L 1 RA 330/04

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 RA 274/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 330/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 2) trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren streiten die Beteiligten noch um die Verrechnung einer Forderung der Beigeladenen zu 2) gegen die Altersrente des Klägers.

Der am geborene Kläger war in der Zeit vom 1. April 1995 bis mindestens 31. Dezember 1995 Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH, in der mehrere Mitarbeiter beschäftigt waren.

Mit Schreiben vom 23. März 1999 ermächtigte die Beigeladene zu 2) die Beklagte, eine ihr gegen den Kläger zustehende Forderung gegen die Rentenleistung der Beklagten zu verrechnen. Andernfalls bat sie um Vormerkung des Ersuchens. Sie gab an, eine einziehbare und nicht verjährte Ansprüche auf Beitragsanteile von Arbeitnehmern in Höhe von 10.362,08 DM (Stand 4.12.1998) gegen den Kläger zu haben. Diese Forderung werde sich bis zur endgültigen Tilgung noch erhöhen.

Die Beigeladene zu 1) ermächtigte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Februar 2000 zur Verrechnung einer "einziehbaren und nicht verjährten" Rückforderung von Arbeitslosenhilfe einschließlich der Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 15. Juli bis 30. November 1998 in Höhe von 11.635,59 DM (einschließlich Säumniszuschlägen von 58,40 DM). Auch sie bat ggf. um Vormerkung des Ersuchens.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger beginnend ab 1. Oktober 2000 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Ab 1. März 2001 wurden hierauf monatlich 2.260,67 DM gezahlt. Die Nachzahlung werde im Hinblick auf bekannt gewordene Ansprüche anderer Stellen, die im Nachzahlungszeitraum Zahlungen geleistet hätten, zunächst einbehalten. Unter Bezugnahme hierauf wurde dem Kläger mit Bescheid vom 13. Februar 2001 mitgeteilt, dass von der einbehaltenen Rentennachzahlung in Höhe von insgesamt 11.303,35 DM zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs des Arbeitsamtes Halle für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. Januar 2001 ein Betrag in Höhe von 7.696,48 DM dorthin überwiesen worden sei. Daraus ergebe sich ein Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von 3.606,87 DM.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2001 wurde der Kläger seitens der Beklagten von den Ermächtigungen der Beigeladenen zu 1) und zu 2) in Kenntnis gesetzt. Es sei beabsichtigt, für die Verrechnung von der laufenden Rentenleistung monatlich 291,50 DM ("derzeit pfändbarer Betrag bei Berücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person") und aus der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 3. Januar 2001 einmalig 3.606,87 DM einzubehalten. Falls der Kläger bereits Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes erhalte oder durch die Verrechnung sozialhilfebedürftig werde, werde um Vorlage einer entsprechenden Bestätigung des zuständigen Sozialamtes gebeten. Über die Verrechnung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, sich zu der vorgesehenen Verrechnung bis zum 22. März 2001 zu äußern und dabei alle Umstände zu schildern, die für die Verrechnung bedeutsam sein könnten.

Mit einem am 6. März 2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben wandte der Kläger gegen die beabsichtigte Einbehaltung des Nachzahlbetrages und der laufenden Rentenleistung zugunsten der Beigeladenen zu 2) ein, er habe als Teilhaber eines Betriebes Bürgschaftsverpflichtungen übernommen, aus denen er aufgrund von Forderungsausfällen gegenüber Kunden in Anspruch genommen worden sei. Daraufhin sei zunächst ein außergerichtliches und dann ein gerichtliches Verbraucherinsolvenzverfahren veranlasst worden. Die Forderung der Beigeladenen zu 2) sei Bestandteil beider Verfahren gewesen und im Schuldenbereinigungsplan enthalten gewesen. Die Beigeladene zu 2) könne daher diese Forderung nicht nochmals gegen ihn erheben. Gleiches gelte auch bezüglich der Forderung der Beigeladenen zu 1), die zudem teilweise beglichen sei. Diesbezüglich sei auch beim Sozialgericht Halle noch ein Klageverfahren anhängig. Er müsse für den Lebensunterhalt und die Miete für sich und seine Ehefrau, die über kein eigenes Einkommen verfüge, aufkommen.

