht vorliegend nicht. Eine solche folgt – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch nicht aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Denn diese Regelung betrifft ausschließlich die örtliche Zuständigkeit; die sachliche Zuständigkeit des örtlichen bzw. überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird durch § 98 Abs. 5 SGB XII nicht berührt (so ausdrücklich: BR-Drucksache 617/06, S. 21 zur Änderung des § 98 Abs. 5 Satz 1).
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 98 SGB XII. Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift trifft die allgemeine Regelung, dass für Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten liegt. Allein hiernach wäre die Klägerin örtlich zuständig, da die HE ab 01.01.2011 im Bereich der Klägerin eine Wohnung bezogen hat und seitdem dort ständig – nicht nur vorübergehend – lebt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 18 des "Gesetz zur Änderung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2670) trifft jedoch eine von dem Grundsatz des Abs. 1 Satz 2 abweichende Zuständigkeitsregelung: "Für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre."
Die Formulierung "Leistungen nach diesem Buch" verdeutlicht, dass mit der Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an die vorhergehende örtliche Zuständigkeit alle Leistungen nach dem SGB XII betroffen sind (BR-Drucksache 617/06, S. 21). Von der Sonderregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII sind nur ambulante Fälle erfasst, in denen die Hilfeempfänger Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ("Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel") tatsächlich erhalten. Der Begriff der "ambulant betreuten Wohnmöglichkeit" ist im Gesetz nicht definiert. Beim betreuten Wohnen ist weniger auf die Wohnform als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen abzustellen. Eine betreute Wohnmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; vielmehr müssen diese in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein muss. Unter diesen Voraussetzungen liegt eine betreute Wohnmöglichkeit auch dann vor, wenn Einzelpersonen in einer selbst angemieteten Wohnung leben. Die möglichen Hilfeleistungen, die das erforderliche Merkmal der Betreuung erfüllen, umfassen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurecht zu finden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interesse zu artikulieren und adäquat zu erledigen. Auch die Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen kann z.B. den Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolgt, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen kann (LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 15/09 – m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die HE lebt seit 01.01.2011 in einer selbst angemieteten Wohnung. Vermieter ist das Deutsche Katholische Blindenwerk e.V., ein anerkannter Anbieter des Betreuten Wohnens. Die HE erhält vom Beigeladenen seit Januar 2011 Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII in Form von FLS, regelmäßig 4,5 Stunden pro Woche. Es handelt sich bei diesen FLS – darin stimmen inzwischen alle Beteiligten überein – um Leistungen des ambulant betreuten Wohnens.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte zuletzt vor Eintritt der HE in diese Wohnform des ambulant betreuten Wohnens für die hier in Rede stehenden GSi-Leistungen – örtlich – zwar nicht zuständig war, aber zuständig gewesen wäre. Die HE hat zuletzt vor dem 01.01.2011 – nämlich vom 28.01. bis 31.12.2010 – im Bereich der Klägerin gelebt. Dies war in einer Einrichtung (Blindenheim), in der die HE stationäre Leistungen der Sozialhilfe ausschließlich vom Beigeladenen erhalten hat. Eine tatsächliche Zuständigkeit ("zuständig war") für GSi-Leistungen bestand nicht, weil solche während der Heimunterbringung nicht erbracht wurden. Jedoch bestand eine fiktive örtliche Zuständigkeit der Beklagten ("zuständig gewesen wäre") für GSi-Leistungen, wenn solche in der Zeit vom 28.01. bis 31.12.2010 zu erbringen gewesen wären. Dies folgt aus § 98 Abs. 2 Satz 1 und § 109 SGB XII (die im Hinweisschreiben des Kammervorsitzenden vom 05.10.2011 nicht bedacht worden sind). § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass für stationäre Leistungen in einer Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Bei der Aufnahme in das Blindenheim bzw. in den zwei Monaten davor hatte die HE ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beklagten. Sie lebte bis 27.01.2010 in Köln und erhielt bis dahin von der Beklagten Leistungen der GSi nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Mithin wäre sie auch im Sinne des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII für die anschließende Zeit der Heimunterbringung vom 28.01. bis 31.12.2010 für GSi-Leistungen an die Klägerin zuständig gewesen, falls solche zu erbringen gewesen wären. Dies steht nicht in Widerspruch zu der Grundsatzregelung des § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach für GSi-Leistungen der Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts örtlich zuständig ist; denn § 109 SGB XII bestimmt, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des 12. Kapitels, zu dem § 98 SGB XII gehört, nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 gilt.
War somit bis 27.01.2010 die Beklagte für die GSi-Leistungen der HE zuständig und wäre sie auch für die Zeit der Unterbringung der HE in der stationären Einrichtung vom 28.01. bis 31.12.2010 für GSi-Leistungen zuständig gewesen, so ist sie dies gem. § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII auch ab 01.01.2011 geblieben, da die HE seitdem Leistungen nach dem 6. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Und diese – sachliche und örtliche – Zuständigkeit der Beklagten bleibt auch weiterhin bestehen, solange die HE Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel im Rahmen ambulant betreuten Wohnens erhält. Dementsprechend war die Beklagte zur Erstattung der von der Klägerin vom 01.01.2011 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten GSi-Aufwendungen – dies sind 4.205,54 EUR – zu verurteilen und die weiterhin bestehende Leistungszuständigkeit der Beklagten festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert des Erstattungsantrags ergibt sich aus dem Wert der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erbrachten Aufwendungen, das waren 4.205,54 EUR. Der Klägerin ging es jedoch nicht nur um die Erstattung der in der Vergangenheit erbrachten Aufwendungen, sondern um die grundsätzliche Feststellung der Leistungszuständigkeit auch für die Zukunft. Da nicht absehbar ist, wie lange diese Leistungen noch zu erbringen sein werden, und die Leistungen für ein Jahr knapp 5.000,00 EUR betragen, hält es die Kammer für angemessen, für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens den Regelstreitwert von 5.000,00 EUR gem. § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen. Die Werte des Erstattungsstreitwerts und des Feststellungsstreitwerts zusammengerechnet (vgl. § 39 Abs. 1 GKG) ergeben den Gesamtstreitwert von 9.205,54 EUR.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved