L 4 KR 986/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 924/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 986/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Krankengeld vom 07. Oktober 2007 bis zum 15. Mai 2008.

Die am 1979 geborene Klägerin war seit dem 01. März 1999 bei der F. Lebensmittel GmbH & Co. Produktions- und Vertriebs KG (nachfolgend: F.), zuletzt als Produktionsmitarbeiterin in der Fertigung von Tiefkühlpizzen an der Belegelinie in der Sichtkontrolle und an der Handverpackungslinie beschäftigt. Wegen dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten.

In der Zeit vom 20. bis 24. Januar 2007 befand sich die Klägerin in der Neurologischen Klinik der Stadtklinik B.-B ... Ausweislich des Entlassungsberichtes des Prof. Dr. D. vom 08. Februar 2007 wurde bei der Klägerin ein dringender Verdacht auf fokal eingeleiteten, sekundär generalisierten Krampfanfall diagnostiziert. Die Klägerin habe berichtet, seit ca. zwei Jahren ein- bis zweimal im Monat, seit einer Woche jedoch täglich, meist im Sitzen, plötzlich auftretende und wenige Sekunden anhaltende Bewusstlosigkeiten erlitten zu haben. Dabei habe sie initial Geräusche lauter gehört, danach sei es zu einem aufsteigenden Gefühl von Wärme und Herzrasen und Angstgefühl gekommen, bevor letztendlich Bewusstlosigkeit eingetreten sei. Daraufhin sei sie jedoch jeweils rasch reorientiert gewesen. Im Vorfeld des stationären Aufenthaltes habe die Klägerin in Anwesenheit ihrer Cousine erneut eine solche Bewusstlosigkeit erlitten, wobei fremdanamnestisch zu eruieren gewesen sei, dass die Klägerin im Rahmen der Bewusstlosigkeit die Augen offen und nach oben lateral verdreht habe und mit beiden Armen tonisch-klonisch gekrampft habe. Eine kernspintomographische Aufnahme des Gehirns habe einen Normalbefund ergeben. Für eine kardiale bzw. vasovagale Synkope hätten sich keine Hinweise ergeben (Langzeit-EKG, Langzeit-RR-Messung, Herzecho, Kipptischuntersuchung jeweils normalwertig); auch im EEG hätten sich keine Nachweise für epilepsietypische Potentiale ergeben. Gleichwohl sei mit einer antiepileptischen Therapie mit Lamutrigen begonnen worden.

Ausweislich eines Arztberichtes des Neurologen und Psychiaters S. vom 08. Februar 2007 sowie eines Berichts des Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 21. Februar 2007 besteht eine Kollapsneigung der Klägerin eigenanamnestisch seit ihrer Kindheit.

Auf der Grundlage dieser Arztberichte sowie von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Hausärztin T.-K. vom 22. Februar 2007 sowie des Dr. E. vom 21. Februar 2007 und 02. März 2007 gelangte Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 09. März 2007 zu der Auffassung, aus medizinischer Sicht bestehe Arbeitsunfähigkeit auf Zeit seit 20. Januar 2007. Seit dem 05. März 2007 erhielt die Klägerin daraufhin von der Beklagten Krankengeld. In der Folgezeit holte die Beklagte weitere sozialmedizinische Stellungnahmen beim MDK über das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit ein (vgl. die Stellungnahme vom 18. April 2007 durch Dr. Sch. sowie die Stellungnahmen vom 31. Mai 2007 und vom 11. Juni 2007 durch Dr. G.), die jeweils zu der Auffassung gelangten, bei der Klägerin liege weiterhin Arbeitsunfähigkeit vor. Der Klägerin wurde daraufhin nach Vorlage von Auszahlscheinen Krankengeld weiterhin gezahlt.

Am 02. Juli 2007 ließ die Beklagte die Klägerin durch Dr. W. vom MDK sozialmedizinisch begutachten (Gutachten vom 03. Juli 2007). Dr. W. diagnostizierte eine Epilepsie mit häufigen komplexen Absencen und einzelnen Grands-Maux und gelangte zu der Auffassung, aufgrund der immer wieder auftretenden Anfälle bestehe weiter Arbeitsunfähigkeit; Anfallsfreiheit sei bisher nicht erreicht. Weitere nervenärztliche Behandlung erfolge und sei zurzeit ausreichend, der Verlauf unter weiterer Anpassung der Medikamente bleibe abzuwarten. Eine stufenweise Wiedereingliederung sei nicht angezeigt. Die Klägerin bezog daraufhin nach Vorlage von Auszahlscheinen fortlaufend Krankengeld.

Im August 2007 holte die Beklagte beim behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. E. eine Arztauskunft sowie bei der Firma F. eine Arbeitsplatzbeschreibung ein. Dr. E. gab in seiner bei der Beklagten am 23. August 2007 eingegangenen Auskunft an, Arbeitsfähigkeit bestehe voraussichtlich wieder Anfang September 2007, wenn die seit Juli 2007 bestehende Anfallsfreiheit anhalte. Die Firma F. übersandte die Arbeitsplatzbeschreibung vom 27. August 2007, ausweislich derer die Klägerin im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen an Maschinen stehend und sitzend unter Einfluss von künstlichem Licht, angestrengtem Sehen und im Lärmbereich beschäftigt war. Mit Schreiben vom 28. August 2007 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass Arbeitsunfähigkeit nur noch bis längstens 31. August 2007 anerkannt werde.

Ausweislich einer Aktennotiz der Beklagten trat die Klägerin nach Auskunft der Firma F. die Arbeit zum 03. September 2007 nicht an. Die Beklagte holte eine erneute Arztauskunft bei Dr. E. vom 05. September 2007 ein, der mitteilte, die Klägerin habe seit Ende Juli 2007 zwei Absencen gehabt. Sie traue sich nicht an ihren Arbeitsplatz zurück. Dr. E. stellte der Klägerin zudem die Auszahlscheine für Krankengeld vom 05. und 17. September 2007 aus. Die Beklagte holte die erneute sozialmedizinische Stellungnahme bei Dr. W. vom MDK vom 07. September 2007 ein, der zum Ergebnis gelangte, aus medizinischer Sicht bestehe weiterhin Arbeitsunfähigkeit auf Zeit. Aus den vorliegenden Informationen ließen sich fortbestehende Absencen entnehmen, die allerdings an Häufigkeit abnähmen. Die Klägerin arbeite jedoch laut aktueller Arbeitsplatzbeschreibung an laufenden Maschinen, sodass weitere Arbeitsunfähigkeit nachvollzogen werden könne. Die Klägerin erhielt daraufhin weiter Krankengeld.

Ende September 2007 führte die Beklagte erneute Ermittlungen zum Arbeitsplatz der Klägerin bei der Firma F. durch. Diese teilte der Beklagten unter dem 27. September 2007 mit, die Klägerin arbeite überwiegend bei der Belegelinie an der Sichtkontrolle. Ihre Aufgabe sei es, fehlende Salamischeiben auf den Pizzen von Hand nachzubelegen. Die Klägerin könne weder in die Salamimesser fassen noch hineinstürzen. Sie könne an ihrem Arbeitsplatz auch keine weiteren Mitarbeiter gefährden. In seiner Stellungnahme vom 02. Oktober 2007 gelangte daraufhin der MDK (Unterschrift des Gutachters nicht lesbar) zu der Auffassung, es liege keine Eigen- und Fremdgefährdung vor. Somit sei eine Arbeitsaufnahme umgehend möglich.

Mit Bescheid vom 02. Oktober 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Arbeitsunfähigkeit nur noch bis zum 07. Oktober 2007 anerkannt werde. Über diesen Tag hinaus bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Darüber wurde auch der Arbeitgeber der Klägerin informiert.

