Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 159/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KA 23/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Endes der Zulassung des Klägers zur vertragszahnärztlichen Versorgung, die im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 15. Januar 2009 Wirkung entfaltete.
Der 1939 geborene Kläger war zunächst seit Oktober 1970 als Vertragszahnarzt zugelassen und nahm im Bezirk der Beigeladenen zu 1 am Praxissitz S.Straße, H. an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 8. November 2006 machte der Zulassungsausschuss der Beigeladenen zu 1 den Kläger vorsorglich auf die gesetzliche Regelung aufmerksam, nach der die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragszahnarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Der Zulassungsausschuss habe deshalb von Amts wegen das Ende der Zulassung zum 31. Dezember 2007 festzustellen. In dem Schreiben heißt es auch: "Bitte stellen Sie sich auf diese Gesetzeslage ein. Eine Verlängerung der Zulassung ist nicht möglich."
Der Kläger teilte der Beigeladenen zu 1 frühzeitig mit, dass er gegen diese Feststellung klagen werde, weil die Altersgrenze gegen europarechtliche Bestimmungen verstoße. Er habe sich der Klagegemeinschaft des F. gegen die Altersgrenze von 68 Jahren angeschlossen.
Durch Beschluss vom 18. April 2007, dem Kläger zugestellt am 26. April 2007, stellte der Zulassungsausschuss für den Bezirk der Beigeladenen zu 1 von Amts wegen unter Hinweis auf § 95 Abs. 7 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) das Ende der Zulassung des Klägers zum 31. Dezember 2007 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 22. Mai 2007 Widerspruch. Er stelle die Verfassungsmäßigkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in Frage und weise darauf hin, dass das Europarecht die Diskriminierung wegen Alters verbiete. Bereits vorsorglich mache er Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Beschluss vom 5. September 2007, dem Kläger zugestellt am 26. September 2007, zurück. Zwar ließen die jüngsten Gesetzesänderungen die Vermutung zu, dass auch eine Aufhebung der Altersgrenze geplant sei. Doch müsse festgestellt werden, dass die Altersgrenze nach wie vor im Gesetz geschrieben stehe und der Beklagte nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Recht und Gesetz gebunden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Oktober 2007 fristgerecht Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, dass die Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V gegen höherrangiges Recht und insbesondere gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoße. Der Beklagte hätte deshalb wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts die gesetzliche Altersgrenzenregelung außer Anwendung lassen müssen. Er begehre, ihn bis auf Weiteres über den 31. Dezember 2007 hinaus an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen zu lassen.
Der Beklagte hat entgegnet, seine Entscheidung entspreche der gesetzlichen Lage.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20. August 2008 abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten entspreche der gesetzlichen Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V. Diese verstoße auch für den Fall des Klägers nicht gegen höherrangiges Recht. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1998 entschieden, dass die Altersgrenze für die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfassungsgemäß sei und insbesondere den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG an subjektive Zulassungsbeschränkungen gerecht werde. An dieser verfassungsrechtlichen Bewertung habe sich auch durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen nichts geändert. Auch ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht sei nicht zu erkennen, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vereinbarkeit der Altersgrenzenregelung in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mit der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG ergebe. Angesichts des dem Gesetzgeber auch europarechtlich zustehenden Gestaltungsspielraums folge zudem aus seinen derzeitigen Absichten, die Altersgrenze ab 1. Januar 2009 ganz aufzuheben, keine Veränderung der Rechtslage bis dahin. Schließlich sei ein Verstoß gegen völkerrechtlich verbürgte Menschenrechte nicht zu erkennen.
