L 1 R 138/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 412/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 138/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) hat.

Die am ... 1962 geborene Klägerin absolvierte nach dem Besuch der allgemeinbildenden Oberschule eine Ausbildung als Fachverkäuferin bei der Konsumgenossenschaft in M., war hiernach u. a. in diesem Beruf tätig und nahm nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und Weiterbildung im Dezember 1992 eine Tätigkeit als Bürofachkraft auf. Im Juli 1995 wurde sie erneut arbeitslos und übte bis Dezember 2004 verschiedene Tätigkeiten bzw. Nebentätigkeiten aus (Mitarbeiterin Public Relation, Mitarbeiterin Fremdenverkehr, Hostess bei der Bundesgartenschau, Nebentätigkeit beim Pennymarkt, Nebentätigkeit beim Kantinenservice, Nebentätigkeit bei Beautycosmetics). In dieser Zeit nahm sie auch an verschiedenen Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen teil.

Am 17. August 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten – nachdem die Beklagte zuvor bereits einmal einen solchen Antrag abgelehnt hatte – erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab dazu an, sie leide seit ca. 2001 unter Rheuma, chronischer Gelenkentzündung, Schuppenflechte und Depressionen. Sie könne deshalb nur noch vier Stunden täglich im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen arbeiten. Die Beklagte holte einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dipl.-Med. I. vom 4. Oktober 2004 ein und veranlasste das orthopädische Fachgutachten des Dr. F. vom 30. September 2004 sowie das weitere Fachgutachten der Fachärztin für Nervenheilkunde und Psychotherapie Dr. N. vom 28. September 2004. Dr. F. diagnostizierte bei der Klägerin nach Untersuchung am 23. September 2004 eine chronische Polyarthritis, ein Zervikalsyndrom, ein Lumbalsyndrom sowie eine leichte Coxarthrose beidseits. Als Mitarbeiterin in einem Kosmetikstudio könne sie noch täglich sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte Tätigkeiten für täglich sechs Stunden und mehr im Wechsel der Haltungsarten möglich. Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule seien ihr nicht mehr zumutbar. Frau Dr. N. diagnostizierte nach Untersuchung am 9. September 2004 eine Somatisierungsstörung mit dem Hauptsymptombereich Bewegungs- und Stützapparat auf dem Boden einer vermutbar primär-neurotischen Fehlentwicklung (Konversionsneurose). Aus ihrer fachlichen Sicht sei die Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht beeinträchtigt. Es bestehe eine ausgesprochene Beschwerdenfixierung und ein deutliches Rentenbegehren. Die Klägerin sei als Mitarbeiterin Fremdenverkehr und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden und mehr einsetzbar, wobei keine wesentlichen Einschränkungen bestünden. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin noch Tätigkeiten täglich mindestens sechs Stunden regelmäßig ausüben. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Hiergegen legte die Klägerin am 4. November 2004 Widerspruch ein. Sie sei auf absehbare Zeit außerstande, selbst eine leichte körperliche Tätigkeit von mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Das Gutachten von Frau Dr. N. zeige eine deutlich subjektive Sichtweise. Sie - die Klägerin - sei zudem bei weiteren Ärzten in ständiger rheumatologischer, neurologischer sowie psychiatrischer Behandlung. Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte der behandelnden Nervenärztin Dr. L. vom 1. April 2005, der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. W. vom 25. März 2005 und des behandelnden Internisten und Rheumatologen Dr. W. vom 24. März 2005 ein. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. G. das Gutachten vom 24. Juni 2005. Die Ärztin diagnostizierte nach Untersuchung der Klägerin am 13. Mai 2005 und weiterer Diagnostik am 8. Juni 2005 ein somatoformes Schmerzsyndrom, eine abhängige Persönlichkeitsstruktur sowie die Entwicklung von Symptomen aus psychischen Gründen. Die Klägerin könne als Mitarbeiterin Fremdenverkehr noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in allen Haltungsarten ohne wesentliche Einschränkungen sechs Stunden und mehr am Tag möglich. Bei beiden Terminen habe die Klägerin immer wieder Konzentrations- und Gedächtnisstörungen dargestellt. Dabei habe sie aufgesetzt, demonstrativ und nicht glaubhaft gewirkt. Es bestünden eindeutige Aggravationen im Rahmen von Versorgungstendenzen. Die bestehenden Therapiemöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft. Daraufhin bewilligte die Beklagte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. F. vom 24. April 2006, in der sich die Klägerin vom 7. März 2006 bis zum 18. April 2006 einer stationären Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hatte, lagen bei ihr eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Psoriasisarthropathie (Schuppenflechte), eine Meralgia paraesthetica (Nervenkompressionssyndrom im Bereich des Leistenbands) links, ein chronisch rezidivierendes lumbales pseudoradikuläres Schmerzsyndrom sowie eine arterielle Hypertonie vor. Sie könne als Verkäuferin noch täglich sechs Stunden und mehr arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr leichte körperliche Tätigkeiten in Tagesschicht sowie in Früh- und Spätschicht im Wechsel der Haltungsarten und unter Vermeidung von Bücken, Hocken, Knien, Heben und Tragen sechs Stunden und mehr am Tag möglich. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2006 zurück. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden und mehr erwerbstätig zu sein.