Psychiater und Neurologe D. verordnete am 19. Oktober 2007 Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung mit einer täglichen Arbeitszeit ab 23. Oktober 2007 von vier Stunden, ab 06. November 2007 von sechs Stunden und ab 21. November 2007 von acht Stunden. Mit Auszahlscheinen vom 30. Oktober sowie 12. und 23. November 2007 attestierte er weiter Arbeitsunfähigkeit. Am 12. November 2007 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 02. Oktober 2007 Widerspruch ein. Keiner der sie untersuchenden Ärzte habe bisher von einer Arbeitsfähigkeit gesprochen. Die Annahme, dass an ihrem Arbeitsplatz keine Eigen- bzw. Fremdgefährdung bestehe, werde weder ihrem Krankheitsbild noch den Umständen ihrer Beschäftigung gerecht. Sie leide an Epilepsie, die ausgelöst werde durch Lärm und Licht sowie Aufregung. An ihrem Arbeitsplatz sei es sehr laut. Es liefen den ganzen Tag Maschinen. Zudem arbeite sie nicht nur sitzend am Band bei der Salamiauflage, sondern auch in der Verpackung. Sie sei also ständig unterwegs. Die Eigengefährdung werde schon darin gesehen, dass sie ständig einem hohen Lärmpegel ausgesetzt sei. Der letzte Krampfanfall sei Ende Oktober 2007 erfolgt und ausgelöst worden durch einen Streit mit dem Vater. Sie sei einer psychischen und physischen Belastung nicht gewachsen, jedenfalls zur Zeit nicht. Sie wolle arbeiten, da sie immerhin zwei kleine Kinder zu ernähren habe. Von Seiten des Arbeitsamtes sei wohl angedacht, eine Umschulung vorzunehmen. Sie habe in der Hoffnung auf eine Wiedereingliederungsmaßnahme, die jedoch von der Beklagten abgelehnt worden sei, ab dem 22. Oktober 2007 eine Woche lang täglich vier Stunden gearbeitet. Sie habe dann am Montag darauf acht Stunden gearbeitet und auch prompt wieder einen Anfall bekommen. Sie legte die Stellungnahme des sie bisher behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 20. November 2007 vor. Dieser gab an, die Behandlung der Klägerin hätte sich wegen subjektiver Medikamentenunverträglichkeit schwierig gestaltet. Immer wieder hätten sich nach zwei bis drei Wochen langer Anfallsfreiheit unter laufender Medikation gehäufte Absencen eingestellt, besonders in Stress- und Lärmsituationen. Wegen der Unberechenbarkeit ihrer Anfälle fürchte sich die Klägerin vor einer Wiederaufnahme ihrer Arbeit, da sie vor 10:00 Uhr morgens nicht aufstehen könne und sicher sei, in der Hektik ihres Arbeitsplatzes erneut Anfälle zu bekommen. Dagegen habe die Beklagte ihm gegenüber dokumentiert, dass eine nennenswerte Gefährdung der Klägerin nach deren Recherchen durch Anfälle bei der Arbeit nicht bestehe. Sollte dies erwiesen sein, sei der Auffassung der Beklagten nicht zu widersprechen, sei dies jedoch nicht so, wäre die Wiederaufnahme der Arbeit unzumutbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Auch der behandelnde Arzt der Klägerin bestätige, dass diese ihre Arbeit wieder aufnehmen könne, wenn keine nennenswerte Gefährdung durch Geräte am Arbeitsplatz bestehe. Dies treffe hier zu. Der Arbeitgeber der Klägerin habe dies schriftlich bestätigt.

Die Klägerin erhob am 29. Februar 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Sie wiederholte im Wesentlichen den Sachvortrag im Widerspruchsverfahren. Ergänzend trug sie vor, der letzte Krampfanfall habe am 03. Dezember 2007 stattgefunden. Sie legte zum Nachweis den Kurzarztbericht des Dr. We., Kreiskrankenhauses R., vom 03. Dezember 2007 vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte zur Aufklärung des Sachverhalts die die Klägerin behandelnden Ärzte. Allgemeinmedizinerin T.-K. teilte in ihrer Auskunft vom 07. Juli 2008 mit, dass sie die Klägerin nach dem 03. Dezember 2007 am 30. Januar 2008 nach Sofortbesuch wegen eines Krampfanfalls behandelt habe. Im Übrigen sehe sie die Klägerin öfters in ihrer Praxis als Begleitperson für Angehörige. Erkenntnisse darüber, dass unter Lärmeinfluss das Anfallsgeschehen beeinflusst bzw. ausgelöst werde, lägen ihr nicht vor. Neurologe und Psychiater Dr. E. teilte mit (Auskunft vom 10. Juli 2008), dass die letzte Untersuchung der Klägerin am 05. September 2007 erfolgt sei. Die Klägerin habe ihm gegenüber immer wieder behauptet, dass Anfälle in Stress- und Lärmsituationen aufträten. Dies könne bei sogenannten Reflexepilepsien durchaus der Fall sein. Allerdings seien Anfälle dieser Art ziemlich selten. Die neurologischen Untersuchungen der Klägerin seien wohl ergebnislos verlaufen. Psychiater und Neurologe D. berichtete in seiner Auskunft vom 03. November 2008 darüber, dass es sich bei der Klägerin um eine episodisch verlaufende depressive Störung sowie um eine Epilepsie handele. Im Vordergrund der depressiven Störung stünden Müdigkeitsgefühle, Energielosigkeit und Mangel an Initiative. Es bestünden auch Somatisierungstendenzen mit Zephalgien. Die Anfälle träten vor allem vor der Periode auf. Wegen der Epilepsie sei die Klägerin nicht in der Lage, Schichtarbeit zu verrichten. Sie dürfe auch nicht an gefährlichen Maschinen arbeiten. Tätigkeiten, die mit viel Stress verbunden seien, sollten vermieden werden.