Gegen den am 25. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. September 2008 Berufung eingelegt. Mit dieser hat er unter anderem zunächst auf die geplante Aufhebung der Altersgrenze durch den Gesetzgeber und die ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Vorlageverfahren C-341/08 hingewiesen. Nachdem der Gesetzgeber die Altersgrenze aufgehoben hat, der Kläger während des Berufungsverfahrens ab 16. Januar 2009 wieder zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen worden ist und der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 12. Januar 2010 im Vorlageverfahren C-341/08 entschieden hat, hat der Kläger sein Begehren sodann dahin umgestellt, dass ihm ein Unrecht widerfahren sei, dessen Feststellung in diesem Verfahren er begehre. Denn die gesetzliche Altersgrenze sei schon nicht verfassungsrechtlich, jedenfalls aber nicht europarechtlich zu rechtfertigen gewesen und hätte deshalb nach Maßgabe des Europarechts unangewendet bleiben müssen. Dass der Beklagte die Altersgrenzenregelung dennoch angewendet habe, sei ein grob fahrlässiger Rechtsfehler. Es bestünde auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, denn der Zulassungsentzug sei eine unzulässige Diskriminierung gewesen. Deshalb habe er ein Rehabilitierungsinteresse. Auch wolle er die Chance wahrnehmen, seinen materiellen und ideellen Schaden ersetzt zu erhalten. Durch die präjudizielle Wirkung einer Feststellung der Rechtswidrigkeit werde die Durchführung eines Amtshaftungsverfahrens erleichtert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 5. September 2007 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Gerichtsbescheid entspreche der Sach- und Rechtslage, wie sie zum 31. Dezember 2007 bestanden habe. Daran ändere die nunmehr erfolgte Gesetzesänderung nichts. Auch fehle es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Akte des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie kann auch als Fortsetzungsfeststellungsklage keinen Erfolg haben. Denn die mit Blick auf den Vortrag einer Altersdiskriminierung, der sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützt, zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht begründet. Die hier streitbefangene zwischenzeitliche Beendigung der Zulassung und der ihr zugrunde liegende § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes waren rechtmäßig.
Der Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hat zuletzt in Kenntnis der vom Kläger vorgetragenen Gesetzesänderungen, europarechtlichen Regelungen, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass die Altersgrenze für Vertragsärzte, die bis zum 30. September 2008 galt, mit dem Grundgesetz und mit europäischem Recht vereinbar war (BSG 18.8.2010 – B 6 KA 18/10 B, SozR 4-2500 § 95 Nr. 17).
Im Einzelnen ist in diesem Beschluss, durch den die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Januar 2010 (L 3 KA 29/09, juris) zurückgewiesen worden ist, ausgeführt:
"Es kann offen bleiben, ob es an einer grundsätzlichen Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bereits deshalb fehlt, weil die Rügen des Klägers außer Kraft getretenes, sogenanntes ausgelaufenes Recht betreffen. Den von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen kommt jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, weil sie als geklärt anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 31.3.1998 - 1 BvR 2167/93 - und 1 BvR 2198/93 - SozR 3-2500 § 95 Nr 17 sowie Nichtannahmebeschluss vom 7.8.2007 – 1 BvR 1941/07 - SozR 4-2500 § 95 Nr 13) und des erkennenden Senats (zuletzt Urteile des Senats vom 9.4.2008 - B 6 KA 44/07 R - USK 2008, 23 und vom 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 14) ist die Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres gemäß § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V (idF des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) mit dem GG vereinbar.