Hiervon in Kenntnis gesetzt teilte die Beigeladene zu 2) mit, sie erhalte ihr Verrechnungsersuchen in voller Höhe aufrecht. Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan sei nicht zu Stande gekommen, das Insolvenzverfahren sei mangels Masse abgelehnt worden. Zudem könnte auch bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende des zur Zeit der Eröffnung laufenden Kalendermonats eine Verrechnung nach § 114 Abs. 2 Insolvenzordnung erfolgen. Nach § 302 Abs. 1 Insolvenzordnung sei keine Restschuldbefreiung möglich, da ihre Forderung gegen den Kläger aus vorsätzlich unerlaubter Handlung resultiere. Sie fügte u.a. einen Vollstreckungsbescheid vom 21. Juli 1998 gegen den Kläger in Kopie bei. Die Beigeladene zu 1) teilte mit, die bestehende Restforderung belaufe sich auf 8.276,27 DM. In dem vom Kläger angegebenen anhängigen Klageverfahren gehe es nicht um die Rechtmäßigkeit dieser Forderung. Es werde weiterhin um Verrechnung gebeten.

Mit Bescheid vom 25. April 2001 wurde die Rente des Klägers neu festgestellt, und es ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 266,88 DM.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2001 erklärte die Beklagte, dass sie aufgrund der Ermächtigungen der Beigeladenen zu 1) und zu 2) wegen geschuldeter Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen in Höhe von 10.362,08 DM und 8.276,27 DM (ggf. zuzüglich weiterer Zinsen und Säumniszuschläge) die Rente des Klägers in Höhe von 2342,35 DM (Bezug ab 1.7.2001) monatlich in Höhe von 331,50 DM ("pfändbarer Betrag") ab 1. August 2001 auf-bzw. verrechne. Sie halte die Auf-bzw. Verrechnung nach eingehender Prüfung für angemessen. Die Einwände des Klägers könnten nicht berücksichtigt werden, weil nach ihrer Kenntnis ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden sei. Ein Insolvenzbeschluss liege nicht vor. Gegen die mit den Bescheiden vom 3. Januar 2001 und vom 25. April 2001 bewilligten Nachzahlungen würden einmalig 3.606,87 DM und 133,44 DM verrechnet.

Der zum Treuhänder über das Vermögen des Klägers bestellte Rechtsanwalt teilte der Beklagten die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durch Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. April 2001 mit und fügte die Abschrift eines entsprechenden Eröffnungsbeschlusses bei. Auf seine Bitte, die pfändungsfreien Beträge auf das von ihm eingerichtete Anderkonto auszukehren, teilte die Beklagte mit, dass wegen vorrangiger Forderungen zur Zeit keine pfändbaren Beträge aus der Rente zur Verfügung ständen.

Mit einem am 12. Juni 2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben legte der Kläger gegen den Bescheid vom 22. Mai 2001 Widerspruch ein. Er habe ein Schreiben von der Beigeladenen zu 1) erhalten, in welchem diese selbst von einer Aufrechnung absehe. Die Forderung der Beigeladenen zu 2) in Höhe von 10.362,08 DM wegen nichtabgeführter Arbeitnehmeranteile sei zwar Fakt, hierzu gebe es jedoch kein gerichtliches Urteil. Es liege ein Insolvenzbeschluss vor, und die Forderungen der Beigeladenen seien Bestandteil des Schuldenbereinigungsplans. Er wies darauf hin, dass ausstehende Verpflichtungen nur noch über den Treuhänder zu begleichen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) hätten jeweils ihre Forderungen ausdrücklich bestätigt, und ihre Verrechnungsersuchen seien vorrangig zu erfüllende Forderungen, die auch unter Beachtung der Bestimmungen der Insolvenzordnung zu berücksichtigen seien. Nach § 114 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Insolvenzordnung gelte eine dreijährige Fortwirkungsfrist für die Zulässigkeit einer Verrechnung. Für einen Zeitraum von drei Jahren nach Ablauf des Monats der Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne die Verrechnung fortgesetzt oder auch begonnen werden. Die Beklagte habe daher weder ihr Ermessen missbraucht noch die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufrechnung bzw. Verrechnung fehlerhaft angewandt.

Mit der hiergegen am 3. August 2001 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat neben seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren auf ein ab 1. Dezember 2001 verbessertes Insolvenzgesetz mit einer Anhebung der Pfändungsfreigrenzen auf 2.500,-DM für Personen mit Unterhaltspflicht hingewiesen. Sein Einkommen erreiche diese Grenze nicht. Dennoch werde weiterhin von seiner Rente, zur Zeit ein Betrag von monatlich 169,49 EUR unberechtigterweise einbehalten. Er begehre daher die Zahlung aller bisher einbehaltenen Rentenleistungen sowie zukünftig die Auszahlung der Rente in voller Höhe.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Pfändungstabellen unbeachtlich seien, da nach § 51 Abs. 2 SGB I laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden könnten, soweit der Leistungsberechtigte aufgrund der Aufrechnung nicht sozialhilfebedürftig werde. Der Kläger habe den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit durch die Verrechnung nicht nachgewiesen.

Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) haben sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.

Mit Urteil vom 15. September 2004 hat das Sozialgericht Halle den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001 geändert, soweit aus der laufenden Rentenzahlung Beträge zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) verrechnet werden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 1) mit der Altersrente des Klägers durch die Beklagte sei rechtmäßig. Die Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) sei jedoch rechtswidrig, da es sich bei der Forderung der Beigeladenen zu 2) nicht um eine Forderung im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I handele. Die Beigeladene zu 2) mache vielmehr einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gegen den Kläger geltend. Der Kläger sei nicht der Beitragsschuldner für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gewesen, da nicht er, sondern die GmbH Arbeitgeber der in dieser Firma beschäftigten Arbeitnehmer gewesen sei. Daher liege der Forderung kein Beitragsanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch zu Grunde.

Gegen das der Beigeladenen zu 2) am 15. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat diese noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Der Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages sei als dessen Bestandteil vom Arbeitgeber an die Einzugsstelle zu entrichten. Hierfür sei bei einer GmbH der Geschäftsführer verantwortlich. Die Arbeitnehmeranteile büßten ihren Charakter als Bestandteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nicht dadurch ein, dass der Geschäftsführer für nichtabgeführte Arbeitnehmeranteile persönlich hafte, und es sich hierbei um eine zivilrechtliche Forderung aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB i. V. m. § 266 a StGB handle. Die Beigeladene zu 2) hat hierzu auf ein Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder (Urt. v. 26.2.2004 – S 8 RA 598/99) verwiesen. Sofern ein vollstreckbarer Titel vorliege, sei die Aufrechnung nach § 51 SGB I zulässig. Es komme nicht darauf an, ob die Forderung gegen den Schuldner mittels Beitragsbescheid oder eines vollstreckbaren Titels geltend gemacht werde. Es könnten Forderungen jeglicher Art gegenüber den Leistungsansprüchen zur Aufrechnung kommen, so dass auch ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ohne Weiteres aufgerechnet werden könne.

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. September 2004 insoweit aufzuheben, als dieses den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2001 geändert und dadurch die Verrechnung zu ihren Gunsten aus der Rentenzahlung aufgehoben hat.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In Bezug auf die Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 2) hat er sich der Entscheidung des Sozialgerichts Halle angeschlossen. Bezüglich seiner Ausführungen zu der Forderung der Beigeladenen zu 1) hat er in der mündlichen Verhandlung klargestellt, keine Anschlussberufung erheben zu wollen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) stellen keine Anträge und schließen sich den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen an.

Nachdem durch Beschluss des Amtsgerichtes Halle (Saale) vom 30. November 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers aufgehoben wurde, hat das Landessozialgericht die Beiladung des zum Treuhänder über das Vermögen des Klägers bestellten Rechtsanwalts mit Beschluss vom 14. September 2007 aufgehoben.

Die Verwaltungsakten der Beklagten (Vers.-Nr. ) und der Beigeladenen zu 2) bezüglich des Klägers haben vorgelegen und sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2001 ist jedenfalls insoweit rechtswidrig, als die Beklagte damit auch zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) eine Verrechnung vorgenommen hat. Im übrigen – d. h. bezüglich der weiterhin vorgenommenen Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) – ist der Bescheid mit dem insoweit unangefochten gebliebenen Urteil des Sozialgerichts bindend geworden.

Die Klage ist – soweit im Berufungsverfahren zu prüfen – als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 u. 5 SGG) zulässig und begründet.

Es kann dahinstehen, ob die sozialrechtliche Verrechnung in der Form eines Verwaltungsaktes ergehen darf, oder ob es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt (so BSG, Urt. v. 24.7.2003 – B 4 RA 60/02 R sowie Urt. des LSG NRW v. 14.9.2005 – L 8 R 135/05). Sollte es bereits an der Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes fehlen, müsste der angefochtene Bescheid – soweit er nicht bestandskräftig geworden ist – schon aus formellen Gründen aufgehoben werden (BSG, a.a.O.). Einer Entscheidung hierüber bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da hier jedenfalls die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) nicht vorliegen.