Das SG führte zudem Ermittlungen zur letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit der Klägerin bei der Firma F. durch. Diese teilte mit Schreiben vom 17. Juni und 21. November 2008 mit, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. August 2008 beendet worden sei. Der Arbeitsplatz an der Belegelinie (Sichtkontrolle) sei eine sitzende Tätigkeit. Im Falle eines unvorhergesehenen epileptischen Anfalls würde die Klägerin lediglich zu Boden fallen. Grundsätzlich seien alle beweglichen Teile als Ergebnis einer Risikoanalyse abgesichert, sodass im Falle eines ungeplanten Eingreifens in die laufende Maschine diese sofort zum Stehen komme.

Mit Urteil vom 21. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass über den 07. Oktober 2007 hinaus weitere Arbeitsunfähigkeit nicht nachweisbar sei. Die in Abständen von Wochen auftretenden Anfälle, die im Wesentlichen durch eine deutliche Bewusstseinstrübung gekennzeichnet seien, stünden der Verrichtung der zuletzt bei der Firma F. ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen. Die Firma F. habe auf Nachfrage der Kammer klargestellt, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um eine sitzende Tätigkeit handele, die mit keiner Fremd- oder Eigengefährdung verbunden sei. Ein Nachweis dafür, dass die Tätigkeit bei der Firma F. (Lärm, Stress) ursächlich für die Auslösung von Absencen und Krampfanfällen sei, lasse sich zur Überzeugung der Kammer nicht erbringen. So habe zum einen der behandelnde Neurologe und Psychiater D. mitgeteilt, dass die Anfälle vorwiegend vor der Periode der Klägerin aufträten. Des Weiteren seien auch Anfälle während der von der Beklagten angenommenen Arbeitsunfähigkeit aufgetreten. Die neurologische Abklärung durch die behandelnden Ärzte, insbesondere auch der Stadtklinik Baden-Baden, habe keine Hinweise für ein Anfallsgeschehen der Art gegeben, dass eine eventuell am Arbeitsplatz der Klägerin bestehende Lärmbelastung zu den beschriebenen Anfällen im Sinne einer Reflexepilepsie geführt habe. Dr. E. habe ausdrücklich darauf hingewiesen (sachverständige Zeugenauskunft vom 10. Juli 2008), dass die stationäre Abklärung in der Neurologie der Stadtklinik Baden-Baden einschließlich Schädel-MRT Normalbefunde ergeben habe. Die erkennende Kammer sei folglich zur Schlussfolgerung gelangt, dass die Klägerin nach anfänglicher vorübergehender Verschlimmerung des Anfallsleidens, wie von Dr. E. im Bericht vom 21. Februar 2007 dokumentiert, jedenfalls ab dem 08. Oktober 2007 wieder in der Lage gewesen sei, die Tätigkeit an der Belegelinie und Verpackungslinie mangels Eigen- oder Fremdgefährdung vollschichtig zu verrichten. Es könne allenfalls davon ausgegangen werden, dass bei zwischenzeitlich auftretenden schwerwiegenden Anfällen, wie zu Beginn des Jahres 2007, eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit anzunehmen sei. Ein derartiges Anfallsgeschehen ab dem 08. Oktober 2007 sei jedoch nicht nachgewiesen.

Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2009 legte die Klägerin am 26. Januar 2009 den an den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) gerichteten Antrag der Firma F. auf Zustimmung zur ordentlichen und fristgemäßen Kündigung der Klägerin vom 21. April 2008 vor. Ausweislich dieses Schreibens wurde zur Begründung der Kündigung ausgeführt, dass das hier maßgebliche Werk ein Produktionsbetrieb sei. Der Bereich der Produktion bestehe ausschließlich aus Produktionslinien. Dies werde nur mit einem großen Maschinenfuhrpark bewältigt. Aufgrund der vielen mechanischen Komponenten an den Maschinen bestehe ein andauernder Lärmpegel. Die Produktionslinien liefen mit einer vorgegebenen, nicht durch die Klägerin beeinflussbaren Taktzahl. Insbesondere wenn es zu Störungen oder Produktumstellungen komme, seien die Mitarbeiter erhöhten Stresssituationen ausgesetzt. Die Produktionshallen seien ausschließlich mit künstlichem Licht ausgestattet. Nach den Beschreibungen des Krankheitsbildes von der Klägerin und dem vorliegenden ärztlichen Attest bestehe bei Arbeiten in der Produktion ernsthafte Lebensgefahr für die Klägerin. Es könne daher keine ausreichende Arbeitssicherheit für die die Klägerin gewährleistet werden. Seit dem 22. Januar 2007 fehle die Klägerin krankheitsbedingt. Die negative Prognose für die Zukunft sei gegeben. Im Gespräch zwischen der Klägerin und der Werksleitung sei von der Klägerin deutlich hervorgehoben worden, dass sie sich selbst nicht in der Lage sehe, ihren bisherigen Arbeitsplatz in der Produktion auszuüben.