Dabei hat der Senat auch entschieden, dass sich diese Bewertung nicht durch die Einschränkung der Geltung der Altersgrenze für den Fall bestehender oder bevorstehender Unterversorgung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum 1.1.2007 ändert, die Altersgrenze vielmehr gerechtfertigt ist, solange noch in den meisten Planungsbereichen und in den meisten ärztlichen Fachgebieten eine Überversorgung besteht (BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 12). Einer verfassungsrechtlichen Neubewertung bedarf es auch nicht deshalb, weil der Gesetzgeber die Altersgrenze für Vertragsärzte durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426) zum 1.10.2008 aufgehoben hat. Dem Gesetzgeber kommt grundsätzlich ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl zuletzt zu objektiven Berufszugangsvoraussetzungen BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010 - 1 BvR 2011/07 und 1 BvR 2959/07 mwN DVBl 2010, 1035). Nach der Begründung für die Neufassung des § 95 Abs 7 SGB V (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/10609 S 55 f) wurde die Altersgrenze aufgehoben, weil die Erfahrungen mit Leistungserbringern, die über das 68. Lebensjahr hinaus etwa in Bezirken mit Unterversorgung Patientinnen und Patienten behandelten, dies rechtfertigten und zugleich Versorgungsprobleme bei nicht gesicherter Nachfolge vermieden werden könnten. Daraus wird zwar deutlich, dass der Gesetzgeber aufgrund der in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen und der geänderten Versorgungsverhältnisse die tatsächlichen Bedingungen für eine gesetzliche Altersgrenze für Vertragsärzte mittlerweile anders einschätzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die gesetzgeberische Einschätzung für den hier streitigen Zeitraum den verfassungsrechtlich vorgegebenen Spielraum überschritten hat. Die Begründung zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber die Regelung auf ihre Tauglichkeit und Angemessenheit beobachtet und im Hinblick auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse anders beurteilt hat (vgl zur Beobachtungspflicht des Gesetzgebers BVerfGE 123, 186, 266; 111, 10, 42).
( ) Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Regelung des § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V aF mit europäischem Recht vereinbar ist. Der EuGH hat mit Urteil vom 12.1.2010 (C - 341/08 - Petersen) entschieden, dass Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass er einer Altersgrenze für Vertragszahnärzte nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Dass die Altersgrenze für Vertragsärzte diese Zielrichtung hat, hat der Senat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt (BSGE 83, 135, 141 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 69 ff; SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 154 ff; BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 11, RdNr 18 ff in Bezug auf Art 6 der Richtlinie sowie § 10 AGG). Im System der versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren dient sie der Wahrung der Berufszugangschancen für jüngere, an der Zulassung interessierte Ärzte, die die Möglichkeit haben sollen, eine vertragsärztliche Tätigkeit auch in wegen Überversorgung gesperrten Gebieten aufzunehmen."
Hieran ist nach Auffassung des Senats auch mit Blick auf den Fall des Klägers festzuhalten. Die zitierte Entscheidung erfasst der Sache nach Vertragszahnärzte ebenso wie Vertragsärzte, denn für beide galt die gesetzliche Altersgrenzenregelung in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in gleicher Weise und mit gleicher Zielrichtung (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Besonderheiten folgen – wie das Bundessozialgericht ausdrücklich entschieden hat (9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris) – nicht daraus, dass nur für Vertragszahnärzte durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 zum 1. April 2007 Änderungen hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen eingetreten waren. Seither unterliegen Vertragszahnärzte, anders als Vertragsärzte, nicht mehr einer versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren (siehe § 100 Abs. 4, § 101 Abs. 6, § 103 Abs. 8, § 104 Abs. 3 SGB V). Anlass hierfür war für den Gesetzgeber, dass für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung auf die Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet werden kann, weil in diesem Leistungsbereich sich zum einen das Problem der Überversorgung nicht in der gleichen Weise wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung stellt und weil zum anderen auch die Gefahr von Leistungsausweitungen und angebotsinduzierter Versorgung nicht in der Weise gegeben ist wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (BT-Drucks. 16/3100, S. 135 zu Art. 1 Nr. 67 Buchst. b, S. 136 zu Art. 1 Nr. 69; vgl. Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn. 52, § 101 Rn. 99, § 103 Rn. 107, § 104 Rn. 16). Einer Zulassungssteuerung nach dem 1. April 2007 unterlagen Vertragszahnärzte und unterliegen sie noch aber insoweit, als für sie Sicherstellungszuschläge zum Honorar nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 4 SGB V bei Unterversorgung oder lokalem Versorgungsbedarf zur Förderung einer flächendeckenden Versorgung möglich blieben (Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn. 51, § 105 Rn. 19 f.).