Am 30. Juni 2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie gehe von einer Chronifizierung des Schmerzsyndroms und einer "Erstärkung der abhängigen Persönlichkeitsstruktur" aus. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, des Internisten und Rheumatologen Dr. W. vom 23. März 2007 sowie vom 20. März 2008, der Hautärztin Dipl.-Med. G. vom 27. März 2007, der Orthopädin Dipl.-Med. B. vom 17. April 2007, der Nervenärztin Dr. L. vom 20. April 2007 sowie der Hausärztin Dipl.-Med. I. vom 16. April 2007. Auf Veranlassung des SG hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. nach Untersuchung der Klägerin vom 12. Dezember 2007 das Fachgutachten vom 28. Dezember 2007 mit folgenden Diagnosen erstellt: Ein chronisches Schmerzsyndrom mit Schmerzen in den Gelenken mit schubartiger Zunahme im Rahmen einer Psoriasis als Psoriasis-Arthritis und im Rahmen degenerativer Gelenkveränderungen im Knie, Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Einstrahlung in das linke Bein als radikuläre Störung mit sensiblem Reizsyndrom sowie eine zunehmende somatoforme Schmerzstörung mit willentlicher Ausgestaltung der Beschwerden und Funktionsdefiziten durch die Klägerin im Sinne der Aggravation, verbunden mit einer Schmerzverarbeitungsstörung mit depressiven und regressiven Anteilen. Aufgrund der Chronifizierung des Schmerzsyndroms bestehe nur noch eine Leistungsfähigkeit der Klägerin für regelmäßige Tätigkeiten von mindestens sechs bis unter acht Stunden täglich. Diese sei eingeschränkt auf leichte körperliche Tätigkeiten mit regelmäßigem Tragen von Lasten im Bereich von 5 kg, vorwiegend im Sitzen, im Wechsel von Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltung, ohne häufiges Bücken und Knien, ohne Tätigkeit in Kälte, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft, nur in geschlossenen Räumen und ohne besondere Beanspruchung der Wirbelsäule und des linken Beines. Zeitdruck, wechselnde Arbeitsvorgaben und ständig wechselnde Arbeitsstrukturierungen sollten wegen der chronisch-fixierten Fehlwahrnehmung des Restleistungsvermögens durch die Klägerin vermieden werden.

Das SG hat desweiteren das internistisch-rheumatologische Gutachten des Prof. Dr. K. vom 29. August 2008 veranlasst, der nach Untersuchung der Klägerin am 18. Juli 2008 folgende Erkrankungen diagnostiziert hat:

Arthrose betont im Bereich der Hüftgelenke im Sinne einer Coxarthrose und im Großzehengrundgelenk links, Gonarthrose rechts,

Psoriasis, aktuell kein Anhalt für aktive Psoriasisarthritis,

kein Nachweis psoriasistypischer Gelenkveränderungen,

beginnende Halluxvalgus-Fehlstellung beidseits,

chronisch rezidivierende Lumboischialgien L5 links mit erneuter akuter Exacerbation bei kleinem Nukleus pulposus prolaps LWK 4/5 linksbetont und residualer Kribbelparesthesien D 3-5 links seit 2002,

radikuläres Reizsyndrom der Lendenwirbelsäule,

Spondylarthrose LWK 4/5 und LWK 5/S1 beidseits ohne wesentlichen raumfordernden Charakter,

beginnende Spondylose LWK 3/4 rechts ventrolateral; bekannte multisegmentale Bandscheibendehydrierungen,

Myogelosen im Schulter-/Nackenbereich,

arterielle Hypertonie,

Adipositas,

Somatisierungsstörung, somatoforme Schmerzstörung und

Schmerzverarbeitungsstörung mit depressiven Anteilen.