Am 03. März 2009 hat die Klägerin gegen das ihr am 05. Februar 2009 zugestellte Urteil des SG Berufung eingelegt und auf das Schreiben der Firma F. vom 21. April 2008 verwiesen. Diesem Schreiben sei zu entnehmen, dass bei Arbeiten in der Produktion ernsthafte Lebensgefahr für sie bestehe. Ihre Krankschreibung ende zum 15. Mai 2008. Seit etwa Februar 2009 sei sie völlig beschwerdefrei. Sie beziehe Leistungen von der ARGE und stehe dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung. Die Klägerin hat den Bescheid des KVJS vom 15. Mai 2008 über die Zustimmung zur personenbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die vom Arbeitgeber genannten personenbedingten Gründe für die ordentliche Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses hätten im Rahmen des Verfahrens nicht widerlegt werden können. Es sei somit davon auszugehen, dass eine Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses über die vereinbarte Kündigungsfrist hinaus nicht möglich sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2008 zu verurteilen, ihr Krankengeld vom 07. Oktober 2007 bis zum 15. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der Firma F. sei in mehreren Schreiben bestätigt worden, dass keine Eigengefährdung bestehe. Das von der Klägerin zitierte Schreiben der Firma F. vom 21. April 2008 stehe im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der damit bestehenden abweichenden Interessenslage seien die getroffenen Aussagen zu sehen und zu werten. Nach Einstellung der Krankengeldzahlungen am 07. Oktober 2007 sei erst am 30. Januar 2008 ein Krampfanfall ärztlich dokumentiert worden. Aufgrund dessen sei auch eine Arbeitsfähigkeit der Klägerin anzunehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig. Auch der Beschwerdewert von EUR 750,00 i. S. von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung ist überschritten. Zwar ist der tägliche Leistungssatz des Krankengelds für die Zeit vom 08. Oktober 2007 bis 15. Mai 2008 nicht bekannt. Unter Berücksichtigung des Tatsache, dass ein Krankengeldanspruch für 211 Tage im Streit ist, sowie dass die Klägerin ein Bruttogehalt von fast EUR 1.900,00 bezogen hat, wird der Beschwerdewert hier in jedem Falle überschritten.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 02. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat über den 07. Oktober 2007 hinaus bis zum 15. Mai 2008 keinen Anspruch auf Krankengeld.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Das bei Entstehung des streitigen Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 12, und Urteil vom 02. November 2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 14). Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann. Bezugspunkt der Arbeitsunfähigkeit ist, wie das SG zutreffend dargelegt hat und nicht weiter im Streit steht, die Tätigkeit (Beschäftigung) der Klägerin als Produktionsmitarbeiterin an der Belegelinie in der Sichtkontrolle und an der Handverpackungslinie. Die Klägerin hatte diese Tätigkeit bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit ab dem 20. Januar 2007 in der Firma F. ausgeübt.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass die Klägerin spätestens ab dem 08. Oktober 2007 wieder in der Lage war, diese versicherungspflichtige Beschäftigung in dem arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang auszuüben. Ausgangspunkt der Arbeitsunfähigkeit ab 20. Januar 2007 war die Diagnose des Verdachts auf Grand-Mal-Anfälle als Folge einer Epilepsieerkrankung. Wegen dieser Diagnose befand sich die Klägerin in der Zeit vom 20. bis 24. Januar 2007 in stationärer Behandlung. Im Rahmen der deshalb stationär durchgeführten neurologischen Untersuchungen ergaben sich jedoch keinerlei Auffälligkeiten. Insbesondere wies das EEG keine epilepsietypischen Potentiale aus. Gleichwohl wurde eine antiepileptische Therapie durchgeführt. Für die Folgezeit hat der die Klägerin damals behandelnde Dr. E. von immer wieder auftretenden Absencen im Sinne von Bewusstseinstrübungen berichtet, die jedoch spätestens seit dem Sommer 2007 nur noch in größeren Wochenabständen auftraten. Ausweislich der Auskunft des Dr. E. gegenüber der Beklagten vom 23. August 2007 hatte die Klägerin im Juli 2007 nochmals einen Anfall erlitten. In der Zeit von Ende Juli bis Anfang September 2007 traten zwei weitere Absencen auf (Auskunft des Dr. E. vom 06. September 2007), und dann wieder Ende Oktober 2007 (Schriftsatz der Klägerin vom 15. November 2007). Am 03. Dezember 2007 war die Klägerin wegen eines erneuten Krampanfalls nochmals in der Klinik, von wo aus sie sofort wieder entlassen wurde (vgl. den Kurzbericht des Dr. We. vom 03. Dezember 2007). Für die Folgezeit berichtet die Hausärztin der Klägerin in ihrer Auskunft vom 07. Juli 2008 nur noch von einem einzigen weiteren Krampfanfall am 30. Januar 2008. Dieses Krankheitsbild stand spätestens ab 07. Oktober 2007 der Verrichtung der zuletzt bei der Firma F. ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen. Die Firma F. hat auf Nachfrage des SG klargestellt, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin sowohl an der Belegelinie in der Sitzkontrolle als auch an der Handverpackungslinie um eine sitzende Tätigkeit handelte, die mit keiner Fremd- oder Eigengefährdung verbunden war (Auskünfte vom 17. Juni 2008 und vom 21. November 2008). Die Maschinen an der Produktionslinie waren zudem so gesichert, dass die Klägerin selbst bei auftretenden Absencen dort nicht in laufende Maschinen hineingeraten konnte, weil diese ggf. sofort zum Stehen kämen (Auskunft vom 21. November 2008). Die Arbeit wies daher in ihrem Ablauf kein Gefährdungspotential auf, welches der Klägerin auch bei Auftreten von Absencen unzumutbar gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als nach den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber dem Gutachter des MDK Dr. W. am 02. Juli 2007 die Absencen im Regelfall nur wenige Sekunden anhielten. Lediglich für den (offenbar letzten) Krampfanfall der Klägerin am 30. Januar 2008 hat Hausärztin T.-K. aufgrund eigenanamnestischer Angaben der Klägerin von einem Anfall mit mehrminütiger Dauer berichtet. Insgesamt vermag der Senat daher nicht zu erkennen, dass aus der Tätigkeit in der Produktion für die Klägerin Gefahren beim Auftreten von Absencen resultierten.