Zwar mag es nicht fern gelegen haben, mit der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen nur für Vertragszahnärzte insoweit auch die Altersgrenze nur für sie aufzuheben; zwingend war dies jedoch nicht, da im Falle des Fehlens von Zulassungsbeschränkungen eine Altersgrenze nicht sinnentleert ist. Denn dadurch, dass infolge der Altersgrenze die älteren Ärzte ihre Zulassung verlieren, also die Konkurrenz unter den Vertragszahnärzten geringer wird, haben die jüngeren Ärzte größere Chancen, nach ihrer Zulassung eine wirtschaftlich tragfähige Praxis aufzubauen (BSG 9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris).
Auch wird man zum einen dem Gesetzgeber zubilligen dürfen, die Auswirkungen dieser Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte sowie auch die der vorherigen Aussetzung der strengen Altersgrenze in Gebieten mit Unterversorgung (§ 95 Abs. 7 Satz 8 und 9 SGB V in der ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes; dazu Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn 27) zunächst beobachten und hieraus gewonnene Erfahrungen bewerten zu dürfen, bevor er einen weiteren Schritt macht. Zum anderen muss dem Gesetzgeber auch zugegeben werden, dass es überzeugender ist, die Altersgrenze für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte – wie durch das GKV-OrgWG vom 15. Dezember 2008 zum 1. Oktober 2008 geschehen – in einem Schritt aufzuheben und nicht auch noch insoweit unterschiedliche Rechtslagen zu produzieren.
Gewiss hätte der Gesetzgeber auch anders handeln können, dass er aber so gehandelt hat, ist weder verfassungswidrig (so ausdrücklich BVerfG 7.8.2007 – 1 BvR 1941/07, SozR 4-2500 § 95 Nr. 13) noch ist es vor dem Europarecht nicht zu rechtfertigen (so ausdrücklich BSG 9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris; vgl. auch EuGH 12.1.2010 – C-341/08, juris). Ohnehin bedeutet der Umstand, dass sich der Gesetzgeber von früher verfolgten Zielen – und sei es auch nach und nach – verabschiedet, nicht, dass diese Ziele schon deshalb nicht legitim oder die Mittel zu ihrer Verfolgung nicht verhältnismäßig waren. Konzeptionelle Änderungen des Gesetzgebers machen für sich zuvor verfolgte Konzeptionen nicht rechtswidrig.
An dieser Einschätzung kann auch nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Verbot der Altersdiskriminierung festgehalten werden (13.9.2011 – C-447/09, juris). In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof die spezifische Tarifvertragsregelung für europarechtswidrig gehalten, die Piloten der Lufthansa aus Gründen der Flugsicherheit ab der Altersgrenze von 60 Jahren von ihrer beruflichen Tätigkeit ausschloss, während andere nationale und internationale Regelungen dieses Alter auf 65 Jahre festlegten. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zugrunde liegenden jedoch dadurch, dass durch die gesetzliche Altersgrenze für Vertragszahnärzte auch sozialpolitische Ziele verfolgt worden waren, sie allgemein galt und durch sie ein weiter fortgeschrittenes Alter festgelegt worden war. Maßgeblich bleibt daher, dass die seinerzeitige und hier noch zu prüfende Altersgrenzenregelung für Vertragszahnärzte insbesondere den Zugang auch jüngerer Ärzte zur Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlich regulierten Gesundheitssystem mit Zugangsschwellen für Leistungserbringer (Zulassungserfordernis, Bedarfsplanung, Versorgungssteuerung, gedeckelte Gesamtvergütung) ermöglichen sollte und dies mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur angemessenen Verfolgung legitimer sozialpolitischer Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarktes vereinbar war. Dabei verdient auch Berücksichtigung, dass die für alle Vertragszahnärzte (wie auch für alle Vertragsärzte) geltende Altersgrenze – anders als bei den Piloten – noch oberhalb des allgemeinen Renteneintrittsalters von 65 Jahren lag, und auch, dass Zahnärzten von über 68 Jahren zwar die vertragszahnärztliche Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber jede zahnärztliche Berufsausübung verwehrt war. Die privatärztliche Tätigkeit blieb ihnen möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Endes der Zulassung des Klägers zur vertragszahnärztlichen Versorgung, die im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 15. Januar 2009 Wirkung entfaltete.