Die Klägerin könne noch regelmäßig täglich mindestens sechs bis unter acht Stunden körperlich leichte Arbeiten mit geringem Tragen von 5 kg verrichten. Die Tätigkeit solle in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von extremen Umwelteinflüssen erfolgen, vorwiegend im Sitzen mit regelmäßigem Wechsel der Körperhaltung, ohne Zwangshaltung und ohne häufiges Bücken oder Knien. Arbeiten an laufenden Maschinen, Akkord- und Fließbandarbeit und Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck seien ebenso zu vermeiden wie eine besondere Beanspruchung der Wirbelsäule und des linken Beines. Nach Vorlage aktueller Laborwerte der Klägerin hat Prof. Dr. K. mit Schreiben vom 16. Februar 2009 ergänzend Stellung genommen und an seinem Leistungsvotum festgehalten.

Nach einem Kurzentlassungsbericht des Fachkrankenhauses für Rheumatologie und Orthopädie V./G., in dem sich die Klägerin vom 11. Februar bis 21. Februar 2009 in stationärer Behandlung befand, wurde eine Schmerztherapie durchgeführt und die Medikamentendosis optimiert. Die Psoriasisarthritis sei derzeit in Remission.

Mit Urteil vom 12. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte körperliche und geistig einfache Arbeiten in temperierten Räumen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, ohne Zwangshaltungen und ohne besonderen Zeitdruck zu verrichten. Dies folge aus der übereinstimmenden Einschätzung der in das Verfahren einbezogenen Fachgutachter und dem Rehabilitationsbericht vom 24. April 2006. Die anders lautenden Auffassungen der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. B. und Dr. L. könnten dagegen nicht überzeugen.

Gegen das am 14. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. April 2009 Berufung eingelegt. Sie hält das Urteil des SG für unzutreffend. Die behandelnde Schmerztherapeutin habe ihr seit 2005 durchgängig Arbeitsunfähigkeit attestiert. Daher sei folgerichtig von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. Auch ein weiterer behandelnder Facharzt schätze das Leistungsvermögen – abweichend von dem nicht nachvollziehbaren Gutachten des Prof. Dr. K. – mit drei bis unter sechs Stunden ein. Es bestünden Konzentrations- und Wortfindungsprobleme, Ein- und Durchschlafstörungen und eine Verlangsamung in der Verrichtung der Dinge des alltäglichen Lebens sowie soziale Rückzugstendenzen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2006 aufzuheben, und

die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. August 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2009 zurückzuweisen.

Sie erwidert: Die Klägerin sei mehrfach begutachtet worden und sämtliche Gutachter seien zu einer ähnlichen Leistungseinschätzung gekommen. Im Rahmen mehrwöchiger Aufenthalte zur Rehabilitation seien keine rentenrelevanten Funktionsstörungen festzustellen gewesen. Auch die angegebenen Konzentrationsstörungen seien nicht festgestellt worden.

Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 23. August 2009, der Hausärztin Dipl.-Med. I. vom 31. August 2009, der Orthopädin Dipl.-Med. B. vom 29. Oktober 2009 sowie des Facharztes für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. W. vom 20. August 2009 eingeholt. Dr. L. hat auf die Frage nach Veränderungen der erhobenen Befunde mitgeteilt, dass die Klagen der Klägerin seit 2005 immer wieder die gleichen seien, nämlich Stimmungsschwankungen, Lust- und Antriebslosigkeit, vermindertes Interessenspektrum, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Muskel-, Gelenk- und Rückenschmerzen, finanzielle Sorgen und sozialer Rückzug. Die behandelnde Hausärztin hat eine Verschlechterung der Befunde seit 2001 mitgeteilt, da zu diesem Zeitpunkt Depressionen aufgetreten seien. Es liege eine Chronifizierung vor. Die Orthopädin Dipl.-Med. B. hat von einer Zunahme der Beschwerden in der Lendenwirbelsäule berichtet und in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Mai 2010 auf den Bericht der Radiologie Sudenburg vom 20. November 2009 verwiesen. Nach der aktuellen MRT-Untersuchung vom 20. November 2009 ergäben sich jedoch keine operativen Notwendigkeiten und auch keine Verschlechterungen. Der behandelnde Internist und Rheumatologe Dr. W. hat mitgeteilt, dass gegenüber den Befundberichten vom März 2006 und März 2008 keine eindeutigen Veränderungen zu verzeichnen seien. Auf Antrag der Klägerin hat die Nervenfachärztin Dr. G. nach Untersuchung der Klägerin am 5. November 2010 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30. Dezember 2010 erstattet. Die Ärztin hat eine chronifizierte Depression mit vorherrschender Antriebs- und Interessensverarmung, eine bekannte Psoriasisarthropathie, ein chronisches Schmerzsyndrom, ein bekanntes lumbales Reizsyndrom sowie eine somatoforme Schmerzstörung in Folge psychosozialer Traumata diagnostiziert. Die Erwerbsfähigkeit sei entscheidend durch die chronifizierte Depression beeinträchtigt, was in den Vorgutachten keine ausreichende Beachtung gefunden habe. Die Klägerin sei sowohl seelisch als auch körperlich behindert und nur noch weniger als drei Stunden belastbar. Sie könne für eine wettbewerbsfähige Tätigkeit nicht die notwendige Leistungsfähigkeit entwickeln. Die Vorgutachter hätten nicht angemessen berücksichtigt, dass eine Depression "zur Unfähigkeit ausreichend aktiv zu werden, um wettbewerbsfähig arbeiten zu können" führe.