Der Senat folgt dem SG aber auch darin, dass sich keine hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Tätigkeit bei der Firma F. aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen (Lärm, künstliches Licht und Stress) Auslöser für Absencen und Krampfanfälle war. Vielmehr sprechen die vom SG eingeholten Arztauskünfte sowie die weiteren sich anhand der Akten ergebenden Umstände deutlich gegen einen solchen Zusammenhang. Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 10. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass zwar die Klägerin immer wieder ihm gegenüber behauptet hat, Anfälle seien nur in Lärm- und Stresssituationen aufgetreten; er hat insoweit auch angegeben, dass dies bei sogenannten Reflexepilepsien durchaus der Fall sein kann. Gleichzeitig hat er jedoch vor dem Hintergrund dessen, dass diese Art der Erkrankung ziemlich selten ist, darauf hingewiesen, dass keinerlei auffällige neurologische Befunde bei der Klägerin nachgewiesen werden konnten. Die Auskunft des Dr. E. stützt daher den Vortrag der Klägerin nicht. Der die Klägerin seit Oktober 2007 behandelnde Psychiater und Neurologe D. hat dem SG gegenüber sogar ausdrücklich einen anderen Grund als erlebten Stress und Lärm als Auslöser für die auftretenden Anfälle benannt. Er hat angegeben, dass die Anfälle bei der Klägerin vor allem vor der Periode aufträten. Schließlich vermochte auch die Hausärztin T.-K. nicht von einem Zusammenhang von Lärm und Stress und dem Auftreten von Anfällen berichten. Ihren Angaben nach (Auskunft vom 07. Juli 2008) fand der offenbar einzige größere Krampfanfall seit dem 07. Oktober 2007 bei der Klägerin zu Hause und folglich nicht in durch die Beschäftigung bedingter stressbelasteter Umgebung statt. Auch während der von der Beklagten angenommenen Arbeitsunfähigkeit waren im Übrigen bei der Klägerin Krampfanfälle aufgetreten, umgekehrt aber war die Klägerin im Oktober 2007 eine Woche lang jeweils vier Stunden täglich wieder versuchsweise in der Produktion der Firma F. beschäftigt gewesen, ohne dass es dort zu einem erneuten Krampfanfall gekommen war. Dass die Klägerin in der Folgewoche dann nach etwas mehr als drei Stunden die Arbeit vorzeitig abgebrochen hat, kann aus Sicht des Senats schon nicht eindeutig auf eine Absence zurückgeführt werden, nachdem die Firma F. keinerlei Kenntnis von den Ursachen des vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes hatte. Die Behauptung der Klägerin über einen Zusammenhang ihrer Tätigkeit bei der Firma F. und dem Auftreten von Krampfanfällen lässt sich daher nicht belegen.

Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Firma F. vom 28. April 2008 an den KVJS zur Begründung der für erforderlich gehaltenen Kündigung der Klägerin. Auch diesem Schreiben lässt sich nicht entnehmen, dass der Klägerin ihre bisherige versicherungspflichtige Beschäftigung nicht mehr zumutbar war. Die Firma F. gibt in diesem Schreiben an, dass die Arbeit mit Lärm und künstlichem Licht und im Zusammenhang mit Produktionsumstellungen auch mit Stress für die Mitarbeiter verbunden sein kann. Sie führt dann weiter aus, dass nach der Beschreibung des Krankheitsbildes durch die Klägerin selbst und dem vorliegenden ärztlichen Attest eine Lebensgefahr für die Klägerin bestand. Hier wird der Zusammenhang der Unzumutbarkeit offenbar aus entsprechenden Schilderungen der Klägerin über einen Zusammenhang ihrer Absencen mit Lärm, Beleuchtung und Stress hergeleitet. Auch im Weiteren wird hervorgehoben, dass die Klägerin selbst sich nicht in der Lage sah, wieder ihre bisherige Tätigkeit aufzunehmen. Im Übrigen wird in dem Schreiben die erhebliche betriebliche Belastung durch den Ausfall der Klägerin in den Vordergrund gerückt. Anhand dieses Schreibens, welches im Übrigen im Zusammenhang mit einer beim KVJS zu erwirkenden Zustimmung zur Kündigung der Klägerin verfasst wurde, wird daher deutlich, dass offenbar die Klägerin selbst sich die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit bei der Firma F. nicht mehr zugetraut hat, nicht jedoch, dass sie objektiv dazu nicht mehr in der Lage war. Die vom SG eingeholten ausführlichen Stellenbeschreibungen und das Krankheitsbild der Klägerin aber sprechen - wie ausgeführt - deutlich gegen eine solche fehlende objektive Möglichkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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