Der 1939 geborene Kläger war zunächst seit Oktober 1970 als Vertragszahnarzt zugelassen und nahm im Bezirk der Beigeladenen zu 1 am Praxissitz S.Straße, H. an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 8. November 2006 machte der Zulassungsausschuss der Beigeladenen zu 1 den Kläger vorsorglich auf die gesetzliche Regelung aufmerksam, nach der die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragszahnarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Der Zulassungsausschuss habe deshalb von Amts wegen das Ende der Zulassung zum 31. Dezember 2007 festzustellen. In dem Schreiben heißt es auch: "Bitte stellen Sie sich auf diese Gesetzeslage ein. Eine Verlängerung der Zulassung ist nicht möglich."
Der Kläger teilte der Beigeladenen zu 1 frühzeitig mit, dass er gegen diese Feststellung klagen werde, weil die Altersgrenze gegen europarechtliche Bestimmungen verstoße. Er habe sich der Klagegemeinschaft des F. gegen die Altersgrenze von 68 Jahren angeschlossen.
Durch Beschluss vom 18. April 2007, dem Kläger zugestellt am 26. April 2007, stellte der Zulassungsausschuss für den Bezirk der Beigeladenen zu 1 von Amts wegen unter Hinweis auf § 95 Abs. 7 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) das Ende der Zulassung des Klägers zum 31. Dezember 2007 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 22. Mai 2007 Widerspruch. Er stelle die Verfassungsmäßigkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in Frage und weise darauf hin, dass das Europarecht die Diskriminierung wegen Alters verbiete. Bereits vorsorglich mache er Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Beschluss vom 5. September 2007, dem Kläger zugestellt am 26. September 2007, zurück. Zwar ließen die jüngsten Gesetzesänderungen die Vermutung zu, dass auch eine Aufhebung der Altersgrenze geplant sei. Doch müsse festgestellt werden, dass die Altersgrenze nach wie vor im Gesetz geschrieben stehe und der Beklagte nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Recht und Gesetz gebunden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Oktober 2007 fristgerecht Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, dass die Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V gegen höherrangiges Recht und insbesondere gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoße. Der Beklagte hätte deshalb wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts die gesetzliche Altersgrenzenregelung außer Anwendung lassen müssen. Er begehre, ihn bis auf Weiteres über den 31. Dezember 2007 hinaus an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen zu lassen.
Der Beklagte hat entgegnet, seine Entscheidung entspreche der gesetzlichen Lage.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20. August 2008 abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten entspreche der gesetzlichen Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V. Diese verstoße auch für den Fall des Klägers nicht gegen höherrangiges Recht. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1998 entschieden, dass die Altersgrenze für die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfassungsgemäß sei und insbesondere den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG an subjektive Zulassungsbeschränkungen gerecht werde. An dieser verfassungsrechtlichen Bewertung habe sich auch durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen nichts geändert. Auch ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht sei nicht zu erkennen, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vereinbarkeit der Altersgrenzenregelung in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mit der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG ergebe. Angesichts des dem Gesetzgeber auch europarechtlich zustehenden Gestaltungsspielraums folge zudem aus seinen derzeitigen Absichten, die Altersgrenze ab 1. Januar 2009 ganz aufzuheben, keine Veränderung der Rechtslage bis dahin. Schließlich sei ein Verstoß gegen völkerrechtlich verbürgte Menschenrechte nicht zu erkennen.