Auf Veranlassung des Senats hat der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. eine ergänzende Stellungnahme vom 15. April 2011 abgegeben. Zu dem Gutachten der Frau Dr. G. hat er ausgeführt, diese habe einen mit seinen gutachtlichen Ausführungen übereinstimmenden Befund festgestellt. Soweit sie auf "psychosoziale Traumata" verweise, könne dies ein möglicher Faktor für die Entstehung der somatoformen Schmerzstörung sein, sei aber sicher nicht der ausschlaggebende Punkt. Schubartige Verschlechterungen der Schmerzen bei akuter Psoriasis und den übrigen Erkrankungen seien möglich. Diese Verschlechterungen würden von Dr. G. jedoch nicht durch eine psychopathologische Beschreibung, Konfliktbeschreibung oder Darlegung der zunehmenden Dichte und Intensität der Behandlung belegt. Seine Leistungseinschätzung und die gestellten Diagnosen seien ausreichend durch Verhaltensbeschreibung, psychopathologische Exploration und Testverfahren untermauert. Nur aus der Zusammenschau ließe sich auf das Leistungsvermögen und die Kompensationsfähigkeiten der Klägerin schließen. Aus dem Gutachten der Frau Dr. G. ergäbe sich kein Hinweis auf "eine seelische als auch körperliche Behinderung", die eine verminderte Belastbarkeit der Klägerin unter drei Stunden begründen würde. Er bleibe daher bei seinem Leistungsbild.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 mitgeteilt, sie teile die Beurteilung der Frau Dr. G ... Diese solle die Gelegenheit erhalten, zur Kritik des Dr. W. Stellung zu nehmen. Dem Schreiben war ein Bericht der Radiologie S. vom 19. September 2011 beigefügt, wonach bei einer MRT der Lendenwirbelsäule vom 16. September 2011 eine leichte rechtskonvexe Skoliose, ein kleines lumbosakrales Assimilationsgelenk links sowie Spondylarthrose festgestellt wurden. Es lägen kein Prolaps, keine Kompression nervaler Strukturen, keine Gefügestörung und keine spinale Enge vor. Der Senat hat Frau Dr. G. mit Fax vom 5. Oktober 2011 um eine Äußerung zur Kritik des Dr. W. bis zum 11. Oktober 2011 gebeten, die diese nicht abgegeben hat.

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung noch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das diese Entscheidung bestätigende Urteil des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.

1.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarklage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI).

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin in dem zu beurteilenden Zeitraum seit August 2004 bis heute noch in der Lage war und ist, mindestens sechs Stunden täglich zumindest einer körperlich leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Nicht möglich sind dabei Arbeiten, bei denen die Klägerin extremen Umwelteinflüssen (Hitze, Kälte, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft, Staub und reizenden Chemikalien) ausgesetzt ist. Arbeiten an laufenden Maschinen, Akkordarbeit, Fließbandarbeit und Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck sollten vermieden werden. Die Arbeiten sollten im Wechsel der drei Haltungsarten möglich sein. Wegen der Einschränkungen im Bereich der Konzentrations- und Merkfähigkeit, deren Ausmaß von der Klägerin subjektiv größer empfunden wird als sich objektiv bestätigen lässt, sind geistig schwierige und mittelschwierige Arbeiten nicht möglich.