Mit der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage hätte dieser – im Falle der umfassenden Begründetheit – bereits die Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreichen können, mit der Folge, dass die einbehaltenen Beträge aufgrund der Rentenbewilligung an ihn auszuzahlen gewesen wären. Einer Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge (wie sie der 4. Senat des BSG in dem genannten Urteil für erforderlich hält) bedurfte es daher vorliegend nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.4.2006 – L 10 R 2198/05, zitiert nach Juris).

Nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Nach § 51 Abs. 2 SGB I (in der Fassung durch Gesetz v. 30.7.2004, BGBl. I, S. 2014) kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I fehlt es an der Voraussetzung eines Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen oder eines Beitragsanspruchs. Bei der Forderung der Beigeladenen zu 2) aus dem Vollstreckungsbescheid handelt es sich nicht um einen Beitragsanspruch im Sinne von § 51 Abs. 2 SGB I, sondern um einen zivilrechtlichen Anspruch. Im Vollstreckungsbescheid selbst ist ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB und § 14 StGB wegen einbehaltener, aber nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag benannt. Dieser basiert auf einer zivilrechtlichen Rechtsgrundlage und ist daher zivilrechtlicher Natur. Beitragsansprüche basieren auf einer öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Einen solchen öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch hat die Beigeladene zu 2) in dem Vollstreckungsbescheid nicht geltend gemacht. Mit einer zivilrechtlichen Forderung kann nicht nach § 51 Abs. 2 SGB I, sondern lediglich nach § 51 Abs. 1 SGB I aufgerechnet bzw. verrechnet werden.

Selbst wenn die Beigeladene zu 2) gegen den Kläger neben der zivilrechtlichen Forderung auch einen Beitragsanspruch hat, kann eine auf §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I gestützte Verrechnung nicht stattfinden, denn die Beigeladene zu 2) hat einen Beitragsanspruch weder zivilrechtlich geltend gemacht, noch hat sie einen Beitragsbescheid erlassen. Ein möglicher Beitragsanspruch ist daher jedenfalls nicht vollstreckbar und kann aus diesem Grunde auch nicht Gegenstand einer Verrechnung sein. Solange die Beigeladene zu 2) lediglich zivilrechtliche Ansprüche gegen den Kläger geltend macht, scheidet eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I aus.

Eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I kommt für die Zeit ab 1. Januar 2002 schon deshalb nicht in Betracht, weil sich ab diesem Zeitpunkt aufgrund der Änderung der Pfändungsfreigrenzen kein pfändbarer Betrag mehr aus der Rente des Klägers ergab. Aber auch bis zu diesem Zeitpunkt -und danach -kann die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung wegen Ermessensfehlgebrauchs der Beklagten nicht auf §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I gestützt werden. Eine Verrechnung nach diesen Vorschriften erfordert andere Ermessenserwägungen als eine auf §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I gestützte Verrechnung, insbesondere bezüglich der Höhe, in der die Verrechnung erfolgen darf und soll. Die Beklagte hat die gesetzlichen Ermessensgrenzen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I – nämlich die Verrechnung lediglich bis zur Pfändungsfreigrenze – nicht erkannt, sondern ist offensichtlich davon ausgegangen, dass die laufende Rentenleistung bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden könne, da der Kläger nicht nachgewiesen hatte, durch die Verrechnung sozialhilfebedürftig zu werden. Sie hat dies ausdrücklich im Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides so ausgeführt. Schließlich ist sie auch dem späteren Einwand des Klägers, aufgrund der Änderung der Pfändungsfreigrenzen ergebe sich kein pfändbarer Betrag mehr, mit dem Hinweis auf die Regelung der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I begegnet, weshalb die Pfändungsfreigrenze keine Rolle spiele. Dadurch wird deutlich, dass die Beklagte bereits vorher nicht von den Ermessensgrenzen der §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I ausgegangen ist. In dem Hinweis im Bescheid vom 22. Mai 2001, es handele sich bei dem verrechneten Betrag um den "pfändbaren Betrag", kann daher lediglich eine Erklärung für den verrechneten Betrag im Rahmen eines nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I ausgeübten, verkürzten Ermessens gesehen werden.

Da die Beklagte eine Entscheidung nach §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I anhand eigener Ermessenserwägungen nicht getroffen hat, kann das Gericht diese nicht ersetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestand nicht, weil es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf ankam, ob die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden kann.
Rechtskraft
Aus
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