Gegen den am 25. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. September 2008 Berufung eingelegt. Mit dieser hat er unter anderem zunächst auf die geplante Aufhebung der Altersgrenze durch den Gesetzgeber und die ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Vorlageverfahren C-341/08 hingewiesen. Nachdem der Gesetzgeber die Altersgrenze aufgehoben hat, der Kläger während des Berufungsverfahrens ab 16. Januar 2009 wieder zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen worden ist und der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 12. Januar 2010 im Vorlageverfahren C-341/08 entschieden hat, hat der Kläger sein Begehren sodann dahin umgestellt, dass ihm ein Unrecht widerfahren sei, dessen Feststellung in diesem Verfahren er begehre. Denn die gesetzliche Altersgrenze sei schon nicht verfassungsrechtlich, jedenfalls aber nicht europarechtlich zu rechtfertigen gewesen und hätte deshalb nach Maßgabe des Europarechts unangewendet bleiben müssen. Dass der Beklagte die Altersgrenzenregelung dennoch angewendet habe, sei ein grob fahrlässiger Rechtsfehler. Es bestünde auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, denn der Zulassungsentzug sei eine unzulässige Diskriminierung gewesen. Deshalb habe er ein Rehabilitierungsinteresse. Auch wolle er die Chance wahrnehmen, seinen materiellen und ideellen Schaden ersetzt zu erhalten. Durch die präjudizielle Wirkung einer Feststellung der Rechtswidrigkeit werde die Durchführung eines Amtshaftungsverfahrens erleichtert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 5. September 2007 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Gerichtsbescheid entspreche der Sach- und Rechtslage, wie sie zum 31. Dezember 2007 bestanden habe. Daran ändere die nunmehr erfolgte Gesetzesänderung nichts. Auch fehle es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Akte des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie kann auch als Fortsetzungsfeststellungsklage keinen Erfolg haben. Denn die mit Blick auf den Vortrag einer Altersdiskriminierung, der sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützt, zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht begründet. Die hier streitbefangene zwischenzeitliche Beendigung der Zulassung und der ihr zugrunde liegende § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes waren rechtmäßig.
Der Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hat zuletzt in Kenntnis der vom Kläger vorgetragenen Gesetzesänderungen, europarechtlichen Regelungen, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass die Altersgrenze für Vertragsärzte, die bis zum 30. September 2008 galt, mit dem Grundgesetz und mit europäischem Recht vereinbar war (BSG 18.8.2010 – B 6 KA 18/10 B, SozR 4-2500 § 95 Nr. 17).
Im Einzelnen ist in diesem Beschluss, durch den die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Januar 2010 (L 3 KA 29/09, juris) zurückgewiesen worden ist, ausgeführt:
"Es kann offen bleiben, ob es an einer grundsätzlichen Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bereits deshalb fehlt, weil die Rügen des Klägers außer Kraft getretenes, sogenanntes ausgelaufenes Recht betreffen. Den von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen kommt jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, weil sie als geklärt anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 31.3.1998 - 1 BvR 2167/93 - und 1 BvR 2198/93 - SozR 3-2500 § 95 Nr 17 sowie Nichtannahmebeschluss vom 7.8.2007 – 1 BvR 1941/07 - SozR 4-2500 § 95 Nr 13) und des erkennenden Senats (zuletzt Urteile des Senats vom 9.4.2008 - B 6 KA 44/07 R - USK 2008, 23 und vom 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 14) ist die Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres gemäß § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V (idF des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) mit dem GG vereinbar.