Insoweit folgt der Senat den im Wesentlichen übereinstimmenden ärztlichen Einschätzungen aus dem orthopädischen Gutachten des Dr. F. vom 30. September 2004, dem Fachgutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. N. vom 28. September 2004, dem Fachgutachten der Neurologin und Psychiaterin Dipl.-Med. G. vom 24. Juni 2005, dem Rehabilitationsentlassungsbericht des Reha-Zentrums B. F. vom 24. April 2006, dem Fachgutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 28. Dezember 2007 sowie dem internistisch- rheumatologischen Gutachten des Prof. Dr. K. vom 11. August 2008. In allen diesen ärztlichen Stellungnahmen wird der Klägerin ein zumindest noch sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten unter bestimmten Einschränkungen, insbesondere für den Haltungs- und Bewegungsapparat sowie im Hinblick auf die geistige Schwierigkeit der zu verrichtenden Arbeiten, bescheinigt.

Hiernach liegen bei der Klägerin degenerative Gelenkveränderungen im Bereich der Knie, Hüften und Wirbelsäule mit damit verbundenen Schmerzen vor. Es war weiterhin eine nicht aktive Psoriasisarthritis feststellbar, die jedoch bisher nicht zu psoriasistypischen Gelenkveränderungen geführt hat. Bei der Klägerin besteht eine somatoforme Schmerzstörung mit depressiven Anteilen, wobei eine willentliche Ausgestaltung der Beschwerden und Funktionsdefizite durch die Klägerin im Sinne einer Aggravation anzunehmen ist. Die von ihr subjektiv empfundenen Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen (Langzeitgedächtnis) ließen sich weder durch psychologische Testverfahren noch durch klinische Verhaltensbeobachtungen des Gutachters. Dr. W. in dieser Form bestätigen (psychologische Testverfahren und klinische Verhaltensbeobachtung am 12. Dezember 2007). Diese Ergebnisse werden bestätigt durch die Gutachterin Dipl.-Med. G., die davon berichtet, dass Konzentrations- und Gedächtnisstörungen "aufgesetzt, demonstrativ und nicht glaubhaft" gewirkt hätten und Versorgungstendenzen offensichtlich geworden seien. Auch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. N. berichtet von einer ausgesprochenen Beschwerdenfixierung und einem deutlichen Rentenbegehren. Diesen übereinstimmenden und schlüssig dargelegten Einschätzungen schließt sich der erkennende Senat an.

Nicht folgen kann der Senat dem Urteil der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L., die ein Leistungsvermögen von mindestens drei Stunden wegen der schlechten Merk- und Konzentrationsfähigkeit und multiplen körperlichen Beschwerden sowie der Stimmungslage annimmt (Befundbericht vom 20. April 2007). Denn sie begründet dies im Wesentlichen nicht mit objektivierten Befunden, sondern mit den Äußerungen der Klägerin. Sie berichtet auf die Frage nach einer Verschlechterung der Befunde, dass die Klagen ihrer Patientin seit 2005 immer wieder die gleichen seien, nämlich Stimmungsschwankungen, Lust- und Antriebslosigkeit, vermindertes Interessenspektrum, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Schmerzen, finanzielle Sorgen und soziale Rückzugstendenzen. Diese subjektiv empfundenen, nach der Aktenlage nicht in dieser Form objektivierbaren Einschränkungen führen nicht zu einem rentenrelevanten Absinken des Leistungsvermögens. Aus den Ausführungen der Hausärztin Dipl.-Med. I., die von einer Chronifizierung der seit dem Jahr 2001 bestehenden Depressionen berichtet, ergibt sich ebenfalls keine andere, von den fachärztlichen Gutachten abweichende Bewertung.