Dabei hat der Senat auch entschieden, dass sich diese Bewertung nicht durch die Einschränkung der Geltung der Altersgrenze für den Fall bestehender oder bevorstehender Unterversorgung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum 1.1.2007 ändert, die Altersgrenze vielmehr gerechtfertigt ist, solange noch in den meisten Planungsbereichen und in den meisten ärztlichen Fachgebieten eine Überversorgung besteht (BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 12). Einer verfassungsrechtlichen Neubewertung bedarf es auch nicht deshalb, weil der Gesetzgeber die Altersgrenze für Vertragsärzte durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426) zum 1.10.2008 aufgehoben hat. Dem Gesetzgeber kommt grundsätzlich ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl zuletzt zu objektiven Berufszugangsvoraussetzungen BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010 - 1 BvR 2011/07 und 1 BvR 2959/07 mwN DVBl 2010, 1035). Nach der Begründung für die Neufassung des § 95 Abs 7 SGB V (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/10609 S 55 f) wurde die Altersgrenze aufgehoben, weil die Erfahrungen mit Leistungserbringern, die über das 68. Lebensjahr hinaus etwa in Bezirken mit Unterversorgung Patientinnen und Patienten behandelten, dies rechtfertigten und zugleich Versorgungsprobleme bei nicht gesicherter Nachfolge vermieden werden könnten. Daraus wird zwar deutlich, dass der Gesetzgeber aufgrund der in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen und der geänderten Versorgungsverhältnisse die tatsächlichen Bedingungen für eine gesetzliche Altersgrenze für Vertragsärzte mittlerweile anders einschätzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die gesetzgeberische Einschätzung für den hier streitigen Zeitraum den verfassungsrechtlich vorgegebenen Spielraum überschritten hat. Die Begründung zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber die Regelung auf ihre Tauglichkeit und Angemessenheit beobachtet und im Hinblick auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse anders beurteilt hat (vgl zur Beobachtungspflicht des Gesetzgebers BVerfGE 123, 186, 266; 111, 10, 42).
( ) Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Regelung des § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V aF mit europäischem Recht vereinbar ist. Der EuGH hat mit Urteil vom 12.1.2010 (C - 341/08 - Petersen) entschieden, dass Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass er einer Altersgrenze für Vertragszahnärzte nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Dass die Altersgrenze für Vertragsärzte diese Zielrichtung hat, hat der Senat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt (BSGE 83, 135, 141 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 69 ff; SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 154 ff; BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14 RdNr 11, RdNr 18 ff in Bezug auf Art 6 der Richtlinie sowie § 10 AGG). Im System der versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren dient sie der Wahrung der Berufszugangschancen für jüngere, an der Zulassung interessierte Ärzte, die die Möglichkeit haben sollen, eine vertragsärztliche Tätigkeit auch in wegen Überversorgung gesperrten Gebieten aufzunehmen."
Hieran ist nach Auffassung des Senats auch mit Blick auf den Fall des Klägers festzuhalten. Die zitierte Entscheidung erfasst der Sache nach Vertragszahnärzte ebenso wie Vertragsärzte, denn für beide galt die gesetzliche Altersgrenzenregelung in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in gleicher Weise und mit gleicher Zielrichtung (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Besonderheiten folgen – wie das Bundessozialgericht ausdrücklich entschieden hat (9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris) – nicht daraus, dass nur für Vertragszahnärzte durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 zum 1. April 2007 Änderungen hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen eingetreten waren. Seither unterliegen Vertragszahnärzte, anders als Vertragsärzte, nicht mehr einer versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit örtlichen Zulassungssperren (siehe § 100 Abs. 4, § 101 Abs. 6, § 103 Abs. 8, § 104 Abs. 3 SGB V). Anlass hierfür war für den Gesetzgeber, dass für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung auf die Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet werden kann, weil in diesem Leistungsbereich sich zum einen das Problem der Überversorgung nicht in der gleichen Weise wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung stellt und weil zum anderen auch die Gefahr von Leistungsausweitungen und angebotsinduzierter Versorgung nicht in der Weise gegeben ist wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (BT-Drucks. 16/3100, S. 135 zu Art. 1 Nr. 67 Buchst. b, S. 136 zu Art. 1 Nr. 69; vgl. Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn. 52, § 101 Rn. 99, § 103 Rn. 107, § 104 Rn. 16). Einer Zulassungssteuerung nach dem 1. April 2007 unterlagen Vertragszahnärzte und unterliegen sie noch aber insoweit, als für sie Sicherstellungszuschläge zum Honorar nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 4 SGB V bei Unterversorgung oder lokalem Versorgungsbedarf zur Förderung einer flächendeckenden Versorgung möglich blieben (Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn. 51, § 105 Rn. 19 f.).
Zwar mag es nicht fern gelegen haben, mit der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen nur für Vertragszahnärzte insoweit auch die Altersgrenze nur für sie aufzuheben; zwingend war dies jedoch nicht, da im Falle des Fehlens von Zulassungsbeschränkungen eine Altersgrenze nicht sinnentleert ist. Denn dadurch, dass infolge der Altersgrenze die älteren Ärzte ihre Zulassung verlieren, also die Konkurrenz unter den Vertragszahnärzten geringer wird, haben die jüngeren Ärzte größere Chancen, nach ihrer Zulassung eine wirtschaftlich tragfähige Praxis aufzubauen (BSG 9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris).
Auch wird man zum einen dem Gesetzgeber zubilligen dürfen, die Auswirkungen dieser Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte sowie auch die der vorherigen Aussetzung der strengen Altersgrenze in Gebieten mit Unterversorgung (§ 95 Abs. 7 Satz 8 und 9 SGB V in der ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes; dazu Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 100 Rn 27) zunächst beobachten und hieraus gewonnene Erfahrungen bewerten zu dürfen, bevor er einen weiteren Schritt macht. Zum anderen muss dem Gesetzgeber auch zugegeben werden, dass es überzeugender ist, die Altersgrenze für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte – wie durch das GKV-OrgWG vom 15. Dezember 2008 zum 1. Oktober 2008 geschehen – in einem Schritt aufzuheben und nicht auch noch insoweit unterschiedliche Rechtslagen zu produzieren.
Gewiss hätte der Gesetzgeber auch anders handeln können, dass er aber so gehandelt hat, ist weder verfassungswidrig (so ausdrücklich BVerfG 7.8.2007 – 1 BvR 1941/07, SozR 4-2500 § 95 Nr. 13) noch ist es vor dem Europarecht nicht zu rechtfertigen (so ausdrücklich BSG 9.4.2008 – B 6 KA 44/07 R, juris; vgl. auch EuGH 12.1.2010 – C-341/08, juris). Ohnehin bedeutet der Umstand, dass sich der Gesetzgeber von früher verfolgten Zielen – und sei es auch nach und nach – verabschiedet, nicht, dass diese Ziele schon deshalb nicht legitim oder die Mittel zu ihrer Verfolgung nicht verhältnismäßig waren. Konzeptionelle Änderungen des Gesetzgebers machen für sich zuvor verfolgte Konzeptionen nicht rechtswidrig.
An dieser Einschätzung kann auch nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Verbot der Altersdiskriminierung festgehalten werden (13.9.2011 – C-447/09, juris). In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof die spezifische Tarifvertragsregelung für europarechtswidrig gehalten, die Piloten der Lufthansa aus Gründen der Flugsicherheit ab der Altersgrenze von 60 Jahren von ihrer beruflichen Tätigkeit ausschloss, während andere nationale und internationale Regelungen dieses Alter auf 65 Jahre festlegten. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zugrunde liegenden jedoch dadurch, dass durch die gesetzliche Altersgrenze für Vertragszahnärzte auch sozialpolitische Ziele verfolgt worden waren, sie allgemein galt und durch sie ein weiter fortgeschrittenes Alter festgelegt worden war. Maßgeblich bleibt daher, dass die seinerzeitige und hier noch zu prüfende Altersgrenzenregelung für Vertragszahnärzte insbesondere den Zugang auch jüngerer Ärzte zur Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlich regulierten Gesundheitssystem mit Zugangsschwellen für Leistungserbringer (Zulassungserfordernis, Bedarfsplanung, Versorgungssteuerung, gedeckelte Gesamtvergütung) ermöglichen sollte und dies mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur angemessenen Verfolgung legitimer sozialpolitischer Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarktes vereinbar war. Dabei verdient auch Berücksichtigung, dass die für alle Vertragszahnärzte (wie auch für alle Vertragsärzte) geltende Altersgrenze – anders als bei den Piloten – noch oberhalb des allgemeinen Renteneintrittsalters von 65 Jahren lag, und auch, dass Zahnärzten von über 68 Jahren zwar die vertragszahnärztliche Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber jede zahnärztliche Berufsausübung verwehrt war. Die privatärztliche Tätigkeit blieb ihnen möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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