Der Senat folgt auch nicht der Einschätzung der Nervenfachärztin Dr. G. in deren Fachgutachten vom 30. Dezember 2010, die von derjenigen in den neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten der Dr. N., der Dipl.-Med. G. und des Dr. W. abweicht. Dr. G. hat für ihre Auffassung, das Restleistungsvermögen liege bei unter drei Stunden, keine objektivierten und damit nachvollziehbaren Gründe benannt. Sie geht von einer "chronifizierten Depression" aus (Dr. W.: "leichte bis mittelgradige depressive Störung") und bezieht sich auf die ebenfalls von Dr. W. festgestellte Antriebs- und Interessenverarmung. Dr. G. gibt jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür an, wie sich diese Erkrankung nach Art und Umfang bei der Klägerin äußert und auswirkt. Diesbezüglich weist Dr. W. zutreffend darauf hin, dass sich rentenrelevante Einschränkungen durch eine Darstellung des Tagesablaufes, die Darstellung ambulanter oder stationärer medizinischer Interventionen, den Zeitpunkt der Einnahme und die Dosierung von Medikamenten, das Führen eines Schmerzkalenders sowie die Intensität und Frequenz psychotherapeutischer Interventionen belegen lassen müssten. Dass Frau Dr. G. mitteilt, die Klägerin sei "sowohl seelisch als auch körperlich behindert", ist nicht hinreichend. Auch ihre Aussage, "eine Depression führe zur Unfähigkeit, ausreichend aktiv zu werden, um wettbewerbsfähig arbeiten zu können", ist zu pauschal und ermöglicht keine konkreten Feststellungen. Soweit Frau Dr. G. zur Begründung ihrer Leistungseinschätzung darauf verweist, die Klägerin könne "für eine wettbewerbsfähige Tätigkeit nicht die notwendige Leistungsfähigkeit entwickeln", fehlt dem Senat eine schlüssige Begründung für diese Annahme, die ausdrücklich von der Sachverständigen abgefragt worden ist. Der Senat geht stattdessen – wie Dr. W. – davon aus, dass es sich bei der "Depression" um eine leichte bis mittelgradige depressive Störung handelt, die sich auch auf die Schmerzwahrnehmung und die Schmerzverarbeitung auswirkt. Aus der von Frau Dr. G. dargestellten neurologisch-psychiatrischen Untersuchung ergibt sich kein Hinweis auf eine schlechtere Einschätzung des Leistungsvermögens. Im psychiatrischen Befund hat sie keine Hinweise dafür gefunden, dass die Klägerin sich in negative Gedanken hineinsteigert. Kognitiv haben sich auch bei der Untersuchung und Exploration von Dr. G. keine Einschränkungen gezeigt. Diese verweist insoweit lediglich auf "die Depression". Inhaltliche oder formale Denkstörungen hat sie nicht feststellen können. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G. war die Schuppenflechte weitestgehend abgeklungen, sodass auch aus diesem Grund nicht auf eine von den übrigen nervenfachärztlichen Gutachten abweichende Leistungseinschätzung zu schließen ist.

Aus rheumatologischer Sicht führt die Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. W. nicht zu einer anderen Leistungsbeurteilung. Der Arzt berichtet von keiner eindeutigen gesundheitlichen Veränderung. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat nach Untersuchung am 18. Juli 2008 eingeschätzt, dass die Klägerin bei aktuellem Fehlen psoriasistypischer Gelenkveränderungen und Inaktivität der Psoriasisarthritis imstande sei, körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten Einschränkungen zu verrichten. Der behandelnde Rheumatologe Dr. W. meint zudem, dass die Klägerin drei bis sechs Stunden täglich arbeiten könne (Bericht vom 23. März 2006) und schließt damit auch eine Tätigkeit von sechs Stunden pro Tag jedenfalls nicht aus.

Aus orthopädischer Sicht hat sich keine wesentliche Verschlechterung im Berufungsverfahren ergeben. Das von der Radiologie S. am 20. November 2009 durchgeführte MRT hat keine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation gezeigt. Im Einzelnen wird auf den Bericht dieser Praxis vom 20. November 2009 verwiesen. Gleiches gilt für das MRT der Radiologie Sudenburg vom 16. September 2011.

2.

Ist die Klägerin hiernach nicht teilweise erwerbsgemindert, liegt erst recht keine volle Erwerbsminderung vor.

Denn dies erfordert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, dass eine Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt sie dieses Kriterium nicht.

Bei der Klägerin liegen auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des vollschichtigen Leistungsvermögens eine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes bedingen würden. Ihr Restleistungsvermögen reicht vielmehr noch für körperlich leichte Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. aus (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, Rdnr. 34, juris). Ihr ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil sie nur unter nicht betriebsüblichen Bedingungen arbeiten könnte.

Schließlich ist sie auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus allen gutachtlichen Äußerungen. Die Sachverständige Dr. G. hat die Frage nach der Wegefähigkeit nicht beantwortet.

3.

Da die Klägerin nach dem 1. Januar 1961, nämlich am ... 1962 geboren ist, hat sie keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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